OLG Hamburg, Urteil vom 27.02.2025, Az. 5 U 30/24
§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 13 UKlaG, Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Onlinehändler nicht verpflichtet ist, Kunden einen sog. Gastzugang bereitzustellen. Dass die Kunden in der Folge gezwungen sind, einen ordentlichen Kundenkonto anzulegen, sei dann nicht wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, wenn die insoweit erhobenen Daten im Umfang maßvoll seien. Der klagende Verbraucherverband hatte verlangt, dass der Onlinehändler es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern unterlässt, Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel auf seiner Website anzubieten, ohne Verbrauchern einen Gastzugang, also einen Zugang, der auf eine dauerhafte Registrierung unter Angabe von Registrierungsdaten verzichtet und über den nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten der Verbraucher erfasst werden, für die Bestellung bereitzustellen. Zum Volltext der Entscheidung:
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Urteil
…
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.02.2024, Az. 327 O 250/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Der Kläger macht gegen die Beklagte lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche zum einen wegen fehlender Bereitstellung eines sog. Gastzugangs zur Bestellung im Onlinehandel und zum anderen wegen der werblichen Verwendung personenbezogener Daten geltend. Daneben begehrt sie die Erstattung vorgerichtlich entstandener Kosten.
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Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Wahrnehmung kollektiver Verbraucherinteressen. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von § 4 UKlaG beim Bundesamt für Justiz eingetragen (vgl. Anlage K 1).
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Die Beklagte ist ein Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Unter der URL www…….de betreibt sie einen Online-Marktplatz unter anderem für Bekleidung. Auf diesem Marktplatz bieten sowohl die Beklagte selbst als auch andere Händler (sog. Dritthändler) Waren zum Kauf an. Zum Zeitpunkt der Klageerwiderung waren bereits über 5.500 Dritthändler auf dem Marktplatz aktiv.
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Ausweislich der Datenschutzerklärung der Beklagten, Stand September 2022 (Anlage K 2), ist diese die datenschutzrechtlich Verantwortliche für Verkäufe auf „……de“, soweit der Verkauf nicht durch einen Händler/Partner im Rahmen des Marktplatzes durchgeführt wird. Für Daten, die in einem Kundenkonto gespeichert sind, ist die Beklagte danach ausschließlich verantwortlich. Auf der Webseite der Beklagten können Verbraucher lediglich nach Anlegung eines Kundenkontos Waren bestellen. Bei der Registrierung müssen die Nutzer folgende Datenkategorien angeben: Anrede (aktuell: Frau, Herr, Keine Angabe), Vorname, Nachname, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum und Passwort. Die Beklagte stellt Verbrauchern keinen sog. Gastzugang bereit, um eine Bestellung durchzuführen.
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Im Abschnitt 3.2. Datenverarbeitung zu Werbezwecken (ohne Cookies / Trackingdaten) der Datenschutzinformationen der Beklagten für die Website www…….de/…..-App, Stand September 2022 (Anlage K 2), heißt es in Ziffer 3.2.1.:
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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der von den Parteien in erster Instanz verfolgten Anträge sowie der vom Landgericht Hamburg getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil vom 22.02.2024 (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) Bezug genommen. Das Landgericht Hamburg hat die Klage unter anderem gestützt auf eine vom Gericht eingeholte amtliche Auskunft des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) vom 14.11.2023 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
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Mit seiner Berufung möchte der Kläger weiterhin seine erstinstanzlich zuletzt verfolgten Anträge durchsetzen. Er macht unter Klarstellung seines Begehrens geltend, dass die Entscheidung des Landgerichts keinen Bestand haben könne.
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Bei der fehlerhaften Abweisung des Klageantrags zu 1.a) lasse das Landgericht die zwingende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vollständig außer Acht und wende die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorschriften in der Folge fehlerhaft an. Er, der Kläger, habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 13 UKlaG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Indem die Beklagte keinen alternativen Gastzugang zur Bestellung im Onlinehandel auf ihrer Webseite anbiete, verstoße sie gegen den Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO und zudem gegen die Pflicht zu datenschutzfreundlichen Voreinstellungen aus Art. 25 Abs. 2 DSGVO. Die Pflicht zur Erstellung eines fortlaufenden Kundenkontos für die Bestellung im Onlinehandel auf der Webseite der Beklagten sei nicht erforderlich im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Die Einrichtung eines fortlaufenden Kundenkontos mit Erhebung der streitgegenständlichen Daten sei zur Abwicklung einer Online-Bestellung ganz offensichtlich nicht objektiv unerlässlich. Zudem kläre die Beklagte im Rahmen des Bestellvorgangs nicht hinreichend deutlich über Zweck und Inhalt des Kundenkontos auf. Ebenso wenig ergebe sich eine Erforderlichkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Die zwangsweise Anlegung eines Kundenkontos sei auch für die Betrugsprävention nicht erforderlich. Hierzu macht der Kläger jeweils weitere Ausführungen. Er meint, dass die vom HmbBfDI vertretene Auffassung, auf die sich das Landgericht in weiten Teilen gestützt habe, in jeder Hinsicht fehlerhaft sei.
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Ebenso habe das Landgericht den Klageantrag zu 1.b) zu Unrecht abgewiesen. Tatsächlich könne sich die Beklagte auf keinen Rechtfertigungstatbestand für die Personalisierung von Werbemitteln berufen. Er, der Kläger, habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 13 UKlaG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a) und Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG für Bestandskundenwerbung sei vom beantragten Verbot nicht umfasst. Datenverarbeitungsvorgänge, die der Verarbeitung der E-Mail-Adressen von Bestandskunden zum Versand von Werbung vorgelagert seien, unterfielen dem Regime der DSGVO. Damit könne der Antrag zu 1.b) den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG und damit erlaubtes Verhalten schon nicht umfassen. Zudem sei diese Vorschrift eng auszulegen. Ein umfassendes Profiling i.S.d. Art. 4 DSGVO sei nicht mehr von der „Personalisierung“ zur Bestandskundenwerbung umfasst. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO sei nicht einschlägig. Die Datenverarbeitungspraxis der Beklagten scheitere auch hier spätestens an der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorzunehmenden Interessenabwägung. Die Beklagte sei ihrer Beweislast, dass die von ihr durchgeführte Datenverarbeitung rechtmäßig sei, nicht nachgekommen. Andere Rechtsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO stützen.
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Nach allem sei auch der Klageantrag zu 2. fehlerhaft abgewiesen worden. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ergebe sich aus § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.
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Eine Aussetzung analog § 148 ZPO aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs in der Sache App-Zentrum-II (Az. I ZR 186/17) komme aufgrund fehlender Vorgreiflichkeit nicht in Betracht.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 22.02.2024 unter dem Az.: 327 O 250/22
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1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern
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a) Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel auf ihrer Website www…….de anzubieten,
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ohne Verbrauchern einen Gastzugang, also einen Zugang, der auf eine dauerhafte Registrierung unter Angabe von Registrierungsdaten verzichtet und über den nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten der Verbraucher erfasst werden,
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für die Bestellung bereitzustellen, wenn dies erfolgt wie nachfolgend dargestellt:
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b) personenbezogene Daten aus der Vertrags- und/oder Bestellhistorie des fortlaufenden Kundenkontos, das von Verbrauchern zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen des Onlinehandels auf ihrer Website www…….de angelegt wird, für die Personalisierung von Werbemitteln zu verwenden, ohne eine informierte Einwilligung der Verbraucher einzuholen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2 unter der Ziff. 3.2.1 dargestellt.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 260,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 17.08.2022 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.02.2024 (Az. 327 O 250/22) zurückzuweisen,
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hilfsweise für den Fall, dass der Senat die Berufung im Hinblick auf den Antrag zu 1.b) – wider Erwarten – für begründet erachtet,
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den Rechtsstreit für den Antrag zu 1.b) gemäß § 148 Abs. 1 ZPO analog bis zur erneuten Entscheidung des EuGH in Sachen Meta Platforms Ireland Limited (Irland) (vormals Facebook Ireland Limited) gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (Deutschland) (I ZR 186/17) auszusetzen.
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Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie trägt zum klägerischen Berufungsvorbringen ergänzend vor, dass das Landgericht keine relevante Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unberücksichtigt gelassen habe. Das Landgericht habe sich bei seiner Entscheidung zum Antrag zu 1.a) auch ohne weiteres auf die Ansicht des für sie, die Beklagte, zuständigen HmbBfDI stützen können, da dessen Ausführungen weder fehlerhaft seien noch im Widerspruch zu einschlägigen Hinweisen der deutschen Datenschutzkonferenz (DSK) stünden. Auch den Antrag zu 1.b) habe das Landgericht zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger habe ausweislich seines Antrags ein Verbot von Datenverarbeitung zum Zwecke ausdrücklich nach § 7 Abs. 3 UWG erlaubter Direktwerbung verlangt. Dieses Begehren stehe mit den Vorgaben der DSK in Widerspruch. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Konkreten Vortrag zu angeblichen Verstößen bleibe der Kläger auch in der Berufungsinstanz schuldig.
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Die Beklagte meint, der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers unter anderem zu Online-Ticket-Shops und zum Marktplatz E. sei schon nicht berücksichtigungsfähig (§ 531 Abs. 2 ZPO). Der Vortrag werde zudem bestritten. Eine Vergleichbarkeit mit ihrem hybriden Marktplatz bestehe nicht. Ebenso sei die erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte Rüge des Berufungsklägers, die Beklagte kläre nicht hinreichend über den Zweck und Inhalt des Kundenkontos auf, nicht berücksichtigungsfähig, da kein Grund für die Zulassung neuen Vorbringens vorliege (§ 531 Abs. 2 ZPO). Tatsächlich informiere sie unter www…….de auch umfassend über das Kundenkonto und den Schutz der Daten im Kundenkonto.
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Abgesehen vom Passwort müssten sämtliche Datenkategorien, die sie bei der Registrierung erhebe, auch dann erhoben werden, wenn Bestellungen über einen Gastzugang erfolgen würden. Das Kundenkonto habe für den Nutzer mehrere Vorteile. Hierzu macht die Beklagte jeweils weitere Ausführungen. Der HmbBfDI habe ausdrücklich festgestellt, dass die aktuelle Gestaltung des Bestellvorgangs auf ihrem Marktplatz, d.h. ohne Gastzugang, nicht zu beanstanden und die Einrichtung eines Gastzugangs nicht erforderlich sei.
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Die Beklagte trägt weiterhin vor, dass die Klage allerdings aufgrund der Unbestimmtheit der Klageanträge bereits unzulässig sei. Die im Antrag zu 1.a) in Bezug genommenen Abbildungen verbildlichten einen Teil des aktuellen Bestellprozesses, zeigten jedoch nicht die konkrete Verletzungsform. Der Antrag sei jedenfalls auch zu weit gefasst. Er verbiete auch gesetzlich erlaubte Datenverarbeitungen. Schlechthin unbestimmt sei der Antrag zu 1.b). Es werde nicht deutlich, welches Verhalten ihr verboten werden solle. Der Antrag nehme auch weiterhin nicht auf die konkrete Verletzungsform, sondern nur auf eine Klausel in den Datenschutzbestimmungen Bezug. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Die Grundsätze der Datensparsamkeit nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO und der Datenminimierung gemäß Art. 25 Abs. 2 DSGVO seien keine Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG. Jedenfalls liege kein wettbewerbswidriges Verhalten gemäß § 3a UWG vor. Die Datenerhebung im Zusammenhang mit der Registrierung sei insgesamt erforderlich. Auch mit dem Antrag zu 1.b) wolle der Kläger gesetzlich ausdrücklich erlaubte Verhaltensweisen untersagen lassen. Die ursprünglich enthaltene Einschränkung des Antrags im Hinblick auf nach § 7 Abs. 3 UWG notwendige Verarbeitungsmaßnahmen sei vom Kläger gestrichen worden. Er begehre ein Pauschalverbot, welches mit dem gesetzlichen Leitbild der Einzelfallabwägung unvereinbar sei. Dabei gebe es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine über den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 3 UWG hinausgehende Datenverarbeitung. Der Antrag zu 2) sei danach ebenfalls unbegründet.
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Sollte der Senat davon ausgehen, dass die Berufung im Hinblick auf den Klageantrag zu 1.b) begründet sei, müsse der Rechtsstreit insoweit bis zur erneuten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Meta Platforms Ireland Limited gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. ausgesetzt werden. Denn diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei vorgreiflich für den Antrag zu 1.b), da der Kläger seine Klagebefugnis auf § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 (jetzt: Nr. 13) UKlaG stütze und mit dem Antrag zu 1.b) auch die Verletzung von Informationspflichten geltend mache.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2025 Bezug genommen. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erschienen. Ihm ist Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme gegeben worden. Die Schriftsätze der Parteien vom 14.02. und 18.02.2025 haben vorgelegen.
II.
Randnummer30
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Randnummer31
1. Die Klage ist, wie bereits vom Landgericht Hamburg in der angefochtenen Entscheidung angenommen, vollen Umfangs zulässig.
Randnummer32
a. Die Klagebefugnis des Klägers, die hier Prozessvoraussetzung ist (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 8 UWG Rn. 3.12), folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG bzw. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG. Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von § 4 UKlaG beim Bundesamt für Justiz eingetragen (vgl. Anlage K 1, dort Nr. 63).
Randnummer33
b. Daneben sind insbesondere auch die beiden auf Unterlassung gerichteten Klage- bzw. Berufungsanträge zu 1.a) und b) noch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Randnummer34
aa. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (stRspr; BGH GRUR 2022, 1163, 1164 Rn. 20 – Grundpreisangabe im Internet; BGH GRUR 2024, 1129, 1131 Rn. 16 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht III).
Randnummer35
Der Streitgegenstand wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH GRUR 2022, 1163, 1165 Rn. 21 – Grundpreisangabe im Internet, m.w.N.). Richtet sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform wie beispielsweise eine Werbeanzeige, so ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH GRUR 2022, 1163, 1165 Rn. 21 – Grundpreisangabe im Internet, m.w.N.). Der Streitgegenstand umfasst dann grundsätzlich alle Beanstandungen, zu der die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann (BGH GRUR 2022, 1163, 1165 Rn. 21 – Grundpreisangabe im Internet, m.w.N.). Der Kläger ist dabei gehalten, substantiiert diejenigen Aspekte darzulegen, auf die er seinen Klageangriff stützen will (BGH GRUR 2022, 1163, 1165 Rn. 21 – Grundpreisangabe im Internet, m.w.N.).
Randnummer36
bb. Im vorliegenden Fall ist der vom Kläger im Klage- bzw. Berufungsantrag zu 1.a) verwendete Begriff eines „Gastzugangs“ selbst zwar wenig präzise. Indes hat der Kläger diesen Begriff durch die nachfolgende nähere Bestimmung, nämlich „einen Zugang, der auf eine dauerhafte Registrierung unter Angabe von Registrierungsdaten verzichtet und über den nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten der Verbraucher erfasst werden“, konkretisiert. Des Weiteren hat sich der Kläger in diesem Antrag als konkrete Verletzungsform auf zwei Abbildungen zum Anlegen eines Kundenkontos bei der Beklagten bezogen. Damit wird unter Einbeziehung der Klage- und auch der Berufungsbegründung hinreichend klar, worum es dem Kläger nach diesem auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) und c) DSGVO Bezug nehmenden Unterlassungsantrag geht: Um das Verbot eines Angebots von Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel ohne Bereitstellung eines Zugangs für die Bestellung ohne die angeblich dauerhafte Erfassung von Datensätzen unter Einbeziehung von Telefonnummer, Geburtsdatum und Passwort. Die Richtigkeit dieses Antragsverständnisses hat die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
Randnummer37
Soweit die Parteien darüber streiten, ob es vorliegend überhaupt zur „dauerhaften“ Erfassung von Datensätzen kommt und ob auch das berechtigte Interesse der Beklagten gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung begründet, handelt es sich um Gesichtspunkte der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit des vom Kläger verfolgten Antrags zu 1.a). In diesem Zusammenhang macht die Beklagte gerade geltend, dass abgesehen vom Passwort sämtliche Datenkategorien, die sie bei der Registrierung erhebe, auch dann erhoben werden müssten, wenn Bestellungen über einen Gastzugang erfolgen würden.
Randnummer38
cc. Ebenso ist der Klage- bzw. Berufungsantrag zu 1.b) noch hinreichend bestimmt. Dem Kläger geht es um das Verbot, personenbezogene Daten aus der Vertrags- und/oder Bestellhistorie des fortlaufenden Kundenkontos, das von Verbrauchern zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen des Onlinehandels auf der Webseite www…….de der Beklagten angelegt wird, für die Personalisierung von Werbemitteln zu verwenden, ohne eine informierte Einwilligung der Verbraucher einzuholen. Ergänzend hat der Kläger zum einen ausgeführt, dass eine Direktwerbung unter Beachtung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG von diesem Antrag nicht erfasst werden soll. Zum anderen nimmt der Antrag zu 1.b) selbst auf eine Klausel in den Datenschutzinformationen der Beklagten Bezug.
Randnummer39
Das Landgericht Hamburg hat insoweit zutreffend zugrunde gelegt, dass der Kläger damit in zulässiger Weise die „Erstbegehungsgefahr eines konkreten Verhaltens der Beklagten gemäß Ziff. 3.2.1 ihrer Datenschutzerklärung“ zum Streitgegenstand gemacht hat. Der Antrag zu 1.b) richtet sich nicht gegen die konkrete Fassung der Ziffer 3.2.1. der Datenschutzinformationen der Beklagten, wie zwischenzeitlich allerdings wohl die Beklagte angenommen hat. Es geht nach diesem Antrag vielmehr um das vom Kläger begehrte Verbot eines umfassenden Profiling im Sinne des Art. 4 Nr. 4 DSGVO. Die Richtigkeit auch dieses Antragsverständnisses hat die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
Randnummer40
2. In der Sache ist die Klage jedoch, wie bereits vom Landgericht Hamburg zutreffend entschieden, vollen Umfangs unbegründet. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Parteien gibt lediglich Anlass für folgende Präzisierungen und Ergänzungen:
Randnummer41
a. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit dem Antrag zu 1.a) im Berufungsrechtszug geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 13 UKlaG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO nicht feststellbar zu. Denn der Kläger kann von der Beklagten nicht mit Erfolg verlangen, es gemäß dem gestellten Antrag im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu unterlassen, Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel auf ihrer Website www…….de anzubieten, ohne Verbrauchern einen Gastzugang, also einen Zugang, der auf eine dauerhafte Registrierung unter Angabe von Registrierungsdaten verzichtet und über den nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten der Verbraucher erfasst werden, für die Bestellung bereitzustellen, wenn dies erfolgt wie im Antrag zu 1.a) nachfolgend dargestellt.
Randnummer42
aa. Der Antrag des Klägers muss bereits deshalb erfolglos bleiben, weil von der Beklagten nicht mit Erfolg – wie allerdings mit dem Antrag zu 1.a) geschehen – verlangt werden kann, einen Zugang einzurichten, über den nur die zur Durchführung des Vertrages und zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten der Verbraucher erfasst werden, nicht aber personenbezogene Daten, deren Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Die Verarbeitung ist gemäß Art. 6 DSGVO nicht nur in den vom Kläger zugestandenen Fällen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) und c) DSGVO rechtmäßig, sondern insbesondere auch im Falle des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen. Dies kann der Kläger der Beklagten mit dem Antrag zu 1.a) nicht erfolgreich absprechen.
Randnummer43
Eine entsprechende Einschränkung des begehrten Verbots kann vorliegend nicht tenoriert werden. Denn, wie ausgeführt, hat der Kläger hier gerade bestimmt, wie ein Zugang genau einzurichten ist. Eine abweichende Gestaltung hält sich nicht mehr im Rahmen dieses Antrags. Dementsprechend kommt es hier auch auf den Streit der Parteien, ob die Beklagte im Rahmen des Bestellvorgangs hinreichend deutlich über Zweck und Inhalt des Kundenkontos aufkläre, nicht entscheidend an. Auch diesen Vorwurf hat der Antrag zu 1.a) nicht zum Gegenstand.
Randnummer44
bb. Unabhängig davon ist, wie bereits vom Landgericht Hamburg in der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen ausgeführt worden ist, ein der Beklagten anzulastender Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung nicht zu erkennen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollen Umfangs auf die Ausführungen des Landgerichts im Urteil vom 22.02.2024 Bezug genommen. Ergänzend ist insoweit im Hinblick auf das Berufungsvorbringen Folgendes auszuführen:
Randnummer45
aaa. Der Kläger zählt als Verbraucherverband allerdings zu den anspruchsberechtigten Stellen gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von § 4 UKlaG beim Bundesamt für Justiz eingetragen (vgl. Anlage K 1, dort Nr. 63).
Randnummer46
bbb. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 13 DSGVO sind Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift insbesondere die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) in der jeweils geltenden Fassung, die für die Verarbeitung von Daten von Verbrauchern durch Unternehmer gelten.
Randnummer47
ccc. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO bestimmt, dass personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen („Datenminimierung“). Der Grundsatz der Datenminimierung setzt eine Zweckbestimmung voraus und knüpft seine Erfordernisse hieran an, nicht umgekehrt (vgl. BVerwG NJW 2024, 2479, 2485 Rn. 49). Im vorliegenden Fall verstößt die Beklagte durch die Verpflichtung von Bestellinteressenten auf ihrem Online-Marktplatz unter der URL www…….de, auf dem sowohl die Beklagte als auch andere Händler Waren zum Kauf anbieten, zur Anlegung eines Kundenkontos nicht gegen diesen Grundsatz der Datenminimierung.
Randnummer48
(1) Der Grundsatz der Datenminimierung ist, wie vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung angenommen, nicht verletzt, wenn die erhobenen und verarbeiteten Daten für den verfolgten Zweck erheblich sind, deren Erhebung also der Erreichung eines legitimen Zieles dient, und die Verarbeitung der personenbezogenen Daten auf das für die verfolgten Zwecke notwendige Maß begrenzt wird. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO stellt sicher, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den festgelegten Zweck begrenzt wird. Der Grundsatz der Datenminimierung verlangt nicht nach einer absoluten Reduzierung oder Beschränkung der Datenmenge; wenn der Zweck der Verarbeitung nur durch die Verarbeitung großer Datenmengen erreicht werden kann, verstößt eine solche Verarbeitung nicht gegen diesen Grundsatz (Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl., Art. 5 DS-GVO Rn. 56). Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist eine Datenverarbeitung dann nicht erforderlich, wenn ihr Ziel sich mit einem geringeren Eingriff in die Rechte der betroffenen Person ebenso effektiv erreichen ließe, die personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, also dem Zweck der Datenverarbeitung nicht angemessen sind, sondern eine exzessive Datenverarbeitung oder eine solche für rein hypothetische Zwecke, für die es im Zeitpunkt der Erhebung noch keinen absehbaren Anlass gibt, darstellen.
Randnummer49
(a) Insoweit hat die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (im Folgenden: DSK), wie vom Landgericht im angefochtenen Urteil im Einzelnen ausgeführt, mit Beschluss vom 24.03.2022 (Anlage K 7) Hinweise zum datenschutzkonformen Online-Handel mittels eines Gastzugangs erteilt. Auch im Online-Handel gelte, so die DSK, der Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO). Danach seien nur die Daten zu erheben, die für die Abwicklung eines einzelnen Geschäfts erforderlich seien. Die zulässige Verarbeitung der personenbezogenen Daten hänge im Einzelfall insbesondere davon ab, ob Kundinnen und Kunden einmalig einen Vertrag abschließen wollten oder eine dauerhafte Geschäftsbeziehung anstrebten. Dazu müssten sie jeweils frei entscheiden können, ob sie ihre Daten für jede Bestellung eingeben und insofern als sogenannter temporärer Gast geführt werden möchten oder bereit seien, eine dauerhafte Geschäftsbeziehung einzugehen, die mit einem fortlaufenden Kundenkonto verbunden sei. Daraus ergebe sich, dass Verantwortliche, die Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel anböten, ihren Kundinnen und Kunden unabhängig davon, ob sie ihnen daneben einen registrierten Nutzungszugang (fortlaufendes Kundenkonto) zur Verfügung stellten, grundsätzlich einen Gastzugang (Online-Geschäft ohne Anlegen eines fortlaufenden Kundenkontos) für die Bestellung bereitstellen müssten. Soweit im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, bei denen ein fortlaufendes Kundenkonto ausnahmsweise als für die Erfüllung eines Vertrages erforderlich angesehen werden könne (Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO, z.B. für Fachhändler bei bestimmten Berufsgruppen) und mithin hierfür ausnahmsweise keine Einwilligung erforderlich sei, sei dem Grundsatz der Datenminimierung Rechnung zu tragen, indem z.B. das Kundenkonto bei Inaktivität automatisiert nach einer kurzen Frist gelöscht werde.
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(b) Auf der Grundlage dieses Beschlusses der DSK hat der HmbBfDI der Beklagten mit Schreiben vom 14.11.2022 (Anlage B 14) mitgeteilt, dass für die Beklagte unter den aktuellen Gegebenheiten die Möglichkeit bestehe, aufgrund besonderer Umstände von dem Grundsatz des Angebots eines Gastzugangs im Online-Handel abweichen zu können. Die Ermöglichung von Gastbestellungen sei, da dem Grundsatz der Datenminimierung anderweitig Rechnung getragen werde, unter den derzeitigen Gegebenheiten nicht zwingend notwendig. Dieser Sichtweise hat sich das Landgericht im angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf die eingeholte amtliche Stellungnahme des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 14.11.2013 angeschlossen.
Randnummer51
Auch der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung. Der Grundsatz der Datenminimierung wird durch die Beklagte, anders als es der Kläger mit dem Antrag zu 1.a) geltend macht, nicht verletzt. Entscheidend ist insoweit nicht die Begrifflichkeit, sondern die Einhaltung der Vorgaben insbesondere des Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Zusammengefasst stellt die Beklagte auf www…….de einen Online-Handelsmarktplatz mit einer Vielzahl angeschlossener Händler bereit, über den eine hohe Zahl an Bestellungen getätigt wird. Für die den Bestellungen nachgelagerte Kommunikation und Rechteausübung fällt ein erheblicher Zeit- und Ressourcenaufwand an. Dieser Aufwand kann für sämtliche Beteiligte mittels der im Kundenkonto zur Verfügung gestellten Kommunikationsmöglichkeiten und Funktionen sowie einer standardmäßig erfolgenden Kontoerstellung deutlich verringert werden. Zwischen einer Bestellung mit und einer Bestellung ohne Kundenkonto bestehen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten praktisch keine Unterschiede. In beiden Fällen ist die Erhebung und Speicherung einer Vielzahl von Daten zulässig. Hinsichtlich dieser Daten bestehen unternehmensseitig in beiden Fällen identische gesetzliche Rechte bzw. Pflichten zur Aufbewahrung, die je nach Art der Daten einen Zeitraum von 3 bis 10 Jahren umfassen. Der wesentliche Unterschied ist die Möglichkeit eines passwortgeschützten Zugangs zu diesen Daten. Bestehen im Einzelfall Bedenken hiergegen, so kann dieser Zugang mit einem entsprechenden Löschungsantrag beseitigt werden; eine regelhafte Löschung erfolgt automatisch nach Ablauf der zivilrechtlichen Verjährungsfrist.
Randnummer52
(c) Das Berufungsvorbringen des Klägers begründet keine abweichende Bewertung. Insbesondere ergibt sich aus dem Recht der Verbraucher auf den Schutz personenbezogener Daten und ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kein abweichendes Ergebnis. Zwingende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat das Landgericht nicht außer Acht gelassen. Insbesondere hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht verkannt, dass die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung gemeinsam mit dem Grundsatz der Datenminimierung zu prüfen ist, der in Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO verankert ist und verlangt, dass personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen (vgl. EuGH GRUR 2023, 1131, 11 Rn. 109 – Meta Platforms Inc. ua/Bundeskartellamt). Genau dies hat das Landgericht letztlich umfänglich geprüft. Der Kläger setzt im Wesentlichen eigene Wertungen an die Stelle derjenigen des Landgerichts. Daraus ergibt sich kein Fehler des Landgerichts. Der Umfang der zur Anlage eines Kundenkontos bei der Beklagten derzeit unbestritten erhobenen Daten – Form der Anrede, Vorname, Nachname, Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Wohnort, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum, Passwort – ist auch im Ergebnis der vom Senat angestellten Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zu beanstanden.
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(aa) Dass die Beklagte für die Abwicklung der über ihren Online-Shop erfolgenden Bestellungen, namentlich für den Versand von Bestellbestätigungen und der bestellten Waren, Daten bezüglich Anrede, Vornamen, Nachnamen, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort und E-Mail-Adresse benötigt, liegt auf der Hand. Insoweit ist die Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, nämlich der zwingenden Zusendung der Bestellbestätigung gemäß § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB, erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Abweichendes macht auch der Kläger spezifiziert nicht geltend. Insoweit besteht von vornherein kein erkennbarer Unterschied zwischen der Speicherung über einen Gastzugang oder im Kundenkonto. Die Beklagte macht insoweit unwidersprochen geltend, dass abgesehen vom Passwort sämtliche Datenkategorien, die von ihr bei der Registrierung erhoben würden, auch dann erhoben werden müssten, wenn Bestellungen über einen Gastzugang erfolgen würden. Denn der erforderliche Umfang der Datenerhebung ergibt sich unmittelbar aus den Bestellvorgängen.
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(bb) Die Erhebung des Geburtsdatums und der Telefonnummer bei der Registrierung bzw. Anlage eines Kundenkontos bei der Beklagten sind, wie von der Beklagten substantiiert dargelegt, jedenfalls gemäß § 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO zur Prüfung der Volljährigkeit des jeweiligen Nutzers als Voraussetzung einer Bestellung bzw. für die Zustellung bestellter Waren durch ein Speditionsunternehmen in einem mit dem Nutzer vorher telefonisch vereinbarten Zeitfenster erforderlich. Schon deshalb ist die Verarbeitung nicht generell unzulässig.
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Die Erhebung des Geburtsdatums ist daneben und vor allem gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO auch zur Abfrage von Bonitätsdaten bei Auskunfteien sowie zur Betrugsprävention und gemäß § 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DSGVO für eine Sanktionslistenprüfung erforderlich. Für eine eindeutige Identifikation des Kunden ist das Geburtsdatum ersichtlich unentbehrlich. Insoweit genügt eine schlichte Abfrage der Volljährigkeit nicht, zumal dann auch die Möglichkeit bzw. Gefahr der Aufdeckung einer falschen Angabe kaum besteht. Soweit die Parteien darüber streiten, ob eine Bonitäts- und Betrugsprüfung nur bei unsicheren Zahlungsarten, insbesondere der Zahlung per Rechnung, erforderlich sei, erachtet der Senat die Notwendigkeit einer Betrugsprüfung, wie von der Beklagten geltend gemacht, auch bei vermeintlich sicheren Zahlungsarten, etwa der Zahlung per Kreditkarte oder PayPal, für gegeben mit der Folge, dass das Geburtsdatum auch nicht bei bestimmten Bestellungen mit Lieferung gegen Vorkasse entbehrlich ist (vgl. zu den Pflichten und Risiken bei Kreditkartenzahlungen etwa Grüneberg in Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 675f Rn. 55 ff.; Retzlaff in Grüneberg, a.a.O., § 812 Rn. 110). Insoweit kann auf die hinsichtlich ihrer Richtigkeit auch vom Kläger nicht durchgreifend in Zweifel gezogene Kriminalitätsstatistik insbesondere der Polizei Bremen (Anlage B 8) betreffend Betrug bzw. Computerbetrug mittels rechtswidrig erlangter unbarer Zahlungsmittel (z.B. EC-, Kreditkarte) verwiesen werden.
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Ebenso geht es auch bei der regelhaften Erhebung der Telefonnummer um eine eindeutige Identifizierung und Zuordnung der Person. Die Beklagte macht insoweit substantiiert geltend, dass auch die Telefonnummer unabhängig von der ausgewählten Zahlungsart für die Betrugsprüfung erforderlich sei. Betrüger geben bei ihren Bestellungen, wie der Kläger insoweit nicht in Abrede nimmt, regelmäßig erfundene Daten an. Anhand des Geburtsdatums und der Telefonnummer könne, so die Beklagte überzeugend, dennoch in einer Vielzahl von Fällen erkannt werden, dass es sich um erfundene Daten und damit einen Betrugsversuch handele. Zur Erhebung der Telefonnummer heißt es insoweit in der antragsgegenständlichen Registrierungsmaske der Beklagten wie folgt: „Wir benötigen deine Telefonnummer für Terminabstimmungen für Speditionslieferungen, Klärungen zur Bestellung und ggf. zu deinem Kundenkonto und um dein Konto vor Missbrauch zu schützen. Eine Nutzung zu Werbezwecken findet nicht statt, es sei denn, du hast eine gesonderte ausdrückliche Einwilligung hierzu erteilt.“ Insoweit hat der Unionsgesetzgeber ausweislich des Erwägungsgrundes 47 zur DSGVO, dort Satz 6, die Datenverarbeitung zur Betrugsprävention, namentlich die „Verarbeitung personenbezogener Daten im für die Verhinderung von Betrug unbedingt erforderlichen Umfang“ auch als ein „berechtigtes Interesse des jeweiligen Verantwortlichen“ anerkannt.
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(cc) Den Zugang zum Kundenkonto passwortgeschützt zu gestalten, so dass Online-Kunden auf dem Online-Martktplatz der Beklagte also ein Passwort haben müssen, ist schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden und dient vielmehr gerade dem Schutz der von den Kunden erhobenen Daten (vgl. Art. 32 Abs. 1 DSGVO). So sieht es auch der Unionsverordnungsgeber gemäß Erwägungsgrund 63 zur DSGVO, dort Satz 4, wonach „[n]ach Möglichkeit […] der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können [sollte], der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde“. Insgesamt überwiegen im Rahmen der praktischen Bestellabwicklung und der Datenverwaltung auch für den Verbraucher die Vorteile, die ein fortlaufendes Kundenkonto auf dem Online-Marktplatz der Beklagten mit sich bringt, den mit der Verpflichtung, bei der Anlegung eines solchen Kontos insbesondere auch ein Passwort anzugeben, verbundenen Nachteil.
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(2) Soweit der Kläger der Beklagten mit seinem Antrag zu 1.a) eine dauerhafte Registrierung vorwirft, auf die nach seinem Begehren zu verzichten sei, ist ein solches Handeln der Beklagten schon derzeit nicht festzustellen.
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(a) Insoweit hat der Kläger keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, die dafür sprechen, dass die Beklagte die von ihr erhobenen Daten für längere als die in ihrer eigenen Datenschutzerklärung angegebenen Zeiträume (vgl. Ziffer 11. der Datenschutzinformationen der Beklagten) speichern würde. Danach werden bei der Bestellung von Waren über das Kundenkonto der Beklagten die Informationen über die getätigten Käufe im Marktplatz-Kundenkonto über einen Zeitraum von regelmäßig drei Jahren gespeichert und nach Ablauf dieses Zeitraums ausschließlich zu Zwecken der Erfüllung gesetzlicher Aufbewahrungspflichten verarbeitet. Das Kundenkonto selbst wird nach drei Jahren einer Inaktivität gelöscht. Diese drei Jahre einer Inaktivität korrespondieren dabei wiederum mit dem Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist nach dem letzten Kauf. Daneben besteht ein vom Kunden ausübbares Recht auf unverzügliche Löschung der gespeicherten Daten gemäß Art. 17 DSGVO (Ziffer 12.1. der Datenschutzinformationen der Beklagten). Eine dauerhafte Registrierung ergibt sich daraus nicht, es sei denn, der Kunde tätigt regelmäßig immer wieder Käufe auf dem Online-Marktplatz der Beklagten.
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(b) Die sich danach ergebende Dauer der Datenspeicherung durch die Beklagte, die an Gewährleistungs- und Verjährungsfristen sowie gesetzliche Aufbewahrungspflichten gebunden ist, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte macht insoweit spezifiziert geltend, dass der von ihr implementierte Prozess zur Speicherdauer derselbe wäre, wenn es einen Gastzugang gäbe. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger setzt sich mit den von der Beklagten angeführten überzeugenden Argumenten für die Notwendigkeit der weiteren Speicherung im Einzelnen nicht auseinander. Um eine Fallgestaltung, die der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 04.10.2024 – C-446/21 (EuGH GRUR 2024, 1821 – Maximilian Schrems/Meta Platforms Ireland Ltd) zugrunde lag, in welcher der Europäische Gerichtshof ausgesprochen hat, dass jedenfalls eine zeitlich unbegrenzte Speicherung personenbezogener Daten der Nutzer einer Plattform für ein soziales Netzwerk zu Zwecken der zielgerichteten Werbung als unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte, die die DSGVO diesen Nutzern garantiert, anzusehen ist (EuGH GRUR 2024, 1821, 1825 Rn. 58 – Maximilian Schrems/Meta Platforms Ireland Ltd), geht es hier ersichtlich nicht.
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(3) Nur ergänzend ist festzuhalten, dass es auch richtig ist, wenn das Landgericht darauf hinweist, dass eine Bestellung auf dem Online-Marktplatz der Beklagten freiwillig erfolgt und es jedem Verbraucher unbenommen bleibt, Waren bei einem anderen Online-Händler, der möglicherweise den vom Kläger verlangten Gastzugang anbietet, oder aber im stationären Einzelhandel, der grundsätzlich weder Kontaktdaten noch ein Passwort des Verbrauchers verlangt, zu erwerben. Allerdings würde, was gleichfalls festzustellen ist, eine solche Freiwilligkeit allein keinen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO legitimieren. Indes ist ein solcher Verstoß, wie ausgeführt, hier nicht festzustellen.
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Insgesamt stellt im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO die Möglichkeit der Bestellung über einen Gastzugang auf dem Online-Marktplatz kein gleichwertiges milderes Mittel gegenüber der Führung eines Kundenkontos in der hier zu beurteilenden Ausgestaltung durch die Beklagte dar, das dazu geeignet wäre, die Funktionsfähigkeit des Online-Marktplatzes der Beklagten aufrecht zu erhalten. Zum einen wäre die Verarbeitung derselben Daten erforderlich, zum anderen vermöchte die Bestellmöglichkeit über einen Gastzugang der Beklagten im Gegensatz zu einem Kundenkonto nicht die Vorhaltung eines zentralen Informationsportals, das insbesondere auch den Interessen der Kunden des von der Beklagten eröffneten Online-Marktplatzes dient, zu ersetzen. Über das von der Beklagten durch das Erfordernis der Anlage eines Kundenkontos dergestalt geschaffene zentrale Informationsportal kann nämlich nicht nur die Beklagte Informationen zu Bestellungen/Händlern besser nachvollziehen, sondern wird auch die Kommunikation, wie etwa Kundenanfragen, zwischen allen Marktplatzbeteiligten erleichtert und können Kunden zentral ihre Garantie-, Gewährleistungs- und Rücksenderechte in Anspruch nehmen. Dies alles ist bei einem großen Online-Marktplatz wie dem der Beklagten für die reibungslose Funktionsfähigkeit bedeutsam. Auf eine konkrete Verkürzung einzelner Verarbeitungsfristen ist der Antrag zu 1.a) im Übrigen nicht gerichtet.
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(4) Soweit der Kläger sich nunmehr auf die Stellungnahme des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 30.04.2024 (Anlage K 29) beruft, ist festzuhalten, dass sich die Beklagte des dortigen Verfahrens ausweislich der Stellungnahme zur Rechtfertigung der Datenverarbeitungen nur auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO berufen hat. Es bestehen Unterschiede in den Verfahren sowohl hinsichtlich der jeweils konkret verarbeiteten Daten als auch hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien. Dementsprechend trifft diese Stellungnahme den vorliegenden Fall allenfalls zu einem geringen Teil. Entsprechendes gilt für den hier noch weniger einschlägigen Schlussbericht des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten vom 15.04.2024 (Anlage K 30).
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(5) Soweit der Kläger geltend macht, dass ein „Gastzugang“ als solcher auch bei einem Online-Marktplatz möglich sei, ist das nicht die hier entscheidende Frage. Es geht vielmehr darum, ob der Beklagten im vorliegenden Fall ein datenschutzwidriges Handeln vorzuwerfen ist.
Randnummer65
ddd. Selbst eine – hier lediglich unterstellte – unzulässige Erhebung des Geburtsdatums und/oder der Telefonnummer und/oder eine – hier ebenso lediglich unterstellte – unzulässige Speicherdauer könnten im vorliegenden Fall dem Antrag zu 1.a), wie ausgeführt, nicht zum Erfolg verhelfen. Zu verbieten wäre dann allenfalls die regelhafte Aufnahme eines bestimmten personenbezogenen Datums in ein Kundenkonto bzw. eine längerfristige Speicherung. Der Beklagten kann nicht generell das ihr zustehende gesetzliche Recht genommen werden, Daten auch auf Basis anderer Rechtsgrundlagen als gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) und c) DSGVO zu verarbeiten, nämlich insbesondere gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO.
Randnummer66
cc. Die Beklagte verstößt durch die Verpflichtung von Bestellinteressenten auf ihrem Online-Marktplatz zur Anlegung eines Kundenkontos auch nicht gegen den aus Art. 25 Abs. 2 DSGVO folgenden Grundsatz datenschutzfreundlicher Voreinstellungen zur Sicherstellung einer Verarbeitung nur personenbezogener Daten, deren Verarbeitung für den Verarbeitungszweck erforderlich ist, als eine weitere Ausprägung der Grundsätze der Datensparsamkeit und -minimierung.
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Art. 25 Abs. 2 DSGVO bestimmt, dass der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen trifft, die sicherstellen, dass durch Voreinstellung nur personenbezogene Daten, deren Verarbeitung für den jeweiligen bestimmten Verarbeitungszweck erforderlich ist, verarbeitet werden. Diese Verpflichtung gilt für die Menge der erhobenen personenbezogenen Daten, den Umfang ihrer Verarbeitung, ihre Speicherfrist und ihre Zugänglichkeit. Solche Maßnahmen müssen insbesondere sicherstellen, dass personenbezogene Daten durch Voreinstellungen nicht ohne Eingreifen der Person einer unbestimmten Zahl von natürlichen Personen zugänglich gemacht werden. Dies alles beachtet die Beklagte. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen. Spezifizierten weiteren Vortrag hierzu enthält die Berufungsbegründung nicht, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind.
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dd. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich, wie bereits vom Landgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt, auch nicht aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG und Art. 5 Abs. 1 lit. c), 25 Abs. 2 DSGVO. Jedenfalls liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung vor. Auf die vorstehenden Ausführungen wird auch hier verwiesen.
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b. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch der mit dem Klage- und Berufungsantrag zu 1.b) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 13 UKlaG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a) und Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht zu. Der Kläger kann von der Beklagten nicht – wie beantragt – beanspruchen, dass diese es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern unterlässt, personenbezogene Daten aus der Vertrags- und/oder Bestellhistorie des fortlaufenden Kundenkontos, das von Verbrauchern zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen des Onlinehandels auf ihrer Webseite www…….de angelegt wird, für die Personalisierung von Werbemitteln zu verwenden, ohne eine informierte Einwilligung der Verbraucher einzuholen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2 unter Ziffer 3.2.1. dargestellt.
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aa. Dieser Antrag wäre, wie vom Landgericht Hamburg bereits in der angefochtenen Entscheidung angenommen, nur begründet, wenn die tatsächliche Datenverarbeitung zu Werbezwecken (Personalisierung) durch die Beklagte gemäß Ziffer 3.2.1. der Datenschutzinformationen der Beklagten nicht den vom Kläger angeführten Vorschriften der DSGVO entspräche. Dies ist indes nicht festzustellen.
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bb. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung klargestellt, dass der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG für Bestandskundenwerbung nicht vom beantragten Verbot umfasst sei. Dabei weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass § 7 Abs. 3 UWG ausschließlich die Zusendung der Werbung als solche und nicht den Datenverarbeitungsvorgang zur Personalisierung der Werbung umfasst. Datenverarbeitungsvorgänge, die der Verarbeitung der E-Mail-Adressen von Bestandskunden zum Versand von Werbung vorgelagert sind, unterfallen dem Regime der DSGVO. Gleichwohl ist die in § 7 Abs. 3 UWG zum Ausdruck kommende Wertung zu beachten. Diese Regelung, die inhaltlich weitgehend Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) entspricht, soll den elektronischen Handel fördern (Köhler in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 7 UWG Rn. 270). Ohne vorangegangene Datenverarbeitung ist eine solche Direktwerbung ersichtlich unmöglich.
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In der Sache bedeutet diese Erklärung des Klägers, dass der Unterlassungsantrag zu 1.b) in zweiter Instanz trotz augenscheinlich identischer Antragsfassung tatsächlich gegenüber dem vom Landgericht bezogen auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zutreffend angenommenen Umfang nur noch eingeschränkt weiterverfolgt wird.
Randnummer73
cc. Entscheidend ist hier letztlich, dass dem Klägervortrag mit dem Landgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte entnommen werden können, die ein Verbot etwaig verbleibender unzulässiger Verhaltensweisen der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer 3.2.1. ihrer Datenschutzinformationen begründen können.
Randnummer74
aaa. Wie bereits ausgeführt, ist der Streitgegenstand des Antrags zu 1.b) nach den Feststellungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung keine konkrete Werbemaßnahme der Beklagten, sondern die (Erstbegehungs-)Gefahr eines Beklagtenverhaltens entsprechend Ziff. 3.2.1 ihrer Datenschutzinformationen. Eine künftige rechtswidrige Datenverarbeitung durch die Beklagte ist jedoch mit dem Landgericht nicht zu erkennen. Insoweit ist vollen Umfangs auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen. Ergänzend ist lediglich Folgendes festzuhalten:
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bbb. Wie vom Landgericht ausgeführt, wird die von der Beklagten beim Kunden erhobene Telefonnummer ausweislich der Registrierungsmaske der Beklagten ohne eine „gesonderte ausdrückliche Einwilligung hierzu“ von ihr nicht für Werbezwecke verwendet. Abweichendes trägt auch der Kläger im Berufungsverfahren nicht vor. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte automatisierte Selektionsverfahren auf der Grundlage detaillierter Profile oder Verhaltensprognosen durchführt, Profile unter Verwendung externer Datenquellen für Zwecke der Direktwerbung erstellt oder im Zusammenhang mit Dritthändlertransaktionen anfallende Bestelldaten zu eigenen werblichen Zwecken verarbeitet. Der Kläger hat insoweit im Schriftsatz vom 16.02.2024 zwar zutreffend formuliert, ein umfassendes Profiling i.S.d. Art. 4 Nr. 5 [richtig: Nr. 4] DSGVO, in dessen Rahmen detaillierte Kundenprofile aufgrund der Bestell- und Kaufhistorie erstellt werden, für die Personalisierung von Werbung per Post oder E-Mail zu verwenden, sei nicht mehr von der „Personalisierung“ zur Bestandskundenwerbung im Sinne des § 7 Abs. 3 UWG umfasst. Dies wird allerdings auch von der Beklagten erkennbar gar nicht geltend gemacht. Auch für künftige Datennutzungen in dieser Weise gibt es hier keinen Anhaltspunkt.
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ccc. Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO ist eine Datenverarbeitung aber dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
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Nach Erwägungsgrund 47 (letzter Satz) zur DSGVO kann die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem derartigen berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden. Von einem Erfordernis einer Einwilligung in eine Datenverarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung hat der Unionsgesetzgeber daher auch Abstand genommen und sich, wie in Art. 21 Abs. 2 DSGVO normiert, für ein Widerspruchsrecht des Betroffenen entschieden, wie es Ziffer 3.2. der Datenschutzinformationen der Beklagten auch enthält.
Randnummer78
Soweit der Kläger geltend macht, Erwägungsgrund 47 (letzter Satz) zur DSGVO sei nicht zu entnehmen, dass die Verarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung grundsätzlich ein überwiegendes berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO darstelle, mag dem allgemein zu folgen sein. Es ist im Einzelfall abzuwägen, wobei die im Erwägungsgrund zum Ausdruck kommende Bewertung aber unbedingt zu beachten ist. Die Interessenabwägung spricht jedenfalls im vorliegenden Fall nicht für die Sichtweise des Klägers. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.07.2023 in der Sache C-252/21 (EuGH GRUR 2023, 1131 – Meta Platforms Inc. ua/Bundeskartellamt) hilft ihm nicht weiter. Dort ging es unter anderem um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen und die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks. Damit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen. Denn hier ist vernünftigerweise durchaus mit der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Personalisierung von Werbung zu rechnen, wie es auch die Wertungen in Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) zum Ausdruck bringen. Den Anknüpfungspunkt hierfür bildet die bereits getätigte Bestellung einer Ware oder Dienstleistung durch den Kunden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Person und ihr Interesse an einer unterbleibenden Verwendung ihrer personenbezogenen Daten überwiegen insoweit nicht.
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Soweit „Direktwerbung“ ein Minus gegenüber personalisierten Werbemitteln sein kann, da sich „Direktwerbung“ auch auf die bloße Nutzung von E-Mail-Adressen für die Zusendung eines breit gefächerten und nicht durch die Verwendung weiterer Nutzerdaten eingeschränkten Angebots beschränken kann, erkennt der Unionsgesetzgeber aber auch die Auswertung des Bestellverhaltens eines Kunden zur (weiteren) Personalisierung von Werbemitteln als zulässiges Marktverhalten an, namentlich in Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation). Danach kann „eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung […] deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen zum Zeitpunkt ihrer Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat“. Auch vor dem Hintergrund der hieraus folgenden unionsrechtlichen Zulässigkeit der Auswertung der Bestellhistorie eines Kunden durch den Betreiber eines Online-Marktplatzes zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen besteht danach ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten i.S.v. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO an einer dahingehenden Datenverarbeitung und -verwendung.
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ddd. Ein danach verbleibendes, über die Wahrung überwiegender berechtigter Interessen hinausgehendes und daher etwaig unzulässiges Verhalten der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer 3.2.1. ihrer Datenschutzinformationen kann auch der Senat nicht feststellen. Dem Klägervortrag können auch im Berufungsrechtszug keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein diese Voraussetzungen erfüllendes – drohendes – Verhalten der Beklagten entnommen werden. Ein solches konkretisierbares Verhalten, dass über ein von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG legitimiertes Vorgehen hinausginge, lässt sich insbesondere auch der Datenschutzerklärung der Beklagten nicht entnehmen. Wenn darin beispielhaft die Heranziehung der „Kategorien von gekauften Waren (z.B. ‚Mode‘), die sie bei ….. erworben haben, für die Personalisierung von Werbemitteln“ die Rede ist, stellt eine solche Maßnahme gerade die Verarbeitung von Daten zur „Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte“ im Sinne von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG dar.
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Soweit es unter Ziffer 4.3.1. ff. der Datenschutzinformationen der Beklagten um den Einsatz von verschiedenen Online-Diensten geht, steht jeweils eine Einwilligung als Voraussetzung in Rede. Ein unzulässiges Verhalten ist hieraus nicht abzuleiten. Ein bestimmtes anspruchsbegründendes Verhalten der Beklagten, hier insbesondere eine (drohende) Datenverarbeitung ohne Rechtsgrund, hat der Kläger im Ausgangspunkt darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, mag es auch Sache der Beklagten sein, zum Rechtsgrund vorzutragen und gegebenenfalls eine Rechtfertigung darzutun und zu beweisen (vgl. zur Einwilligung Art. 7 Abs. 1 DSGVO). Insbesondere für eine von der Beklagten vorgenommene umfassende Profilbildung zu Werbezwecken ist nichts dargetan. Der Verantwortliche muss zwar nach Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO sicherstellen, dass die von ihm durchgeführte Datenverarbeitung rechtmäßig ist (vgl. EuGH GRUR ZD 2023, 606, 607 Rn. 53), dies ändert allerdings nichts daran, dass es Sache des Klägers ist, die von ihm angegriffene Datenverarbeitung als solche selbst klar zu bezeichnen. Zumindest konkreter Vortrag zu angeblichen Verstößen der Beklagten wäre erforderlich, ist aber auch im Berufungsverfahren unterblieben.
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eee. Soweit der Kläger sich im Hinblick auf den Antrag zu 1.b) auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO beruft, ist nicht erkennbar, worin dieser Verstoß genau liegen sollte. Wie vorstehend ausgeführt, kann sich die Beklagte hinsichtlich der von ihr tatsächlich vorgenommenen Datenverarbeitung und -verwendung auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO berufen. Eine darüber hinausgehende Datenverarbeitung und -verwendung ergibt sich nicht. Danach ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Rechtmäßigkeit, die Verarbeitung nach Treu und Glauben und die Transparenz im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Hierzu trägt der Kläger im Berufungsverfahren spezifiziert auch nichts weiter vor.
Randnummer83
c. Mangels berechtigter Abmahnung kann der Kläger von der Beklagten gemäß § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG auch keinen Ersatz einer Abmahnkostenpauschale nebst Zinsen verlangen.
Randnummer84
d. Eine Aussetzung des Rechtsstreits analog § 148 ZPO aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs in der Sache App-Zentrum-II (Az. I ZR 186/17) kommt aufgrund fehlender Vorgreiflichkeit nicht in Betracht. Die Parteien streiten auch im Falle des Antrags zu 1.b) nicht entscheidend über die Information der Verbraucher und damit eine Informationspflichtverletzung, sondern über eine mangels Einwilligung angeblich unrechtmäßige Verwendung von Daten, mithin eine Rechtsverletzung infolge einer Datenverarbeitung i.S.d. Art. 80 Abs. 2 DSGVO. Dabei muss der Antrag zu 1.b), wie ausgeführt, ohnehin von vornherein erfolglos bleiben.
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3. Die insoweit nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 14.02. und 18.02.2025 haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben (§§ 296a, 156 ZPO).
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4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich vorliegend auch unter Berücksichtigung der konkreten Antragstellung um eine Einzelfallentscheidung, die auf der Anwendung bereits bestehender höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht.