OLG Hamburg: Zur Erledigungserklärung nach Abgabe einer Abschlusserklärung nach Vollwiderspruch durch den Antragsgegner

veröffentlicht am 20. Mai 2015

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamburg, Urteil vom 17.03.2015, Az. 7 U 82/14
§ 95 ZPO

Das OLG Hamburg hat auf eine Kostenfalle hingewiesen. Gibt der Antragsgegner nach Einlegung des Vollwiderspruchs gegen eine einstweilige Verfügung eine Abschlusserklärung ab, sollte der Antragsteller das Verfahren mit Wirkung nur für die Zukunft in der Hauptsache für erledigt erklären, um den Bestand der erwirkten einstweiligen Verfügung zu erhalten. Unterlässt der Antragsteller aber eine solche Erledigungserklärung und kommt es deshalb zu einem Termin im Widerspruchsverfahren, hat der Antragsteller die dadurch entstehenden Kosten nach § 95 ZPO zu tragen, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch auf einen Kostenwiderspruch beschränkt. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 09.05.2014, Az. 324 O 705/12, hinsichtlich des Kostenpunktes abgeändert. Die Kosten des Verfahrens haben unter Abänderung der bisher ergangenen Kostenentscheidungen erster Instanz die Parteien zu tragen wie folgt:

Die Kosten des Erlassverfahrens haben nach einem Wert von € 50.000,00 die Antragstellerin zu 60 % und die Antragsgegnerin zu 40 % zu tragen. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens erster Instanz hat nach einem Wert von € 35.000,00 die Antragstellerin zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Antragsgegnerin entstandenen Kosten; diese hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben nach einem Wert von € 16.500,00 die Antragstellerin zu 93 % zu tragen und die Antragsgegnerin zu 7 %.

Die weitergehende Berufung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Kosten des Verfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Parteien haben in einem Verfügungsverfahren um die Unterlassung verschiedener Äußerungen gestritten. Nunmehr sind nur noch die Kosten des Verfahrens im Streit.

Die Antragstellerin hat begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung drei Äußerungen zu untersagen. Hinsichtlich des Antrags zu 1.a) hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen, hinsichtlich der Anträge zu 1.b) und 1.c) hat es die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 30. Januar 2013 erlassen. Gegen diese hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Nach Einlegung des Widerspruchs hat die Antragsgegnerin hinsichtlich des Antrags zu 1.c) eine Abschlusserklärung abgegeben; dies ist bis zum Abschluss des Verfahrens erster Instanz nicht zur Kenntnis des Landgerichts gelangt. Unter dem 15. November 2013 ist gegen die Antragsgegnerin ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die einstweilige Verfügung in den Punkten 1.b) und 1.c) bestätigt worden ist. Nach Einlegung des Einspruchs hat das Landgericht das Versäumnisurteil mit der angefochtenen Entscheidung aufrecht erhalten. Hiergegen wendet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu Ziffer 1.b) und die Auferlegung der Kosten des Widerspruchsverfahrens hinsichtlich der Kosten der Ziffer 1.c) auf die Antragstellerin erstrebt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Ziffer 1.b) zurückgenommen.

Die Antragsgegnerin beantragt nunmehr noch, unter Änderung des Urteils des LG Hamburg vom 9. 5. 2014 zum Aktenzeichen 324 O 705/12 die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Klägerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt, die verbliebene Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die angefochtene Entscheidung und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.
Nachdem aufgrund der Zurücknahme des Verfügungsantrags zu Ziffer 1.b) das Urteil des Landgerichts vom 9. Mai 2014, das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 15. November 2013 und der Beschluss des Landgerichts vom 30. Januar 2013 hinsichtlich der Ziffer 1.b) des Beschlusses vom 30. Januar 2013 wirkungslos geworden sind und der Antrag zu 1.a) schon durch das Landgericht zurückgewiesen worden ist, sind nunmehr nur noch die Kosten des Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des Antrags zu 1.c) im Streit. Die nunmehr nur noch auf diesen Punkt beschränkte Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig. Sie ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach Maßgabe des Folgenden auf die Parteien zu verteilen:

Soweit der ursprüngliche Verfügungsantrag zu 1.a) zurückgewiesen worden ist und die Antragsgegnerin den Verfügungsantrag zu 1.b) zurückgenommen hat, ist sie zur Tragung der Kosten – mit Ausnahme der Säumniskosten – verpflichtet (§ 91 ZPO bzw. § 269 Abs. 2 ZPO analog). Die Antragsgegnerin hat den im Erlassverfahren auf den Antrag zu 1.c) entfallenden Teil der Kosten zu tragen, nachdem sie hinsichtlich dieses Punktes eine Abschlusserklärung abgegeben hat (§ 91 ZPO); dies und die Beschränkung ihres zunächst als Vollwiderspruch eingelegten Widerspruches auf einen Kostenwiderspruch im Berufungsverfahren durch die Antragsgegnerin ändert daran nichts, weil das darin liegende Anerkenntnis kein sofortiges Anerkenntnis darstellt (§ 93 Abs. 1 ZPO).

Die Verpflichtung der Antragstellerin, den auf Ziffer 1.c) der einstweiligen Verfügung im Widerspruchsverfahren entfallenden Teil der Kosten zu tragen, folgt aus § 95 ZPO, wonach eine Partei, die einen unnötigen Termin veranlasst, die dadurch verursachten Kosten zu tragen hat. Die Anberaumung von Verhandlungsterminen nach Abgabe der Abschlusserklärung durch die Antragsgegnerin war unnötig, weil mit Abgabe der Abschlusserklärung hinsichtlich der Ziffer 1.c) die einstweilige Verfügung die Wirkung eines rechtskräftigen Titels erlangt hat (BGH, Urt. v. 15. 7. 1990, GRUR 1991, S. 76 ff., 76 f.). Die Antragstellerin hätte daher vor Beginn des auf den Widerspruch der Antragsgegnerin anberaumten Termins den Rechtsstreit hinsichtlich der Ziffer 1.c) des Verfügungsantrags in der Hauptsache für erledigt erklären und damit die Erstreckung der mündlichen Verhandlung auch auf diesen Punkt vermeiden können. Dem steht nicht entgegen, dass die Erledigungserklärung dazu geführt hätte, dass der Titel – der ja gerade zu einem der Entscheidung in der Hauptsache gleichstehenden Titel erstarkt war – beseitigt worden wäre. Grundsätzlich führt die – übereinstimmende – Erklärung der Erledigung der Hauptsache zwar analog § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO dazu, dass in dem Verfahren bislang ergangene Entscheidungen wirkungslos werden. Der Kläger bzw. Antragsteller kann aber seine Erledigungserklärung wirksam in der Weise beschränken, dass sie erst mit Wirkung für die Zukunft gilt, und in diesem Fall wirkt die Hauptsacheerledigung auch nur ab Abgabe der Erklärung und lässt den Bestand vorangegangener Entscheidungen unberührt (BGH, Beschl. v. 23. 10. 2003, GRUR 2004, S. 264 ff., 266 f.). So ist insbesondere zu verfahren, wenn ein Verfügungsverfahren nach Erlass der einstweiligen Verfügung und Einlegung des Widerspruchs durch den Antragsgegner fortgeführt wird, der Antragsgegner dann aber eine Abschlusserklärung abgibt (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Praxiskomm. z. Urheberr., 4. Aufl., Vorbem. vor §§ 97 ff. UrhG, Rdnrn 132). Dies zu tun hat die Antragstellerin hier versäumt und dadurch verursacht, dass im Widerspruchsverfahren durch die Abhaltung von Terminen zur Verhandlung auch über den Punkt 1.c) des Verfügungsantrags weitere Kosten entstanden sind.

Dieser Sichtweise kann nicht entgegengehalten werden, dass auch die Antragsgegnerin dem Gericht hätte mitteilen können, dass sie eine Abschlusserklärung abgegeben hatte. Das wäre zwar durchaus angezeigt gewesen, nachdem schon die Antragstellerin das unterlassen hatte. Anders als die Antragstellerin hätte die Antragsgegnerin aber keine Möglichkeit gehabt, durch Erledigungserklärung eine Verfahrensbeendigung zu initiieren; denn aktiv für erledigt erklären kann nur die Kläger- bzw. Antragstellerseite (Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 91 a Rdnr. 52), während die Beklagten- bzw. Antragsgegnerseite sich der Erledigungserklärung nur anschließen kann.

Von der Kostentragungslast der Antragstellerin auszunehmen sind gemäß § 344 ZPO indessen die im Widerspruchsverfahren angefallenen Kosten ihrer Säumnis; insoweit verbleibt es bei der Kostenlast der Antragsgegnerin, und insoweit war ihre verbliebene Berufung mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

III.
Als Werte sind nach § 3 ZPO anzusetzen für das Erlassverfahren erster Instanz € 50.000,00 [Antrag zu 1.a) € 15.000,00, Antrag zu 1.b) € 15.000,00, Antrag zu 1.c) € 20.000,00], für das Widerspruchsverfahren erster Instanz € 35.000,00 und für das Berufungsverfahren € 16.500,00 [Antrag zu 1.b) zzgl. anteilige Kosten Antrag zu 1.c)].

Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

I