OLG Hamburg: Zur Frage, wann in Wettbewerbssachen mehr als eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gefordert werden kann

veröffentlicht am 1. Dezember 2008

OLG Hamburg, Beschluss vom 29.03.2007, Az. 3 U 254/06
Nr. 2300 VV RVG

Das OLG Hamburg hat in diesem Beschluss klargestellt, dass die Überschreitung der 1,3-fachen Geschäftsgebühr nicht erfordert, dass ein „besonderer“ Umfang oder eine „besondere“ Schwierigkeit der Rechtssache bestehen muss, d.h. dass ein gesteigerter Umfang oder ein gesteigerter Schwierigkeitsgrad der Sache nicht erforderlich ist, um die 1,3-fache Geschäftsgebühr zu übersteigen. Zugleich hat das Oberlandesgericht aber auch darauf hingewiesen, dass sich aus dem Gesetz (RVG) kein Rechtssatz ergebe, wonach eine Sache stets dann als schwierig anzusehen wäre, wenn es sich um eine Wettbewerbssache bzw. eine Sache aus einem Rechtsgebiet handelt, für welches eine Fachanwaltschaft bestehe. Dass Gesetz gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Fälle, in denen der Anspruch unter Zeitdruck in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werde oder in denen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt oder in denen mehrere Unterlassungsanträge gestellt würden – unabhängig von der damit verbundenen konkret erforderlichen anwaltlichen Tätigkeit – regelmäßig als schwierig oder umfangreich im Sinne von Nr. 2300 VV RVG anzusehen wären.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat am 29.03.2007 durch … beschlossen:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 05.10.2006, Az. 315 O 468/06, wird durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird für Berufungsverfahren auf 858,60 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf seinen Hinweisbeschluss vom 28.02.2007 Bezug.

Der Schriftsatz der Klägervertreter vom 23.03.2007 gibt keinen Anlass für eine im Ergebnis abweichende Beurteilung.

Insoweit sind nur folgende Ergänzungen veranlasst:

Der Senat stellt im Hinblick auf seinen – insoweit möglicherweise missverständlich formulierten Hinweisbeschluss vom 28.02.2007 – klar, dass er mit der Klägerin davon ausgeht, dass die Überschreitung der 1,3 Gebühr nicht erfordert, dass ein „besonderer“ Umfang oder eine „besondere“ Schwierigkeit der Rechtssache bestehen muss, d.h. dass ein gesteigerter Umfang oder ein gesteigerter Schwierigkeitsgrad der Sache nicht erforderlich ist, um die 1,3-Gebühr zu übersteigen.

Entgegen den Ausführungen der Klägervertreter ist die erkennende Kammer des Landgerichts Hamburg, d.h. die Zivilkammer 15, in ihrem Urteil vom 05.10.2006 nicht davon ausgegangen, dass im Hinblick auf Nr. 2300 VV RVG für die vorprozessuale anwaltlich Vertretung grundsätzlich eine „Regelgebühr“ von 1,3 anzusetzen sei, die nicht überschritten werden könne. Für eine solche Interpretation gibt das vorliegende Urteil keinerlei Anhaltspunkt. Daher wird die Klägerin durch das hier zur Beurteilung anstehende Urteil insoweit auch nicht – wie die Klägerin meint – in ihren Rechten aus Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör), Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Justizgewährungsanspruch) sowie in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) verletzt.

Soweit die Klägerin die Ausführungen einer anderen Kammer des Landgericht Hamburg, der Kammer 8 für Handelssachen, in dem als Anlage K 14 zur Akte gereichten Urteil vom 08.12.2006 kritisiert, lassen die dortigen Urteilsgründe keine Rückschlüsse auf das vorliegende Verfahren, insbesondere das Rechtsverständnis der Zivilkammer 15 zu. Sie belegen lediglich die Ansicht der KfH 8 des Landgerichts Hamburg in dem entschiedenen Fall. Insbesondere belegt dieses Urteil nicht, dass die Hamburgischen Gerichte in Wettbewerbssachen, d.h. insgesamt 3 Zivilkammern und 4 Kammern für Handelssachen, die Gebührenbegrenzung nach Nr. 2300 VV RVG -unabhängig von der Gestaltung des jeweiligen Einzelfalles- als generelle Regelgebühr ansehen, welche nie überschritten werden könnte.

Der vorliegende Fall hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Klägerin hat keinen hinreichenden Sachvortrag dazu gehalten, dass die vorliegende Sache umfangreich oder schwierig gewesen wäre. Trotz des ausdrücklichen Hinweises im Beschluss des Senats vom 28.02.2007 ist der Klägervortrag zum Umfang der Tätigkeit der Klägervertreter und zum Grad der Schwierigkeit der hier zur Beurteilung anstehenden Rechtssache nicht weiter substantiiert worden.

Auf der Grundlage des vorliegenden Klägervortrags kann der Senat, als Spezialsenat für Wettbewerbssachen, den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der vorliegenden Sache – auch unter Berücksichtigung der bereits vom Senat entschiedenen oder noch vorliegenden Rechtssachen – selbst beurteilen. Danach war die Angelegenheit weder schwierig noch umfangreich; es handelt sich um einen Standardfall. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Überschreitung der 1,3-Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG sind nicht dargelegt worden.

Tatsachenvortrag zu Art und zeitlichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, der dazu Anlass gäbe, von dieser Beurteilung abzuweichen, und der den Weg zu der von der Klägerin erwünschten rechtlichen Grundsatzentscheidung eröffnen könnte, ist nicht erfolgt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen können nicht abstrakt, sondern nur im Hinblick auf die konkret dargelegten Umstände des vorliegenden Einzelfalles getroffen werden.

Aus dem Gesetz (RVG) ergibt sich kein Rechtssatz, wonach eine Sache stets dann als schwierig anzusehen wäre, wenn es sich um eine Wettbewerbssache bzw. eine Sache aus einem Rechtsgebiet handelt, für welches eine Fachanwaltschaft besteht. Dass Gesetz gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Fälle, in denen der Anspruch unter Zeitdruck in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht, oder in denen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt, oder in denen mehrere Unterlassungsanträge gestellt werden – unabhängig von der damit verbundenen konkret erforderlichen anwaltlichen Tätigkeit – regelmäßig als schwierig oder umfangreich im Sinne von Nr. 2300 VV RVG anzusehen wären.

Die vorliegende Rechtssache hat somit keine grundsätzliche Bedeutung. Eine weitergehende Entscheidung des Berufungsgerichts oder des Bundesgerichtshofs erscheint auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten. Somit war die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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