OLG Hamburg: Zum Organisationsverschulden bei einem Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung / Zur Höhe des Ordnungsgeldes

veröffentlicht am 14. Mai 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamburg, Beschluss vom 23.05.2008, Az. 3 W 6/08
§ 890 ZPO

Das OLG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass die Höhe eines Ordnungsgeldes wegen schuldhaftem Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung (hier: 5.000,00 EUR) sich nicht am Konzernumsatz der Verfügungsbeklagten orientiert. Ausschlaggebend sei vielmehr, wie das Interesse der Gläubigerin an der Durchsetzung des Verbots in dem betreffenden Einzelfall und als in die Zukunft wirkendes Druckmittel zu gewichten sei und weiter, wie der geschehene Verstoß unter Berücksichtigung des Grads des Verschuldens zu bewerten sei. Unter dem Gesichtspunkt der Ahndung geschehenen Unrechts müsse das Ordnungsgeld tat- und schuldangemessen sein.

Einen gewissen Anhaltspunkt für das Gläubigerinteresse an der Durchsetzung des Verbots biete der Streitwert des Erkenntnisverfahrens. Hier habe die Gläubigerin ihr Interesse an zukünftiger Unterlassung der beanstandeten Handlungen mit insgesamt 600.000,00 EUR angegeben. Dieser sei aufzuteilen auf sechs verschiedene werbliche Handlungen. Auf die hier streitige Werbung entfiele damit ein Teilstreitwert von 100.000,00 EUR. Darin drücke sich das wirtschaftliche Interesse der Gläubigerin an zukünftiger Unterlassung der Werbung überhaupt aus, das sich nach der Rechtsprechung des Senats in der wegen der störenden Handlung zu befürchtenden Umsatzeinbuße eines Jahres ausdrücke. Dieser Streitwert erfasse also die Vielzahl von werblichen Maßnahmen mit der beanstandeten Äußerung, die es hätte geben können, wenn die Schuldnerin ungehindert durch die Verbotsverfügung hätte weitermachen können.

Im vorliegenden Falle, so der Senat, gehe es dagegen um die Bewertung eines einzigen konkreten Verstoßes (Versendung eines weiteren streitgegenständlichen Werbeflyers) und darum zu gewichten, wie hoch das Ordnungsgeld ausfallen müsse, um die Schuldnerin an weiteren Verstößen zu hindern, die ebenfalls wieder – und zwar schwerere Sanktionen – nach sich zögen. Im Vordergrund für die Bewertung des Gläubigerinteresses stünde also die Warnfunktion. Die Schuldnerin solle sich ausrechnen können, wie teuer es werde, wenn weitere Werbefolder mit der untersagten Äußerung von ihr in Verkehr gebracht würden.

Unter dem Gesichtspunkt der Ahndung geschehenen Unrechts sei an einem klaren Verstoß nicht vorbeizukommen. Die Schuldnerin trage selbst vor, dass sie ein Unternehmen mit streitgegenständlichen Werbemaßnahme beauftragt habe. Damit habe sie die Rechtsmacht gehabt, auf deren Handlungen bezüglich der Werbung Einfluss zu nehmen (vgl. BGHZ 106, 229). Dies habe sie nach eigenem Vorbringen nicht in ausreichendem Maße getan. Es genüge nicht, den Vertragspartner mündlich über die ergangene Verbotsverfügung zu informieren. Dessen Handlungspflicht müsse vielmehr schriftlich – mit Aufforderung zur Bestätigung des Empfangs – so detailliert angemahnt werden, dass der Vertragspartner wisse, was in Befolgung des Verbots zu tun sei und was die Unterlassungsschuldnerin mit Fug und Recht von ihm erwarten könne. Er sei weiter darauf hinzuweisen, dass Ordnungsgelder drohten und es müsse insoweit auch angekündigt werden, dass ggf. eine Regressnahme beabsichtigt sei. Die Schuldnerin müsse das Verbot bei ihren Vertragspartnern, auf deren Verhalten sie Einfluss nehmen könne, genauso durchsetzen wie bei ihren Angestellten und das sei hier nicht geschehen. Die Schuldnerin trage nicht vor, all dies etwa nach Art des an die eigenen Angestellten gerichteten Schreibens des Justitiars getan zu haben.

Im Hinblick darauf, dass es sich um einen Erstverstoß gehandelt habe, der kurz nach Zustellung der einstweiligen Verfügung geschehen sei, erscheine das vom Landgericht verhängte Ordnungsgeld unter den erörterten Gesichtspunkten gerade noch vertretbar. Es gehe nicht darum, die Schuldnerin dafür zu bestrafen, dass sie angeblich erklärtermaßen nicht die Absicht gehabt habe, Werbematerial zurückzurufen. Bestraft werde nicht für Absichten, sondern für verschuldete, unerwünschte Erfolge und insoweit gehe es tatsächlich um einen einzigen Flyer und zukünftige Abschreckung. Auf alles Weitere komme es nicht an.

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