OLG Hamburg, Urteil vom 06.02.2025, Az. 15 U 43/24
§ 3 UWG, § 4 Nr. 3 lit. a UWG, § 4 Nr. 3 lit. b UWG, § 8 Abs. 1 UWG, § 531 Abs. 2 ZPO
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine Nachahmung von Modeschmuck nicht als Nachahmung unlauter ist, wenn dem Modeschmuck die notwendige Eigenart fehlt, um es von anderem Modeschmuck am Markt abzuheben. Deas Urteil setzt sich in Bezug auf den konkret zu verhandelnden Sachverhalt mit den Voraussetzungen einer wettbewerbswidrigen Nachahmung auseinander. Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH (Az. I ZR 58/24) wurde zwischenzeitlich zurückgenommen . Zum Volltext der Entscheidung:
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Urteil
…
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.04.2024, Az. 327 O 176/23, teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche gestützt auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geltend.
Die Klägerin entwirft, produziert und vertreibt Modeschmuck. Zu ihren Produkten zählen unter anderem die Halsketten, Armbänder und Ohrhänger der im Jahre 2005 auf den Markt gebrachten Geo-Cube-Serie. Diese bezeichnet die Klägerin als „Xxx xxx“, weil sie überwiegend von Juwelieren geführt werde und daher eine Brücke zwischen Modeschmuck und Juwelierwaren schlage. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche, soweit in der Berufung noch relevant, auf die „Kernmodelle“ der Halsketten der Geo-Cube-Serie, von denen sie Fotos als Anlage K1 (dort unter den Ziffern 1. bis 6.) und Originalprodukte als Anlagen K2 und K3 eingereicht hat. Daneben hat sie auch Abbildungen und Originalprodukte der von ihr im Rahmen der Geo-Cube-Serie produzierten und vermarkteten Armbänder und Ohrhänger eingereicht, die jedoch in der Berufung nicht mehr streitgegenständlich sind.
Die Kernmodelle der Halsketten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus verschiedenen Elementen bestehen, die auf sich stets wiederholende Weise auf der Kette angeordnet sind. Bei den einzelnen Elementen handelt es sich um Würfel, quadratische Metallplättchen, quadratische Strassrondelle und dünne Zylinder aus Glas oder Edelstahl. Dabei wechseln sich stets ein die Kette längs umschließender dünner Zylinder immer in derselben Dicke und Länge und ein Würfelelement ab, wobei die beiden Würfelelemente zum einen ein einzelner Würfel („Einzelwürfel“) und eine Kombination bestehend aus einem Würfel und einem zwischen zwei Metallplättchen gefassten Strassrondell („Elementenensemble“) sind. Die Einzelwürfel bestehen aus transparentem Kristallglas. Die Elementenensembles sind immer auf dieselbe Weise bzw. in derselben Reihenfolge zusammengesetzt. Das größte Einzelelement im Elementenensemble ist der farbige, nicht transparente Würfel, der in seinen Ausmaßen auch größer ist als die beiden Metallplättchen und das Strassrondell gemeinsam. Alle Elemente haben eine quadratische Form mit dem Seitenmaß 6 x 6 Millimeter oder sind Würfel mit dem Volumenmaß 6 x 6 x 6 Millimeter. Die Metallplättchen sind 1,2 Millimeter stark und bestehen seit 2012/2013 aus Edelstahl. Alle Elemente werden mittig von der Kette durchlaufen. Die Würfel im Elementenensemble bestehen zumeist aus Polaris (ein Acrylwerkstoff), synthetischem Tigerauge oder Hämatit (echter Stein). Neben diesen auf die Kette aufgezogenen Elementen ist ein Signet an einem am Kettenverschluss angebrachten Metallkettchen vorhanden.
Beispielhaft werden hier das erste und das sechste der mit Anlage K1 eingereichten Fotos eingeblendet:
Die farbliche Gestaltung der einzelnen Elemente, also sowohl der Zylinder als auch der Würfel als auch der Metallplättchen als auch der Strassrondelle, variiert im Vergleich der Kernmodelle untereinander und auch, wenn auch in unterschiedlichem Maße, innerhalb der einzelnen Kernmodelle. Beispielhaft wird hier noch die dritte Abbildung aus Anlage K1 eingeblendet, die innerhalb des Modells nur eine sehr geringe farbliche Varianz nur eines der Elemente, nämlich des Würfels im Elementenensemble, zeigt:
Die Klägerin macht geltend, dass zur wettbewerblichen Eigenart der Kernmodelle auch deren farbliche Variabilität beitrage. Diese habe sich dem Verkehr in den vielen unterschiedlichen farblichen Ausführungen gezeigt. Die wettbewerbliche Eigenart bestehe damit für die Gesamtheit der Kernmodelle unabhängig von der jeweiligen konkreten farblichen Ausgestaltung einer einzelnen Kette.
Da die Klägerin sich demnach nicht auf eine bestimmte farbliche Gestaltung stützt und die übrigen Gestaltungsmerkmale der von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs herangezogenen Kernmodelle (Ziffern 1. bis 7. in Anlage K1 sowie die Originalerzeugnisse gemäß Anlagen K2 und K3) sich gleichen, werden diese im Folgenden im Singular als „das Klagemuster“ bezeichnet.
Die Beklagte zu 1), deren Gesellschafter die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) sind, bot im März 2022 auf der Online-Handelsplattform „otto.de“ Modeschmuck an wie aus Anlage K25 und den folgenden Abbildungen ersichtlich (die eingeblendeten Abbildungen entsprechen denen unter 1. a), d) und f) im Tenor des landgerichtlichen Urteils):
„Verletzungsmuster 1“
„Verletzungsmuster 2“
„Verletzungsmuster 3“
Die Beklagte zu 1) bot ihre Produkte zu Preisen von 34,99 € (Verletzungsmuster 1 und 2) bzw. 32,99 € (Verletzungsmuster 3) an. Wegen der weiteren Einzelheiten der drei angegriffenen Angebote wird auf die als Anlage K25 eingereichten Screenshots verwiesen, dort auf die Seiten 1 f., 21 ff. und 69 ff.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie wegen der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem angegriffenen Urteil teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagten zur Unterlassung des Vertriebs der soeben abgebildeten Verletzungsmuster 1 bis 3 sowie zur Auskunft verurteilt und festgestellt, dass der Klägerin insofern ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zusteht. Das Landgericht hat angenommen, das Klagemuster habe zumindest eine leicht gesteigerte wettbewerbliche Eigenart und die Verletzungsmuster 1-3 würden nahezu identische Nachahmungen darstellen. Ferner hat es angenommen, das Angebot der Beklagten zu 1) sei unlauter, denn es führe zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3a) UWG und stelle überdies eine unangemessene Rufausnutzung im Sinne von § 4 Nr. 3 b) Fall 1 UWG dar. Die Beklagten zu 2) und zu 3) würden als Gesellschafter der Beklagten zu 1) auch für zu unterlassende Handlungen akzessorisch haften. Im Hinblick auf acht weitere von der Klägerin angegriffene Verletzungsmuster (darunter auch Ohrhänger) hat das Landgericht die Klage mangels Vorliegens von Nachahmungen abgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.
Die Klägerin hat die teilweise Klageabweisung hingenommen, so dass das Urteil insoweit rechtskräftig geworden ist. Die drei Beklagten greifen den stattgebenden Teil des Urteils vollen Umfangs mit ihrer Berufung an. Zur Begründung führen sie insbesondere aus wie folgt:
Das Landgericht habe den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit bzw. den Ausnahmecharakter des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes verkannt. Dieser beziehe sich stets nur auf eine konkrete Gestaltung, nicht auf dahinterstehende Ideen oder Technik oder Methoden. Die Übernahme einer bloßen Gestaltungsidee sei auch dann nicht unlauter, wenn das Originalerzeugnis eine hohe Verkehrsbekanntheit besitze und der Verkehr es ohne weiteres einem bestimmten Hersteller zuordne.
Entgegen dem angegriffenen Urteil sei das Klagemuster nicht durch quaderförmige Elemente geprägt, sondern nur durch würfelförmige, wie es sich auch aus der Bezeichnung „Geo Cube“ ergebe, da „cube“ das englische Wort für Würfel sei.
Das Klagemuster weise keine leicht gesteigerte wettbewerbliche Eigenart auf, denn es seien keine Tatsachen vorgetragen bzw. festgestellt, die eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart begründen würden. Wenn überhaupt sei von einer (noch bestehenden) wettbewerblichen Eigenart im unterdurchschnittlichen Bereich auszugehen:
Die von der Klägerin dargelegten Umsätze könnten die Steigerung der wettbewerblichen Eigenart ebenso wenig begründen wie die behauptete Dauer der Marktpräsenz. Soweit die Klägerin als Beleg für die Eigenart auf den Abstand zu Schmuck von Wettbewerbern verweise, sei entgegen dem angegriffenen Urteil nicht maßgebend, dass die Klägerin vor allem auf den Juweliermarkt und einzelne Modeschmuckanbieter verweise. Vielmehr sei auf den gesamten Schmuckmarkt abzustellen. Es sei unstreitig, dass bereits im Jahr 2005 Würfelketten in verschiedenen Farben und Bastelsets angeboten worden seien. Darüber hinaus seien ab 2021 massenweise Würfelketten im Internet zum Verkauf angeboten worden. Es komme nicht darauf an, ob vereinzelte Hersteller Abstand zu den klägerischen Modellen halten. Entscheidend sei, ob Kettengestaltungen wie die der Klägerin auf dem Markt angeboten werden. Die für die wettbewerbliche Eigenart darlegungs- und beweisbelastete Klägerin gehe von einem unzutreffend definierten Marktumfeld aus. Dieses sei nicht auf den Vertriebsweg der Klägerin (exklusive Vertriebskanäle über Juweliere o. ä.) beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf andere Vertriebswege wie Internetplattformen. Die Beklagten hätten hinreichend substanziiert vorgetragen, dass solche Würfelketten als Bastelsets und von Kleingewerbetreibenden vertrieben worden und daher bereits vorbekannt gewesen seien.
Entgegen dem angegriffenen Urteil hätten die Beklagten hinreichend zu entsprechenden Angeboten von Würfelketten im Internet vorgetragen. Da die Beklagten im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Vortrag substanziiert und auch Beweisangebote vorgelegt hätten, sei es Sache der Klägerin, zur originären wettbewerblichen Eigenart auf sämtlichen Vertriebswegen unter Beweisantritt vorzutragen bzw. in Bezug auf die Schwächung und den Wegfall einer wettbewerblichen Eigenart substanziiert zu entgegnen. Den Beklagten könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass ihr Vortrag zur mangelnden originären wettbewerblichen Eigenart bzw. zu deren späterer Schwächung oder späterem Wegfall keine hinreichende Substanz habe. Sie könnten zu nicht rekonstruierbaren Massenangeboten von Kleinanbietern auf Internetplattformen im Laufe der Jahre schlicht nicht mehr vortragen und unter Beweis stellen. Hier unterscheide sich der Fall von den sonstigen Fällen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, in denen das Marktumfeld klar abgrenzbar sei.
Der Beklagtenvortrag sei auch nicht deshalb unerheblich, weil zur Marktbedeutung und zum Umfang der dargelegten Angebote nichts habe vorgetragen werden können. Hier führe bereits die Vielzahl von Angeboten gleich bzw. ähnlich gestalteter Ketten zu einer Marktrelevanz, mit der sich die Klägerin hätte auseinandersetzen müssen. Eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart könne nicht nur durch einzelne Anbieter mit Marktbedeutung stattfinden, sondern auch aufgrund einer Vielzahl bzw. eines massenhaften Angebots von solchen Kettengestaltungen.
Die Würdigung des Landgerichts, wonach die Klägerin hinreichend substanziiert darlegt habe, gegen zahlreiche Anbieter von Halsketten und Armbändern sowie Ohrhängern vorzugehen, sei unzutreffend. Das gelte auch für die Beurteilung, wonach die originär durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters seit dem Markteintritt im Jahre 2005 dadurch gesteigert worden sei, dass die Modelle durchgängig seit knapp 20 Jahren auf dem Markt sowie in sehr hohen Stückzahlen über eine große Bandbreite von Vertriebskanälen vertrieben worden seien und ein erheblicher Werbeaufwand in klassischen Printmedien, aber auch über Influencer auf Social-Media-Kanälen betrieben worden sei. Der Vortrag der Klägerin sei nicht ansatzweise geeignet und ausreichend, um eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart annehmen zu können.
Bei den Verletzungsmustern handele es sich nicht um nahezu identische und nicht einmal um nachschaffende Nachahmungen:
Die Verletzungsmuster wiesen gegenüber dem Klagemuster im Gesamteindruck nicht nur geringfügige Unterschiede auf. Während das Klagemuster ausschließlich durch Würfel- und nicht durch Quaderformen geprägt sei, fehle den Verletzungsmustern das charakteristische Merkmal des Würfels. Da sich gerade das wesentliche Gestaltungsmerkmal „Würfel“ in den Verletzungsmustern nicht wiederfinde, liege nicht einmal eine nachschaffende Nachahmung vor. Die in den Verletzungsmustern verwendeten „abgeflachten“ Würfel würden sich von der klaren geometrischen Formgebung des Klagemusters abheben. Die landgerichtliche Feststellung, die Farbgebung der Würfel sei unerheblich, treffe nicht zu. Das Gegenteil sei der Fall. Das Klagemuster sei durch eine strenge und klare Farbgebung geprägt. Zudem setze die Annahme einer Nachahmung voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war. Liege diese Kenntnis nicht vor, sondern handele es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbstständige Zweitentwicklung, sei eine Nachahmung schon begrifflich ausgeschlossen, was das Landgericht verkannt habe. Auch eine nachschaffende Nachahmung scheide begrifflich aus, wenn der vermeintliche Nachahmer derartige Würfelketten auf dem Markt angeboten habe, als es bereits eine Vielzahl solcher Kettengestaltungen auf dem Markt gab.
Aufgrund der deutlich geringeren Qualität der Verletzungsmuster sei eine nahezu identische Nachahmung auszuschließen, da diese Unterschiede Auswirkungen auf die ästhetische Wirkung und den Erinnerungseindruck hätten.
Es liege auch keine Herkunftstäuschung vor:
Da eine allenfalls unterdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters und allenfalls eine nachschaffende Nachahmung vorlägen, bestünden hohe Anforderungen an das Unlauterkeitsmerkmal. Da die Beklagten die Verletzungsmuster auf otto.de als „handgefertigt“ und mit der Angabe „Verkäufer Tr.muck“ angeboten hätten, gehe der angesprochene Verkehr von Einzelanfertigungen aus im Gegensatz zur Produktion der Klägerin. Aus der Darstellung und der Preisgestaltung ergebe sich, dass es sich nicht um hochwertig und filigran gearbeiteten Schmuck wie den von der Klägerin angebotenen handele. Wegen gestalterischer und qualitativer Abweichungen und der unterschiedlichen Vertriebswege sei eine unmittelbare Herkunftstäuschung ausgeschlossen. Der Durchschnittsverbraucher erkenne auch anhand der Herstellerkennzeichnung „Tr.schmuck“, dass es sich nicht um ein Erzeugnis der Klägerin handele.
Es finde auch keine mittelbare Herkunftstäuschung statt. Zwischen den Parteien habe unstreitig zu keiner Zeit eine irgendwie geartete rechtliche Verbindung bestanden, und gegen die Annahme einer solchen Beziehung spreche die völlig unterschiedliche Preisgestaltung.
Auch eine Rufschädigung sei nicht gegeben. Diese sei vom Landgericht ohne nähere Begründung angenommen worden. Das Vorliegen einer Nachahmung genüge jedoch nicht; es müssten besondere Umstände hinzutreten.
Mangels Unterlassungsanspruchs bestünden auch die ausgeurteilten Annexansprüche nicht.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.04.2024, Az.: 327 O 176/23, zugestellt am 12.04.2024, dahingehend abzuändern, dass die Klage der Klägerin insgesamt abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und tritt den Berufungsangriffen der Beklagten entgegen.
Auf Nachfrage des Senats in der Berufungsverhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass ihr Verbotsbegehren sich allein auf die drei bildlich wiedergegebenen Verletzungsmuster in der jeweiligen konkreten farblichen Gestaltung, nicht aber auf jegliche denkbare farbliche Gestaltung bezieht.
Die Klägerin hat nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 18.12.2024 weiter vorgetragen, worauf die Beklagten mit Schriftsatz vom 30.12.2024 reagiert haben.
II.
Die zulässige, nämlich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und auch begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Der Senat vermag der vom Landgericht getroffenen Bewertung, das Angebot der drei in der Berufung noch in Streit stehenden Verletzungsmuster durch die Beklagte zu 1) sei unlauter, nicht beizutreten.
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 a) oder b) UWG nicht zu.
Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil unlautere geschäftliche Handlung vornimmt. Der Anspruch steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG jedem Mitbewerber zu, der Waren in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt.
Hier steht nur eine Unlauterkeit gemäß § 4 Nr. 3 a) oder b) UWG in Rede. Danach handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt (lit. a)) bzw. die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt (lit. b)). Weitere ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweisen muss. Demnach ist der Vertrieb einer Nachahmung unlauter, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine Rufausnutzung oder -beeinträchtigung – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt (BGH, GRUR 2019, 196 Rn. 11 – Industrienähmaschinen).
Das Klagemuster besitzt wettbewerbliche Eigenart, allerdings nur in durchschnittlichem Maße (dazu unter 1.). Die Verletzungsmuster stellen nur nachschaffende Nachahmungen des Klagemusters dar (dazu unter 2.). Angesichts dessen fehlt es in der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre an den besonderen Umständen, die eine Unlauterkeit wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung oder Rufausnutzung bzw. -beeinträchtigung begründen können (dazu unter 3.).Es kann daher offenbleiben, auf welcher rechtlichen Grundlage die Beklagten zu 2) und zu 3) für ein etwa unlauteres Handeln der Beklagten zu 1) verantwortlich wären.
1.
Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 10 – Exzenterzähne). Der Anspruchsteller trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG. Soweit es die wettbewerbliche Eigenart des Produkts betrifft, muss er zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Er muss deshalb das Produkt, für das er Schutz beansprucht, detailliert beschreiben. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und die die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale deutlich erkennen lassen. Im Regelfall wird der Anspruchsteller gehalten sein, dem Gericht das Produkt vorzulegen (BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 22 – Kaffeebereiter). Diesen Darlegungserfordernissen ist die Klägerin nachgekommen. Sie hat fotografische Abbildungen der Halsketten (Anlage K1) ebenso wie zwei Originalprodukte (Anlagen K2 und K3) zur Akte gereicht und diese beschrieben.
Der Senat kann die wettbewerbliche Eigenart aus eigener Sachkunde feststellen, denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem vom Angebot der Klägerin angesprochenen Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher.
a.
Eine wettbewerbliche Eigenart eines Produkts setzt nicht voraus, dass die zu seiner Gestaltung verwendeten Einzelmerkmale originell sind bzw. waren (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 34 – Sandmalkasten). Das gilt auch für (Mode-) Schmuckerzeugnisse. Soweit für Modeartikel im Bekleidungsmarkt ein strengerer Maßstab gelten soll (s. dazu Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.43d m.w.N.), gilt das hier jedenfalls nicht. Im Schmuckmarkt ändern sich die Trends und damit die Gestaltungen nicht so schnell und regelmäßig wie bei der Bekleidungsmode.
Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrer Kombination geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH, GRUR 2016, 730 Rn. 33 – Herrnhuter Stern). Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart nicht nur verstärken, sondern auch erst begründen (BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 31 – Sandmalkasten).
In diesem Sinne weist hier keines der einzelnen Gestaltungsmerkmale für sich betrachtet (transparente Würfel aus Kristallglas, Würfel aus nicht transparentem Material, quadratische Metallplättchen und Strassrondelle, Zylinder) wettbewerbliche Eigenart auf. Die Verwendung von Würfeln, quadratischen Metallplättchen und Strassrondellen und von dünnen Zylindern als Abstandshaltern für Halsketten ist freihaltungsbedürftig und muss daher außer Betracht bleiben.
Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes ist der Schutz von Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung, nicht die dahinterstehende abstrakte (Gestaltungs-) Idee bzw. das Konzept (BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 23 – Glück). § 4 Nr. 3 UWG darf nicht dazu dienen, Grundgedanken für die Gestaltung von Produkten gegen die Übernahme durch Wettbewerber zu schützen (BGH, GRUR 2005, 166, 168 – Puppenausstattungen). Demnach kann eine gestalterische Grundidee im Interesse des freien Wettbewerbs nicht im Wege des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden (BGH, GRUR 2016, 730 Rn. 37 – Herrnhuter Stern). Das gilt auch dann, wenn ein entsprechendes Erzeugnis eine hohe Verkehrsbekanntheit erlangt hat und vom Verkehr auf Grund der tatsächlichen Marktverhältnisse ohne weiteres einem bestimmten Unternehmen zugerechnet wird (BGH, GRUR 2003, 359, 361 – Pflegebett; Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.23). Herkunftshinweisend kann also nur die konkrete Umsetzung der gestalterischen Grundidee sein (BGH, GRUR 2009, 1069 Rn. 22 – Knoblauchwürste; Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.43a m.w.N.).
Die gestalterische Grundidee, Würfel und quadratische Elemente (hier: Metallplättchen und Strassrondelle) in abwechselnder und stets sich wiederholender Weise auf eine Kette zu ziehen und voneinander mittels dünner Zylinder auf Abstand zu halten, kann demnach nicht geschützt werden; andernfalls würde der Schutzbereich für das Produkt der Klägerin über die konkrete Gestaltung hinaus unzulässig erweitert (vgl. BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 23 – Glück).
Allein das prägnante Zusammenwirken der für sich gesehen nicht schutzfähigen Gestaltungsmerkmale in der im Klagemuster anzutreffenden konkreten Ausformung führt dazu, dass der angesprochene Verkehr mit dem so gestalteten Produkt eine Herkunftsvorstellung verbindet. Die wettbewerbliche Eigenart ergibt sich aufgrund der besonderen Art der Kombination der unterschiedlichen geometrischen Elemente und der Auswahl der hochwertigen Materialien sowie der damit einhergehenden Farbgebung in ihrer Varianz.
Die freizuhaltende gestalterische Idee einer sich stets wiederholenden Abwechslung von Elementen, die ihrerseits aus quadratischen bzw. würfelförmigen Einzelelementen gleichen Ausmaßes bestehen, und der Trennung dieser Elemente durch dünne Zylinder als Abstandshalter ist im Klagemuster wie folgt konkret umgesetzt: Es wechseln sich stets ein Einzelwürfel und ein Elementenensemble ab, wobei letzteres in der stets gleichen Anordnung aus einem Würfel, einem Metallplättchen, einem Strassrondell und einem weiteren Metallplättchen besteht. Die beiden Elemente „Einzelwürfel“ und „Elementenensemble“ werden stets durch (nur) einen dünnen, die Kette umschließenden Zylinder voneinander getrennt. Alle Einzelelemente werden mittig von der Kette durchlaufen.
Maßgeblich für die Begründung der wettbewerblichen Eigenart ist der durch die stets gleiche Abfolge von Einzelwürfel, nur einem und stets gleich langen Zylinder und Elementenensemble entstehende streng symmetrische, dennoch Leichtigkeit vermittelnde Gesamteindruck. Der Eindruck strenger Symmetrie wir dabei erstens durch die sich immer wiederholende Abwechselung von Einzelwürfel und Elementenensemble bei immer demselben Abstand dazwischen, zweitens durch die immer gleiche Anordnung der Einzelelemente innerhalb des Elementenensembles und drittens auch und vor allem durch das Vorhandensein der jeweils prägenden Würfelform in den beiden Elementen „Einzelwürfel“ und „Elementenensemble“ hervorgerufen. Unterstützend kommt hinzu, dass die einzelnen Elemente in einheitlichen Maßen bzw. denselben Größen (Kantenlänge 6 Millimeter) verwendet werden. Der Eindruck gewisser Leichtigkeit entsteht vor allem durch den insbesondere im Vergleich zur Größe des Einzelwürfels recht großen Abstand, den die in ihrem Durchmesser einer Kette ähnlichen Zylinder herstellen.
Außerdem spielen die Materialauswahl und die damit in Zusammenhang stehende Farbgebung eine Rolle. Die konkrete Farbgebung einzelner Geo-Cube-Kernmodelle muss allerdings außer Betracht bleiben, da die Klägerin nicht eine oder mehrere bestimmte farbliche Gestaltungen zur Grundlage ihres Anspruchs macht, sondern vielmehr ausdrücklich die unterschiedlichen farblichen Gestaltungen bzw. die farbliche Variabilität der Geo-Cube-Kernmodelle als ein die wettbewerbliche Eigenart begründendes Merkmal ansieht. Daher kann nur „übergreifend“ auf solche farblichen Aspekte abgestellt werden, die sämtliche Klagemuster aufweisen. Aufgrund der erkennbar hochwertigen, nämlich akkurat gearbeiteten und besonders brillanten bzw. farbenprächtigen Einzelelemente macht das Klagemuster einen besonders wertigen Eindruck. Der Einzelwürfel besteht aus farbigem oder farblosem, transparentem Kristallglas von besonderer Brillanz, der besonders farbenprächtige Würfel des Elementenensembles hingegen ist nicht transparent und tritt mit den glänzenden Metallplättchen und dem glitzernden Strassrondell in Kontrast. Schließlich wirken auch die Bezeichnung „Geo-Cube“ und das an ein einem Extra-Kettchen befestigte Signet herkunftshinweisend und tragen so zur wettbewerblichen Eigenart bei.
b.
Der Grad der wettbewerblichen Eigenart des Klagemusters ist als durchschnittlich einzustufen.
aa.
Weil es sich bei dem Klagemuster um ein Erzeugnis handelt, das lediglich eine gestalterische Grundidee umsetzt, kommt ihm von Haus aus nur geringe wettbewerbliche Eigenart zu (vgl. BGH, GRUR 2016, 730 Rn. 43 – Herrnhuter Stern; Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.43a).
bb.
Eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht aus einem großen Abstand des Klagemusters zu seinem Marktumfeld (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 18 ff. unter dd)). Zwar ist richtig, dass ein deutlicher Abstand zum Marktumfeld herkunftshinweisend wirken und daher für den Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts bzw. seiner Verpackung relevant sein kann (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RS 2024, 25421 Rn. 30 – Glück, insoweit nicht beanstandet durch BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 17 f. – Glück s. auch OLG Hamburg, GRUR-RR 2023, 296 Rn. 71 – Grübchenflasche und OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 363 Rn. 30 – Spiralschneider). Es kann im Streitfall aber nicht festgestellt werden, dass das Klagemuster einen deutlichen Abstand zu seinem Marktumfeld hat.
Für das Bestehen und den Grad der wettbewerblichen Eigenart ist nicht auf den Zeitpunkt der Markteinführung des Originals, sondern auf den Kollisionszeitpunkt mit der Nachahmung abzustellen; eine etwa erhöhte wettbewerbliche Eigenart muss daher auch in diesem Zeitpunkt noch bestehen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RS 2024, 25421 Rn. 35 – Glück; BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 48 m.w.N. – Kaffeebereiter). Daher ist an dieser Stelle unerheblich, ob das Klagemuster bei seiner Markteinführung im Jahr 2005 „völlig neu“ war, wie die Klägerin behauptet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 37 – LIKEaBIKE) kann der Umstand, dass der Originalhersteller eine Pionierleistung erbracht hat, jedoch bei der Frage eine Rolle spielen, ob der Grad wettbewerblicher Eigenart wegen der gesteigerten Bekanntheit des Produkts erhöht ist (dazu noch unter dd.).
Der von der Klägerin behauptete große Abstand zum Marktumfeld lässt sich für den Kollisionszeitpunkt im März 2022 (s. Anlage K25: 09.03.2022) nicht feststellen.
Es kann insofern nicht nur auf die Angebote der direkten Wettbewerber der Klägerin wie Swarovski, Thomas Sabo, Pandora oder Leonardo (s. Anlage K18) sowie auf die Angebote von Juweliergeschäften bzw. in gehobenen Vertriebskanälen wie etwa Christ und Manufactum (s. Anlagen K19a und K38) abgestellt werden. Vielmehr ist der gesamte Schmuckmarkt und damit auch der einfache Modeschmuckmarkt in den Blick zu nehmen. Daher spielen auch die von den Beklagten vorgelegten eigenen Angebote sowie diejenigen auf Plattformen wie ebay und etsy ebenso wie die Ergebnisse von Internetsuchmaschinen zu angebotenen Produkten eine Rolle (ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 20). In diesem Sinne hat die Klägerin auch selbst als Anlage K41 einen „Querschnitt des aktuellen Angebots an Halsketten bei eBay“ vorgelegt, wenn dieser auch aufgrund seines Datums aus September 2023 für den Kollisionszeitpunkt im März 2022 nicht relevant ist und offenbar auch nicht auf einer Suche nach Würfelketten o.ä. beruht, sondern lediglich eine allgemeine Übersicht darstellt. Schließlich ist auch die von den Beklagten als Anlage B22 eingereichte Designeintragung von Relevanz.
Würfelketten für sich gesehen sind und waren im Markt durchaus verbreitet. Die Klägerin hat dementsprechend selbst mehrere Gestaltungen von Würfelketten als Anlagen K19a-c vorgelegt, von denen zumindest eine nicht nur aus Würfeln, sondern aus sich abwechselnden unterschiedlichen Elementen besteht (Anlage K19b). Unstreitig ergab eine Suche bei der Suchmaschine Bing mit den Wörtern „Halskette Cube-Strass“ über 2,2 Millionen und bei der Suchmaschine google mit dem Begriff „Würfelkette“ am 03.05.2022 mehr als 53.000 Ergebnisse. Auch wenn zahlreiche dieser Ergebnisse zur Klägerin bzw. den Klagemustern und längst nicht alle der anderen Ergebnisse zu Gestaltungen führen, die dem Klagemuster gleichen oder ihm auch nur ähnlich sind, macht allein die sehr große Zahl an Ergebnissen deutlich, dass Würfelketten für sich gesehen alltäglich sind und waren. Das entspricht auch der Erfahrung der Senatsmitglieder als Mitglieder des vom (Mode-) Schmuckangebot angesprochenem Verkehrskreises.
Auch Würfelketten, die in ähnlicher Weise gestaltet sind wie das Klagemuster, waren bereits vor dem Kollisionszeitpunkt im Markt vorhanden und sind es im Kollisionszeitpunkt auch weiterhin. Die Beklagten haben als Anlage B8 ihren Produktkatalog der Kollektion 2013/2014 vorgelegt, aus dem sich eine Vielzahl von Würfelkettengestaltungen ergibt, bei denen die einzelnen würfelförmigen Elemente durch dünne Zylinder voneinander auf Abstand gehalten werden. Teilweise werden dabei neben Würfeln auch Metallplättchen und Strassrondelle verwendet, und teilweise findet sich neben einem Einzelwürfel auch ein Elementenensemble, wenn auch in anderer Weise als beim Klagemuster, etwa wie in der nachfolgend eingeblendeten Gestaltung (S. 3 oben in Anlage B8):
Daraus ergibt sich, dass es jedenfalls bereits in den Jahren 2013/2014 Gestaltungen gab, die nicht nur auf derselben gestalterischen Grundidee wie das Klagemuster beruhten, sondern diese auch auf ähnliche Weise konkret umsetzten. Überdies haben die Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) gemeinsam mit ihrer Mutter Würfelkettengestaltungen wie in Anlage B8 dargestellt bereits seit dem Jahr 2002 und damit vor Markteintritt des Klagemusters angeboten habe.
Ferner haben die Beklagten mit der Anlage B6 zahlreiche weitere Entgegenhaltungen in Form von gewerblichen Angeboten Dritter vorgelegt, die jedenfalls teilweise aus dem Jahr 2021 stammen, damit vor dem Kollisionszeitpunkt liegen und die dem Klagemuster – teilweise sogar sehr stark – ähneln (Anlage B6 S. 2, 4-5, 13: 11.11.2021; S. 14-28 und inhaltsgleich S. 79-86: bereits am 29.07.2021 bzw. am 24.08.2021; S. 29-31: 13.11.2021; S. 64-78: 24.08.2021; S. 71-78: 24.08.2021; S. 89: 01.08.2021; S. 90: 08.08.2021). Beispielhaft wird hier die Gestaltung gemäß dem Screenshot vom 11.11.2021 (S. 5 in Anlage B6) eingeblendet:
Mit Anlage B19 haben die Beklagten weitere kommerzielle Angebote vom 28.04.2013 vorgelegt (in englischer Sprache).
Schließlich haben die Beklagten dargelegt, dass die Mutter der Beklagten zu 2) eine dem Klagemuster recht nahekommende Gestaltung bereits im Jahr 2011 beim DPMA angemeldet hat und dass diese im Jahr 2013 als Design Nr. … eingetragen wurde. Die im DPMA-Register eingetragene Abbildung gemäß Anlage B22 sieht wie folgt aus:
Der besseren Qualität wegen wird hier noch die offenbar identische Abbildung eingeblendet, wie sie dem von beiden Parteien als Anlage eingereichten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28.03.2024 zum Akteneichen 6 U 52/23 auf Seite 15 entnommen werden kann:
Die Beklagten haben zwar nicht näher zur Marktbedeutung ihres Angebots gemäß Anlage B8 sowie der weiteren Entgegenhaltungen gemäß Anlagen B6, B19 und B22 vorgetragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beklagtenvortrag an dieser Stelle aber dennoch beachtlich. Denn den Beklagten obliegt hier keine eigene originäre Darlegungslast, sondern primär darlegungs- und auch beweisbelastet ist die Klägerin. Die Beklagten hingegen sind nur für solche Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen sollen. In diesem Rahmen müssen die Beklagten im Grundsatz auch zum wettbewerblichen Umfeld und der Marktbedeutung der Entgegenhaltungen vortragen (vgl. BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 23 – Kaffeebereiter, dazu noch unter cc.).
Hingegen ist für das Entstehen der wettbewerblichen Eigenart als Anspruchsvoraussetzung der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet (BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 22 f. – Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 58 – Segmentstruktur). Die Klägerin beruft sich auf eine wegen des großen Abstands zum Marktumfeld gesteigerte, insgesamt überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters. Der große Abstand ist daher eine ihr günstige Tatsache, für die sie nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt, wohingegen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die dagegen vorgebrachten, ihnen günstigen Einwendungen tragen. Dementsprechend gehört in Fällen, in denen – wie hier – nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Marktverhältnisse ausgegangen werden kann, Vortrag zum Abstand des klägerischen Produkts zu vorbekannten Erzeugnissen und zu denen der Wettbewerber zum schlüssigen Klagevorbringen (BGH, GRUR 1998, 477, 479 unter b)aa) – Trachtenjanker; Wiebe in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020, § 4 Rn. 262; Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 4 Rn. 3/92). Demnach muss die Klägerin die ihr günstigen Umstände darlegen und beweisen, die erstens überhaupt zum behaupteten Entstehen und zweitens zu der behaupteten Steigerung der wettbewerblichen Eigenart führen. Das ist für die Steigerung der wettbewerblichen Eigenart aufgrund erhöhter Bekanntheit anerkannt (vgl. nur Senat, GRUR-RS 2020, Rn. 36 – E-Gitarre zu fehlendem Klägervortrag zu Marktanteilen; bestätigt durch BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 35 – Flying V). Für die Steigerung aufgrund großen Abstands zum Marktumfeld gilt nichts anderes (siehe dazu auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 18 und 20).
Ihrer Darlegungslast ist die Klägerin zunächst nachgekommen, indem sie einen deutlichen Abstand behauptet und dazu etwa als Anlagen K18, K19a-c, K38-40, K41 Übersichten über das Marktumfeld vorgelegt hat. Die Beklagten haben diesen Vortrag der Klägerin jedoch wirksam bestritten und mit den Anlagen B6, B8, B19 und B22 zahlreiche Entgegenhaltungen auch aus dem Zeitraum vor 2022 eingereicht, die dem Klagemuster in der grundlegenden Gestaltung ähneln oder sogar nahezu gleichen und daher gegen einen großen Abstand des Klagemusters vom Marktumfeld sprechen (in Anlage B6: S. 2, 4-5, 13: 11.11.2021; S. 14-28 und inhaltsgleich S. 79-86: bereits am 29.07.2021 bzw. am 24.08.2021; S. 29-31: 13.11.2021; S. 64-78: 24.08.2021; S. 71-78: 24.08.2021; S. 89: 01.08.2021; S. 90: 08.08.2021; Anlage B19: 28.04.2013). Es finden sich allerdings auch zahlreiche Entgegenhaltungen, bei denen kein Datum erkennbar ist (Anlage B5, Anlage B6 S. 1, 3, 6-13, 32-37, 39-56, 57-61, 62, 63, 91-102) oder deren Datum erst nach dem Kollisionszeitpunkt liegt (Anlagen B11-B14: 09.08.2022; Anlage B15: 28.09.2023; Anlage B23: 06.02.2024; Anlage B24: seit November 2023; Anlage B25: „aktuell“, also offenbar Februar 2024) und die deswegen unbeachtlich sind. Dennoch verbleibt eine große Zahl von Entgegenhaltungen bis zum Kollisionszeitpunkt insbesondere gemäß Anlage B6, so dass das Bestreiten des Klägervortrags zum großen Abstand schon deswegen hinreichend substanziiert ist. An dieser Stelle bedurfte es daher keines Vortrags der Beklagten zur Marktbedeutung der einzelnen Entgegenhaltungen (anders aber, soweit es die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten angeht, dazu noch sogleich unter cc.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Vertrieb etwa über eBay nicht generell für kleine Stückzahlen spricht. Die gegenteilige Annahme des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil hat weder eine hinreichende Grundlage im Parteivortrag noch handelt es sich um eine gemäß § 291 ZPO offenkundige Tatsache. Im Gegenteil finden sich nach der Erfahrung der Senatsmitglieder durchaus auch gewerbliche Angebote von Produkten in großer Stückzahl auf eBay.
Demnach war es nun Sache der Klägerin, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die die Annahme eines großen Abstands zum Marktumfeld trotz dieser Entgegenhaltungen rechtfertigen. Das kann etwa Vortrag zum fehlenden Angebot auf dem deutschen Markt, zur fehlenden Marktbedeutung oder auch zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegenüber solchen Gestaltungen sein. Der Vortrag der Klägerin reicht insoweit jedoch nicht aus, und an Beweisangeboten fehlt es. Auf die Entgegenhaltungen der Beklagten hat die Klägerin nur teilweise Gegenvortrag dahingehend gehalten, dass sie die beiden Anbieter Ie. (s. Anlage B6, S. 6-11 und 57-61) sowie D. (s. Anlage B6, S. 79-86) erfolgreich abgemahnt habe und dass einzelne andere Angebote wie etwa dasjenige gemäß Anlage B19 aus dem Jahr 2013 nicht auf den deutschen Markt ausgerichtet gewesen seien. Letzteres dürfte auch für das Angebot des Anbieters d.-s. (Anlage B6, S. 32) gelten. Diese einzelnen Entgegenhaltungen bleiben daher unberücksichtigt. Das gilt aber nicht für die Entgegenhaltungen der Händler C. P., B. H., St. und K. Schmuckdesign, hinsichtlich derer die Klägerin nur vorgetragen hat, die Anbieter – offenbar erfolglos – anwaltlich zur Beendigung des Verkaufs ihrer Nachahmungen aufgefordert zu haben. Denn damit ist das jeweilige Angebot nicht bzw. jedenfalls nicht rechtssicher unterbunden worden.
Den zahlreichen verbleibenden Entgegenhaltungen tritt die Klägerin nicht entgegen. Es fehlt an Vortrag, wonach diese für den Abstand des Klagemusters vom Marktumfeld unbeachtlich seien. Das gilt schon für die zwar nicht (nahezu) identische, aber dem Klagemuster dennoch ähnliche Gestaltung, die als Design eingetragen wurde (Anlage B22). Zwar ist das Design ein ungeprüftes Schutzrecht, dessen Neuheit und Eigenart vor der Eintragung nicht geprüft werden (s. § 16 DesignGin der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung), und das Design ist im Jahr 2017 wieder gelöscht worden. Dennoch ergibt sich aus diesem Vorgang, dass eine dem Klagemuster zumindest ähnliche Gestaltung bereits in den Jahren 2011 bzw. 2013 nicht nur bekannt war, sondern vom Anmeldenden auch für eintragungswürdig gehalten wurde, wobei letzteres auf eine der Gestaltung zugesprochene wirtschaftliche Bedeutsamkeit schließen lässt. Damit ist zwar nichts darüber gesagt, ob eine solche Gestaltung tatsächlich am Markt angeboten wurde. Dennoch sprechen die Anmeldung und Eintragung des Designs zumindest in gewissem Maße dagegen, dass nur die Klägerin im entsprechenden Zeitraum weit vor dem Kollisionszeitpunkt Ketten in dieser Art gestaltet habe. Allemal sprechen dagegen zahlreiche der in dem Katalog der Beklagten gemäß Anlage B8 abgebildeten unterschiedlichen Gestaltungen von Würfelketten sowie und vor allem die mit Anlage B6 dargelegten, dem Klagemuster sehr ähnlichen Entgegenhaltungen in Gestalt von Angeboten Dritter, soweit sie sich vor den Kollisionszeitpunkt datieren lassen und die Klägerin ihre Bedeutung nicht substanziiert in Abrede genommen hat (s. dazu detailliert bereits oben).
cc.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten lässt sich aber trotz dieser Entgegenhaltungen keine Schwächung oder gar ein Wegfall der wettbewerblichen Eigenart des Klagemusters feststellen.
Anders als in Bezug auf eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart sind insofern die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet: Hat der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast zum Entstehen der wettbewerblichen Eigenart genügt, so trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart (z. B. wegen vorbekannter Gestaltungen) hindern oder deren Schwächung oder Wegfall (z. B. durch Auftreten ähnlicher Erzeugnisse auf dem Markt oder durch den Vertrieb des Produkts unter fremder Kennzeichnung in nicht nur geringfügigem Umfang) begründen, wozu die Darlegung der Marktbedeutung von Produkten gehört, mit denen die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage gestellt wird (Senat, GRUR-RS 2020, 52876 Rn. 32 m.w.N. – E-Gitarre; BGH, GRUR 2018, 311 Rn. 22 – Handfugenpistole; BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen).
Ebenso wenig wie es der Klägerin gelungen ist, einen großen Abstand des Klagemusters zu seinem Marktumfeld darzulegen und zu beweisen, gelingen den Beklagten die Darlegung und der Beweis, dass das Klagemuster wegen vorbekannter Gestaltungen von vornherein keine wettbewerbliche Eigenart habe aufweisen können oder dass seine wettbewerbliche Eigenart wegen der weiteren am Markt angebotenen Gestaltungen inzwischen geschwächt oder gar ganz verloren gegangen sei.
aaa.
Neuheit oder schöpferische Eigentümlichkeit einer Gestaltung sind zwar nicht Voraussetzungen wettbewerblicher Eigenart (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.27 m.w.N.), können aber indiziell für sie sprechen (vgl. Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.33 m.w.N.). Umgekehrt kann das Vorhandensein (nahezu) identischer Gestaltungen bei Markteintritt eines Produkts für das Fehlen wettbewerblicher Eigenart sprechen. Unabhängig davon reicht aber schon der Vortrag der Beklagten zu angeblich beim Markteintritt des Klagemusters im Jahr 2005 vorbekannten Gestaltungen nicht aus, um das Entstehen wettbewerblicher Eigenart unter diesem Gesichtspunkt verneinen zu können. Die Beklagten habe keine dem Klagemuster identisch oder nahezu identisch entsprechende Gestaltung vorlegen und dazu vortragen können, dass diese bereits vor dem Jahr 2005 angeboten worden sei.
Für keine der konkreten Entgegenhaltungen gemäß Anlagen B5, B6, B9-13, B19 und B22 ist vorgetragen oder ersichtlich, dass die entsprechende Gestaltung bereits vor oder in 2005 angeboten worden sei. Die Beklagten haben insofern vorgetragen, dass im Jahr 2005 bereits „Würfelketten in verschiedenen Farben“ und „Bastelsets“ angeboten worden seien. Vortrag zu Bastelsets kann die wettbewerbliche Eigenart des als fertiges Produkt angebotenen Klagemusters aber von vornherein nicht in Frage stellen, da es sich um eine andere Produktkategorie handelt. Bastelsets werden nicht in der Form der Produkte der Klägerin angeboten und können zudem nach Fertigstellung aufgrund der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten auch anders aussehen als vorgeschlagen. Dass bereits vor dem Jahr 2005 Würfelketten angeboten worden seien, kann als unstreitig unterstellt werden, bezieht sich aber nicht hinreichend konkret auf die Gestaltung des Klagemusters und kann daher nicht zu der Feststellung führen, das Klagemuster habe bei seiner Markteinführung keine wettbewerbliche Eigenart aufgewiesen.
Anderes gilt nur in Bezug auf die als Anlage B8 vorgelegten Gestaltungen der Beklagten selbst, zu denen sie unter Beweisantritt vorgetragen haben, die Beklagte zu 2) habe solche Ketten gemeinsam mit ihrer Mutter bereits seit dem Jahr 2002 und damit vor Markteintritt des Klagemusters angeboten. Dieser Vortrag ist durch die Bezugnahme auf die Gestaltungen gemäß Anlage B8 hinreichend konkret. Einer Beweisaufnahme dazu bedarf es jedoch nicht. Die Behauptung kann als wahr unterstellt werden, ohne dass deswegen davon auszugehen ist, dass die wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters nicht entstanden sei. Insofern verweist die Klägerin zutreffend darauf, dass eine solche Feststellung Vortrag der Beklagten zur Marktbedeutung der Entgegenhaltung voraussetzt (vgl. BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 23 – Kaffeebereiter). Daran fehlt es jedoch, obwohl dies die eigene Sphäre der Beklagten betrifft und ihnen daher Vortrag dazu ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Abgesehen davon kommt keine der in Anlage B8 gezeigten Gestaltungen dem Klagemuster so nahe, dass sie die Entstehung wettbewerblicher Eigenart des Klagemusters vollständig ausschließen könnte.
Etwas anderes kann auch angesichts einer etwaigen Beweisnot der Beklagten nicht angenommen werden. So erscheint es zwar nicht als ausgeschlossen, dass insbesondere im einfachen Modeschmuckmarkt bereits vor dem Jahr 2005 von Kleinst- und Kleinanbietern Gestaltungen von Würfelketten angeboten wurden, die dem Klagemuster entsprachen oder ihm jedenfalls (sehr) ähnlich waren. Es mag auch sein, dass die Beklagten heute keine entsprechenden Entgegenhaltungen präsentieren können, weil es um Vorgänge von vor beinahe 20 Jahren geht und zudem die damaligen Produkte häufig auf Floh- und Handwerkermärkten angeboten wurden und auch etwaige Online-Angebote der Kleinanbieter aus der Zeit nicht mehr rekonstruierbar sind. Schließlich mag auch sein, dass die Klägerin, wie die Beklagten geltend machen, letztlich für eine aus dem einfachen Modeschmuckmarkt bereits bekannte Gestaltung mithilfe der im Klagemuster verwendeten, deutlich hochwertigeren und besser verarbeiteten Materialien und ihres Marketings einen anderen Markt im gehobenen Schmucksegment erschlossen hat. Aber selbst wenn all dies so wäre, könnten die Beklagten daraus prozessual nichts zu ihren Gunsten ableiten. Im Zivilprozess ist es Sache der Parteien, die ihnen jeweils günstigen Umstände darzulegen und zu beweisen. Wenn dies nicht (mehr) möglich sein sollte, geht dies zu Lasten der beweisbelasteten Partei, hier also zu Lasten der für das Nichtentstehen der wettbewerblichen Eigenart darlegungsbelasteten Beklagten.
bbb.
Auch eine später eintretende Schwächung oder gar den vollständigen Wegfall der wettbewerblichen Eigenart haben die Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Zwar ist hier nicht auf den Zeitpunkt des Markteintritts des Klagemusters im Jahr 2005 abzustellen, sondern auf den Kollisionszeitpunkt bzw. das Angebot der Verletzungsmuster im März 2022. Die Beklagten haben zahlreiche Entgegenhaltungen bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegt (s. bereits oben unter bb.), wobei die Entgegenhaltungen, hinsichtlich derer die Klägerin eine erfolgreiche Abmahnung bzw. die Nichtausrichtung auf den deutschen Markt geltend gemacht hat (s. o.), auch hier nicht zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der verbleibenden zahlreichen Entgegenhaltungen bis März 2022 fehlt es jedoch an dem grundsätzlich erforderlichen Beklagtenvortrag zu ihrer Marktbedeutung (vgl. BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 23 – Kaffeebereiter). Das gilt zunächst für die eigenen Angebote der Beklagten selbst, hinsichtlich derer sie ohne Weiteres zur Marktbedeutung vortragen könnten. Auch hier kann als wahr unterstellt werden, dass die Beklagte zu 2) gemeinsam mit ihrer Mutter Würfelkettengestaltungen wie mit dem Katalog gemäß Anlage B8 vorgelegt bereits seit dem Jahr 2002 angeboten habe, denn es fehlt jegliche Darlegung der Marktbedeutung, wie etwa Vortrag zu Absatzzahlen, Werbeaufwand, Präsenzen auf Messen und ähnlichem. Dasselbe gilt mit Blick auf die Angebote Dritter. Daran ändert auch die Zahl dieser Angebote nichts. Die bloße Anzahl an Entgegenhaltungen bis zum Kollisionszeitpunkt lässt es, wie unter bb. ausgeführt, ohne weiteren Vortrag der Klägerin nicht zu, einen deutlichen Abstand des Klagemusters zu seinem Marktumfeld festzustellen. Daraus folgt aber nicht automatisch bzw. gleichsam im Umkehrschluss, dass deswegen eine Schwächung oder gar der Wegfall der wettbewerblichen Eigenart festgestellt werden kann. Die Anforderungen an den Vortrag der Beklagten sind hier höher. Ihnen oblag bei der Frage nach dem Abstand des Klagemusters vom Marktumfeld keine originäre Darlegungs- und erst recht keine Beweislast, sondern ihr substanziiertes Bestreiten reichte zunächst aus, so dass die Klägerin weiteren Vortrag hätte halten müssen. Hier aber müssen die Beklagten darlegen und wegen des Bestreitens der Marktbedeutung der Entgegenhaltungen durch die Klägerin auch beweisen, dass die wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters aufgrund der anderen Angebote geschwächt oder ganz entfallen ist. Wenn auch die Zahl an Entgegenhaltungen für eine gewisse Marktbedeutung spricht, reicht dies für sich gesehen nicht aus, um sicher eine Marktbedeutung in einem Ausmaß feststellen zu können, die zur Schwächung oder gar zum Wegfall der wettbewerblichen Eigenart des Klagemusters führt. Auch hier gilt, dass eine etwa bestehende Beweisnot der Beklagten (indes ohnehin allenfalls in Bezug auf die Angebote Dritter) nichts an ihrer Darlegungs- und Beweislast ändert.
dd.
Der Grad der wettbewerblichen Eigenart ist jedoch aufgrund der herkunftshinweisenden Wirkung der Bezeichnung „Geo-Cube“ und des an einem Kettchen angebrachten Signets sowie insbesondere der gesteigerten Bekanntheit des Klagemusters erhöht, so dass letztlich von durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart auszugehen ist.
Der Grad wettbewerblicher Eigenart eines Produkts kann durch dessen tatsächliche Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen verstärkt werden. Diese kann sich aus einer langjährigen Marktpräsenz, einer umfangreichen Bewerbung, Prämierungen, den Absatzzahlen, dem Marktanteil und einer aktiven Verteidigung gegen Nachahmungen ergeben (BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 34 m.w.N. – Flying V). Diese Voraussetzungen sind hier aufgrund des unstreitigen Vortrags der Klägerin zur langjährigen durchgängigen Marktpräsenz des Klagemusters, den über verschiedene Vertriebswege verkauften hohen Stückzahlen und zum Werbeaufwand gegeben, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die Ausführungen auf Seite 21 unter ee) und die tatsächlichen Feststellungen auf Seite 4 f. des angegriffenen Urteils verwiesen.
Angesichts dessen besitzt das Klagemuster auch eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen des angesprochenen Verkehrskreises, die für eine Herkunftstäuschung notwendig ist, wenn Original und Nachahmung nicht nebeneinander und unmittelbar miteinander vergleichbar vertrieben werden (s. dazu BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 36 – LIKEaBIKE).
2.
Die drei Verletzungsmuster stellen nur nachschaffende Nachahmungen des Klagemusters dar.
a.
Eine identische Nachahmung steht nicht in Rede, denn die Klägerin geht selbst nur von einer nahezu identischen Nachahmung aus (s. Seiten 15 und 19 der Klageschrift). Aber auch eine solche liegt nicht vor. In diesem Sinne hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main jüngst für zahlreiche dort streitige Verletzungsmuster, die den dort wie hier streitgegenständlichen Kernmodellen der Geo-Cube-Serie erheblich näher sind als die hiesigen Verletzungsmuster, nur eine nachschaffende Nachahmung angenommen, etwa für dieses:
(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23 S. 22 ff. i.V.m. dem dortigen Anlagenkonvolut K1 S. 136; s. dazu auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.12.2018, Az. 11 U 12/18 Rn. 47 – juris und hier eingereicht als Anlage K21).
Eine Nachahmung setzt voraus, dass das Produkt oder ein Teil davon mit dem Originalprodukt übereinstimmt oder ihm zumindest so ähnlich ist, dass es sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck in ihm wiedererkennen lässt. Dabei müssen die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen. Aufgrund der Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart ausmachen, muss der Grad der Nachahmung festgestellt werden (BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 29 – Glück). Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist. Eine nachschaffende Übernahme ist demgegenüber gegeben, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 29 m.w.N. – Glück).
Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit ist auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der die betreffenden Produkte nicht nebeneinander sieht und unmittelbar miteinander vergleicht, sondern auf Grund seiner Erinnerung in Beziehung zueinander setzt, wobei erfahrungsgemäß die Unterschiede gegenüber den Gemeinsamkeiten der Produkte in den Hintergrund treten (BGH, GRUR 2017, 1135 Rn. 29 – Leuchtballon). Dabei ist auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Produkte abzustellen, denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (st. Rspr., s. nur BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 39 – LIKEaBIKE). Das Originalprodukt muss nicht in allen seinen Gestaltungsmerkmalen übernommen worden sein. Bei einer nur teilweisen Übernahme muss sich die wettbewerbliche Eigenart des Originals aber gerade aus dem übernommenen Teil ergeben: Die übernommenen Gestaltungsmittel müssen diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des Originals begründen (BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 29 – Glück; Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.34).
Da demnach für die Frage der Nachahmung nur auf die Merkmale abgestellt werden darf, die die wettbewerbliche Eigenart des Originals ausmachen, muss die Verwendung von dünnen Zylindern als Abstandhalter, von Würfeln sowie quadratischen Metallplättchen und Strassrondellen für sich gesehen auch hier vollständig außer Betracht bleiben. Denn die Verwendung dieser Elemente ist freihaltungsbedürftig und begründet die wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters nicht. Wie oben bereits ausgeführt, beruht die wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters allein auf der konkreten Umsetzung der gestalterischen Idee, diese Elemente in der oben beschriebenen wiederholenden Weise auf eine Halskette aufzuziehen. Grundlage der Betrachtung ist daher nur diese sich stets wiederholende Abwechslung von Einzelwürfel und Elementenensemble, die Trennung dieser Elemente durch stets einen dünnen Zylinder als Abstandshalter und die stets gleiche Anordnung des aus Würfel, Metallplättchen, Strassrondell und weiterem Metallplättchen bestehenden Elementenensembles. Außerdem spielen der hochwertige Eindruck des Klagemusters aufgrund der Materialauswahl und damit in gewissem Maße auch die Farbgebung eine Rolle, nämlich dahingehend, dass der Einzelwürfel aus farbigem oder farblosem, besonders brillantem transparentem Kristallglas besteht, der farbige Würfel des Elementenensembles hingegen nicht transparent ist und dass die trennenden Zylinder glänzen, weil sie aus Glas oder Edelstahl bestehen. Maßgeblich für die Begründung der wettbewerblichen Eigenart ist der streng symmetrische, dennoch Leichtigkeit vermittelnde hochwertige Gesamteindruck, der durch die Verwendung der Würfelform sowohl im Einzelwürfel als auch im stets gleich aufgebauten Elementenensemble, durch die stets gleiche Abfolge dieser beiden Elemente, ihre Trennung durch (nur) einen stets gleich langen Zylinder sowie die gleichen Außenmaße der geometrischen Einzelelemente und die hochwertigen Materialien entsteht.
Das findet sich jedoch in den Verletzungsmustern so nicht wieder. Zwar bestehen auch diese aus unterschiedlichen geometrischen Elementen, die stets gleich aufgebaut und (nahezu) gleich groß sind, sich abwechseln und immer durch (nur) einen gleich langen dünnen Zylinder voneinander auf Abstand gehalten werden. Zudem finden sich sowohl ein Einzelwürfel aus transparentem Kristallglas als auch ein dem Elementenensemble des Klagemusters entsprechendes Elementenensemble. Ferner sind alle Elemente in ihren Außenmaßen aufeinander abgestimmt (wenn auch nicht ganz so exakt wie beim Klagemuster) und werden mittig von der Kette durchlaufen. Aber daneben gibt es noch ein drittes, andersartiges Element, aufgrund dessen die Verletzungsmuster gegenüber den Klagemustern eine in doppelter Hinsicht gesteigerte geometrische Formenvielfalt aufweisen, so dass sich der gleichzeitig streng geometrische, aber dennoch leichte Gesamteindruck des Klagemusters hier nicht einstellt. Das in seinen Proportionen dem ersten Elementenensemble gleichkommende zweite Elementenensemble („Elementenensemble II“) besteht aus einem Metallquader, einem Rondell, wobei es sich dabei offenbar nur bei den Verletzungsmustern 1 und 3 um ein Strassrondell handelt, und einem weiteren Metallquader. Mit dem Elementenensemble II ist nicht nur ein weiteres, drittes Element gegenüber den nur zwei Elementen des Klagemusters vorhanden, sondern es weist zudem einen Bestandteil auf, den das Klagemuster nicht kennt, und es fehlt der prägende Würfel. Zwar bedient es sich im Grundsatz einer ähnlichen Formensprache, weil alle verwendeten Einzelelemente ebenfalls eine quadratische Grundfläche haben und – zumindest nahezu – die gleichen Ausmaße aufweisen. Aber die Metallquader finden sich im Klagemuster nicht. Aufgrund ihrer Größe dominieren sie das Elementenensemble II. Hier ist also die das Ensemble prägende Einzelform kein Würfel, sondern es sind die beiden Metallquader. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die beiden Metallquader letztlich ein „durchgeschnittener“ Würfel seien, ändert dies nichts daran, dass hier kein Würfel vorhanden ist und wahrgenommen wird, sondern – im Kontrast zum daneben vorhandenen Einzelwürfel und dem Elementenensemble I – zwei Metallquader.
Dieser Unterschied ist von erheblichem Gewicht, denn er führt zu einem anderen Gesamteindruck. Die sich in jedem Element des Klagemusters wiederholenden Würfel sind dessen prägendes Element, was sich nicht zuletzt in der Bezeichnung „Geo-Cube“ niederschlägt. Der Einzelwürfel besteht nur aus einem Würfel, und das Elementenensemble wird von dem darin enthaltenen Würfel schon aufgrund seiner Größe gegenüber den anderen Einzelelementen dominiert. Außerdem kontrastiert sein farbiges mattes Material mit dem Material der beiden weiteren Elemente, nämlich den glänzenden Metallplättchen und den funkelnden Strassrondellen. Demgegenüber weist das Elementenensemble II überhaupt keine und schon gar keine dominante Würfelform auf, und auch der geschilderte Materialkontrast fehlt, da die beiden dicken Quader nicht aus Stein oder synthetischem Material bestehen, sondern – wie die Metallplättchen – aus Metall. Aufgrund dieser Unterschiede ergibt sich ein abweichender Gesamteindruck. Das gilt auch in Anbetracht des Umstands, dass bei der Frage der Nachahmung auf den Erinnerungseindruck und deswegen mehr auf die Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede abzustellen ist. Der Gesamteindruck der Verletzungsmuster unterscheidet sich von dem des Klagemusters, weil es an den sich in jedem Element wiederfindenden Würfeln fehlt. Dadurch fehlt es an der geometrischen Strenge, die das Klagemuster auszeichnet. Dazu trägt auch bei, dass mit dem Elementenensemble II ein drittes sich abwechselndes Element verwendet wird, wodurch die Verletzungsmuster gegenüber dem Klagemuster mit nur zwei geometrischen Elementen deutlich unruhiger wirken. Schließlich wirken die Verletzungsmuster aufgrund des massiveren Eindrucks des Elementenensembles II auch schwerer als das Klagemuster. Es fehlt daher auch an dem das Klagemuster auszeichnenden Eindruck einer gewissen Leichtigkeit. Daneben fehlt es den Verletzungsmustern an dem die wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters mitbegründenden hochwertigen Eindruck, denn sie bleiben in Brillanz und Farbpracht der einzelnen Elemente deutlich hinter dem Klagemuster zurück. Schließlich findet sich kein auf den Hersteller hinweisendes Signet an einem Extra-Kettchen. Insgesamt ergibt sich damit auch im Erinnerungseindruck ein mehr als nur geringfügig abweichender Gesamteindruck.
Da jedoch in den Verletzungsmustern der Einzelwürfel und das Elementensemble in zumindest ähnlichen Materialien übernommen wurden, die drei geometrischen Elemente sich in stets gleicher Reihenfolge miteinander abwechseln und stets durch nur einen dünnen Zylinder stets gleicher Länge getrennt werden, lässt sich das Klagemuster in den Verletzungsmustern als Vorbild wiedererkennen, so dass eine nachschaffende Nachahmung vorliegt.
b.
Demgegenüber dringen die Beklagten mit ihrer gegen die Annahme der herstellerbezogenen bzw. subjektiven Komponente einer Nachahmung gerichteten Einwendung nicht durch. Sie weisen zwar rechtlich zutreffend darauf hin, dass eine Nachahmung begrifflich ausgeschlossen ist, wenn dem Hersteller der Nachahmung das Original als Vorbild nicht bekannt war und es sich demnach um eine selbstständige Zweitentwicklung handelt (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.34 m.w.N.). Es ist aber weder vorgetragen, dass ihnen bei Gestaltung der Verletzungsmuster das Klagemuster nicht bekannt gewesen sei, noch wann sie die Verletzungsmuster erstmals gestaltet haben. Daher greift diese Einwendung mangels hinreichenden Tatsachenvortrags nicht durch. Wenn streitig ist, ob der Nachahmer die erforderliche Kenntnis vom Original hatte (was die Beklagten indes nicht einmal ausdrücklich bestreiten), greift die widerlegliche Vermutung der Kenntnis ein, wenn der Nachahmer mit seinem Produkt später als der Anbieter des Originals auf dem Markt erschienen ist. Deswegen hat ein Beklagter in diesem Fall darzulegen und zu beweisen, dass er das von ihm angebotene Produkt in Unkenntnis der Existenz des Originals geschaffen hat (so Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2024, § 4 Rn. 3.78 m.w.N.), jedenfalls aber besteht eine sekundäre Darlegungslast seinerseits (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 51/23, S. 23). Es reicht daher nicht aus, darauf zu verweisen, dass es bereits eine Vielzahl „solcher“ Kettengestaltungen auf dem Markt gegeben habe. Denn auch insoweit fehlt es an konkretem Vortrag dazu, wann die Beklagten die Verletzungsmuster gestaltet haben und dass zu diesem Zeitpunkt bereits die von ihnen vorgelegten anderen Gestaltungen existiert hätten. Soweit sie geltend machen, die Mutter der Beklagten zu 2) habe bereits im Jahr 2010 eine Würfelkettengestaltung im DPMA-Register angemeldet und dazu als Anlage B22 die Registerauskunft zu dem DesignDE … vorlegen, ändert das nichts. Das Design wurde im November 2011 angemeldet, im Jahr 2013 eingetragenen und im Jahr 2017 gelöscht. Es ist aber nach dem Tatbestand des angegriffenen Urteils unstreitig, dass das Klagemuster bereits seit 2005 auf dem Markt ist, so dass weder die Anmeldung noch die Eintragung des Designs eine Nachahmung chronologisch ausschließen. Das gilt umso mehr, als das Design ein ungeprüftes Schutzrecht ist; weder Neuheit noch Eigenart noch die Schaffung durch den Anmelder werden vor der Eintragung geprüft (s. § 16 a. F. DesignG). Die Beklagten wenden schließlich ein und stellen unter Beweis, dass die Beklagte zu 2. und ihre Mutter bereits seit 2002 Würfelketten wie aus Anlage B8 ersichtlich gestalten würden. In Anlage B8 finden sich zwar dem Klagemuster ähnliche Gestaltungen, die gegen einen großen Abstand des Klagemusters vom Marktumfeld sprechen (s. o.), aber keine Gestaltung, die identisch oder nahezu identisch mit dem Klagemuster ist und daher eine Nachahmung in subjektiver Hinsicht ausschließt. Deswegen war auch unter diesem Gesichtspunkt der angebotene Zeugenbeweis nicht zu erheben.
3.
Mit dem Angebot der Verletzungsmuster durch die Beklagte zu 1) geht indes keine vermeidbare Herkunftstäuschung (dazu unter a.) und auch keine Rufbeeinträchtigung bzw. -ausnutzung (dazu unter b.) einher.
a.
Ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG setzt voraus, dass der Anbieter der Nachahmung eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, wobei eine entsprechende Täuschungsgefahr ausreicht (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.41 m.w.N.). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen, und umgekehrt (BGH, GRUR 2024, 139 Rn. 11 – Glück).
Da das Klagemuster lediglich von durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart ist und die drei Verletzungsmuster nur nachschaffende Nachahmungen darstellen, bestehen hohe Anforderungen an die Feststellung einer Herkunftstäuschung als in Rede stehendem Unlauterkeitsmerkmal. Letztlich ist es auch eine Konsequenz des auf die konkrete Umsetzung der gestalterischen Idee begrenzten Schutzbereichs des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, dass die Klägerin ohne das Hinzutreten erheblicher weiterer, die Unlauterkeit begründender Umstände, Schutz allenfalls für (nahezu) exakt die gewählte Kombination und Abfolge der geometrischen Elemente wie im Klagemuster beanspruchen kann, nicht aber auch für die Verwendung derselben Elemente in anderen Kombinationen oder für gleiche oder nur ähnliche Kombinationen aus anderen Elementen.
An in diesem Sinne hinreichend gewichtigen Unlauterkeitsumständen fehlt es hier. Die zu beurteilenden Einzelfallumstände begründen keine Gefahr einer Herkunftstäuschung, denn die dafür zu verlangenden hohen Anforderungen sind nicht erreicht. Das ergibt sich aus Folgendem:
Bei der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, ist auf die Erwerbssituation abzustellen. Bei einem Angebot des beanstandeten Produkts im Internet ist demnach die Gestaltung des Internetangebots maßgeblich (BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 55 – Kaffeebereiter), also hier die von der Klägerin als Teil der Anlage K25 (dort S. 1 f., 21 ff. uns 69 ff.) eingereichten Screenshots mit den Angeboten der Beklagten.
Es ist zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (auch als Herkunftstäuschung im weiteren Sinne bezeichnet) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt (BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 52 – Kaffeebereiter).
aa.
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung lässt sich hier nicht feststellen (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 36 ff.; offen OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.12.2018, Az. 11 U 12/18 Rn. 53 – juris und Anlage K21). Bei der Prüfung, ob eine Herkunftstäuschung gegeben ist, müssen alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht; das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.42 mit Verweis auf BGH, GRUR 2023, 736 Rn. 50 – KERRYGOLD und BGH, GRUR 2005, 166, 170 – Puppenausstattungen). Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers, der sich für das Produkt interessiert (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.42).
Der von den Angeboten der Beklagten zu 1) gemäß Anlage K25 angesprochene Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher nimmt nicht an, es handele sich um das Originalprodukt der Klägerin. Zu den hier maßgeblichen Einzelfallumständen gehört auch die Qualität der im Klagemuster verwendeten Materialien, auf denen der besonders wertige Gesamteindruck beruht. Die von den Beklagten angebotenen Verletzungsmuster sind hingegen von schlechterer Qualität als das Klagemuster. Nach dem unbestritten gebliebenen Klägervortrag (Klageschrift S. 15) sind die Verletzungsmuster schlechter verarbeitet, die Einzelelemente sind loser aufgezogen, die Formen sind weniger akkurat gearbeitet und die Elemente erreichen nicht die Brillanz und Farbpracht des Klagemusters. Das ist für den angesprochenen Verkehr jedenfalls dann unstreitig erkennbar, wenn er das Verletzungsmuster in Händen hält. Insbesondere die geringere Brillanz und Farbpracht ergeben sich aber auch aus den Abbildungen der hier angegriffenen Angebote auf der Plattform otto.de (Anlage K25). Soweit die Klägerin dies in der Berufung mit Schriftsatz vom 15.07.2024 (S. 6) erstmals bestritten hat, steht dies ihrem erstinstanzlichen Vortrag entgegen, wonach der Eindruck der schlechteren Qualität sich bereits bei Betrachtung der Angebote der Beklagten im Internet einstelle (s. dazu Klageschrift S. 15 unter b)). Dieser Vortrag ist in erster Instanz unstreitig geblieben; die Beklagten haben die schlechtere Qualität der Verletzungsmuster unstreitig gestellt und geltend gemacht, der angesprochene Verkehr komme nicht auf die Idee, es handele sich um ein Produkt der Klägerin von minderer Qualität (Schriftsatz vom 29.09.2023, S. 9). Der erst in der Berufung gehaltene anderslautende Vortrag der Klägerin ist daher neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO und daher präkludiert. Demnach besteht das Klagemuster gegenüber den Verletzungsmustern für den angesprochenen Verkehr erkennbar aus wertigeren, vor allem farbenprächtigeren bzw. brillanteren Materialien und ist besser gearbeitet. Dementsprechend wird es von der Klägerin auch nicht als bloßer Bastel- oder Modeschmuck, sondern als „xxx xxx“ jedenfalls (wohl) überwiegend in als gehoben zu bezeichnenden Vertriebskanälen angeboten. Die Klägerin vertreibt es zwar auch online über Zalando und Diaoro, aber daneben und insbesondere über Juweliergeschäfte, bei Galeria Karstadt Kaufhof, in den Boardshops bestimmter Fluglinien sowie in Travel Retail Shops an Flughäfen und auf Luxus-Kreuzfahrten. Das in Streit stehende Angebot der Beklagten (Anlage K25) auf otto.de ist dagegen erkennbar auf den Verkauf einfach(st)en Modeschmucks gerichtet. Es ist anerkannt, dass ein ganz überwiegend unterschiedlicher Vertriebsweg einer Herkunftstäuschung entgegenstehen kann (BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 40 – Handtaschen). Außerdem besteht – über die reine Gestaltung hinaus – kein Bezug des Angebots der Beklagten zu 1) zum Angebot der Klägerin. In den Angeboten gemäß Anlage K25, die der an den Produkten der Beklagten interessierte Verkehr wahrnimmt, wird die Klägerin ebenso wenig erwähnt wie die Bezeichnung „Geo Cube“. Es fehlt den Verletzungsmustern auch an einer auf den Hersteller hinweisenden Kennzeichnung, wie sie beim Klagemuster in Gestalt des an einem eigenen Kettchen angebrachten, auf die Klägerin hinweisenden Signets vorhanden ist. Als Verkäufer – wenn auch nicht als Hersteller – ist in den Angeboten der Beklagten „tr.schmuck“ genannt, und es wird darauf hingewiesen, dass es sich hier um „mit Liebe zum Detail handgefertigten Modeschmuck“ bzw. „von mir mit Liebe zum Detail handgefertigten Modeschmuck“ handele (s. Anlage K25, S. 1, S. 21 f. sowie S. 69 f.). Zudem werden die Verletzungsmuster im niedrigen Preissegment bis zu 35 € angeboten (s. Anlage K25), wohingegen das Klagemuster zum mehr als vierfachen Preis im Bereich von bzw. über 150 € angeboten werden (s. etwa Anlage K11b S. 2: 159 €; Anlage K38, S. 8: 179 €). Die Klägerin verweist zwar zutreffend darauf, dass auf der Plattform otto.de auch ein großes Sortiment an Markenwaren bzw. Originalen angeboten wird. Diese Waren werden dann aber auch entsprechend beschrieben bzw. unter dem Marken- und / oder Herstellernamen angeboten. Daran fehlt es hier gerade. Allein der Umstand, dass die Verletzungsmuster überhaupt auf otto.de angeboten werden, rechtfertigt nicht die Annahme, dabei handele es sich um Produkte der Klägerin. Hier wirken die erkennbar einfache bzw. schlechtere Qualität der das Klagemuster nur nachschaffend nachahmenden Verletzungsmuster, das Angebot in einem deutlich niedrigeren Preissegment und der in den Angeboten erkennbare persönliche Einschlag in der Erwerbssituation einer unmittelbaren Herkunftstäuschung entgegen. Der mit dem Angebot des Klagemusters vertraute Adressatenkreis wird aufgrund dieser erheblichen Unterschiede nicht annehmen, dass es sich bei den Angeboten der drei Verletzungsmuster gemäß Anlage K25 um Angebote der Klägerin handele (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 36 ff., für das Angebot der dortigen Beklagten unter „tr.shop“ auf eBay). Der angesprochene Verkehr wird auch nicht annehmen, dass hier die Preise für das Klagemuster im Allgemeinen oder im Rahmen einer Sonderaktion gesenkt worden seien, denn weder findet sich ein auch nur indirekter Hinweis auf die Klägerin noch ist von einer Sonderaktion die Rede. Soweit die Beklagten ihre drei in Streit stehenden Angebote gemäß Anlage K25 als „Halskette Collier Cube Würfel Hämatit matt, Quadrat glänzend […], „Halskette Collier Cube Würfel Cat Eye, Kristallglas geschliffen […]“ und „Halskette Collier Cube Würfel Hämatit Silber matt, Quadrat glänzend […]“ überschreiben, stellt sich dies dem Verkehr als bloße Beschreibung des Angebots dar. Es wird nicht der Begriff „Geo Cube“ verwendet, der auf das Klagemuster bzw. die Klägerin verweisen würde, sondern nur der allgemeine englische Begriff „Cube“, direkt gefolgt von der deutschen Übersetzung „Würfel“. Es ändert auch nichts, dass die Verletzungsmuster ausweislich Anlage K25 als „handgefertigt“ und „Made in Germany“ angeboten werden. Die Klägerin verweist nur darauf, dass sie den Slogan „Handmade in Germany“ ständig unter ihrem Unternehmensnamen „C. d. L.“ verwende und dass das Klagemuster – unstreitig – handgefertigt ist. Sie legt aber nicht dar, dass das Klagemuster (stets) unter Nutzung dieses Slogans angeboten werde, und das ergibt sich auch nicht aus den von ihr insofern in Bezug genommenen Anlagen (s. dazu Schriftsatz vom 15.07.2024, S. 5). Abgesehen davon sind der Slogan „Handmade in Germany“ ebenso wie die Angaben „handgefertigt“ und „Made in Germany“ sehr weit verbreitet, freihaltungsbedürftig und daher von vornherein nicht geeignet, auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen (vgl. auch dazu OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 37). Schließlich besteht entgegen der Ansicht der Klägerin auch kein Anhaltspunkt dafür, dass ihr die schlechtere Qualität der Verletzungsmuster zugerechnet werde, etwa weil sie die bisherige Qualität nicht mehr herstellen könne oder sie sich für eine billigere Verarbeitung entschieden habe. Dieser Annahme steht schon die Tatsache entgegen, dass die Klägerin das Klagemuster nach wie vor in der erkennbar besseren Qualität anbietet.
Ferner hat die Klägerin vorgetragen, auch bei einem Vertrieb außerhalb von otto.de, etwa auf etsy, bestehe die Gefahr von Herkunftstäuschungen. Denn der Verkehr könne von einem Weitervertrieb über einen Zwischenhändler oder einem Second-Hand-Verkauf ausgehen, was den niedrigen Preis erklären könne. Dieser Vortrag ist unbeachtlich, weil er an den zur Grundlage des klägerischen Angriffs gemachten Angeboten der Beklagten allein auf der Plattform otto.de (Anlage K25) und damit dem zur Beurteilung vorliegenden Fall vorbeigeht. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Beklagten die Verletzungsmuster auch auf anderen Plattformen wie etwa etsy angeboten hätten oder dass dies unmittelbar bevorstehe.
bb.
Auch eine mittelbare Herkunftstäuschung lässt sich nicht feststellen (ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 38 ff.; a.A. hingegen OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.12.2018, Az. 11 U 12/18 Rn. 53 – juris und Anlage K21). Sie liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen – wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 52 – Kaffeebereiter).
Sofern die Gefahr einer Herkunftstäuschung damit begründet werden soll, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, müssen entsprechende Feststellungen zu den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt und zum Verständnis der von den Produkten angesprochenen Verkehrskreise getroffen werden (BGH, GRUR 2023, 736 Rn. 46 – KERRYGOLD). Allein aus den Ähnlichkeiten von Herstellerangaben und der Übernahme von gestalterischen Merkmalen kann darauf nicht geschlossen werden, sondern es müssen nähere tatsächliche Feststellungen getroffen werden (BGH, a.a.O. Rn. 54). Dafür kann in Betracht kommen, dass das in Rede stehende Produkt über einen anderen Vertriebsweg oder zu einem günstigeren Preis als das Originalprodukt angeboten wird (BGH, a.a.O.). Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend und verfängt hier nicht (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 38):
Da die Verletzungsmuster von den Beklagten nicht unter einer (Marken-) Bezeichnung angeboten werden, ist für die Annahme einer Zweitmarke schon deswegen kein Raum. Soweit die Beklagten ihre drei in Streit stehenden Angebote gemäß Anlage K25 als „Halskette Collier Cube Würfel Hämatit matt, Quadrat glänzend […], „Halskette Collier Cube Würfel Cat Eye, Kristallglas geschliffen […]“ und „Halskette Collier Cube Würfel Hämatit Silber matt, Quadrat glänzend […]“ überschreiben, ist das erkennbar keine markenmäßige Benutzung, sondern eine bloße Angebotsbeschreibung (s. bereits oben). Zudem wird nur der allgemeine englische Begriff „Cube“ verwendet, direkt gefolgt von der deutschen Übersetzung „Würfel“.
Der angesprochene Verkehr gewinnt auch nicht den Eindruck, es handele sich bei den Verletzungsmustern um eine neue Serie der Klägerin (ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 38 für die dortigen Verletzungsmuster). Wie der Senat als Teil des von (Mode-) Schmuckerzeugnissen angesprochenen Verkehrs selbst beurteilen kann, sind im Bereich des Modeschmucks ähnliche und sehr ähnliche Gestaltungen ebenso üblich wie Nachahmungen. Das ist dem angesprochenen Verkehr auch bekannt (so auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 38). Angesichts dessen ist hier schon kein Verkehrsverständnis dahingehend feststellbar, dass eine ähnliche Gestaltung für eine Zweitserie des Originalherstellers spricht. Deswegen und wegen der soeben zur unmittelbaren Herkunftstäuschung aufgezeigten Unterschiede der Angebote der Beklagten vom Angebot des Klagemusters betreffend die Qualität, Vertriebswege und Preise und mangels Hinweises auf die Klägerin werden die Verbraucher nicht davon ausgehen, dass die Klägerin als Originalherstellerin hier eine neue Serie anbietet. Schon angesichts der Üblichkeit von Nachahmungen im Modeschmuckmarkt ist auch für die Annahme lizenz- oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen kein Raum. Konkreten Vortrag dazu hat die Klägerin zudem nicht gehalten, und unstreitig bestand zwischen den Parteien zu keiner Zeit eine vertragliche Verbindung, die für den Verkehr die Annahme einer geschäftlichen Beziehung nahelegen könnte.
b.
Es ist auch kein Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 3 b) UWG festzustellen (ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 39 ff.).
Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn der Anbieter der Nachahmung die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das gilt unbeschadet dessen, dass die Klägerin für den von ihr behaupteten hervorragenden Ruf des Klagemusters keinen Beweis angetreten hat auch dann, wenn man den guten Ruf des Klagemusters zugunsten der Klägerin unterstellt. Dabei ist zu beachten, dass auch im Rahmen von § 4 Nr. 3 b) UWG eine Wechselwirkung zwischen dem Grad wettbewerblicher Eigenart des Originals, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht (BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 12 – Flying V). Wegen nur durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart des Klagemusters und nur nachschaffender Nachahmungen sind daher auch an die Feststellung einer unangemessenen Rufausnutzung bzw. -beeinträchtigung hohe Anforderungen zu stellen. Unlauterkeitsumstände von so erheblichem Gewicht können indes nicht festgestellt werden.
aa.
Die notwendige Rufübertragung (oder auch der Imagetransfer) ist bei einer Herkunftstäuschung regelmäßig gegeben (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.53 m.w.N.). Hier liegt jedoch keine Herkunftstäuschung vor, so dass auch eine Rufausnutzung auf Grund der Gefahr einer Warenverwechslung (s. dazu Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.54) nicht gegeben ist. Demnach müssen hier eigenständige Feststellungen getroffen werden. Dabei ist die Unangemessenheit durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen des Herstellers des Originals und des Nachahmers sowie der Abnehmer und der Allgemeinheit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit festzustellen. Dabei sind insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts zu berücksichtigen. Fehlt es – wie hier – an einer Herkunftstäuschung i.S.d. § 4 Nr. 3 a) UWG, müssen besondere Umstände hinzutreten, um die Unangemessenheit der Rufausbeutung zu begründen (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.51a m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine hochwertige Materialauswahl für sich allein gesehen nicht zu einer Monopolisierung der gefundenen Gestaltung führen kann. Die Übernahme von Merkmalen, die im Prinzip freihaltungsbedürftig sind, ist daher unter dem Gesichtspunkt der Rufausnutzung im Grundsatz nicht unlauter, sondern die Nachahmung ist grundsätzlich im Interesse der Wettbewerbsfreiheit zulässig (so auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 40 f.). Dennoch kann eine unangemessene Rufausnutzung auch ohne Herkunftstäuschung auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Dafür kann eine Annäherung an das Original genügen, und bei einer identischen Nachahmung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Allerdings reicht es nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (BGH, GRUR 2019, 196 Rn. 23 – Industrienähmaschinen).
Nach diesem Maßstab ist eine unangemessene Rufausnutzung nicht festzustellen. Bei der anzustellenden Gesamtwürdigung können die Höhe der wettbewerblichen Eigenart des Originals und der Grad seiner Bekanntheit, die Intensität der Nachahmung, die Höhe sowie Amortisation oder Wiederkehr der Herstellungskosten für das Original, die Höhe der Kostenersparnis beim Nachahmer, Art und Umfang der Bewerbung des Nachahmungsprodukts und die Üblichkeit einer Lizenzvergütung eine Rolle spielen (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.51a m.w.N.). Da die Verletzungsmuster das Klagemuster nur nachschaffend nachahmen, kann kein strenger Maßstab angelegt werden. Die Bekanntheit des Klagemusters ist zwar gesteigert, aber dennoch ist der Grad wettbewerblicher Eigenart auch unter Berücksichtigung dessen insgesamt nur durchschnittlich. Angesichts dessen reicht der Grad der Annäherung in der Gestaltung der Verletzungsmuster für sich gesehen nicht aus, und andere die Unangemessenheit begründende Umstände sind nicht gegeben. Im Gegenteil: Schon angesichts des Angebots der Beklagten in einem sehr viel niedrigeren Preissegment wird der angesprochene Verkehr seine Wertschätzung für das Klagemuster, also dessen Güte und Qualität, nicht im Sinne eines Imagetransfers auf die Verletzungsmuster übertragen. Die Klägerin verweist zwar zutreffend darauf, dass eine Rufausnutzung auch dann vorliegen kann, wenn Dritte, die die Nachahmungen bei den Käufern sehen, zu irrigen Vorstellungen über die Echtheit der Nachahmung verleitet werden (BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 44 – Handtaschen). Auch insoweit reicht es allerdings nicht aus, dass durch die Herbeiführung von bloßen Assoziationen an ein fremdes Produkt Aufmerksamkeit geweckt wird. Der Schutz der Wertschätzung eines Produkts ist nicht den Sonderschutzrechten mit Ausschließlichkeitsbefugnis gleichzusetzen (BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 44 – Handtaschen). Es muss daher auch hier eine Übertragung des Rufs des Originalerzeugnisses auf das Erzeugnis des Nachahmers hinzukommen (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.53 unter Verweis auf BGH, GRUR 2005, 348, 349 – Bestellnummernübernahme zu § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG), also eine erkennbare Bezugnahme auf den Hersteller des Originals oder sein Produkt (BGH, GRUR 2019, 196 Rn. 23 – Industrienähmaschinen; Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.53). Daran fehlt es hier. Zwischen Klage- und Verletzungsmuster bestehen unstreitig Qualitätsunterschiede, die unstreitig auch ohne Weiteres erkennbar sind, und zwar auch für Dritte, die die Verletzungsmuster bei deren Käufern sehen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die einzelnen Elemente der Verletzungsmuster zum Teil krumm und schief miteinander verbunden sind und bei Weitem nicht die farbliche Brillanz des Klagemusters erreichen. Mit Blick auf eine mögliche irrige Vorstellung von Dritten betreffend die Echtheit ist nicht auf das Online-Angebot der Verletzungsmuster abzustellen, sondern auf das physisch wahrnehmbare Produkt, wie Dritte es bei seinem Träger bzw. seiner Trägerin wahrnehmen. Sowohl anhand der eingereichten Screenshots als auch anhand der beiden eingereichten Erzeugnisse (Anlage K26) ist festzustellen, dass die in den Verletzungsmustern verarbeiteten Materialien gegenüber denen des Klagemusters deutlich weniger Glanz haben, stumpfer und schlechter gearbeitet wirken, so dass die Verletzungsmuster insgesamt nicht hochwertig, sondern im Gegenteil eher einfach wirken (ähnlich bereits OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 41 f.). Zudem ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Klagemuster nicht nur bei seinen Inhabern bzw. Interessenten, sondern auch bei Dritten, also dem allgemeinen Kreis der Verbraucher, derart bekannt sei, dass allein aufgrund der nachschaffend ähnlichen Gestaltung eine Zuordnung zum Klagemuster oder zur Klägerin erfolge (ähnlich OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 40).
Es reicht auch nicht aus, dass der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer mit seinem Produkt in diesen Markt eindringt (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.53). Abgesehen davon dringen die Beklagten nach den bereits getätigten Feststellungen auch nicht in den von der Klägerin erschlossenen gehobenen (Mode-) Schmuckmarkt ein, sondern ihr Angebot richtet sich an den einfachen Modeschmuckmarkt.
bb.
Eine Rufbeeinträchtigung ist angesichts des auch hier geltenden, bereits unter aa. dargestellten Maßstabs und der Wechselwirkungslehre ebenfalls nicht feststellbar. Zwar wird der auf seiner Qualität beruhende gute Ruf des Originals unangemessen beeinträchtigt, wenn ein nahezu identisches Produkt nicht denselben oder jedenfalls im Wesentlichen denselben Qualitätsmaßstäben genügt, die der Originalhersteller durch seine Ware gesetzt hat (BGH, GRUR 2010, Rn. 51). Indes liegt hier keine nahezu identische, sondern nur eine nachschaffende Nachahmung vor, so dass die unstreitig bestehenden Qualitätsunterschiede hier nicht zu einer Rufbeeinträchtigung führen. Das gilt umso mehr, als diese Qualitätsunterschiede – wie ausgeführt – unstreitig auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar sind und dass Dritte, also der allgemeine Verkehr, die Verletzungsmuster nicht allein aufgrund der nachschaffend ähnlichen Gestaltung der Klägerin zuordnen.
Aufgrund der augenfälligen Qualitätsunterschiede kann auch keine Rufbeeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt festgestellt werden, dass mit dem Vertrieb der Nachahmungen die Exklusivität des Klagemusters beeinträchtigt werde. Das kann zwar grundsätzlich eine Rufbeeinträchtigung begründen, ist aber dann nicht anzunehmen, wenn – wie hier – weder die Käufer der Nachahmung noch Dritte, die die Nachahmung bei Käufern sehen, der Gefahr einer Herkunftstäuschung unterliegen (Köhler/Alexander in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage 2025, § 4 Rn. 3.59 m.w.N.). Abgesehen davon wird das Klagemuster auch gar nicht exklusiv vertrieben, sondern über zahlreiche verschiedene Vertriebspartner. Dabei wird es zwar (wohl) überwiegend, aber keineswegs ausschließlich über gehobene Vertriebskanäle verkauft, sondern auch über gewöhnliche Online-Plattformen wie Zalando.
c.
Eine Unlauterkeit gemäß § 4 Nr. 4 UWG ist weder von der Klägerin geltend gemacht noch ersichtlich (s. dazu OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024, Az. 6 U 52/23, S. 42 f.).
4.
Mangels eines Rechtsverstoßes der Beklagten stehen der Klägerin keine Ansprüche auf Auskunft und Feststellung von Schadensersatz zu.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Ein Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; hier geht es um die Rechtsanwendung auf den konkreten Fall.
6.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 18.12.2024 und der Beklagten vom 30.12.2024 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.