OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2012, Az. I-4 U 107/11
§ 4 Nr. 11 UWG, § 8 UWG, § 308 Nr. 1 BGB
Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Angabe der Lieferfrist mit den Worten „i.d.R. 3 – 4 Arbeitstagen nach Zahlungseingang“ wettbewerbswidrig ist. Der Senat hat auch die Angabe der Lieferfrist mit dem Hinweis „ca … Werktage“ für wettbewerbswidrig erachtet, wenn diese Angabe durch weitere Zusätze (z.B. „annähernd“) verwässert wird (vgl. hier). Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Hamm
Urteil
…
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.05.2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
I.
Die Feststellungsklage bezüglich der Abmahnkosten ist begründet. Zu Recht hat das Landgericht in der Erklärung des Klägervertreters „abzüglich am 26.04.2011 gezahlter 859,80 EUR“ eine teilweise einseitige Erledigungserklärung gesehen, der sich die Beklagte nicht angeschlossen hat. Die ursprüngliche Leistungsklage war zulässig und begründet und ist durch die genannte Zahlung unbegründet geworden.
Bis zum Zeitpunkt der Zahlung durch die Beklagte und der anschließenden einseitigen Erledigungserklärung des Klägers hatte der Kläger jedoch gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 859,80 € gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Die Abmahnung des Klägers vom 30.08.2010 war gerechtfertigt.
Denn der Kläger hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel betreffend die Lieferzeit gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 308 Nr. 1 2. Alt. BGB.
1.
Der Kläger war aktivlegitimiert. Beide Parteien bieten bundesweit im Internet Waren aus mehreren Sortimentbereichen an. Sie sind damit Mitbewerber auf demselben sachlichen und räumlichen Markt. Im Übrigen haben sich die Parteien gegenseitig abgemahnt, so dass hinsichtlich des konkreten Wettbewerbsverhältnisses kein Streit besteht.
2.
Es liegt eine geschäftliche Handlung der Beklagten vor. Eine geschäftliche Handlung ist u.a. jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes zusammenhängt. Vorliegend hat die Beklagte mit ihrer Information über die Lieferzeit im Rahmen ihres Angebotes von Waren in ihrem Onlineshop den eigenen Absatz ihrer Waren fördern wollen.
Im Übrigen stellt die Verwendung von AGB stets eine geschäftliche Handlung dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn 11.156d u. § 2 Rn 78). Ob die Verwendung in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes einer Ware steht, kann dahin stehen. Denn jedenfalls hängt die Verwendung von AGB objektiv mit dem Abschluss eines Vertrages über eine Ware zusammen (vgl. Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie; Köhler a.a.O. § 4 Rn 11.156d). Die hier in Rede stehende Klausel ist auch als AGB einzuordnen (vgl. unten 4.)
3.
Bei § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB handelt es sich auch um eine marktverhaltensregelnde Norm. Ob und inwieweit das UWG eine lauterkeitsrechtliche Kontrolle der Verwendung unwirksamer AGB oder sonstiger Vertragsklauseln ermöglicht, war in der Vergangenheit streitig. Aufgrund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung des UWG am Maßstab der UGP-Richtlinie ist dies aber nach jetzigen Recht uneingeschränkt zu bejahen (BGH Urt. v. 31.03.2010 – I ZR 34/08 – Gewährleistungsausschluss im Internet). Obwohl die §§ 307 ff BGB keine eigentlichen Pflichten des Unternehmers begründen, sind sie doch Marktverhaltensregeln im Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer (BGH a.a.O.). Denn ihr Zweck ist nicht nur der Schutz der Vertragspartner vor Benachrichtigung durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit, sondern auch die Abwendung von Nachteilen, die dem Wirtschaftsverkehr durch den nicht funktionierenden Konditionenwettbewerb drohen (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl., Überbl v. § 305 Rn 8; Köhler/Bornkamm a.a.O. § 4 Rn 11.156e). Diese Auslegung steht auch im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie, da die Verwendung unwirksamer AGB auch einen Verstoß gegen die „beruflichen Sorgfaltspflichten“ darstellt (BGH a.a.O.; Köhler/Bornkamm a.a.O.).
4.
Mit der Verwendung der beanstandeten Klausel verstößt die Beklagte gegen § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB. Gemäß dieser Vorschrift ist in AGB insbesondere eine Bestimmung unwirksam, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält.
a.
Bei der beanstandeten Klausel handelt es sich auch um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 BGB. Nach dieser Vorschrift sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.
Die beanstandete Klausel der Beklagten soll im Falle des Kaufvertragsabschlusses verbindlich die Bedingung für die Lieferzeit festlegen. Der verbindliche Charakter dieser Regelung ergibt sich auch aus dem Kontext, in dem die Klausel sich befindet. Der gesamte Textabschnitt, in dem sich der Satz befindet, trägt die Überschrift „Liefer- und Versandkosten“. Die Auslegung aus dem Empfängerhorizont ergibt klar, dass die in diesem Abschnitt dargelegten Details, wie Versandkosten, Lieferadressen nur in Deutschland und eben auch die Lieferzeit, Inhalt eines Vertrages werden, wenn der Käufer mit der Beklagten einen Vertrag abschließt. Insoweit ist im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses über den Onlineshop der Beklagten ein Abweichen von diesen Bedingungen auf Initiative des Käufers nicht möglich. Dementsprechend werden die Waren seitens der Beklagten auch nur unter den in der Rubrik „Liefer- und Versandkosten“ genannten Bedingungen angeboten. Dies bedeutet, dass diese Bedingungen dem jeweiligen Käufer dann auch gestellt werden. Gestellt werden AGB dann, wenn der Verwender ein konkretes Einbeziehungsangebot macht (Palandt-Grüneberg a.a.O. § 305 Rn 10). Indem die Beklagte ihre Waren so anbietet, dass der Vertrag nur unstreitig nach den in der Rubrik „Liefer- und Versandkosten“ enthaltenen Bedingungen zustande kommen kann, macht die Beklagte den Verbrauchern ein Gesamtkaufvertragsangebot, welches auch das Einbeziehungsangebot der Regelungen aus der Rubrik „Liefer- und Versandkosten“ und eben auch – was die Beklagte ebenso sieht – hinsichtlich der AGB, wie sie unter der Rubrik „Unsere AGB“ aufgeführt sind, enthält. Dem steht nicht entgegen, dass allein hinsichtlich der in der Rubrik „Unsere AGB“ aufgeführten Bedingungen, welches durch den Vermerk „Ich habe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und anerkannt“ angenommen werden kann (vgl. GA 84), ein ausdrückliches und gesondertes Einbeziehungsangebot unterbreitet worden ist.
b.
Es liegt auch ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB vor. Denn die von der Beklagten bestimmte Lieferfrist von „i.d.R. 3 – 4 Arbeitstagen nach Zahlungseingang, ausgenommen Sonderanfertigungen“ ist nicht hinreichend bestimmt.
Ein Durchschnittskunde muss ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung in der Lage sein, das Ende einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebenen Lieferfrist selbst zu erkennen und zu berechnen (Palandt/Grüneberg BGB, 70. Aufl., § 308, Rn 8). Nicht hinreichend bestimmte Leistungszeitangaben führen dazu, dass die Leistungszeit mehr oder weniger in das Belieben des Verwenders gestellt wird (KG GRUR RR 2007, 291). Das will § 308 Nr. 1 BGB verhindern. Unzulässig sind demnach Klauseln, wonach die individuell festgelegte Lieferzeit nur „in der Regel“ erfolgt (Palandt/Grüneberg a.a.O.; KG a.a.O.; OLG Bremen MMR 2010, 26). Genau diese Formulierung hat die Beklagte hier verwendet.
Im Übrigen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch nicht gegen die überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, mit denen die Bewertung der Klausel als Verstoß gegen § 308 Nr. 1, 2. Alt BGB begründet wird und auf die verwiesen wird.
5.
Die Höhe der Abmahnkosten hat die Klägerin zutreffend nach einem Streitwert von 20.000,- € bewertet. Nach den üblichen Bemessungsgrundsätzen des Senats beträgt der Streitwert für einen durchschnittlichen Wettbewerbsverstoß in einem Hauptsacheverfahren 30.000,00 EUR. Aufgrund der Art und Güte des Wettbewerbsverstoßes ist jedenfalls ein Streitwert von 20.000,00 EUR als angemessen anzusehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ausgebrachte Angebot überregional ausgelegt war und dass bei dem hier in Rede stehenden Verstoß gegen eine Bestimmung, die auch dem Verbraucherschutz dient, im Internet die Gefahr der Nachahmung groß ist.
II.
Die Zahlung durch die Beklagte ist als erledigendes Ereignis anzusehen, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte diese Zahlung lediglich zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen geleistet hat. Denkbar wäre zwar, dass man eine solche Zahlung wegen einer solchen Zweckbestimmung gar nicht als Erfüllung im Sinne von § 362 BGB qualifiziert, jedoch hat die Beklagte durch die Erhebung ihrer Widerklage zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Zahlung als endgültig gewertet sehen will, so dass ihr dann doch erledigende Wirkung zukommt.
III.
Der Zinsanspruch – insoweit liegt eine Leistungsklage vor, weil die erledigende Zahlung die geltend gemachten Zinsen nicht umfasste – resultiert aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
IV.
Damit sind sowohl die Leistungsklage (Zinsanspruch) als auch die Feststellungsklage begründet. Dementsprechend ist die Widerklage unbegründet.
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Die Berufung ist mithin unbegründet.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.