OLG Hamburg: Der Onlinehändler haftet für die fehlerhaften Preisangaben einer fremden Suchmaschine

veröffentlicht am 8. Dezember 2008

OLG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2006, Az. 3 W 153/06
§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 7 und 8 PAngV, § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG

Das OLG Hamburg hat in diesem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Anzeige einer Ware zum Verkauf ein Anbieten im Sinne von § 1 Preisangabenverordnung (PAngV) darstellt. Zeigen die Ergebnisse der jeweiligen Preissuchmaschine Preisbestandteile nicht an (hier: Liefer- und Versandkosten) hat sich der Onlinehändler dies wie ein eigenes (fehlerhaftes) Preisangebot zurechnen zu lassen.


Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss

In dem Rechtsstreit

gegen

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3.Zivilsenat, am 27.11.2006 durch …:

1.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 17.08.2006 abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens  250.000,00 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Werbung für Fernabsatzverträge unter Angabe von Preisen zu werben, ohne in einer der Preisangabe unmittelbar räumlich zugeordneten oder anderweitig hervorgehobenen Weise darauf hinzuweisen, ob und gg. in welcher Höhe zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen, wie unter … am 28.07.2006 geschehen.

2.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beschwerdewert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt
.

Tatbestand
(Vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV erfüllt.

Nach dieser Norm hat derjenige, der gewerbs- oder geschäftsmäßig Letztverbrauchern Waren unter Angabe von Preisen anbietet, zusätzlich zu den Endpreisen anzugeben, ob zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen. Bei dem von der Antragsgegnerin in die Suchmaschine … eingestellten und mit einem Preis versehenen Hinweis auf die Bezugsmöglichkeit der Digitalcamera C … handelt es sich um ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift. Denn der Begriff des „Angebots“ umfasst jede Erklärung eines Unternehmens, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot verstanden wird (Hefermehl/Bornkamm/Köhler, 24. Aufl./2006, Rz. 8 zu § 1 PAngV).

Dazu kommt es allein darauf an, ob die Ankündigung ihrem Inhalt nach so konkret gefasst ist, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zulässt (Hefermehl/Bornkamm/Köhler, a. a. O. ). Das ist hier der Fall, denn ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen bedarf es nicht, um das Kaufgeschäft zum Abschluss zu bringen. Damit ist der Tatbestand aus § 1 Abs. 2, Nr. 2 PAngV erfüllt, denn der angegebene Preis enthält die Versandkosten nicht und auch sonst findet sich in dem Angebot kein Hinweis darauf, dass solche Kosten anfallen werden.

Darauf, welche Erwartungshaltungen der Verkehr hinsichtlich solcher Kosten im Versandhandel hat und darauf, dass auf der für eine Bestellung vorgesehenen Seite der Antragsgegnerin, die auf Anklicken der erkennbar mit einem Link unterlegten Produktbezeichnung erreicht wird, auch auf die Versandkosten hingewiesen wird (siehe das Produktinformationsblatt in der Anlage zur Schutzschrift), kommt es für die Verwirklichung des Tatbestandes der Norm nicht an.

Auch der Hinweis auf die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH vom 05.10.2005 (VIII ZR 382/04), nach der der Verbraucher mit solch zusätzlichen Kosten im Versandhandel rechne, führt hier nicht weiter, denn die Entscheidung ist zu den anders aufgebauten Tatbeständen von § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 7 und 8 BGB-InfoV ergangen. Nach diesen Vorschriften hat der Unternehmer nämlich nur rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers die vorgeschriebenen I nformationen zu geben, während die Preisangabenverordnung vorsieht, dass die Angaben dem Angebot eindeutig zuzuordnen sein müssen, § 1 Abs. 6 PAngV.

Eine dem angegebenen Preis eindeutig zugeordneter Hinweis ist hier nicht gegeben. Und dies wäre – und dazu kann der Senat auf die strikte Rechtsprechung des 5. ZS dieses Hauses verweisen – selbst dann nicht der Fall, wenn an dem Preis selbst sogar ein Sternchen angebracht wäre, das auf derselben Bildschirmseite allerdings nicht aufgelöst wird (Hans. OLG Magazindienst 2005, 385 – Internethandel- Versandkosten; siehe auch Hans. OLG Magazindienst 2005, 1197 – TFT-Display).

Es reicht also keinesfalls aus, wenn sich der Hinweis – wie hier – erst auf einer Seite befindet, die der Interessent vor Tätigung einer Bestellung notwendigerweise aufrufen muss. Der Verstoß gegen § 1 PAngV begründet den Vorwurf unlauteren Handelns im Wettbewerb im Sinne von § 3 UWG, denn die genannte Norm bezweckt auch, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG.

Die unlautere Wettbewerbshandlung ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen.

Dies ist in jüngster Zeit im Falle einer fehlenden Grundpreisangabe nach § 2 Abs. 1 PAngV bei dem Angebot von Kaffee in Packungen ä 250 gr. bzw. Kaffeepads in Packungen ä 130 gr. zwar mit beachtlichen Gründen abgelehnt worden (OLG Koblenz Urteil v. 25.04.2006 – 4 U 1219/05).

Der Senat folgt dem aber für die hier streitige Konstellation nicht. Denn hier ist die Preisangabe ohne einen dem Angebot unmittelbar zugeordneten Hinweis auf die entstehenden Versandkosten auch noch geeignet, einen verständigen Durchschnittsverbraucher, der das Angebot in der Suchmaschine mit situationsadäquater Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt, über den vom ihm zu zahlenden Gesamtpreis in die Irre zu führen.

Ein normal informierter Verbraucher ist es aufgrund der Angebote rechtstreuen Wettbewerber nämlich gewohnt, in unmittelbaren Zusammenhang mit dem angegeben Endpreis einen Hinweis auf das Hinzukommen von Versandkosten zu finden.

Er wird also bei Angabe des Endpreises ohne Hinweis auf zusätzliche Versandkosten davon ausgehen, dass solche Kosten nicht anfallen werden. Die erst auf der nach Anklicken der Produktseite gegeben Aufklärung erfolgt zu spät, denn der Irrtumstatbestand ist schon erfüllt, wenn der Verbraucher sich durch die Preisangabe veranlasst sieht, auf die Seite mit den Produktinformationen zu klicken. Der Senat schließt aus der BGH -Entscheidung „Fernflugpreise“ (WRP 2001, 1301), dass es bei Verstößen gegen die Preisangabeverordnung für die Feststellung des Tatbestandes einer Wettbewerbshandlung als geeignet, den Wettbewerb mehr als nur unwesentlich zu beeinträchtigen, auf den damit einhergehenden Tatbestand der Irreführung wesentlich ankommt (BGH a.a.O., S. 1304) und weiter auch auf die hier ebenfalls gegebene Erschwerung der Möglichkeit des Preisvergleichs (BGH a.a.O., S 1305).

Schließlich – und auch dies ist ein Gesichtspunkt, auf den der BGH (a.a.O., S. 1304) wesentlich abstellt – ist auch hier von Bedeutung, dass diejenigen Wettbewerber, die sich an die vorgeschriebene Form der Preisangabe halten, durch den beanstandeten Verstoß gegen die Preisangabenverordnung um so mehr beeinträchtigt werden, je häufiger solche Verstöße sind.

Denn herausgestellte Endpreise werden auf den ersten Blick umso weniger werbewirksam sein, je mehr der Verkehr daran gewöhnt ist, dass mir dieser Preisangabe noch nicht der Endpreis genannt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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