OLG Hamburg: Die bloße Idee eines Werkes unterliegt keinem urheberrechtlichen Schutz

veröffentlicht am 11. Januar 2013

OLG Hamburg, Urteil vom 17.10.2012, Az. 5 U 166/11
§§ 97 Abs. 1 UrhG, § 16 UrhG, § 17 UrhG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass keine Verletzung des Urheberrechts vorliegt, wenn Idee und Thema einer bestehenden Fotocollage einer Werbeagentur für die Erstellung einer neuen Collage übernommen werden. Bei ausreichendem Abstand zum Originalwerk sei von einer freien Benutzung auszugehen. Nach den Umständen des Einzelfalls ist hier von einer verletzenden Werksübernahme abzugrenzen. Zitat aus den Gründen:

„2. Die Klägerin besitzt keine Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 97 II UrhG wegen einer Rechtsverletzung im Sinne von §§ 97 I, 16, 17 UrhG. Sie besitzt auch keinen hierauf gerichteten Auskunftsanspruch nach §§ 101 I UrhG, 242 BGB.

a. Mit gutem Grund zweifelt das Landgericht bereits daran, dass die Montagen, hinsichtlich derer sich die Klägerin für urheberrechtlich nutzungsberechtigt hält, die erforderliche Schöpfungshöhe besitzen. Unzweifelhaft sollen diese Montagen bzw. ihre Entwürfe einem bestimmten, dem Interesse des Beklagten als gemeinnützigen Verein und Hilfsorganisation entsprechenden Zweck dienen. Aufgrund dieser Zweckgebundenheit könnten diese Montagen allenfalls dann als Werke der angewandten Kunst nach § 2 I Nr. 4, II UrhG anzuerkennen sein, wenn sie über den hierfür erforderlichen Grad der Schöpfungshöhe, d. h. den erforderlichen Grad der Individualität verfügen würden(vgl. hierzu Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rdn. 29; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage, § 2 Rdn. 139 ff.). Selbst wenn den Klagemustern dieser zu fordernde Grad der Schöpfungshöhe im Hinblick auf die gewählte Gestaltung noch zugebilligt werden sollte, wäre dieser Grad der Individualität auch nach Auffassung des Senates aber als eher nur gering einzustufen. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass mit den Klagemustern jeweils schwarz/weiße Fotos von Menschen, die sich offenbar in einer Notsituation befinden, mit dem Foto einer roten Notbremse mit dem Namen und dem Signet des Beklagten sowie der Angabe des Spendenkontos des Beklagten verbunden worden sind, wobei durch Schattenwurf speziell des Griffteiles der Notbremse der Eindruck beim Betrachter hervorgerufen wird, dass diese auf das Foto der Menschen – aufgesetzt – worden ist. Während die Idee einer solchen Verbindung von 2 Fotos in dem gewählten Zusammenhang als überzeugend erscheint, ist die Form der Gestaltung dieser Verbindung jeweils eines schwarz/weißen Fotos von Menschen mit einem Foto einer roten Notbremse, die für die Frage, ob Werkcharakter vorliegt, maßgeblich wäre, als eher naheliegend einzuordnen. Der in der jeweils gewählten Gestaltung ersichtliche Schattenwurf, der zu der Betonung und Heraushebung der abgebildeten Notbremse führt, fällt erst bei näherer Betrachtung auf, und begründet allenfalls eine nur geringe Eigenartigkeit der als Klagemuster vorgelegten Gestaltungen.

b. Die für ein Werk der angewandten Kunst erforderliche Schöpfungshöhe zugunsten der Klägerin aber unterstellt, sind gleichwohl die geltend gemachten Ansprüche zu verneinen, da die Gestaltung des Beklagten, die Verletzungsform, in freier Benutzung des geschützten Werkes geschaffen worden ist (§ 24 I UrhG).

[…]

bb. Sicherlich ist unbestreitbar, dass in dem Bild des Beklagten, der Verletzungsform, sich die Idee und das Thema des älteren Werks wiederfindet. Da die Idee und das Thema eines Werkes aber urheberrechtlich nicht geschützt sind, kann auf diesen Umstand eine Rechtsverletzung im Sinne von § 97 I UrhG nicht gestützt werden. Ähnlich wie bei dem benutzten älteren Werk der Klägerin ist bei dem Bild des Beklagten ein Foto und ein darauf – aufgesetztes – Foto eines Feuermelders erkennbar. Hierin erschöpfen sich aber bereits die zwischen dem älteren Bild der Klägerin und dem neueren Werk des Beklagten bestehenden Gemeinsamkeiten. Im Gegensatz zum benutzten Werk bildet bei dem Verletzungsmuster, soweit dieses auf der von der Klägerin eingereichten Anlage K 7 überhaupt erkennbar wird, eine Fotografie den Hintergrund, auf welcher eine größere Menschenmenge in farblicher Ausgestaltung gezeigt wird. Im Vordergrund dieser Fotografie ist – ebenfalls farblich gezeigt – deutlich ein Junge abgebildet. Weiterhin ist neben diesem Jungen die Abbildung eines roten Feuermelders zu sehen, welcher optisch durch einen seitlichen schmalen Schattenwurf wie aufgesetzt erscheint. Der Name des Beklagten erscheint nicht wie bei den Klagemustern auf dem Notsignal, sondern in farblicher hervorgehobener, prägender Stellung in der rechten oberen Ecke. Dort ist auch das farbig dargestellte Signet des Beklagten zu erkennen so wie offenbar noch weitere, auf der Anlage K 7 nicht lesbare Angaben. Ähnlich wie bei den Klagemustern ist in Anbetracht der gezeigten bildlichen und letztlich austauschbaren Versatzstücke der Grad der Individualität als eher gering einzustufen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass – wie oben gezeigt – bei den älteren Werken der Klägerin und dem Werk des Beklagten in ähnlicher Weise allenfalls eine geringe Schöpfungshöhe festzustellen ist, gewinnen die gezeigten erheblichen Unterschiede in der Ausgestaltung der gegenüber stehenden Muster an Bedeutung. Diese sind im Gesamteindruck für den für Kunst empfänglichen Durchschnittsbetrachter (vgl. Schricker/Loewenheim a. a. O. § 2 Rdn. 139) derart deutlich, dass selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes die die geringe Individualität begründenden Eigenarten der Klagemuster hinter den mit dem Bild des Beklagten gewählten Eigenarten im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung verblassen. Der Betrachter wird nach Auffassung des Senates beim Betrachten des Bildes des Beklagten auch nicht an die Entwürfe der Klägerin erinnert, da die Darstellungen trotz gewisser Ähnlichkeiten deutlich unterschiedlich sind. Nach Auffassung des Senates ist somit in Übereinstimmung mit dem Landgericht daher eine freie Benutzung im Sinne von § 24 I UrhG zu bejahen.“

Auf das Urteil hingewiesen hat rechtambild.de (hier).

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