OLG Hamm: Fehlende Angabe einer Abgabeschränkung bei Kondomverkauf ist Bagatelle / Verbraucher kommen mit einer 100er-Packung aus

veröffentlicht am 9. April 2010

OLG Hamm,  Urteil vom 26.01.2010, Az. 4 U 141/09
§ 5 UWG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Werbung eines Internethändlers für Erotikartikel für „100 Kondome ab 3,95 €“ nicht irreführend ist, auch wenn der Kunde erst im Verlauf der Bestellung erfährt, dass dieses Angebot lediglich für eine 100er-Packung einer Kondomsorte gilt und im übrigen die Abgabe auf eine Packung beschränkt ist. Die unterlassene Angabe der Abgabebeschränkung hielt das Gericht für nicht relevant für die Kaufentscheidung des Verbrauchers. Die Richter waren der Auffassung, dass der überwiegende Teil der Konsumenten sowieso nur eine Packung bestellen wolle und der Verbraucheranteil, der mehrere Packungen erwerben wolle und auf Grund der Werbung davon ausgegangen sei, dass dies möglich wäre, nicht von erheblicher Größe sei. Darüber hinaus sei die Täuschung, so sie denn bejaht würde, ohne wesentlichen Nachteil für den Verbraucher, da sie im nächsten Schritt wieder aufgehoben würde. Sofort bei Anklicken der Webseite der Beklagten sehe der Verbraucher, dass er nur eine Packung erwerben könne und sei in der Lage, sich fast ohne Zeitverlust anderen Anbietern oder Angeboten zuzuwenden.

Auch werde der Verbraucher durch die Formulierung eines „Ab-Preises“ bereits vorgewarnt, da dies einen Einstiegspreis signalisiere.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das am 04. August 2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin und die Beklagte betreiben jeweils Internetshops mit Erotikartikeln und sind insoweit Wettbewerber.

Die Beklagte warb am 08.08.2008 in der Internetsuchmaschine H wie folgt:

„100 Kondome ab 3,95 €
Über 180 Sorten bei Internetadresse1
Alles auf Lager & Porto ab 0,00 €.
Internetadresse2/Kondome“

Wie sich aus der Internetseite der Beklagte unter Internetadresse2 ergibt, war die Beklagte nur bereit, von dem Artikel „B 100er-Pack“ zu 3,95 € eine Packung je Bestellung abzugeben („limitiert auf 1 Pack/Bestellung“).

Die Klägerin sieht in der Werbung der Beklagten bei H eine irreführende Werbung gemäß §§ 3, 5, 5 a II UWG, weil die Limitierung der Abgabemenge nicht angegeben sei. Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 08.08.2008 insoweit vergeblich abgemahnt und den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in dem Verfügungsverfahren LG Bielefeld 17 O 159/08 = Senat 4 U189/08 seinerzeit ohne Erfolg gerichtlich geltend gemacht.

Mit ihrer Hauptsacheklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte werbe in ihrer H-Anzeige blickfangmäßig mit einem Angebot, ohne den Interessenten auf die zahlenmäßige Beschränkung auf eine einzige Packung hinzuweisen. Damit verschweige sie eine wesentliche Eigenschaft i.S.d. § 5 a II 2 UWG. Der durch die H-Anzeige interessierte Verbraucher müsse annehmen, dass er das beworbene Produkt unbegrenzt bestellen könne. Diese Irreführung könne im Rahmen eines Hinweises vor der endgültigen Abgabe der Bestellung nicht mehr ausgeräumt werden.

Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung sei es gleichgültig, ob eine 100er-Packung oder eine andere Packungsgröße beworben werde. Entscheidend sei, dass die Limitierung der Ware auf ein Stück pro Bestellung verschwiegen werde. Dieses Verschweigen liege unabhängig davon vor, ob nun eine kleine Packung, eine 100er-Packung oder eine 1000er-Packung beworben werde. Im Übrigen komme es nicht darauf an, wie lange eine 100er-Packung vorhalte. Es gebe immer Interessenten, die – sei es um einen Vorrat anzulegen, sei es etwa für eine Party – mehrere Packungen zu erwerben wünschten. Deshalb biete die Beklagte auch weitere Kondome (zu einem höheren Preis) in 100er-Packungen an. So gebe es auch 1000er-Packungen auf dem Markt für Verbraucher. Da der Preis der Beklagten für das beworbene Angebot besonders günstig sei, werde es zahlreiche Interessenten geben, die von dem Angebot der Beklagten mehrere Packungen bestellen wollten. Von dem genannten Interessentenkreis würden durch die H-Werbung 100 % der Interessenten getäuscht, so dass die Irreführung auch relevant sei.

Die Klägerin hat beantragt,

es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft jeweils am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern mit der Aussage „100 Kondome ab 3,95 €“ zu werben, ohne den Verbraucher bereits in diesem Rahmen darauf hinzuweisen, dass die Bestellung auf eine Packung pro Bestellung limitiert ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass die Werbung nur Endverbraucher anspreche, die Kondome zum Eigenverbrauch erwerben würden. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der der Werbung die situationsangemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe, werde von ihr nicht irregeführt, da er gar nicht die Erwartung habe, mehr als ein Stück der 100er-Packung erwerben zu können, zumal ein Durchschnittsverbraucher mit einer Packung wenigstens fünfzig Wochen auskomme und er wegen der hohen Versandkosten Kondome immer nur neben anderen Dingen mit bestelle. In der H-Werbung habe die Beklagte den Preis von 3,95 € nicht blickfangmäßig hervorgehoben. Er füge sich in den normalen Fließtext ein. Der Preis sei im Übrigen zwar günstig, aber keineswegs reißerisch.

Jedenfalls sei der unterbliebene Hinweis auf die Abgabebeschränkung für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verbraucher nicht relevant. Denn der Kreis von Verbrauchern, der durch die Werbung getäuscht werde und der mehrere Packungen zu erwerben wünsche, sei klein und unerheblich.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5 I, II UWG a.F. zu. Ein Unterlassungsanspruch wäre zu nur bejahen, wenn die H-Werbung der Beklagten vom 08.08.2008 sowohl nach der alten, damals geltenden Irreführungsvorschrift des UWG als auch nach der jetzigen Fassung der §§ 5, 5 a I oder § 5 a II UWG wettbewerbswidrig wäre. Im vorliegenden Fall fehle es schon an einer Wettbewerbswidrigkeit nach altem Recht, da die H-Werbung der Beklagten keine relevante irreführende Aussage enthalte. Das Landgericht nimmt insoweit auf die Senatsentscheidung aus dem Verfügungsverfahren vom 18.12.2008 Bezug. An dem seinerzeit zugrunde liegenden Sachverhalt habe sich im vorliegenden Hauptsachprozess nichts geändert. Dementsprechend werde über die Abgabebeschränkung ein Verbraucher nicht getäuscht, der die H-Anzeige von vornherein dahin verstehe, dass zu diesem Preis nur eine Packung abgegeben werde. Nicht getäuscht werde auch derjenige Verbraucher, der erkenne, dass die H-Anzeige objektiv zur Abgabemenge keine Aussage mache, und der deshalb nach weiterer Aufklärung über diesen in der Anzeige nicht angesprochenen Punkt suche. Getäuscht werde hingegen der Verbraucher, der aufgrund der fehlenden Angabe der Abgabebeschränkung den Schluss ziehe, dass es keine Abgabebeschränkung gebe.

Eine relevante Irreführung i.S.d. § 5 UWG liege aberauch bei diesen getäuschten Verbrauchern nur vor, wenn der unterbliebene Hinweis Einfluss auf die Kaufentscheidung haben könne. Das sei aber bei der großen Mehrzahl der interessierten Verbraucher nicht der Fall. Denn die große Mehrzahl der Verbraucher wolle ohnehin nur ein Stück dieser 100er-Packung erwerben mit der Folge, dass für sie der fehlende Hinweis auf die Abgabebeschränkung irrelevant sei. Berührt durch die fehlende Angabe und damit ursächlich irregeführt würden nur diejenigen Verbraucher, die aufgrund der Anzeige annehmen würden, sie könnten mehrere Packungen erwerben, und die auch tatsächlich mehrere Packungen erwerben wollten. Hinsichtlich dieser Verbraucher habe die Klägerin auch im vorliegenden Hauptsachprozess nicht dartun können, dass dieser Verbraucherkreis von erheblicher Größe sei. Dies gelte auch dann, wenn der Angebotspreis der Beklagten außerordentlich günstig sei. Auch daraus, dass viele verschiedene 100er-Packungen angeboten würden und dass sogar 1000er-Packungen angeboten werden, folge nicht, dass dieser Verbraucherkreis von erheblicher Größe wäre. Bei der Frage der Irreführungsquote sei im Übrigen von dem Verbraucherkreis auszugehen, der durch die Werbung angesprochen werde. Der aber umfasse auch, und zwar ganz überwiegend, Verbraucher, die nur eine einzige Packung erwerben wollten.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass eine Täuschung des Verbrauchers durch die H-Anzeige ohne wesentlichen Nachteil für den Verbraucher bleibe, weil die Täuschung im nächsten Schritt wieder aufgehoben werde. Denn sobald der interessierte Verbraucher die Webseite der Beklagten anklicke, erfahre er bei der Beschreibung des Produktes, dass der 100er-Beutel der besagten Kondome auf ein Pack je Bestellung limitiert sei. Der Verbraucher könne sich nun fast ohne Zeitverlust anderen Anbietern zuwenden. Dass die Folgen einer Täuschung so geringfügig seien, spreche ebenfalls gegen die Relevanz der Irreführung.

Die Werbung der Beklagten sei auch nicht nach § 5 a II, III UWG n.F. wettbewerbswidrig. Die H-Anzeige der Beklagten beeinflusse die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern nicht durch Vorenthalten einer im konkreten Fall wesentlichen Information, und zwar schon deshalb nicht, weil rechtzeitig vor der Entscheidung des Verbrauchers und nur einen Klick nach der H-Anzeige die erforderliche Information bei der Beschreibung des Produktes auf der Webseite der Beklagten nachgeholt werde. Bei dieser Situation könne von einem „Vorenthalten“ der Information keine Rede sein.

Die Klägerin wendet sich hiergegen mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte blickfangmäßig mit einem Angebot werbe, ohne den Interessenten auf die zahlenmäßige Beschränkung hinzuweisen. Die angesprochenen Interessenten müssten davon ausgehen, dass die Bestellung zu diesem Angebot unbegrenzt erfolgen könne, was jedoch nicht der Fall sei. Hierdurch würden zahllose mögliche Interessenten auf die Angebotsseite geführt, um erst dort zu erfahren, dass die Bestellung auf eine Packung beschränkt bleibe. Die Auffassung des Landgerichts, der Durchschnittsverbraucher pflege nicht mehr als eine 100er Packung Kondome auf einmal zu kaufen, überzeuge nicht. Die Beklagte selbst wolle Interessenten für mehr als 100 Kondome ansprechen. Die Irreführungsquote liege dabei bei 100 %. Denn 100 % der interessierten Käufer würden nicht vor Betreten des Angebots der Beklagten über den Umstand aufgeklärt, dass die Bestellung nur auf eine Packung pro Bestellung begrenzt sei. Wie groß die anteilsmäßig Personengruppe sei, die dann tatsächlich mehr kaufen wolle, sei insoweit nicht maßgeblich. Beispielsweise würden auch Kondome in 1000er Packungen zum Kauf angeboten, und es seien beispielsweise Prostituierte, die regelmäßig Kondome in größerer Stückzahl als 100er Packungen nachfragten. Irre geführt würden aber auch diejenigen Verbraucher, die nur an einer einzigen Packung zu je 100 Kondomen interessiert seien. Diese seien auf der Produktübersichtsseite der Beklagten angelangt, hätten die weiteren erheblich reduzierten Artikel der Beklagten zur Kenntnis genommen und würden gegebenenfalls diese Produkte kaufen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 04. August 2009 verkündeten Urteils es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft jeweils am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern mit der Aussage „100 Kondome ab 3,95 €“ zu werben, ohne den Verbraucher bereits in diesem Rahmen darauf hinzuweisen, dass die Bestellung auf eine Packung pro Bestellung limitiert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stellt eine Irreführung weiterhin in Abrede. Die Werbung richte sich an die Verbraucher, die Kondome für den Eigenverbrauch erwerben wollten. Diese Verbraucher würden nicht irregeführt, weil sie nicht erwarteten, mehr als eine Packung erwerben zu können. Ihm sei infolge der Werbung bewusst, dass er zum Preis von 3,95 € eine Packung mit 100 Kondomen erwerben könne. Mehr bewerbe sie, die Beklagte, nicht. Es sei sodann davon auszugehen, dass ein Durchschnittsverbraucher mit einem 100er-Pack Kondome verhältnismäßig lange auskomme, so dass er nicht daran denke, bei einer Bestellung mehr als eine Packung zu erwerben.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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