OLG Hamm: Versandkostenangaben auch nach Größe möglich?

veröffentlicht am 25. August 2009

OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2009, Az. 4 U 73/09
§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG; 1 Abs. 2 PAngV

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Angabe von Versandkosten, speziell beim Vertrieb von Möbeln, mittels einer Kubikmeterangabe wettbewerbswidrig ist. Im entschiedenen Fall bot die Antragsgegnerin in ihrem Onlineshop Möbel mit der Kosteninformation „Kleinmöbel, Dekoartikel, Stühle 5,00 € 10,00 €; Möbel bis 0,5 m³ 15,00 € 20,00 €; Möbel über 0,5 m³ 20,00 € 30,00 €“ an. Erst im Laufe des Bestellvorganges, nachdem der Kunde Artikel in den Warenkorb eingelegt hat, wird eine konkrete Berechnung der Versandkosten vorgenommen und angezeigt. Dies sei jedoch nach Auffassung des Gerichts zu spät. Der Kunde müsse bereits vor Einleitung eines Bestellvorgangs die konkreten Kosten einschließlich der Versandkosten erkennen können, um adäquate Preisvergleiche vornehmen zu können. Die von der Antragsgegnerin gemachten Angaben seien nicht transparent genug. Bei einer Staffelung von Versandkosten nach bestimmten Kriterien wie z.B. Kubikmeter seien die Angaben so zu tätigen, dass der Kunde sich die Versandkosten leicht und eindeutig selbst errechnen kann.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 26.02.2009 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Rahmen von Fernabsatzgeschäften im Internet mit Möbeln privaten Verbrauchern gegenüber in den Angeboten mit Preisen zu werben, ohne dabei zugleich anzugeben, in welcher Höhe die Versandkosten anfallen oder – soweit die vorherige Angabe dieser Kosten in bestimmten Fällen nicht möglich ist – ohne die näheren Einzelheiten der Berechnung anzugeben, aufgrund derer der Letztverbraucher die Höhe leicht errechnen kann, wenn dies geschieht wie in dem Internetauftritt der Antragsgegnerin gemäß Anlage A 2 der Antragsschrift.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren angedroht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Antragsteller beanstandet die Preisangaben der Antragsgegnerin auf deren Internetseite „Internetadresse“ hinsichtlich der Versandkosten, die dort für sogenannte registrierte Premium-Kunden und für sonstige Kunden wie folgt angegeben sind:

Kleinmöbel, Dekoartikel, Stühle 5,00 € 10,00 €

Möbel bis 0,5 m³ 15,00 € 20,00 €

Möbel über 0,5 m³ 20,00 € 30,00 €.

Auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 09.01.2009 hat die Kammer antragsgemäß am 12.01.2009 eine einstweilige Verfügung erlassen, in der der Antragsgegnerin aufgegeben wurde, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Rahmen von Fernabsatzgeschäften im Internet mit Möbeln privaten Verbrauchern gegenüber in den Angeboten mit Preisen zu werben, ohne dabei zugleich anzugeben, dass Versandkosten anfallen und in welcher Höhe die Versandkosten anfallen oder – soweit die vorherige Angabe dieser Kosten in bestimmten Fällen nicht möglich ist – ohne die näheren Einzelheiten der Berechnung anzugeben, aufgrund derer der Verbraucher die Höhe leicht errechnen kann, wenn dies geschieht wie in dem Internetauftritt gemäß Anlage A 1 der Antragsschrift. Ferner hat das Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld und Ordnungshaft angedroht.

Die Antragsgegnerin hat gegen diese Beschlussverfügung Widerspruch eingelegt, mit dem sie die beanstandete Preisangabe verteidigt. Neben der abstrakten Angabe der Versandkosten seien diese nämlich auch konkret für die einzelnen Möbel angegeben. Dies geschehe nämlich im Rahmen des Bestellvorgangs. Bei der Vornahme der Bestellung sei mithin der exakte Preis einschließlich der Versandkosten deutlich erkennbar.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten und hat weiter hilfsweise beantragt, eine einstweilige Verfügung mit der Maßgabe zu erlassen, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, die Werbung ohne Hinweis auf die Versandkosten vor Einleitung des Bestellvorgangs, das heißt vor Einlegen der Ware in den Warenkorb, zu unterlassen.

Das Landgericht hat entsprechend dem Antrag der Antragsgegnerin durch Urteil vom 26. Februar 2009 die einstweilige Verfügung vom 12. Januar 2009 aufgehoben und den auf sie gerichteten Antrag einschließlich des Hilfsantrages zurückgewiesen. Die Preisangabe hinsichtlich der Versandkosten sei nicht zu beanstanden. Der Verbraucher erfahre die exakte Höhe der anfallenden Versandkosten, sobald er im Rahmen des Bestellvorgangs die zu bestellende Ware in den sog. Warenkorb einlege. Damit erfahre er noch vor der Bestellung den exakten Endpreis. Das sei ausreichend.

Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 82 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages hält es der Antragsteller nach wie vor nicht für ausreichend, wenn dem Verbraucher die konkreten Versandkosten erst im Laufe des Bestellvorgangs mitgeteilt würden. Zu fordern sei die Mitteilung der Versandkosten bereits vor Einleitung des Bestellvorgangs. Der Verbraucher solle nämlich schon bei der Produktauswahl in die Lage versetzt werden, die Preise einzelner Artikel unter Berücksichtigung aller Preisbestandteile zu vergleichen.

Auch die Annahme die Landgerichts sei unzutreffend, dass bei Artikeln, bei denen die Versandkosten nicht zu ermitteln seien, gleichwohl im Regelfall bereits eine einigermaßen verlässliche Ermittlung der Größenordnung der anfallenden Versandkosten möglich sei.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Münster vom 26. Februar 2009, zugestellt am 20. März 2009, Aktenzeichen 08 O 7/09, abzuändern und nach Maßgabe der Schlussanträge des Antragstellers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2009 zu entscheiden mit der Maßgabe, dass es statt „Anlage A 1“ „Anlage A 2“ heißen müsse.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist schon dem Hauptantrag nach begründet.

Der Berufungsantrag nimmt auf die erstinstanzlichen Anträge Bezug. Dort war in erster Linie beantragt, die Beschlussverfügung zu bestätigen. Der Inhalt dieser Beschlussverfügung ergibt sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils einerseits. Er folgt des weiteren auch aus dem Klammervermerk des Beschlussverfügungsformulars Blatt 26 der Akten,dass in der Beschlussverfügung das Verbotsbegehren so tenoriert worden ist, wie es in der Antragsschrift (Bl. 2 d.A.) unter der Überschrift „hilfsweise“ beantragt worden ist.

Dieses „Hilfsbegehren“ der Antragsschrift vermeidet die Unbestimmtheit des zunächst unter Ziffer 1. begehrten Verbotes der Antragsschrift, in der die fehlenden Versandkosten nur allgemein zum Verbotsinhalt gemacht worden sind. Ein solches Verbot würde den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO nicht genügen (BGH NJW 2008, 1384 – Versandkosten). Das so bezeichnete „Hilfsbegehren“ nimmt darüber hinaus auch auf den konkreten Internetauftritt der Antragsgegnerin Bezug und verbietet gerade diese Art der Versandkostenmitteilung. Durch diese Einbeziehung der konkreten Verletzungsform ist auf jeden Fall dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO hinreichend genügt.

Mithin kommt es auf den weiteren Hilfsantrag, den der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts noch zusätzlich gestellt hatte, nicht mehr an. Es bleibt bei dem ursprünglichen Verbotsgegenstand des konkreten Angebotes, wie es sich auf Blatt 14 ff der Akten befindet. Soweit dieses Angebot im Antrag als Anlage A 1 bezeichnet wird, liegt lediglich eine irrtümliche Falschbezeichnung vor, die in Wahrheit Anlage A 2 heißen muss, was der Antragsteller im Senatstermin korrigiert hat.

Ein Verfügungsgrund ist vorliegend gegeben. Die Vermutung der Eilbedürftigkeit nach § 12 Abs. 2 UWG ist vorliegend nicht widerlegt. Denn jedenfalls für den Hauptantrag hat der Antragsteller binnen eines Monats nach Kenntnis um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG a.F. und n.F. i.V.m. § 1 Abs. 2 PAngV.

Die Parteien stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Die Preisangabenverordnung ist auch eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

Der beanstandete Internetauftritt der Antragsgegnerin stellt auch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 PAngV dar. Die nach Einleitung des Bestellvorgangs mitgeteilten Versandkosten reichen zur Information des Verbrauchers nach der Preisangabenverordnung nicht aus. Sie müssen bereits vor Einleitung des Bestellvorganges mitgeteilt werden (BGH a.a.O. – Versandkosten). Infolgedessen kommt es auch nicht darauf an, ob die Bestellung für den Käufer schon bindend ist. Er muss die Versandkosten erfahren, bevor er sich für das Angebot entscheidet, wenn er also noch vollkommen frei ist in seiner Entscheidung. Er soll nämlich einen sinnvollen Preisvergleich vornehmen können, bevor er sich für eine Ware entscheidet. Hier fehlt es an der notwendigen Transparenz. Dass die Kubikmeterpreise ausreichen, will die Antragsgegnerin selbst nicht behaupten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Antragsgegnerin ist hier als insgesamt unterlegen anzusehen. Denn der sog. „Hilfsantrag“ der Antragsschrift stellt gegenüber dem vorangegangenen Antrag in seiner allgemeinen Fassung lediglich eine Konkretisierung des von Anfang an gewollten Verbotes dar.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.

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