OLG Hamburg: Über 19.000 EUR Schadensersatz für die unberechtigte Nutzung von 127 Fotos und zwei Rezepten von der Internetseite „Marion’s Kochbuch“

veröffentlicht am 5. Juni 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamburg, Urteil vom 02.05.2012, Az. 5 U 144/09
BGH, Beschluss vom 18.04.2013, Az. I ZR 107/12
Art. 103 Abs. 1 GG; § 97 Abs. 2 UrhG

Im Rahmen einer Revisionszulassungsbeschwerde hat der BGH auf ein bislang nicht veröffentlichtes Urteil des OLG Hamburg hingewiesen, nach welchem für die unberechtigte Nutzung von 127 Fotos und zwei Rezepten von der Internetseite „Marion’s Kochbuch“ über 19.000,00 EUR Schadensersatz zu zahlen sind; das entspricht einem durchschnittlichen Schadensersatz von 150,00 EUR je Werk. Zum Volltext der BGH-Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Beschluss

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.04.2013 durch … beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 5. Zivilsenat – vom 02.05.2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

2.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 19.250,00 EUR für die unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung von 127 Lichtbildern und zwei Rezepten der Internetseite „M. Kochbuch“ zu. Die Beklagte zu 1 habe die Dateien mit den Lichtbildern und Rezepten öffentlich zugänglich gemacht, weil sie sich unstreitig auf Internetseiten der Beklagten befunden hätten, über die Suchmaschine Google auffindbar gewesen seien und von Internetnutzern hätten heruntergeladen werden können. Außerdem habe der Kläger Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.580,00 EUR als Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG. Trotz der ausführlichen Darlegungen der Beklagten zu 1, wie umsichtig sie bei der Verwaltung ihrer Netzinhalte vorgehe, spreche eine gewichtige Vermutung dafür, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen habe, dass nur Inhalte auf ihren Webseiten öffentlich zugänglich gemacht würden, an denen keine entgegenstehenden Rechte Dritter bestünden.

3.
Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen hat.

a)
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger die streitgegenständlichen Rezepte und Bilder dem Zeugen S. im Jahr 2005 zur Verfügung gestellt hat, damit dieser sie gegenüber einem beschränkten Nutzerkreis öffentlich zugänglich machen konnte. Die Beklagten haben unter Beweisantritt vorgetragen, der Zeuge S. habe die Fotos und Texte sodann an die Beklagte zu 1 weitergegeben. Dem liege zugrunde, dass der Zeuge S. anschließend (bis einschließlich 2007) Gesellschafter der Beklagten zu 1 geworden sei, die sein Projekt, in einem Windows-Client-Fenster kostenfrei Nachrichten aus vielen Bereichen für eine geschlossene Benutzergruppe zu präsentieren, weitergeführt und Texte und Bilder damit einem geschlossenen Benutzerkreis zugänglich gemacht habe. Der Kläger habe den Zeugen S. ausdrücklich dazu berechtigt, die in Rede stehenden Texte und Bilder der Beklagten zu 1 zu überlassen, damit (auch) diese sie gegenüber einem beschränkten Nutzerkreis habe zugänglich machen können.

b)
Diesen Sachvortrag übergeht das Berufungsgericht, indem es ausführt, es sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 die Möglichkeit zur Nutzung der Lichtbilder und Rezepte durch Leistung des Klägers erlangt habe, und es sei denkbar, dass der Zeuge S. nur unbewusst oder versehentlich verursacht habe, dass die Datei mit den Lichtbildern und Rezepten in die Verfügungsgewalt der Beklagten gelangt seien.

c)
Der Gehörsverstoß des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich. War die Beklagte zu 1 über den Zeugen S. berechtigt, die Rezepte und Lichtbilder auf ihre Internetseite einzustellen, kann eine Urheberrechtsverletzung durch die Beklagten nicht allein damit begründet werden, dass sich die Rezepte auf den Internetseiten der Beklagten zu 1 fanden, über die Suchmaschine Google auffindbar waren und von Internetnutzern heruntergeladen werden konnten. Es ist unaufgeklärt geblieben, wie und warum die Rezepte und Bilder auf den Seiten der Beklagten zu 1 über die Suchmaschine Google ins allgemein zugängliche Internet gelangten. Die Beklagte zu 1 hatte ausführlich zu den von ihr verwendeten Kontrollmaßnahmen vorgetragen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen unter diesen Umständen nicht aus, um eine Haftung der Beklagten zu 1 als Täter oder Teilnehmer zu begründen. Ebenso denkbar ist es nach dem Vorbringen der Beklagten, dass die allgemeine Abrufbarkeit der Dateien allein durch einen von der Beklagten zu 1 ungewollten und unbemerkten Vorgang ermöglicht worden ist etwa dadurch, dass ein Mitarbeiter der Beklagten ein Rezept aus „M. Kochbuch“ per E-Mail an einen Dritten verschickt hat, der dieses Rezept dann ins Internet hochgeladen und damit der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat. Der bloße Umstand, dass die fraglichen Dateien öffentlich zugänglich gemacht worden sind, lässt für sich genommen keinen Schluss auf unzureichende Vorsorgemaßnahmen der Beklagten zu 1 zu.

Vorinstanzen:

LG Hamburg, Urteil vom 06.11.2009, Az. 310 O 376/08
OLG Hamburg, Urteil vom 02.05.2012, Az. 5 U 144/09

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