OLG Hamm: Haftung des Anzeigenkunden mit Vertragsstrafe für schuldhaftes Verhalten des Verlags / Verjährung der Vertragsstrafe

veröffentlicht am 7. März 2021

OLG Hamm, Urteil vom 06.10.1988, Az. 4 U 50/88
§ 278 BGB, § 195 BGBs

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Anzeigenkunde, der sich strafbewehrt zur Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Werbeanzeige verpflichtet hat, auch für ein schuldhaftes Verhalten des Anzeigenverlags haftet. Ein solcher Vertragsstrafenanspruch verjähre zudem in der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.01.1988 verkündete Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, über den im landgerichtlichen Urteil genannten Betrag hinaus an die Klägerin weitere 3.000,00 DM nebst 5% Zinsen hiervon seit dem 30.10.1987 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten liegt unter 40.000,00 DM.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung zweier Vertragsstrafen in Höhe von jeweils 3.000,00 DM. Sie stützt ihr Begehren auf eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung des Beklagten vom 11. Juli 1985, durch die er sich verpflichtet hatte, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs keine Anzeigen mehr zu verwenden, bei welchen der Hinweis auf den gewerblichen Charakter des Angebotes fehlt. Zugleich hatte der Beklagte für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.000,00 DM an die Klägerin versprochen (Bl. 7 der Akten).

In der Zeitung xxx vom 22.11.1986 und vom 27.05.1987 erschienenen Kleinanzeigen des Beklagten mit denen dieser Eigentumswohnungen zum Verkauf nur unter Angabe der Telefonnummer seiner Firma anbot. Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 17.09.1987 (Bl. 8 d.A.) forderte die Klägerin vom Beklagten wegen dieser Anzeigen „die vereinbarte Vertragsstrafe von 3.000,00 DM“. Daraufhin ließ der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 25.09.1987 (Bl. 10 d.A.) den Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung mit einem Versehen der Zeitung entschuldigen. Diese Entschuldigung wies die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 15.10.1987 (Bl. 15 ff d.A.) zurück und forderte unter Fristsetzung bis zum 29. Oktober 1987 von der Beklagten die Zahlung zweier Vertragsstrafen in Gesamthöhe von 6.000,00 DM.

Dieser Zahlungsaufforderung kam der Beklagte nicht nach. Die darauf von der Klägerin erhobene Klage hatte vor dem Landgericht nur in Höhe eines Betrages von 3.000,00 DM Erfolg. Das Landgericht ist der mit Blick auf § 21 UWG erhobenen Verjährungseinrede des Beklagten wegen der Zuwiderhandlung vom 22.11.1986 gefolgt und hat insoweit das Vertragsstrafebegehren der Klägerin zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie tritt der Rechtsauffassung des Landgerichts zur Frage der Verjährung des Vertragsstrafeanspruches entgegen und macht ihrerseits geltend, daß die Vertragsstrafe der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren unterliege.

Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 3.000,00 DM nebst 5% seit dem 30.10.1987 zu zahlen.

Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt die landgerichtliche Rechtsauffassung zur Frage der Verjährung und erhebt äußerst vorsorglich auch den Einwand der Verwirkung. Dazu führt er aus, die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 07.09.1987 klargestellt, daß sie wegen der ihr bekannten Zeitungsanzeige vom 22.11.1986 keinerlei Vertragsstrafe verlangen wolle. Daran müsse sie sich nun festhalten lassen. Im übrigen entschuldigt sich der Beklagte nach wie vor mit einem Versehen der Zeitung.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Aus der Vertragsstrafevereinbarung mit dem Beklagten stehen ihr über den vom Landgericht bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 3.000,00 DM nebst Zinsen zu.

Die Anzeigenwerbung des Beklagten vom 22.11.1986 verstößt gegen das strafbewehrte Unterlassungsversprechen, weil sie die Gewerblichkeit des Angebotes nicht erkennen läßt. Das zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel. Der Beklagte kann sich seiner Verantwortlichkeit dafür nicht mit einem Hinweis auf ein Versehen der Zeitung entziehen. Denn er hat für diese als seine Erfüllungsgehilfin bei schuldhaften Verhalten einzustehen (§ 278 BGB; vgl. dazu BGH GRUR 1988, 561 = WRP 1988, 608 = NJW 1988, 1907). Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten hat sich das Publikationsorgan über den ausdrücklichen Hinweis, in der Anzeige die Firma des Beklagten zu nennen, hinweggesetzt. Darin liegt eine vorwerfbare Pflichtwidrigkeit, die der Beklagte letztlich zu vertreten hat (vgl. dazu BGH a.a.O.).

Der Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen löst die vereinbarte Vertragsstrafe von 3.000,00 DM aus. Die demgegenüber mit Blick auf § 21 UWG erhobene Einrede der Verjährung verfängt nicht, denn die kurze Verjährung jener Vorschrift findet auf diesen Fall keine Anwendung. Jene betrifft gesetzliche Ansprüche, die dem Anspruchsgläubiger aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erwachsen, wenn ein anderer gegen diese Rechtsregeln verstößt. Demgegenüber macht die Klägerin hier jedoch einen vertraglichen Anspruch geltend. Dieser unterliegt grundsätzlich nicht der deliktischen Verjährung des § 21 UWG, sondern selbständig der für diesen geltenden Verjährungsfrist (BGHZ 66, 315; Staudinger-Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 194 RdNr. 19 mit weiteren Nachweisen; Palandt-Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 194 Anm. 3).

Die Frage der Verjährung von Vertragsstrafen ist allerdings umstritten. Nach einer Ansicht ist diejenige Frist maßgebend, die auch für den gesicherten Anspruch gilt (vgl. dazu Soergel-Lindacher, BGB, 11. Aufl., § 339 RdNr. 29), nach einer anderen Auffassung soll die Verjährungsfrist des Vertragsanspruches grundsätzlich 30 Jahre betragen, selbst bei kürzerer Verjährungsfrist des zugrundeliegenden Anspruches (Münchener Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 339 RdNr. 10). Nach einer vermittelnden Meinung soll die Verjährungsfrist des Hauptanspruches maßgebend sein, wenn die Vertragsstrafe diesem wirtschaftlich entspricht (Palandt-Heinrichs a.a.O. § 195 Anm. 2b; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960). Welche der Meinungen den Vorzug verdient, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn die Verjährungsfrage beantwortet sich in jedem Fall gleich. Das Unterlassungsversprechen, das der Störer dem Anspruchsgläubiger, der einen Wettbewerbsverstoß beanstandet, auf Verlangen erklärt, begründet bei seiner Annahme durch den anderen Teil eine vertragliche Unterlassungspflicht. Das bei berechtigtem Unterlassungsanspruch ursprünglich bestehende gesetzliche Schuldverhältnis nach Maßgabe der Regeln des Wettbewerbsrechts wird dadurch beseitigt und durch ein vertragliches ersetzt.

Es ist anerkannten Rechts, daß schon die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die eine erneute Rechtsverletzung derselben Art ausgeschlossen erscheinen läßt, erst recht aber ein entsprechender Vertrag die Wiederholungsgefahr ausgeräumt, mit der Folge, daß der durch eine Rechtsverletzung zunächst begründete Unterlassungsanspruch erlischt (vgl. dazu Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche, 5. Aufl., Kapitel 11 RdNr. 5). Da der Verletzte und auch der Verletzer ein für alle mal eine endgültige außergerichtliche Beilegung der Auseinandersetzung wollen, die aber nur durch Begründung einer dauerhaften vertraglichen Unterlassungspflicht zu erreichen ist, kommt dem Unterlassungsvertrag innovative Bedeutung zu. Eine Abhängigkeit von dem Bestehen der alten (gesetzlichen) Schuld ist nach Lage der Dinge nicht anzunehmen. Denn der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung liegt nicht in jedem Falle ein als sicher festgestelltes gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde. Sie dient vielmehr regelmäßig dazu, das Streitverhältnis ohne endgültige Klärung weiteren Auseinandersetzungen zu entziehen und klare Verhältnisse zu schaffen, bezweckt also die Begründung einer Unterlassungspflicht unabhängig von einem etwaig existenten Schuldverhältnis. Das bedeutet für den Gläubiger, zukünftig der Nachweispflicht enthoben zu sein, daß die dem Versprechen zugrundeliegende Wettbewerbshandlung unzulässig war (vgl. dazu Teplitzky a.a.O. Kapitel 11 RdNr. 6).

Die wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Unterlassungspflicht verwirkte Vertragsstrafe unterläge im Licht des oben dargestellten Meinungsstreits nur dann nicht der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB), wenn sie wirtschaftlich einem Anspruch – insoweit käme hier nur der Schadensersatzanspruch in Betracht – gleichstände, der der kürzeren Verjährung unterliegt. Aber auch davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Zwar wohnt der Vertragsstrafe immer auch ein schadensersatzrechtliches Moment inne (BGH NJW 1975, 163, 164; NJW 1986, 127 = GRUR 1985, 1065 = WRP 1986, 141); das kann jedoch vorliegend nicht dazu führen, die Vertragsstrafe wirtschaftlich einem Schadensersatzanspruch gleichzustellen, der der Verjährung des § 21 UWG anheimfiele. Das selbständige Vertragsstrafeversprechen für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Unterlassungspflicht hat nämlich schwergewichtig präventiven Charakter, weil sie als Druckmittel dazu dienen soll, den Störer von künftigen Rechtsverletzungen der beanstandeten Art abzuhalten (vgl. BGH NJW 1983, 1060 = GRUR 1983, 186 = WRP 1983, 264). Der Anspruchsgläubiger wird dadurch in eine ähnliche Lage versetzt, wie sie derjenigen bei Titulierung des gesetzlichen Unterlassungsanspruches entspricht. Die vorrangige Bedeutung der Vertragsstrafe als Druck- und Sanktionsmittel gegen den Unterlassungsschuldner zeigt sich in Sonderheit in den Fällen der Übernahme einer strafbewehrten vertraglichen Unterlassungspflicht gegenüber einem Verband, der durch die aufgegriffene Wettbewerbshandlung des Unterlassungsschuldners regelmäßig keinen Schaden erleidet. Der Umstand, daß die Vertragsstrafe für den Mitbewerber auch schadensersatzrechtliche Funktion haben kann, nimmt ihr nicht ihre präventive Bedeutung, sie wird dadurch keinesfalls zum bloßen Schadensersatz. Andernfalls wäre die Rechtsprechung zur Drittunterwerfung (vgl. dazu auch BGH NJW 1983, 1060 = GRUR 1983, 186 = WRP 1983, 264 sowie GRUR 1987, 640 = WRP 1987, 557) auch nicht zu rechtfertigen.

Danach ist im Ergebnis festzustellen, daß die bei Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Unterlassungspflicht verwirkte Vertragsstrafe der 30-jährigen Verjährung unterliegt. (Vgl. dazu Landgericht Mannheim, GRUR 1987, 743).

Daß die kurze Verjährung eines deliktischen Anspruches auf einen gleichgerichteten vertraglichen Anspruch durchschlägt, wird soweit ersichtlich nirgends bejaht (vgl. dazu Staudinger-Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 194 RdNr. 23). Durchgreifende der Gesichtspunkte, die eine auch dogmatisch begründbare Beurteilung rechtfertigen könnten, hat der Beklagte nicht aufgezeigt, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Beklagte kann der Klageforderung auch nicht den Einwand der Verwirkung entgegenhalten.

Die Klägerin hat zwar zunächst den Eindruck erweckt, als wolle sie wegen der Zuwiderhandlungen vom 22. November 1986 und 27. Mai 1987 insgesamt nur eine Vertragsstrafe geltend machen. Aus dem Schreiben der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 15. Oktober 1987 (Bl. 15 d.A.) ergibt sich nämlich, daß sie zunächst (vgl. Schreiben vom 17.09. Bl. 8 ff sowie vom 29.09. Bl. 12 ff d.A.) nur eine Vertragsstrafe von 3.000,– DM hat einfordern wollen.

Das allein begründet aber nicht das Umstandsmoment der Verwirkung. Denn insoweit muß hinzukommen, daß sich der Beklagte auch darauf einrichtet, nur in Höhe eines Betrages von 3.000,– DM in Anspruch genommen zu werden, so daß ihm die verspätete Geltendmachung nicht mehr zugemutet werden kann. In diese Richtung lassen sich allerdings keine Feststellungen treffen, zumal der Beklagte insoweit selbst nichts vorgetragen hat.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, 352 HGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Sache bedarf nicht der Zulassung der Revision, weil die im vorstehenden Sinne beantwortete Rechtsfrage der Verjährung keiner höchstrichterlichen Klärung bedarf. Die Entscheidung bewegt sich im Rahmen der bisherigen Rechtpraxis der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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