OLG Hamburg, Beschluss vom 23.10.2013, Az. 4 W 100/13
§ 91 ZPO
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass derjenige, der Schutzschriften bei allen deutschen Landgerichten einreicht, wovon nur eine bei der Abwehr eines Verfügungsantrags relevant wird, auch nur die Kosten dieser einen relevanten Schutzschrift erstattet verlangen kann. In dieser Entscheidung findet auch das Zentrale Schutzschriftenregister ZSR (hier) Erwähnung. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss
…
Gründe
I.
Das Landgericht hat im Verhandlungstermin vom 06.06.2013 der Antragstellerin nach Rücknahme ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag haben die Antragsgegner neben einer Verfahrens- und einer Terminsgebühr in Höhe von insgesamt EUR 1.215,00 auch Kosten für die Einreichung von Schutzschriften beim Landgericht Hamburg sowie bei 117 anderen Deutschen Landgerichten geltend gemacht. Dabei handelte es sich um Kosten für Fotokopien, Verpackungen, Kurier und Porto in Höhe von insgesamt EUR 2.477,75. Die Antragsgegner haben sich zur Begründung darauf berufen, dass sie, nachdem sie die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hätten, wegen des bestehenden sog. fliegenden Gerichtsstands in der wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit nicht wissen konnten, bei welchem Landgericht die Antragstellerin den Verfügungsantrag einreichen werde.
Gegen den antragsgemäß erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 05.08.2013 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und sie im Übrigen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. In der Begründung dieser Entscheidung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, die Kosten für die Einreichung von Schutzschriften seien nur in Höhe von EUR 1.616,20 erstattungsfähig, nämlich die Kosten für die Hinterlegung von Schutzschriften bei 74 Landgerichten und im zentralen Schutzschriftenregister.
44 Landgerichte hätten sich verpflichtet, beim Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Einsicht in das zentrale Schutzschriftenregister zu nehmen. Hinsichtlich dieser 44 Gerichte hätte es ausgereicht, wenn die Antragsgegner die Schutzschrift beim Zentralen Schutzschriftenregister eingereicht hätten.
II.
Die nach §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist ganz überwiegend begründet. Erstattungsfähig ist neben der zutreffend festgesetzten 1,3-Verfahrensgebühr und der 1,2-Terminsgebühr – beides mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen – nur eine Postpauschale in Höhe von EUR 20,00.
Ein Anspruch der Antragsgegner auf Erstattung der Kosten für die Einreichung von Schutzschriften besteht nicht. Die für Eilverfahren in Wettbewerbssachen entwickelte Schutzschrift wird vorprozessual zur Abwehr eines befürchteten Verfügungsantrags oder unmittelbar nach Eingang des Verfügungsantrags bei Gericht eingereicht. Sie soll dem Gericht des Eilverfahrens Kenntnisse verschaffen und es davon abhalten, eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu treffen (Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn. 13 Schutzschrift“). Die Kosten der Schutzschrift sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn die Schutzschrift beim Gericht des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingegangen ist und eine Kostenentscheidung gegen den Antragsteller ergeht.
Voraussetzung ist mithin, dass es zu einem Prozessrechtsverhältnis der Parteien kommt, das schließlich die Grundlage des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs bildet (OLG Düsseldorf JurBüro 2000, 423; OLG Rostock NJW-RR 2011, 575; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 55, Rn. 55; Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 91 Rn. 192; Münchener Kommentar-Schulz, ZPO, 4. Aufl., § § 103 Rn. 8). Ein Prozessrechtsverhältnis ist hier nur beim Landgericht Hamburg entstanden, bei dem die Antragstellerin den Verfügungsantrag eingereicht hat. Bei allen anderen 117 Landgerichten ist kein Prozessrechtsverhältnis begründet worden, so dass im Hinblick auf die durch die dortige Einreichung von Schutzschriften entstandenen Kosten kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch der Antragsgegner besteht. Eine Einbeziehung dieser Kosten in die Kosten des beim Landgericht Hamburg geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens kommt daher nicht in Betracht, sondern allenfalls eine Erstattung nach Maßgabe eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, über den im Kostenfestsetzungsverfahren jedoch nicht zu befinden ist.
Die Kosten der Herstellung (Papier und Verpackung) der beim Landgericht Hamburg eingereichten Schutzschrift sind trotz Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses ebenfalls nicht erstattungsfähig. Gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 RVG werden mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts abgegolten. Dies betrifft auch die hier streitigen Kosten für die Anfertigung des Schriftsatzes (Schutzschrift) an das Landgericht Hamburg.
Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe den Pauschalbetrag von EUR 20,00 übersteigende Kosten für die Übersendung der Schutzschrift an das Landgericht Hamburg angefallen und mithin nach Nr. 7001 VV RVG erstattungsfähig sind, ist von den Antragsgegnern nicht konkret dargelegt worden. Mithin kann nur eine Postpauschale nach Nr. 7002 RVG in Höhe von EUR 20,00 festgesetzt werden. Lediglich insoweit ist die sofortige Beschwerde der Antragstellerin unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Auf die Entscheidung hingewiesen hat jurpc.de.