OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2010, Az. I-4 U 33/10
§§ 4 Nr. 9 a und b, 5 UWG
Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Ersteller einer Bestellsystemsoftware („Webshop“) nicht gegen einen Konkurrenten wegen Nachahmung vorgehen kann, wenn der Konkurrent in seiner Software eine ähnliche/gleiche Eingabemaske wählt. Nachahmungen seien grundsätzlich zulässig, sofern nicht zusätzliche unlauterkeitsbegründende Umstände vorlägen. Diese seien vorliegend nicht vorhanden gewesen. Dabei sei zu beachten, dass je größer die wettbewerbliche Eigenart und je größer der Grad der Übernahme seien, desto geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen seien, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründeten. Das OLG lehnt jedoch die Unlauterkeit in den folgenden Gesichtspunkten ab: vermeidbare Herkunftstäuschung, Rufausbeutung und unredliche Erlangung des Know-How sah das Gericht nicht. Eine unlautere Behindung wurde ebenfalls nicht angenommen, da die Antragstellerin ihr Produkt weiterhin vermarkten könne. Über urheberrechtliche Gesichtspunkte entschied das OLG nicht, da solche Ansprüche von der Antragstellerin erst in der Berufungsinstanz und somit zu spät geltend gemacht wurden. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Hamm
Urteil
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 06. Januar 2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet von Bestellsystemsoftware für die Druckindustrie. Die Antragstellerin brachte im Jahre 2007 ein Softwareprodukt mit dem Namen „I Webshop“ auf den deutschen Markt, welches als Bestellsoftware für ihre Kunden dient. Die Software verfügt über eine bestimmte Eingabemaske, wie sie insbesondere auf der Werbeseite der Antragstellerin Anl. ASt. 4 zu erkennen ist. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das Konkurrenzprodukt „T“ auf den Markt zu bringen, das sie bereits auf Anwendertagen und in einem Workshop präsentiert hat, mit einer Eingabemaske wie dargestellt auf der Anl. ASt. 1.
Die Antragstellerin hat gemeint, die prägenden Kernelemente ihrer Darstellung seien übernommen, ihr Produkt sei von der Antragsgegnerin nachgeahmt worden. Die Antragsgegnerin habe dabei nicht den gebotenen Abstand zu ihrem bekannten und im Markt eingeführten Produkt gewahrt. Die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen § 4 Ziff. 9 a und b UWG. Wettbewerbliche Eigenart liege vor. Ferner lägen die insoweit geforderten besonderen, die Unlauterkeit begründenden Umstände vor. Die Antragsgegnerin versuche den guten Ruf ihres Produkts auszubeuten. Es liege auch eine Herkunftstäuschung vor. Auch stelle das Geschäftsgebaren der Antragsgegnerin eine Irreführung über die Identität von Hersteller und Produkt dar i.S.v. § 5 II und I Nr. 1 UWG dar.
Die Antragstellerin hat unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin die Untersagung der Nutzung einer Eingabemaske für Bestellsoftware für Druckererzeugnisse, wie aus der Anl. ASt. 1 ersichtlich, begehrt.
Die Antragsgegnerin, die die Zurückweisung des Verfügungsantrags beantragt hat, hat eine wettbewerbliche Eigenart der fraglichen Darstellung, eine Nachahmung, Herkunftstäuschung wie auch eine Irreführung durch ihren Werbeauftritt im Einzelnen in Abrede gestellt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz einschließlich der genauen Anträge wird gemäß § 540 I ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (S. 2 bis 4) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, mit der Begründung, dass zum einen eine Nachahmung im rechtlichen Sinne nicht festgestellt werden könne, und zum anderen insoweit auch keine Verwechslungsgefahr bestehe. Entsprechend scheide auch eine Irreführung im Sinne von § 5 UWG aus.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 5 bis 6) Bezug genommen.
Die Antragstellerin wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Verfügungsantrag weiter verfolgt. Sie stützt den Antrag nunmehr weitergehend auf eine Verletzung von Urheberrechten, auf eine unlautere Nachahmung im Rahmen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes, auf eine Behinderung und auf eine Irreführung. Sie führt zunächst umfangreich neu zum Sachverhalt aus, so u.a. zur Entwicklung ihrer Eingabemaske bzw. Produktmatrix, zur ausschließlichen Übertragung der Verwertungsrechte durch ihre Muttergesellschaft an sie, zu ihrer Bekanntheit und Marktstellung und zu den Produkteigenschaften. Alsdann wird näher zur Rechtslage, zunächst zu ihrer Aktivlegitimation vorgetragen.
Sie meint, der begehrte Unterlassungsanspruch folge bereits aus der Verletzung ihrer Urheberrechte. Die Produktmatrix sei als urheberrechtliches Werk i.S.v. § 2 I Nrn. 1, 7 UrhG geschützt. Die Antragsgegnerin habe ihren Webshop, der ohne Vorbild gewesen sei, insoweit „abgekupfert“. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Darstellung der Produktmatrix die prägenden Elemente der Grafik, wie im Einzelnen ausgeführt wird, wiederholt.
Im Weiteren bestünde ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. Entgegen der Annahme des Landgerichts verwerte die Antragsgegnerin in unlauterer Weise ein ihrer Produktmatrix nachgeahmtes Gebilde. Die Produktmatrix verfüge über die erforderliche wettbewerbliche Eigenart. Auch wenn die Elemente für sich betrachtet noch als dem vorbekannten Begriffs- und Formenschatz zugehörig gemeinfrei seien, sei ihre Komposition zu der streitgegenständlichen Produktmatrix neuartig und verkörpere in grafisch anmutender Weise die Grundidee des Webshops. Diese sei von der Antragsgegnerin nachgeahmt worden. Die Produktmatrix sei hinsichtlich Auswahl, Anzahl, Bezeichnung und Reihenfolge identisch übernommen worden. Die Nachahmung sei aufgrund der weit reichenden Übereinstimmungen als fast identische Nachbildung einzustufen. Gewichtige Gründe sprächen sogar für eine Teil-Reproduktion. Die Antragsgegnerin könnte den zu Demonstrationszwecken freigegebenen „Dummy“ kopiert haben. Diese Nachahmung löse vermeidbare Herkunftstäuschungen aus. Sie, die Antragstellerin, und ihre Produktmatrix erreichten die erforderliche Bekanntheit. Die Antragsgegnerin erzeuge durch ihre Produktmatrix Verwechslungen mit der ihrigen. Diese seien vermeidbar gewesen. Es verbleibe eine schier unübersehbare Anzahl von gestalterischen Möglichkeiten, den Webshop T so zu visualisieren, dass zu ihrer Produktmatrix überhaupt keine Übereinstimmungen hinsichtlich Anzahl und Auswahl der Produkteigenschaften, der Bezeichnungen und grafischen Ausprägung der Bestellschritte bestünden bzw. herkunftsrelevante Verwechslungen ausgeschlossen seien. Unabhängig von dem Vorliegen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung wolle sich die Antragsgegnerin hinsichtlich der Bildschirmgestaltung an ihrem bekannten I Webshop orientieren, um an dessen jahrelangen Erfolg teilzuhaben.
Unterlassung rechtfertige sich gleichfalls wegen Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG. Die Antragsgegnerin dränge durch Übernahme der prägenden Merkmale ihres erfolgreichen Konkurrenzprodukts, also mit fremder Leistung in den Markt, ohne das Erzeugnis derzeit überhaupt anbieten zu können, um so nämlich potentielle Kunden von ihrem möglichen Entschluss, den I Webshop zu erwerben, abzubringen.
Ferner sei das Vorgehen der Antragsgegnerin als Irreführung zu werten, weil die Gefahr der Verwechslung der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse aufgrund nachahmender Produktmatrix hervorgerufen werde. Angesichts des hohen Gradesan Übereinstimmung der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse vor dem Hintergrund eines überschaubaren engen Marktes stehe zumindest fest, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz der angesprochenen Druckereien annehmen werde, zwischen den Parteien bestünden wirtschaftliche Beziehungen derart, die es der Antragsgegnerin erlaubten, einen dem I Webshop nachgebildeten Webshop anzubieten.
Ein Verfügungsgrund sei gegeben. Für die wettbewerblichen Ansprüche werde die Dringlichkeit nach § 12 II UWG vermutet. Auch im Übrigen sei die Durchsetzung der Ansprüche im Wege einstweiliger Verfügung geboten. Andernfalls würde die Antragsgegnerin mit ihrem nachahmenden Produkt in den Markt drängen und für eine Verfestigung der Verletzung sorgen können, ohne dass die Antragstellerin sich dem noch mit einer auf Unterlassung gerichteten Klage rechtzeitig erwehren könne. Eine Kompensation der ihr drohenden Nachteile werde durch Schadensersatz nicht erreicht.
Mit Schriftsatz vom 17.05.2010 legt die Antragstellerin schließlich das Muster eines Angebotes, die Bildschirmpräsentation des vormaligen Webshops der Antragsgegnerin und eine Besucherübersicht für den Zeitraum vom 15.02. bis 14.05.2010 vor und erläutert diese Anlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die diesbezüglichen Ausführungen Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils der Antragsgegnerin es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zur Förderung des Wettbewerbs von Bestellsystemsoftware für das Druckereigewerbe die Darstellung einer Eingabemaske für Bestellsystemsoftware für Druckereiprodukte anzubieten und/ oder in Verkehr zu bringen und/ oder mit ihr für Bestellsystemsoftware zu werben, die eine Matrixkalkulation in 7 Spalten oder Zeiten mit Spalten- / Zeilenbezeichnungen in der Reihenfolge Endformat, Seitenzahl, Farbigkeit, Papier, Buchbinden, Verarbeitung und Veredlung in sukzessivem Aufbau wiedergibt und die jeweilige Auswahl durch farbliche Hervorhebung der ausgewählten Schaltfläche markiert, wobei die Auswahloptionen unmarkiert weiterhin abgebildet werden und die die Auflagenwiedergabe nebst Preisangaben in Kastenformat und unmittelbar darunter befindlicher Gesamtpreisangabe anordnet, wie aus der Anlage AST 1 ersichtlich.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet die Angaben der Antragstellerin zu den Entwicklungskosten, zu den aufgewandten Mannstunden, zu den Werbeaufwendungen, zur Marktstellung des Webshops, zur Gesamtzahl der Druckereien, zum akquirierten Auftragsbestand und zum Amortisationszeitpunkt. Sie meint, das neue Vorbringen der Antragstellerin sei gem. § 531 ZPO nicht zu berücksichtigen.
Auch die Ausführungen der Antragstellerin zum Angebot der Antragsgegnerin werden teilweise bestritten. Die Antragsgegnerin behauptet, ihren Webshop bereits programmiert und nicht kopiert zu haben und damit kurzfristig im Markt präsent zu sein. Es werde bestritten, dass Druckereien die 14 von der Antragstellerin genannten Standardprodukte anbieten müssten. Druckereien seien in ihrer Angebotspalette frei. Die von der Antragstellerin herausgefilterten sieben Produkteigenschaften stellten keine Besonderheit dar, sie ergäben sich vielmehr aus der Logik des Bestellvorgangs. Unzutreffend sei die Behauptung der Antragstellerin, ihr Webshop sei im Hinblick auf Oberbegriffe, Auswahl und Reihenfolge ohne Vorbild. Dazu überreicht die Antragsgegnerin ein Anlagenkonvolut mit Ausdrucken verschiedener Eingabemasken, die nach ihre Meinung gegen eine Alleinstellung der Eingabemaske der Antragstellerin sprächen.
In rechtlicher Hinsicht sieht die Antragsgegnerin in der Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche einen neuen Streitgegenstand. Dafür sei kein Verfügungsgrund gegeben. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht seien urheberrechtliche Ansprüche nicht gegeben.
Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche seien nicht begründet. Dazu wiederholt die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Vortrag zur ihrer Meinung nach fehlenden wettbewerblichen Eigenart der Eingabemaske der Antragstellerin. Auch eine Nachahmung liege ebenso wenig vor wie eine Herkunftstäuschung. Der erstinstanzliche Vortrag der Antragstellerin lasse auch nicht die Annahme zu, sie, die Antragsgegnerin, habe eine etwaige Bekanntheit der Eingabemaske der Antragstellerin ausgenutzt. Deren Vortrag zweiter Instanz sei aus prozessualen Gründen unbeachtlich. Letztlich stellt die Antragsgegnerin auch Ansprüche der Antragstellerin aus § 4 Nr. 10 UWG und § 5 II UWG in Abrede.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Sie kann von der Antragsgegnerin nicht im Wege der einstweiligen Verfügung wie beantragt die Unterlassung der Nutzung der beanstandeten Eingabemaske für Bestellsoftware für Druckereiprodukte, wie aus der Anlage ASt. 1 ersichtlich, verlangen.
I.
Zunächst kann eine Eilentscheidung insoweit im vorliegenden Verfahren nicht auf urheberrechtliche Ansprüche gestützt werden. Dafür fehlt bereits die funktionale Zuständigkeit des Berufungsgerichts. Während die Antragstellerin in erster Instanz ausschließlich wettbewerbliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht hat, nämlich aus § 4 Nr. 9 Nrn. a und b UWG wegen einer unlauteren Nachahmung sowie aus § 5 UWG wegen vermeintlicher Irreführung über die Identität von Hersteller und Produkt, stützt sie ihre Ansprüche mit insoweit völlig neuem Vortrag nunmehr auf von ihr beanspruchte Urheberrechte, §§ 97 I, 2 I Nr. 1 u. 7 UrhG. Das Landgericht konnte sich hiermit mangels prozessualer Geltendmachung in erster Instanz überhaupt noch nicht befassen. Auch soweit die Antragstellerin meint, die Unterlassung werde unverändert auf alle erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkte gestützt, namentlich auf eine Verletzung von Urheberrechten und auf Wettbewerbsrecht in der Form des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes, Behinderung und Irreführung, ist festzustellen, dass dies keineswegs so der Fall ist. In erster Instanz gab es weder eine prozessuale Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche noch irgendeinen Vortrag hierzu, so insbesondere auch nicht zur Urheberrechtsfähigkeit der Produktmatrix. Der Antrag wird insofern nunmehr auf einen völlig anderen prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) und auf einen im Kern insoweit auch neuen Sachvortrag gestützt. Von daher ist das Berufungsgericht für die erstmalige Entscheidung hierüber nicht zuständig. Die Geltendmachung dieser urheberrechtlichen Ansprüche erstmalig mit der Berufung ist unzulässig.
Zudem bestehen überwiegende Zweifel an der Dringlichkeit für den begehrten Verfügungserlass auf urheberrechtlicher Grundlage. Der Verfügungsgrund wird nach der Rechtsprechung des Senats in diesem Zusammenhang nicht entsprechend § 12 II UWG vermutet. Zwar mag nach Kenntnis des geltend gemachten Verstoßes vom 25.11.2009 binnen Monatsfrist der Verfügungsantrag am 22.12.2009 bei Gericht eingereicht worden sein. Indes werden Urheberrechtsansprüche nunmehr erstmals mit der Berufungsbegründung, eingegangen am 09.3.2010, geltend gemacht, also nach knapp 4 Monaten. Dies stellt sich nicht als unverzögert dar. Alsdann ist im Hinblick auf die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes nach allgemeinen Regeln, §§ 935, 940 ZPO, insbesondere auch nicht glaubhaft gemacht, dass ohne den Erlass der Verfügung der Antragstellerin irreversible Schäden entstehen, die durch Ersatzleistungen im Wege der Lizenzanalogie nicht kompensiert werden könnten. Eine „Verfestigung der Verletzung“, wie von ihr geltend gemacht, dürfte schon deshalb nicht tragend sein, weil die Antragsgegnerin mit ihrer Bestellmaske noch gar nicht auf dem Markt ist und mit einer Markteinführung auch nicht vor 2011 zu rechnen sein soll.
II.
Der Verfügungsantrag hat auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage keinen Erfolg.
1.
Der Verfügungsgrund ist insoweit zunächst nach § 12 II UWG zu vermuten. Die Vermutung ist nicht widerlegt. Ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten zwischen Kenntnis vom Verstoß und gerichtlicher Geltendmachung außerhalb der vom Senat geforderten Monatsfrist ist nicht festzustellen.
2.
Die geltend gemachten Verfügungsansprüche aus §§ 8 I, III Nr. 1; 3 und 4 Nr. 9; 4 Nr. 10 und 5 UWG sind nicht begründet.
Ein erneutes Vorspielen der beiderseitigen Produkte, wie bereits im Termin beim Landgericht geschehen, war insoweit nach übereinstimmender Auffassung der Parteien im Senatstermin zur Beurteilung der Sache nicht mehr erforderlich, weil ein anderer Eindruck von der Grafikdarstellung als in der vorgelegten Papierform nicht gewonnen werden kann.
a)
Ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 UWG, der den Verfügungserlass rechtfertigen könnte, besteht nicht. Auszugehen ist dabei zunächst davon, dass im Rahmen des freien Wettbewerbs Nachahmungen grundsätzlich zulässig sind. Nach der gesetzlichen Wertung soll die wirtschaftliche Betätigung des Einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche grundsätzlich frei sein. Insofern ist Nachahmung außerhalb sondergesetzlich geschützter Produkte grundsätzlich erlaubt, sofern nicht zusätzliche unlauterkeitsbegründende Umstände vorliegen (RGZ 73, 294, 297 – Schallplatten; BGH GRUR 2005, 349, 353 – Klemmbausteine III; Ohly, in: Piper/ Ohly/Sosnitza, 5, Aufl. 2010, § 4.9 Rn. 9/2 f.). Die Verbotsregelung knüpft das Unlauterkeitsurteil insofern nicht an die Nachahmung als solche an (an das „ob“ der Nachahmung), sondern an die Umstände, unter denen die Nachahmung erfolgt oder das nachgeahmte Produkt angeboten wird (das „wie“ der Nachahmung). Im Übrigen sind auch die Sonderschutzrechte grundsätzlich vorrangig. Soweit insbesondere das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte Schutz gewähren, bleibt für entsprechende Unterlassungsansprüche aus Wettbewerbsrecht kein Raum, wenn eben nicht besondere unlauterkeitsbegründende Umstände hinzukommen (BGH GRUR 2006, 493 – Michel-Nummern).
So ist der Verfügungsanspruch vorliegend nicht allein deshalb begründet, soweit die Antragsgegnerin vermeintlich die Produktmatrix der Antragstellerin nachgeschaffen hat. Vielmehr bedarf es konkreter Unlauterkeitsmerkmale des § 4 Nr. 9 UWG, wobei die dort aufgeführten Fälle freilich nicht abschließend sind (BT-Drucks. 15/1487 S. 18; Ohly, a.a.O., § 4.9 Rn. 9/94).
b)
Die Produktmatrix der Antragstellerin mag zunächst eine wettbewerbliche Eigenart aufweisen, zumal entsprechende Vorbilder bis zur Markteinführung in 2007 im konkreten Druckbestellbereich wohl noch nicht existierten.
Die wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 2006, 79 – Jeans I; 2008, 1115 – ICON). Diese müssten insofern geeignet sein, das Produkt individualisierend herauszustellen.
Vorliegend dürfte, was abschließend nicht entschieden werden muss, die konkrete Komposition der streitgegenständlichen Produktmatrix – nach Darstellung in einem übersichtlichen Bestellformular auf einer Seite, ohne dass dabei ein Vor- und Zurückblättern auf mehreren Seiten oder eine Scrollen notwendig ist, nach den 7 wichtigsten Produkteigenschaften, nach der gewählten Reihenfolge und Anordnung – in diesem Sinne ein individuelles und neuartiges Erscheinungsbild aufweisen, das geeignet ist, auf die Herkunft des Produkts von der Antragstellerin hinzuweisen. Dabei kann zu ihren Lasten nicht etwa festgestellt werden, dass die von der Antragsgegnerin als Anlagenkonvolut AG 2 vorgelegten Eingabemasken von Mitbewerbern zuvor bereits entsprechende Gestaltungen aufwiesen. Diese anderen Eingabemasken stellen sich in Bezug auf grafische Darstellung, Anordnung etc. zum einen als überaus unterschiedliche dar. Soweit zum anderen die vergleichbare Produktmatrix von „T2“ (Anl. AG 2) vorgelegt worden ist, die vom Grundaufbau weithin identisch ist, ist schon nicht feststellbar, dass diese bereits vor der Einführung des Webshops der Antragstellerin in 2007 vorhanden war. Dieser Webshop soll vielmehr erst in 2009 eröffnet worden sein.
Auch soweit die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Antragstellerin bejaht wird, stellt sich diese, wenngleich begrifflich und darstellerisch in Bezug auf die Bestellseite für derartige Druckereiprodukte zahlreiche weitere Alternativen bestehen, im Hinblick auf die im Kern vorgegebenen Bestellmodi und eine Darstellung in einer letztlich durchaus gewöhnlichen Zeilen- und Spaltengeinteilung als nicht besonders hoch dar.
c)
Das Vorliegen einer Nachahmung kann, insoweit abweichend vom Landgericht, grundsätzlich angenommen, jedenfalls auch unterstellt werden, da die Kernstruktur der Grafik von Seiten der Antragstellerin in genau sieben Zeilen/Spalten, mit einer übereinstimmenden Kastenauswahl, gleichen Begrifflichkeiten (mit identischen Ungenauigkeiten wie beim Begriff „Buchbinden“), der Unterlegung der gewählten Optionen etc. weithin übereinstimmend gestaltet worden ist, obwohl es zahllose andere Variationsmöglichkeiten gibt, um den Bestellvorgang für die in Rede stehenden Druckereierzeugnisse abweichend im Detail zu gestalten, wie sich dies auch aus den von der Antragstellerin vorgelegten Darstellungen der Mitbewerber der Parteien ergibt.
d)
Indes fehlen die nötigen unlauterkeitsbegründenden Umstände.
Bei dieser Beurteilung ist wiederum zu beachten, dass zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Nähe der Nachahmung und der Intensität der Unlauterkeitsmerkmale eine Wechselbeziehung besteht. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je größer der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; GRUR 2008, 1115 – ICON). Umgekehrt sind im Fall einer identischen Übernahme die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und die Unlauterkeitsmerkmale entsprechend geringer (Ohly, a.a.O., § 4.9 Rn. 2/26, 2/48, 2/51).
aa)
Eine vermeidbare Herkunftstäuschung i.S.v. § 4 Nr. 9 a UWG ist mit dem Landgericht zu verneinen. Auch soweit die Antragstellerin bei den angesprochenen Druckereibetrieben eine maßgebliche Bekanntheit mit ihren Produkten erreicht hat und es nach der Gesamtwirkung der sich gegenüberstehenden Produkte (auf die es maßgeblich ankommt; vgl. BGH GRUR 2002, 629, 632 – Blendsegel; 2007, 795 – Handtaschen) deutliche Übereinstimmungen der beiderseitigen Gestaltungen hinsichtlich Anzahl und Auswahl der Produkteigenschaften, ihrer Bezeichnung und grafischen Ausprägung der Bestellschritte gibt, bestehen auch unter Berücksichtigung der nur geringen Eigenart des Produkts der Antragstellerin doch derart maßgebliche Unterschiede, dass diese gerade bei den überwiegend kundigen Druckereien eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Software nicht bewirken. Die Produktmatrix der Antragstellerin ist unverkennbar in vertikaler Richtung angeordnet. Die Auswahlkriterien Endformat, Seitenzahl, Farbigkeit, Papier, Buchbinden, Verarbeitung zeigen eine Säulenstruktur, die nach unten hin erfolgt. Die Anordnung bei der Antragsgegnerin ist demgegenüber horizontal. Die Auswahlkriterien zeigen nach rechts. Es gibt, auch wenn dies isoliert betrachtet nicht besonders ins Gewicht fällt, insoweit abweichende Farbgestaltungen der Optionsfelder auch mit Mehrfarbigkeiten. Bei der Matrix der Antragstellerin finden sich alsdann jeweils abgerundete Kastenformen, bei der der Antragsgegnerin insoweit eckige. Ferner finden sich in überaus unterschiedlicher und auffallender Weise die Felder mit den Preisangaben bezogen auf die gewählten Produktmengen bei der Antragstellerin in einer Zeile unter den Bestellangaben und bei der Antragsgegnerin in einem gesonderten Block rechts daneben. Die Angebote weichen insofern trotz deutlicher Übereinstimmungen maßgeblich voneinander ab. Gerade die typische vertikale Säulenstruktur in der Grafik der Antragstellerin wurde nicht übernommen. Die Abweichung mit der horizontalen Aufteilung verschafft einen maßgeblich unterschiedlichen Eindruck auch deshalb, weil gerade die Lese- und Bearbeitungsrichtung hiervon beeinflusst wird. Nicht durchschlagend ist dabei die identische Begriffswahl hinsichtlich der fraglichen Optionen. Denn gerade die übernommenen Gestaltungsmittel müssen auch diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts, für das Schutz begehrt wird, ausmachen (BGH GRUR 1999, 923 – Tele-Info-CD; 2007, 795, – Handtaschen). Die gewählten Begriffe, die sich zum großen Teil aus dem Bestellzweck und der Sache ableiten, sind aber nicht in erster Linie maßgebend für die besondere Gestaltungsleistung in Bezug auf die Seite. Der Gesamteindruck der beiderseitigen Gestaltungen ist im Gesamten überaus unterschiedlich. Die beiderseitigen Kunden, also die Druckereien, die eine derartige Bestellsoftware einsetzen wollen, vermögen insofern die deutlich abgewandelten Gestaltungen zu erkennen. Der Grad der Ähnlichkeit ist noch nicht so hoch, dass die betrieblichen Herkünfte nicht auseinander gehalten werden könnten und würden. Infolgedessen wird etwa auch nicht angenommen, dass wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Parteien derart bestehen, dass die nachgebildeten Seiten der Antragsgegnerin von der Antragstellerin lizensiert sein könnten. Die Originalität und Eigenart der säulenartigen Bestellstruktur, die sich nicht als besonders individuell erweist, sind summa summarum nicht als derart hoch anzusehen, dass die vorhandenen Übereinstimmungen bei der grafischen Darstellung des Bestellvorgangs eine wie auch immer geartete Verwirrung in Bezug auf die betriebliche Herkunft verursachen.
bb)
Entsprechendes gilt unter dem Gesichtspunkt einer Rufausbeutung i.S.v. § 4 Nr. 9 b UWG. Der gute Ruf der Antragstellerin und ihres Produkts wird durch die streitgegenständliche Nachahmung nicht unangemessen auf die Antragsgegnerin übertragen, und zwar schon deshalb, weil die Unterschiede zwischen Original und Nachahmung deutlich ins Auge fallen. Ein sog. Imagetransfer hin zur Antragsgegnerin aufgrund der insoweit ähnlichen Produktmatrix kann nicht festgestellt werden.
cc)
Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte für eine unredliche Erlangung des Know-How i.S.v. § 4 Nr. 9 c UWG. Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin schlicht die Programmdaten der Produktmatrix vom dem Demonstrationsdummy abkopiert und sich so die Erstellungskosten erspart hat.
3.
Eine unlautere Behinderung, § 4 Nr. 10 UWG, die in der Berufungsinstanz neu geltend gemacht wird, ist auch unter dem Gesichtspunkt, dass dem Schöpfer des Originals durch das Anbieten der Nachahmung die Möglichkeit genommen wird, sein Erzeugnis in angemessener Zeit zu vermarkten, nicht anzunehmen. Die Antragstellerin, die ihr Produkt bereits seit 2007 bekanntermaßen einsetzt, kann dieses uneingeschränkt weiter vermarkten. Soweit die Antragsgegnerin ihre Software nunmehr vorstellt, heißt dies auch nicht, dass sie tatsächlich bereits Leistungen anbietet, die sie selbst überhaupt nicht liefern kann.
4.
Es liegt keine Irreführung über die betriebliche Herkunft vor im Sinne von § 5 I Nr. 1 UWG. Zum Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung war bereits ausgeführt, dass die angesprochenen Druckereien keineswegs den Eindruck gewinnen, dass die beiderseitigen Erzeugnisse identisch sind oder zwischen den beiderseitigen Unternehmungen organisatorische, rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen bestehen.
Insgesamt kann eine nach Wettbewerbsrecht verbotswidrige Einführung oder Nutzung des Produkts der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 708 Nr. 10 ZPO.
Vorinstanz: Landgericht Essen, Az. 41 O 115/09