OLG Hamburg: Der Hinweis „Anzeige“ genügt nicht immer, um Werbung ausreichend zu kennzeichnen

veröffentlicht am 27. November 2012

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2012, Az. 5 W 58/12
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 3 Abs. 3 UWG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass der Hinweis „Anzeige“ rechts oben auf einer als Zeitschriftencover getarnten ganzseitigen Werbung nicht zwangsläufig ausreicht, um den werbenden Charakter der Seite ausreichend erkennbar werden zu lassen. Es komme bei der Beurteilung, ob redaktionelle Beiträge und Werbung voneinander unterscheidbar seien, auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Vorliegend sei die Kennzeichnung für den Leser nicht eindeutig erkennbar oder dem Text zuzuordnen gewesen. Zitat:


„b. Bei der angegriffenen Anzeige handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung in Form einer als Zeitschriftencover getarnten Werbung.

Unstreitig ist der gesamte zusätzliche Umschlag (und damit auch die hier streitgegenständliche Vorderseite) der Zeitschrift „…“ der Ausgabe 12/2012 eine von der Fa. N. bezahlte Anzeige. Nach § 3 III UWG in Verbindung mit Anh. Ziff.11 ist eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern stets unzulässig, wenn redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt werden, der Unternehmer diese Verkaufsförderung finanziert hat und dies weder aus dem Inhalt noch aus klar erkennbaren Bildern oder Tönen eindeutig hervorgeht. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (vgl. Köhler /Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Anh. zu § 3 III Rz. 11.2). Bewertungsmaßstab hierfür ist die Auffassung eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09). Die erforderlichen Feststellungen kann der Senat insoweit selbst treffen, da seine Mitglieder zu den von der Zeitschrift „…“ angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

Bei der Subsumtion und Einschätzung der Anzeigen ist der Normzweck zu berücksichtigen. Dieser liegt in erster Linie in dem Schutz des Verbrauchers (vgl. Wortlaut des § 3 III UWG: Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.). Es ist aber anerkannte Tatsache, dass der Leser (Verbraucher) in einem redaktionellen Beitrag im Allgemeinen eine objektivkritische, nicht von gewerblichen Interessen geleitete Information einer unabhängigen und neutralen Redaktion als Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung, nicht aber eine in erster Linie von den Eigeninteressen des Werbenden geprägte Reklame erwartet. Dementsprechend misst er einem redaktionellen Beitrag, der Äußerungen über Unternehmen und deren Produkte enthält und Werbewirkung entfaltet, regelmäßig größere Beachtung und Bedeutung bei und steht ihm weniger kritisch gegenüber, als wenn es sich um werbende Äußerungen des Unternehmens selbst handelt. Soweit eine bezahlte Werbeanzeige durch die (irreführende) Verwendung von Gestaltungsmitteln, wie sie bei redaktionellen Beiträge üblich sind, nicht klar und eindeutig ihren Werbecharakter erkennbar macht, muss daher zur Verhinderung einer Irreführung des Verbrauchers und zur Absicherung des Trennungsprinzips von Werbung und redaktionellen Beiträgen der Hinweis auf den Werbecharakter mit dem deutlich erkennbaren Wort „Anzeige“ erfolgen (vgl. Köhler/Bornkamm a. a. O. Rz. 3.20; § 10 Hamburgisches PresseG; vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der angegriffenen Vorderseite des zusätzlichen Umschlages um eine unzulässige, als Cover getarnte Werbung; der hier vorhandene Hinweis „Anzeige“ rechts oben auf der Seite reicht – unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände – nicht aus, um die erforderliche eindeutige Erkennbarkeit des werbenden Charakters zu bewirken:

Die Covergestaltung des zusätzlichen Umschlages erscheint schon nach ihrer Aufmachung als ein Beitrag der Redaktion selbst. Die Gestaltung weist die typischen Merkmale des Covers der Zeitschrift … auf: Am oberen Rand befindet sich ein rotes Band, in dem sich die Ausgabennummer und der relevante Zeitraum befindet. Ferner weist in der linken oberen Ecke ein blaues Dreieck mit textlichem Bezug auf die B. M. Group auf die Antragsgegnerin hin, zudem befindet sich das Logo der Zeitschrift an seiner üblichen Platzierung. Blickfang ist eine junge, attraktive Frau, die einen gespannten Bogen in der Hand hält und den Leser zu betrachten scheint. Am unteren Rand sind weitere Bildmotive abgedruckt, wie sie auch bei anderen Covergestaltungen üblich sind, ebenso wie die in rotem Fettdruck aufgemachten Gewinnhinweise. Aufgrund des Textinhaltes „Rekord- Jackpot mit bis zu 32* Millionen €“, erschließt sich dem Leser nicht zwingend, dass es sich hierbei um eine Werbung der N.. handelt, denn auch Zeitschriften führen Gewinnspiele für Leser durch und werben damit auf ihren Titelseiten. Der Hinweis auf die N.. im Fließtext, „Die N. feiert 400 Jahre Staatslotterie, feiern sie mit!“, weist ebenfalls nicht eindeutig darauf hin, dass es sich bei der als Cover gestalteten Anzeige um Werbung handelt, denn der Unternehmensname N.. wird gerade nicht, wie für Werbung typisch, deutlich hervorgehoben. Der Firmenname N.. ist vielmehr in einen Satz eingebettet, der auch als Hinweis auf einen positiven Beitrag über das Unternehmen N.. verstanden werden kann.

Der Hinweis „Anzeige“ rechts oben auf der Seite ist jedenfalls im Lichte der nach den vorstehenden Ausführungen als redaktioneller Beitrag aufgemachten Seite nicht ausreichend, um die erforderliche eindeutige Erkennbarkeit des werbenden Charakters zu bewirken. Eine formale Kennzeichnung des Textes als Anzeige reicht nach der Rechtsprechung dann nicht aus, wenn der Leser sie übersieht oder jedenfalls nicht dem Text zuordnet (OLG Frankfurt WRP 2010, 156, 159.). Angesichts der nahezu identischen Aufmachung der Werbung als Cover der Zeitschrift … hält der Senat es für überwiegend wahrscheinlich, dass der Anzeigenhinweis von maßgeblichen Teilen des angesprochenen Verkehrs übersehen wird, obwohl dieser in gut lesbarer Schrift auf der Vorderseite steht. Gleichwohl wird dieser Hinweis leicht übersehen, weil die Aufmachung der übrigen Seite mehrere Blickfänge (Frauenmotiv, Goldbarren, Kreuzfahrtschiff, Villa, Insel) enthält, die die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen und der Leser am oberen rechten Rand einer Zeitschrift üblicherweise nur Informationen von nachrangiger Bedeutung (z. B. Ausgabennummer und Zeitraum) erwartet. Der Leser, der die Zeitschrift … bereits kennt, nimmt den oberen Bereich mit dem aufklärenden Hinweis Anzeige erst gar nicht in näheren Augenschein, da er nach der Gesamtaufmachung der Seite als Cover dort nur die Angabe des ihm bekannten Zeitschriftenpreises erwartet.“

Der Einschätzung des Landgerichts, nach der es an einer Verschleierung des Werbecharakters fehle, weil der Leser spätestens beim Durchblättern der Zeitschrift auf den Anzeigehinweis aufmerksam werde, da dem scheinbaren Cover ein weiteres folge und er dann die erste Seite einer eingehenderen Prüfung unterziehen werde, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn die Einschätzung des Landgerichts setzt die Annahme voraus, dass der Leser eine Zeitschrift Seite für Seite von vorn nach hinten durchblättert. Diese Annahme trifft indes nicht für alle Leser zu. Maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs nehmen eine Zeitschrift mittig auseinander und lassen die mit einer Hand erfassten Seiten, wie bei einem Daumenkino, in schneller Abfolge durchlaufen, um bei einem Artikel zu stoppen, der ihr besonderes Interesse weckt. Auf die doppelt vorhandenen Cover werden diese Leser nicht aufmerksam und haben daher auch keinen Anlass, die zusätzliche Umschlagsseite eingehender zu betrachten. Diese Feststellungen können die Mitglieder des Senats – wie bereits oben ausgeführt – als Teile des angesprochenen Verkehrs aus eigener Sachkunde treffen.“

Auf die Entscheidung hingewiesen hat die Kanzlei Prof. Schweizer (hier).

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