OLG Hamm: Zur Frage, wann ein Nutzerkonto bei Youtube ohne Anhörung gesperrt werden darf / 2025

veröffentlicht am 28. Oktober 2025

OLG Hamm, Urteil vom 03.06.2025, Az. 21 U 62/23
§ 280 Abs. 1 BGB, § 307 Abs. 1 S.1 BGB, Art. 17 DSGVO, Digital Services Act

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Nutzungsbedingungen zur Plattform www.youtube.de wirksam sein können, wenn sie unterschiedliche, konkret gefasste „Eskalationsstufen“ bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen und Richtlinien vorsehen und dem Plattformbetreiber bei wiederholten Verstößen weitergehende Maßnahmen gegen das Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung des Nutzers vorbehalten. Notwendig sei allerdings stets eine Gesamtabwägung der entgegenstehenden Interessen im Einzelfall. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.03.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Detmold – 02 O 9/22 – wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Soweit die Berufungsanträge zu Ziff. 3 und 4 zurückgewiesen werden – mit Ausnahme des in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2025 gestellten Hilfs-Hilfs-Antrag zu Ziff. 3 -, wird die Revision zugelassen.

Gründe:
1I.

2Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz-, Unterlassungs- und Datenberichtigungsansprüche im Zusammenhang mit Funktionseinschränkungen und -sperrungen seines YouTube-Kanals geltend.

3Die Beklagte betreibt im Internet die Video-Hosting- und Kommunikationsplattform YouTube. Nutzer haben dort die Möglichkeit, eigene Videoinhalte auf der Plattform zum Abruf durch Dritte einzustellen. Der Hochladevorgang eines Videos wird vom jeweiligen Nutzer eigenständig durchgeführt; eine Prüfung, Vorauswahl oder auch nur Kenntnisnahme der von Nutzern eingestellten Videos durch die Beklagte erfolgt nicht. Der Kläger unterhält und nutzt seit dem 03.03.2015 auf Grundlage des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäfts- bzw. Nutzungsbedingungen der Beklagten einen YouTube-Kanal mit dem Namen „A. B.“ und äußert darin insbesondere seine Meinung zu aktuellen, die Öffentlichkeit berührenden Themen. Sein Kanal zählte Anfang 2022 365.000 Abonnenten und 518 veröffentlichte Videos (GA-LG 9).

4Nutzer, die sich auf der Kommunikationsplattform der Beklagten registrieren und eigene Inhalte bei YouTube einstellen, erklären sich einverstanden, die vertraglichen Bestimmungen, insbesondere die Nutzungsbedingungen und die sog. Community-Richtlinien der Beklagten, einzuhalten. In den Nutzungsbedingungen mit Stand vom 05.01.2022 heißt es u.a. (GA-LG 152):

5″Ihre Nutzung des Dienstes unterliegt diesen Nutzungsbedingungen, den YouTube Community-Richtlinien, den allgemeinen YouTube-Richtlinien sowie den Richtlinien zu Sicherheit und Urheberrecht (zusammen als „Vereinbarung“ bezeichnet).“

6Zur Entfernung von Inhalten heißt es in den Nutzungsbedingungen (GA-LG 159-160):

7„Entfernen von Inhalten durch YouTube

8Wenn es objektive und konkrete Gründe zu der Annahme gibt, dass Ihre Inhalte (1) gegen diese Vereinbarung verstoßen oder (2) YouTube, unseren Nutzern oder Dritten schaden könnten, behalten wir uns das Recht vor, solche Inhalte vollständig oder teilweise zu entfernen. Wir benachrichtigen Sie unverzüglich darüber und erläutern den Grund für die Maßnahme, sowie bieten Ihnen die Möglichkeit, den Verstoß zu beheben oder das entsprechende Verhalten einzustellen, es sei denn, es gibt objektive und konkrete Gründe zu der Annahme, dass dies (a) gegen Gesetze bzw. Anordnungen einer Strafverfolgungsbehörde verstoßen oder für YouTube oder unsere verbundenen Unternehmen ein erhebliches Haftungsrisiko darstellen würde, (b) eine Ermittlung gefährden würde oder der Integrität bzw. dem Betrieb des Dienstes erheblich schaden würde oder (c) anderen Nutzern, Dritten, YouTube oder unseren verbundenen Unternehmen erheblich schaden würde. Weitere Informationen zum Melden von Inhalten und zur Richtliniendurchsetzung finden Sie in der YouTube-Hilfe auf der Seite zur Problembehebung. Sie finden dort auch eine Anleitung, wie Sie Beschwerde einlegen können, wenn Sie glauben, dass Inhalte irrtümlicherweise entfernt wurden. Wenn Sie Beschwerde einlegen, berücksichtigen wir Ihre Begründung für die Beschwerde und überprüfen unsere Entscheidung noch einmal.“

9Die Community-Richtlinien der Beklagten haben verschiedene Kommunikations- und Darstellungsstandards zum Gegenstand. So wird etwa in der Community-Richtlinie zur sog. Hassrede darauf hingewiesen, dass Inhalte, die in Bezug auf bestimmte Merkmale (u. a. Rasse, Nationalität, Einwanderungsstatus, Geschlechtsidentität) zu Gewalt oder Hass gegen Einzelpersonen oder Gruppen aufrufen, nicht erlaubt sind und daher gelöscht werden. Der Nutzer wird an verschiedenen Stellen darüber informiert, welche Maßnahmen und unter welchen Voraussetzungen diese bei Verstößen gegen die Community-Richtlinien zur Anwendung kommen können. Er wird über den Grund einer solchen Maßnahme und darüber informiert, welche Schritte er gegen die jeweilige Maßnahme unternehmen kann, wenn er der Auffassung ist, sie sei zu Unrecht erfolgt. Der Nutzer hat die Möglichkeit, über ein Beschwerde-Tool innerhalb seines Kontos Beschwerde gegen die jeweiligen Maßnahmen zu erheben. Auf eine Beschwerde hin wird der Inhalt durch die Beklagte erneut überprüft und der betreffende Nutzer über die Entscheidung dieser Überprüfung in Kenntnis gesetzt.

10Bei Verstößen eines Nutzers gegen die Community-Richtlinien sehen die Nutzungsbedingungen verschiedene „Eskalationsstufen“ vor. Beim ersten Verstoß erhält der Nutzer eine sog. Warnung, die lediglich mit der Deaktivierung des Videoinhalts verbunden ist. Der Nutzer wird über die Entfernung des Inhalts und darüber informiert, womit bei weiteren Verstößen gegen die Community-Richtlinien zu rechnen ist. Gegen die Deaktivierung des Videos und den Ausspruch der Warnung kann der Nutzer Beschwerde einlegen. Wird der Beschwerde stattgegeben, wird das Video wieder freigeschaltet und die Warnung zurückgenommen. Der Nutzer erhält bei einem späteren Verstoß gegen die Community-Richtlinien nur eine Warnung. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen und kommt es zu einem weiteren Verstoß gegen die Community-Richtlinien, wird die erste sog. Verwarnung („strike“) ausgesprochen. Die erste Verwarnung zieht eine einwöchige Einschränkung der Kontofunktionen nach sich. Nach Ablauf der Woche werden die Funktionen automatisch wiederhergestellt, und die Verwarnung wird nach 90 Tagen gelöscht. Auch gegen die Verwarnung kann Beschwerde eingelegt werden. Ist sie erfolgreich, wird die Verwarnung nebst sämtlichen Kontoeinschränkungen umgehend entfernt; ebenso wird der Inhalt wieder freigeschaltet. Wird der Beschwerde nicht stattgegeben und erfolgt ein weiterer Verstoß innerhalb der 90 Tage der aktiven ersten Verwarnung, zieht das eine zweiwöchige Sperrung der Kontofunktionen nach sich. Auch die zweite Verwarnung bleibt – vorausgesetzt sie wird nicht im Wege der Beschwerde erfolgreich beseitigt – grundsätzlich 90 Tage aktiv. Eine dritte Verwarnung innerhalb desselben Zeitraums kann eine Entfernung des YouTube-Kanals nach sich ziehen (vgl. GA-LG 117-118; 646; der Inhalt der Nutzungsbedingungen ist zwischen den Parteien unstreitig).

11Die YouTube-Richtlinien zum Urheberrecht sehen u. a. vor, dass der Nutzer auf eine Deaktivierung eines seiner Videos aufgrund eines gestellten Deaktivierungsantrags des Urheberrechtsinhabers die Möglichkeit der Gegendarstellung hat (GA-LG 121).

12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Nutzungsbedingungen der Beklagten mit Stand vom 05.01.2022 (Anlage B3 = GA-LG 150 ff.), die Community-Richtlinie zur Hassrede (Anlage B4 = GA-LG 170 ff.) sowie die Beschwerdemöglichkeiten bei Verstößen gegen die Community-Richtlinien (Anlage B5 = GA-LG 173 ff.) Bezug genommen.

13Im Zeitraum ab November 2019 bis September 2021 kam es zu verschiedenen Zeitpunkten zu jedenfalls vorübergehenden Sperrungen von hochgeladenen Videos des Klägers durch die Beklagte wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Community-Richtlinien sowie gegen das Urheberrecht. Im Zusammenhang mit der Sperrung der betroffenen Videos sprach die Beklagte Warnungen und zum Teil auch Verwarnungen aus, welche teilweise mit vorübergehenden Sperrungen der Kontofunktionen des Nutzungskontos des Klägers verbunden waren. Gegen die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen legte der Kläger jeweils Beschwerde bei der Beklagten ein, zum Teil unmittelbar mit anwaltlichem Aufforderungsschreiben zur Rückgängigmachung der Maßnahmen (Fälle zu den Klageanträgen zu Ziff. 1g, 2b und 2c), zum Teil aber auch erst persönlich, wobei sich jeweils ein anwaltliches Aufforderungsschreiben anschloss (Fälle zu den Klageanträgen zu Ziff. 1a, 1c, 1f, 1h, 1j und 2a). Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.08.2021 forderte der Kläger die Beklagte zudem zur Unterlassung unter anderem von Funktionseinschränkungen seines YouTube-Kanals ohne vorherige Anhörung auf (Fall zum Klageantrag zu Ziff. 1i). Wegen der weiteren Einzelheiten zu den jeweils betroffenen Videos, den Maßnahmen der Beklagten, den Beschwerden des Klägers, den vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeiten gegenüber der Beklagten sowie den Reaktionen der Beklagten wird auf die Ausführungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils auf den Seiten 3 bis 9 Bezug genommen.

14Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageanträge zu Ziff. 1a, 1c, 1f, 1g, 1h, 1i, 1j, 2a, 2b und 2c), Unterlassung von näher beschriebenen Funktionseinschränkungen seines YouTube-Kanals (Klageantrag zu Ziff. 3) sowie die Löschung von im Datensatz des Klägers gespeicherter Lösch- und Sperrvorgänge beantragt (Klageantrag zu Ziff. 4). Der Kläger hat im Wesentlichen gemeint, ihm stehe wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB zu, ohne dass die besonderen Verzugsvoraussetzungen erfüllt sein müssten, da die Beklagte ihre vertraglich geschuldeten Pflichten durch das Sperren der Videos verletzt habe. Die vom Bundesgerichtshof zu den Nutzungsbedingungen von Facebook entwickelte Rechtsprechung (Urteile vom 27.09.2021 – III ZR 179/20 und 192/20) sei auf die Nutzungsbedingungen der Beklagten übertragbar. Die Beklagte habe in ihren Nutzungsbedingungen keine gebotene Anhörung des Nutzers vor Einschränkungen und Sperrungen der Kontofunktionen vorgesehen. Aus diesem Grund stehe dem Kläger auch der Unterlassungsanspruch sowie der Anspruch auf Datenberichtigung zu.

15Die Beklagte hat im Wesentlichen gemeint, dass eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten deshalb ausscheide, weil zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit keine Haftungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Außerdem sei eine Beauftragung eines Rechtsanwalts aufgrund der eigenen rechtlichen Expertise des Klägers nicht erforderlich gewesen. Schließlich entsprächen die Nutzungsbedingungen der Beklagten auch den vom Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit Facebook aufgestellten prozeduralen Absicherungen der Nutzer für den Fall, dass Inhalte wegen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen gesperrt würden. Das YouTube-Konto des Klägers weise derzeit weder Warnungen noch Verwarnungen auf.

16Mit seinem Urteil vom 21.03.2023 (GA-LG 644 ff.), auf das zur näheren Sachdarstellung und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen könne, da die erforderlichen Verzugsvoraussetzungen nach § 286 BGB zum Zeitpunkt des Anfalls der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht vorgelegen hätten (Klageanträge zu Ziff. 1a, 1c, 1f, 1g, 1h, 1j, 2a, 2b und 2c). Selbst wenn man in der Sperrung der einzelnen Videos und in den einzelnen damit verbundenen Maßnahmen gegen den Kläger eine Pflichtverletzung sehen würde, lägen die Voraussetzungen für einen auf Freistellung von den vorgerichtlichen Kosten gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB nicht vor. Sofern der Kläger der Beklagten selbst Fristen zur Wiederherstellung der Inhalte und Rückgängigmachung der Maßnahmen gesetzt habe, hätte er den Ablauf dieser Fristen vor Beauftragung seiner späteren Prozessbevollmächtigten mit der erneuten vorgerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche zunächst abwarten müssen. Im Übrigen hätte der Kläger, nachdem er über das Beschwerde-Tool Beschwerde erhoben habe, vor einer erneuten anwaltlichen Aufforderung erst einen angemessenen Zeitraum abwarten müssen, um der Beklagten die Gelegenheit zur Prüfung und Abhilfe zu geben. Soweit der Kläger die Beklagte unmittelbar anwaltlich aufgefordert habe, ohne zuvor selbst die Beschwerdemöglichkeit in Anspruch genommen zu haben, könne der Kläger keine Freistellung verlangen, da ihm als täglich auf der Plattform tätigem Unternehmer das Beschwerde-Tool vertraut gewesen sei und er diese Möglichkeit vorrangig hätte ergreifen müssen. Auch stehe dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu (Klageantrag zu Ziff. 3). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Facebook-Nutzungsbedingungen sei auf den vorliegenden Fall schon nicht übertragbar. Selbst wenn man dies anders sähe, genügten die Nutzungsbedingungen den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen. Es sei nicht zwingend erforderlich, den Nutzer vor der Entfernung eines seiner Videos anzuhören. Insoweit sei es ausreichend, den Nutzer auf die Möglichkeit der nachträglichen Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung zu verweisen. So sei es in den Nutzungsbedingungen der Beklagten vorgesehen. Soweit der Kläger die Unterlassung der Löschung seines YouTube-Kanals geltend mache, fehle es bereits an Anhaltspunkten für eine Wiederholungs- oder auch Erstbegehungsgefahr. Da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zustehe, könne er auch keine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, welche in diesem Zusammenhang angefallen seien (Klageantrag zu Ziff. 1i). Der Antrag auf Datenberichtigung (Klageantrag zu Ziff. 4) habe ebenfalls keinen Erfolg, da jedenfalls kein entsprechender Anspruch bestehe. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Auch ergebe sich kein Anspruch des Klägers nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

17Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und verfolgt seine erstinstanzlich gestellten Klageanträge mit Ausnahme derjenigen zu Ziff. 1 b, 1d und 1e weiter. Er rügt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, dass die Entfernung von Videos und die Funktionseinschränkungen und -sperrungen seines YouTube-Kanals pflichtwidrig im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB gewesen seien, so dass er hinsichtlich der in diesem Zusammenhang angefallenen vorgerichtlichen Kosten Freistellung als Schadensersatz von der Beklagten fordern könne. Eines Verzugs der Beklagten habe es daher nicht bedurft. Jedenfalls habe sich die Beklagte bereits ab dem Zeitpunkt der Videolöschungen und der Verwarnungen mit der vertraglichen Hauptleistungspflicht jeweils in Schuldnerverzug befunden. Eine verzugsbegründende Mahnung sei nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen. Auch habe der Kläger die Beklagte vor der anwaltlichen Beauftragung jeweils zur Vertragserfüllung aufgefordert. Darin habe jeweils eine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB gelegen. Schließlich sei auch die Facebook-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Nutzungsbedingungen der Beklagten übertragbar. Die von der Beklagten gegen den Kläger ergriffenen Maßnahmen seien vertragswidrig gewesen. Tatsächlich habe die Beklagte die Rechtswidrigkeit ihrer jeweiligen Maßnahmen auch nicht verteidigt, sondern die Videos alle wiederhergestellt. Schließlich stehe dem Kläger auch der geltend gemachte Datenberichtigungsanspruch zu. Alle Vermerke zu den Löschungs- und Sperrvorgängen seien sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Die Beklagte könne sich nicht auf einen wirksamen vertraglichen Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen, so dass die Löschungen und Sperrungen sowie auch die damit verbundenen Vermerke im Datensatz („strike“) nie hätten erfolgen dürfen.  Dem Kläger stehe der geltend gemachte Datenberichtigungsanspruch aufgrund der datenschutzrechtlichen Regelungen der DSGVO zu. Es handele sich um personenbezogene Daten des Klägers, wobei die Beklagte durch die Speicherung der rechtswidrigen Lösch- und Sperrvorgänge gegen Datenverarbeitungsgrundsätze gemäß Art. 5 DSGVO verstoßen habe. Eine rechtmäßige Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO liege nicht vor. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten ein Recht auf Löschung nach Art. 17 DSGVO. Soweit die Lösch- und Sperrvermerke nach der Behauptung der Beklagten nicht mehr als Verstoß gezählt würden, sei der Zweck für die weitere Datenverarbeitung entfallen. Der Anspruch auf Löschung folge auch daraus, dass die Datenverarbeitung nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Datenverarbeitung sei auch nicht zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen der Beklagten erforderlich. Schließlich ergebe sich der Löschungsanspruch des Klägers auch aus § 280 Abs. 1 BGB. Soweit die Beklagte eine rechtswidrige Vertragspflichtverletzung durch rechtswidrige Lösch- und Sperrvorgänge begangen habe, müsse sie den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, wozu auch eine entsprechende Datenbereinigung gehört.

18Der Kläger beantragt,

19unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Detmold – 02 O 9/22 – vom 21.03.2023

201. 21die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskostena. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 22.11.2019 (Anlage K 2) in Höhe von 3.006,42 €,b. – entfällt -c. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 17.02.2020 (Anlage K 4) in Höhe von 1.954,46 €,d. – entfällt -e. – entfällt -f. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 01.02.2021 (Anlage K 7) in Höhe von 1.751,80 €,g. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 22.03.2021 (Anlage K 10) in Höhe von 1.295,43 €,h. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 29.03.2021 (Anlage K 11) in Höhe von 1.295,43 €,i. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 05.08.2021 (Anlage K 13) in Höhe von 2.147,83 €,j. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 07.09.2021 (Anlage K 14) in Höhe von 2.147,83 €durch Zahlung an die Kanzlei C. freizustellen.
2. 22Die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskostena. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 18.05.2020 (Anlage K 15) in Höhe von 1.590,91 €,b. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 13.07.2020 (Anlage K 16) in Höhe von 1.550,80 €,c. für die außergerichtliche Tätigkeit vom 28.08.2020 (Anlage K 17) in Höhe von 1.142,14 €durch Zahlung an die Kanzlei C. freizustellen.
3. 23die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen YouTube-Kanal („A. B.“, https:I01) wegen der Veröffentlichung von Videoinhalten in der Nutzbarkeit oder Funktionalität einzuschränken oder zu löschen, ohne vorab darüber zu informieren und dem Kläger die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, wenn die Beklagte ihre Maßnahme nicht auf Verstöße des Klägers gegen gesetzliche Vorschriften stützt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Antrag für zu weitgehend erachten sollte, beantragt er,die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen YouTube-Kanal wegen der Veröffentlichung von Videoinhalten in der Nutzbarkeit oder Funktionalität einzuschränken oder zu löschen, ohne vorab darüber zu informieren und dem Kläger die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, wenn sich diese Maßnahme auf ein Video beziehen soll, welches bereits Gegenstand einer außergerichtlichen Vertretung im Sinne der Klageanträge zu Ziff. 1 oder Ziff. 2 (Anlagen K 2 – K 7, K 10, K 11, K 13 – K 17) gewesen ist und die Beklagte ihre Maßnahme nicht auf Verstöße des Klägers gegen gesetzliche Vorschriften stützt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.Mit erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 03.06.2025 hilfs-hilfsweise gestellten Antrag beantragt er,die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen YouTube-Kanal („A. B.“, https:I01) wegen der Veröffentlichung von Videoinhalten in der Nutzbarkeit oder Funktionalität einzuschränken oder zu löschen, ohne unverzüglich darüber zu informieren und dem Kläger die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, wenn die Beklagte ihre Maßnahme nicht auf Verstöße des Klägers gegen gesetzliche Vorschriften stützt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
4. 24die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr für seinen YouTube-Kanal gespeicherten Daten dahingehend zu berichtigen, dass alle in seinem Datensatz dokumentierten Lösch- und Sperrvorgänge gelöscht werden.Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den vorstehenden Klageantrag für zu weitgehend erachten sollte, beantragt er,die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr für seinen YouTube-Kanal gespeicherten Daten dahingehend zu berichtigen, dass alle in seinem Datensatz dokumentierten Lösch- und Sperrvorgänge, die sich auf Videos beziehen, die Gegenstand einer außergerichtlichen Vertretung im Sinne der Klageanträge zu Ziff. 1 oder Ziff. 2 (Anlagen K2 – K7, K10, K11, K13 – K17) gewesen sind, gelöscht werden.
25Die Beklagte beantragt,

26        die Berufung zurückzuweisen.

27Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens das landgerichtliche Urteil. Ansprüche auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestünden nicht, weil die Beklagte durch die Entfernung der Videos und die Funktionsbeeinträchtigungen bzw. -sperrungen des klägerischen YouTube-Kanals keine Vertragsverstöße begangen habe. Außerdem sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Aufforderung der Beklagten nicht erforderlich gewesen. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers habe nicht bestanden. Nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen Digital Services Act (DSA) sei die Gewährung nachträglichen rechtlichen Gehörs ausreichend, so dass eine Anhörungspflicht vor Verhängung der Maßnahme nicht bestehe. Auch habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Datenberichtigungsanspruch. Ein solcher bestehe weder nach Art. 16 noch nach Art. 17 DSGVO. Die gespeicherten Daten seien nicht unrichtig. Die Speicherung der Daten ergebe auch dadurch Sinn, dass die Beklagte nach Art. 15 DSA spezifische Dokumentationspflichten träfen. Lediglich zu Dokumentationszwecken gespeicherte, revidierte Verstöße würden nicht bei der Annahme von Mehrfachverstößen für weiterreichende Maßnahmen der Beklagten gezählt. Ein vertraglicher Anspruch auf Löschung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes ergebe sich nicht, da der Beklagten keine Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien. Die Beklagte ist der Auffassung, der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 03.06.2025 gestellte Hilfs-Hilfsantrag zu Ziff. 3 stelle eine nicht sachdienliche Klageerweiterung dar. Die Beklagte stimmt der Klageerweiterung nicht zu.

28II.

29Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.

301. Die von den Parteien nicht in Zweifel gezogene internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, welche auch im Berufungsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2003 – XI ZR 474/02, NJW 2004, juris Rn. 12), ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO). Die Vertragspflicht der Beklagten auf Bereitstellung der YouTube-Dienste ist in Ermangelung abweichender Vereinbarungen der Parteien am Wohnsitz des Klägers zu erfüllen.

31Zutreffend und ohne dass dies von den Parteien angegriffen wird, hat das Landgericht auf das Vertragsverhältnis deutsches Recht angewendet. Der Vertrag unterliegt nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) dem von den Parteien ausweislich der Nutzungsbedingungen vereinbarten deutschen Recht (siehe Seite 16 der Nutzungsbedingungen unter „Anwendbares Recht“).

322. Im Ergebnis ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von den geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat.

33a) Es kann dahinstehen, ob sich ein Freistellungsanspruch des Klägers hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der Aufforderung der Beklagten zur Rückgängigmachung der streitgegenständlichen Maßnahmen (Klageanträge zu Ziff. 1a, 1c, 1f, 1g, 1h, 1j, 2a, 2b und 2c) nur unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs ergeben kann (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB). Hiervon ist das Landgericht ausgegangen, welches auf die Leistungspflicht der Beklagten abgestellt hat, das YouTube-Konto zur Verfügung zu stellen und in seiner Funktionalität dauerhaft aufrecht zu erhalten, so dass die Deaktivierung einzelner Videos sowie Funktionseinschränkungen und -sperrungen des YouTube-Kontos als Nichtleistung zu begreifen wären (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, MDR 2022, 1481, juris Rn. 163). Zwar liegt es näher, für eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten an die vermeintlich unberechtigten Kontoeinschränkungen und -sperrungen selbst anzuknüpfen, so dass der geltend gemachte Freistellungsanspruch auf § 280 Abs. 1 BGB zu stützen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 27; OLG Nürnberg, Urteil vom 13.12.2022 – 3 U 4205/21, juris Rn. 70). Dies kann jedoch offenbleiben, da die Beauftragung eines Rechtsanwalts jeweils nicht erforderlich war.

34aa) Voraussetzung für einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ist, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.2022 – VIa ZR 524/21, juris Rn. 7). Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, Urteil vom 29.10.2019 – VI ZR 45/19, NJW 2020, 144). Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es dabei grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.02.2022 – 10 U 17/20, juris Rn. 163; OLG München, Urteil vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19 Pre, MDR 2020, 552, juris Rn. 2109).

35bb) Gemessen an diesen Vorgaben lagen die Voraussetzungen für die Einschaltung eines Rechtsanwalts zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen anwaltlichen Aufforderungen gegenüber der Beklagten nicht vor. Aus Sicht des Klägers lagen keine Verstöße gegen die Community-Richtlinien, auf welche die Beklagte die Videoentfernungen und Kontosperrungen gestützt hat, vor. Dementsprechend sind – so der Kläger in der Berufungsbegründung (dort Seite 12) – auf seine Beschwerden auch sämtliche Videos von der Beklagten wiederhergestellt worden. Dem Kläger stand – worauf auch das Landgericht schon zutreffend abgestellt hat – gegen sämtliche Maßnahmen die Möglichkeit offen, Beschwerde über das von der Beklagten hierfür vorgesehene Beschwerde-Tool zu erheben. Hiervon hat der Kläger auch in einer Vielzahl von Fällen Gebrauch gemacht. Gleichwohl hat er entweder gleichzeitig oder kurz danach seine späteren Prozessbevollmächtigten mit der zusätzlichen anwaltlichen vorgerichtlichen Geltendmachung der Rückgängigmachung der Maßnahmen beauftragt (Fälle zu den Klageanträgen zu Ziff. 1a, 1c, 1f, 1h, 1j und 2a) oder aber anstelle der Erhebung einer Beschwerde sofort eine vorgerichtliche anwaltliche Aufforderung veranlasst (Fälle zu den Klageanträgen zu Ziff. 1g, 2b und 2c). Der im Umgang mit der Plattform der Beklagten und den dort vorgesehenen Beschwerdemöglichkeiten vertraute Kläger wäre gehalten gewesen, zunächst persönlich Beschwerde über das hierfür vorgesehene Beschwerde-Tool zu erheben und – so auch das Landgericht – innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Reaktion der Beklagten hierauf abzuwarten, bevor er einen Rechtsanwalt beauftragt. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit dem Kläger ein weiteres Zuwarten unzumutbar gewesen wäre oder die Beklagte auf die erhobenen Beschwerden nicht mit der gebotenen Schnelligkeit reagiert hätte. Dass die Beklagte auf die persönliche Intervention des Klägers ohnehin nicht tätig geworden wäre, wird vom Kläger nicht substantiiert behauptet, zumal in den Fällen der Klageanträge zu Ziff. 1a und 1j die anwaltliche Aufforderung auch erst nach Wiederherstellung der Videos durch die Beklagte stattgefunden hat.

36b) Nicht beanspruchen kann der Kläger auch die vorgerichtlichen Kosten, die er im Zusammenhang mit der vorgerichtlichen Aufforderung verlangt, zu erklären, dass die Beklagte zukünftig keine Inhalte (ausgenommen rechtswidrige) auf unsichtbar stellen oder den klägerischen Kanal in seinen Funktionen beeinträchtigen oder demonetarisieren oder den Kläger gar von der Plattform aussperren werde, ohne ihn vorher mit einer angemessenen Frist anzuhören und seine Stellungnahme zu berücksichtigen (Fall zum Klageantrag zu Ziff. 1i). Die Beklagte musste eine entsprechende Erklärung schon deshalb nicht abgeben, da diese zu weit gefasst ist.

37aa) Die vorgerichtliche Aufforderung vom 05.08.2021 (GA-LG 75) nimmt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Facebook-Nutzungsbedingungen Bezug (vgl. Urteile vom 27.09.2021 – III ZR 179/20 und 192/20) und führt aus, dass ein soziales Netzwerk mit Marktmacht, was auf die Beklagte zutreffe, Nutzer nicht sperren und ihre Beiträge nicht löschen dürfe, ohne sie vorher anzuhören und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies müsse in den Nutzungsbedingungen zwingend verankert sein, dürfe also nicht im Belieben des Anbieters stehen. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die damaligen Nutzungsbedingungen der Beklagten Videoentfernungen und Kontosperrungen nicht wirksam geregelt haben. Denn es konnte jedenfalls Fälle geben, in denen die Beklagte berechtigt war, den Kläger zu sperren, ohne ihn vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und ihm Gelegenheit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. So ist die Beklagte insbesondere gehalten gewesen, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte auf ihrer Plattform zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Inhalte offensichtlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 98). Zu den dann – auch unabhängig von der Wirksamkeit einer vertraglichen Ermächtigung für eine Kontosperrung – zulässigen und gebotenen Maßnahmen konnte auch die vorübergehende Sperrung eines Nutzerkontos gehören (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.01.2024 – 15 U 45/23, juris Rn. 31; OLG München, Urteil vom 12.04.2022 – 18 U 6473/20, juris Rn. 50 f.). Über solche Entscheidungen musste die Beklagte den Nutzer jedenfalls nicht – wie es der Kläger mit der vorgerichtlichen Aufforderung von der Beklagten erklärt haben wollte – vorab, sondern lediglich unverzüglich informieren (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 NetzDG a.F.).

38bb) Schließlich konnte der Kläger von der Beklagten auch nicht verlangen, dass diese ihn vor einer „Demonetarisierung“ des YouTube-Kanals hätte anhören müssen. Die „Demonetarisierung“ bezieht sich auf die Kündigung eines YouTube-Partnerprogramms, welches es der Beklagten ermöglicht, Werbung auf die Videos des Nutzers zu schalten, wobei dieser an den dadurch generierten Werbeeinnahmen partizipiert (vgl. GA-LG 331). Am 21.06.2019 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung der Monetarisierungsvereinbarung erklärt (vgl. GA-LG 222). Eine vorherige Anhörung war vor dem Hintergrund von § 314 BGB allerdings nicht erforderlich. Die Sachverhaltsaufklärung vor einer Kündigung aus wichtigem Grund wird nach der Konzeption des Gesetzes durch das Regelerfordernis der Abmahnung sichergestellt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 08.03.2022 – 4 U 1050/21, NJW-RR 2022, 1207, juris Rn. 22 zur Kündigung eines Nutzerkontos). Eine Anhörung muss vor Ausspruch einer solchen Kündigung nicht stattfinden (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.1997 – 2 AZR 36/97, NJW 1998, 1508, juris Rn. 17 zur Kündigung nach § 626 BGB).

393. Sodann steht dem Kläger auch nicht der mit dem Haupt- und erstrangigen Hilfsantrag zum Berufungsantrag zu Ziff. 3 geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich Einschränkungen der Nutzbarkeit oder Funktionalität seines YouTube-Kanals oder hinsichtlich der Löschung des Kanals ohne vorherige Anhörung zu.

40Allerdings geht der Kläger im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrags und auf Grundlage der vorgelegten Nutzungsbedingungen mit Stand 05.01.2022 nicht uneingeschränkt berechtigt ist, hochgeladene Videos des Klägers zu entfernen oder weitergehende Maßnahmen gegen dessen YouTube-Konto zu ergreifen. Denn die Beklagte hat sich ausweislich ihrer Nutzungsbedingungen dazu verpflichtet, Nutzern zu ermöglichen, Inhalte im Rahmen des Dienstes einzustellen und zugänglich zu machen (vgl. etwa Seite 4 der Nutzungsbedingungen). Dies wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Verletzt die Beklagte die sie treffenden Vertragspflichten, kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 102). Die Beklagte kann sich bei Entfernungen der Videos sowie den vorübergehenden Kontoeinschränkungen und -sperrungen jedoch auf den in ihren Nutzungsbedingungen niedergelegten Entfernungsvorbehalt sowie die Regelungen zu Warnungen und Verwarnungen bei Mehrfachverstößen stützen. Diese Regeln sind – was von keiner der Parteien beanstandet wird – wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen und entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie im Zusammenhang mit nutzerkontobeschränkenden Maßnahmen der Beklagten keine vorherige Anhörung des Nutzers vorsehen.

41a) Eine Klausel ist unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Insoweit bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen, bei der die mit der Abweichung vom dispositiven Recht verbundenen Nachteile für den Vertragspartner, die von einigem Gewicht sein müssen, sowie Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2019 – III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072, juris Rn. 19). Im vorliegenden Fall ist insoweit von Belang, dass bei Videoentfernungen sowie Kontoeinschränkungen und -sperrungen in das Grundrecht der Nutzer auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen wird. Dieses Grundrecht entfaltet im Privatrecht seine Wirkkraft über die Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, und ist insbesondere bei der Auslegung von Generalklauseln, wie hier von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 54). Die Beklagte ist als Anbieterin eines sozialen Netzwerks im Rahmen ihrer durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten unternehmerischen Handlungsfreiheit und eigenen Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch berechtigt, den Nutzern in ihren Nutzungsbedingungen etwa bestimmte Kommunikationsstandards vorzugeben, die über strafrechtliche Vorgaben hinausgehen. Hiervon hat die Beklagte in ihren Community-Richtlinien Gebrauch gemacht, deren Berechtigung als solche zwischen den Parteien auch außer Streit steht. In diesem Rahmen darf sich die Beklagte das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Standards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die (vorübergehende) Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 78).

42b) Für die Nutzungsbedingungen von Facebook hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entschieden, dass es für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich sei, dass sich der Anbieter der Plattform in seinen Geschäftsbedingungen dazu verpflichte, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags und eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließen müsse, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einherzugehen habe (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 85). Die Anhörung des betroffenen Nutzers, im Rahmen derer die Möglichkeit zur Gegendarstellung bestehe, sei insofern von herausragender Bedeutung, als aufgrund einer häufig komplexen Ausgangslage der inhaltlichen Auslegung und rechtlichen Bewertung von Beiträgen ein oft hohes Risiko der Fehlbeurteilung bestehe (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 86). In Bezug auf die Entfernung eines Beitrags sei es nicht zwingend geboten ist, die notwendige Anhörung vor der Maßnahme durchzuführen. Ausreichend sei insofern vielmehr, wenn der Anbieter im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags in seinen Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräume (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 88). Sei dagegen eine (vorübergehende) Sperre des Nutzerkontos beabsichtigt, sei eine Anhörung vor Durchführung dieser Maßnahme geboten, von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen. Die Kontosperrung sei im Verhältnis zur Entfernung eines einzelnen Beitrags die deutlich schwerwiegendere Maßnahme, da der betroffene Nutzer während des gesamten Zeitraums der Sperrung sein Profil nicht aktiv nutzen und dementsprechend auf der Kommunikationsplattform nicht nur eine bestimmte Meinungsäußerung, sondern jegliche Meinungsäußerung nicht tätigen kann. Die Kontosperrung diene zudem nicht unmittelbar der Beseitigung eines aktuellen Verstoßes des Nutzers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, sondern der Sanktionierung eines Verstoßes und der Prävention im Hinblick auf künftige Verstöße. Ein Interesse des Plattformbetreibers, diese Maßnahme möglichst zügig und noch vor Anhörung des Nutzers durchführen zu können, sei nicht erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 87).

43c) Die vorstehenden vom Bundesgerichtshof zu den Nutzungsbedingungen von Facebook entwickelten Grundsätze können allerdings nicht unbesehen auf die Nutzungsbedingungen der Beklagten übertragen werden, und zwar bereits unabhängig von der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob der Beklagten für den Bereich der Videoplattformen überhaupt eine ähnliche marktbeherrschende Stellung wie Facebook auf seinem Gebiet zukommt (vgl. GA-LG 569; 614), woraus der Bundesgerichtshof für Facebook eine besondere, das „virtuelle Hausrecht“ reglementierende gesteigerte (mittelbare) Grundrechtsbindung aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 63 ff.; vgl. auch Grünwald/Hackl, MMR 2024, 532, 533 gegen eine vorschnelle Übertragung der Facebook-Rechtsprechung auf andere Plattformen). Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Beklagte ihn unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Vorgaben zu den Facebook-Nutzungsbedingungen zwar nicht vor der Entfernung einzelner Videos, so aber doch vor der Ergreifung weitergehender, mit Verwarnungen („strikes“) einhergehender Funktionseinschränkungen bzw. -sperrungen seines Kontos jeweils anhören müsse. Dies lässt allerdings unberücksichtigt, dass die Beklagte in ihren Vertragsbestimmungen unterschiedliche, konkret gefasste „Eskalationsstufen“ bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen und Richtlinien vorgesehen hat und eine über die bloße Entfernung des betroffenen Videos hinausgehende Verwarnung mit weitergehenden Maßnahmen gegen das Nutzerkonto nicht gleich bei dem ersten Verstoß ausgesprochen wird. Aus den Feststellungen der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Facebook-Nutzungsbedingungen ist nicht ersichtlich, dass Facebook dort ebenfalls nach einem derart gestaffelten und vorab abstrakt festgelegten System agiert hat.

44Im Fall der Beklagten verhält es sich so, dass dem betroffenen Nutzer bei der ersten Videoentfernung aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Community-Richtlinien die Möglichkeit zur nachträglichen Gegendarstellung in Form einer Beschwerde offensteht, was jedenfalls auch den vom Bundesgerichtshof zu Facebook aufgestellten prozeduralen Anforderungen entspricht. Wenn die mit dem ersten Verstoß erteilte Warnung jedoch bestehen bleibt, weil der Nutzer den Vorwurf der Richtlinienwidrigkeit des Videos weder im Rahmen der Gegendarstellung noch womöglich unter Inanspruchnahme gerichtlichen (einstweiligen) Rechtsschutzes ausräumen konnte, ist der Nutzer „angezählt“. Unter diesen Umständen überwiegt dann allerdings bei weiteren Verstößen gegen die Community-Richtlinien das Interesse der Beklagten, das Nutzerkonto zur Verhinderung der Verbreitung wiederum weiterer möglicherweise richtlinienwidriger Inhalte auch in seinen Funktionen für einen kurzen Zeitraum einzuschränken oder zu sperren, ohne den Nutzer vorab zu der beabsichtigten Maßnahme anzuhören zu müssen. In diesen Fällen reicht die Möglichkeit des Nutzers zur nachträglichen Gegendarstellung aus, an die sich die Neubescheidung durch die Beklagte anzuschließen hat. Nach dem gestaffelten System der Beklagten kommt es nämlich erst bei dem zweiten Verstoß des Nutzers gegen die Community-Richtlinien zu einer ersten Verwarnung („strike“) mit einer einwöchigen Einschränkung der Kontofunktionen. Die noch schwerer wiegende Maßnahme der vorübergehenden Kontosperrung darf die Beklagte nach ihren Bestimmungen erst ergreifen, wenn es innerhalb von 90 Tagen nach der ersten Verwarnung zu einem weiteren Verstoß kommt (zweite Verwarnung bzw. zweiter „strike“). Da von einem Nutzer, der in der Vergangenheit bereits Videos mit vertragswidrigen Inhalten hochgeladen hat, die nicht unbegründete Gefahr der Verbreitung weiterer vertragswidriger Inhalte ausgeht, hat die Beklagte ein schützenswertes Interesse, bei einem kurze Zeit nach dem letzten beanstandeten Video veröffentlichten weiteren Video, bei dem der objektiv begründete Verdacht eines erneuten Verstoßes gegen die Vertragsbestimmungen besteht, dieses Video nicht nur zu sperren, sondern gleichzeitig auch aus präventiven Gründen die Funktionen des betroffenen Nutzerkontos für einen gewissen Zeitraum einzuschränken oder zu sperren und den betroffenen Nutzer auf die Möglichkeit der nachträglichen Gegendarstellung zu verweisen. Es besteht aufgrund des vorangegangenen Nutzerverhaltens die begründete Gefahr, dass der Nutzer weitere rechtswidrige Inhalte hochlädt und deren Rechtswidrigkeit zunächst womöglich unbemerkt bleibt, so dass sich die Verbreitung jener Inhalte angesichts der Geschwindigkeit der Netzkommunikation kaum mehr aufhalten lässt. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im Fall eines vorangegangenen noch „aktiv“ gezählten Verstoßes gegen die Community-Richtlinien bei dem Verdacht eines weiteren Verstoßes innerhalb von 90 Tagen nach dem letzten das Konto des betreffenden Nutzers in seinen Funktionen für eine Woche einschränkt (erste Verwarnung) und bei dem Verdacht eines weiteren Verstoßes innerhalb von 90 Tagen nach dem letzten Verstoß – nämlich nach der ersten Verwarnung – für einen Zeitraum von zwei Wochen sperrt (zweite Verwarnung), und zwar jeweils ohne den Nutzer vorab anzuhören. Zwar besteht die Möglichkeit, dass bei zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Entfernungen von Videos wegen vermeintlicher Richtlinienverstöße der vorherige Vorfall nach Beschwerde und Gegendarstellung des Nutzers noch nicht geklärt ist, im Rahmen des mehrstufigen Sanktionssystems der Beklagten also noch „zählt“, so dass der nächste, im kurzen Abstand folgende Vorwurf einer Richtlinienverletzung bereits zu einer vorübergehenden Sperre führt. Auch in diesen Fällen überwiegt allerdings der Präventionsgedanke zur Verhinderung weiterer Verstöße, da die Beklagte gerade keine willkürlichen Videoentfernungen vornehmen darf, sondern es nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten (dort Seite 10 unter „Entfernen von Inhalten durch YouTube“) stets „objektive und konkrete Gründe“ zu der Annahme geben muss, dass die Inhalte gegen die vertraglichen Bestimmungen verstoßen. Dass „objektive und konkrete Gründe“ für die Annahme eines Richtlinienverstoßes ausreichen, lässt sich mit der komplexen Ausgangslage der inhaltlichen Auslegung und rechtlichen Bewertung von Videoinhalten rechtfertigen, der ein hohes Risiko der Fehlbeurteilung innewohnt, die aber gleichwohl ein schnelles Handeln gebietet, so dass der betroffene Nutzer mit seiner Sicht der Dinge erst im Nachgang gehört wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 86, 88 zur Löschung von Facebook-Beiträgen). Nicht jede sich im Nachhinein als falsch herausstellende Ersteinschätzung zur Richtlinienwidrigkeit eines Videoinhalts stellt daher bereits einen rechtswidrigen Eingriff in das Vertragsverhältnis dar (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 08.09.2020 – 6 O 23/20, MMR 2021, 85, juris Rn. 73; a.A. ohne nähere Begründung aber OLG Schleswig, Urteil vom 08.11.2024 – 1 U 70/22, juris Rn. 81). Es besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis eines Plattformbetreibers für kurzfristige Sperrungen, wenn aufgrund objektiver Umstände zu befürchten ist, dass von dem Nutzer kurzfristig weitere Verstöße gegen die Nutzungsbestimmungen drohen (vgl. auch Raue, NJW 2022, 209, 214; Heymann/Götz, GRUR 2021, 1491, 1494).

45Soweit sich der Kläger schließlich noch dagegen wendet, dass auch vor einer „Löschung“ eines YouTube-Kanals keine vorherige Anhörung stattfinde, ist – unabhängig davon, dass der Kläger von einer Kontolöschung noch nicht betroffen war – schon nicht ersichtlich, dass eine solche überhaupt ohne vorherige Anhörung ausgesprochen werden dürfte. Vielmehr sehen die Nutzungsbedingungen der Beklagten vor einer als „Löschung“ zu begreifenden Kontokündigung eine Anhörung ausdrücklich vor, indem die Maßnahme zunächst „angekündigt“ wird (siehe Seite 13 der Nutzungsbedingungen: „Wenn Sie der Meinung sind, dass es sich bei der angekündigten Kündigung oder Sperrung um einen Fehler handelt, können Sie über dieses Formular Beschwerde einlegen“).

46d) Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass zwischenzeitlich die Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.10.2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste, Digital Services Act) (im Folgenden: DSA) in Kraft getreten ist, welche seit dem 17.02.2024 in vollem Umfang Anwendung findet (vgl. Art. 93 Abs. 2 Satz 1 DSA). Auch danach stellen sich die eine Anhörung vor kontobeschränkenden Maßnahmen nicht vorsehenden Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht gemäß § 307 BGB als unwirksam dar.

47aa) Nach Art. 16 DSA müssen Hostingdiensteanbieter ein leicht zugängliches und benutzerfreundliches Melde- und Abhilfeverfahren für rechtswidrige Inhalte einrichten. Auf entsprechende Meldungen müssen sie „zeitnah“ reagieren und den Ersteller des betroffenen Inhalts sowie ggf. auch die meldende Person darüber unverzüglich informieren. Zu den möglichen Maßnahmen zählt die Entfernung einzelner Inhalte, die zeitweilige oder dauerhafte Beschränkung der Bereitstellung des Dienstes oder die Aussetzung oder Schließung des Nutzerkontos. Ergreift der Diensteanbieter solche Maßnahmen, muss er dem betroffenen Nutzer darüber eine klare und spezifische Begründung abgeben (Art. 17 DSA). Dem betroffenen Nutzer muss ein internes Beschwerdemanagement des Anbieters von Online-Plattformen (Art. 20 DSA) sowie ein Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung (Art. 21 DSA) offenstehen, um die fragliche Maßnahme der Inhaltemoderation überprüfen zu lassen. Darüber hinaus müssen die Betreiber von Vermittlungsdiensten ihre Verfahren und Maßnahmen zur Moderation von Inhalten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einfacher, verständlicher und benutzerfreundlicher Form darstellen (Art. 14 DSA) (vgl. zum Überblick Grünwald/Hackl, MMR 2024, 532, 534).

48Diese Vorgaben gelten auch für die Beklagte und deren Videoplattform YouTube. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister im Sinne von Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen Hostingdienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 Buchst. g Ziff. iii DSA) (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 23.07.2024 – 3 U 2469/23, MMR 2025, 147, juris Rn. 21 zur hiesigen Beklagten). Ebenfalls handelt es sich bei der Beklagten um eine Online-Plattform im Sinne von Art. 3 Buchst. i DSA, da sie die bereitgestellten Informationen nicht nur speichert, sondern auch öffentlich verbreitet (vgl. Keppeler, ITRB 2023, 317, 318: Online-Plattform als Spezialfall eines Hostingdienstes).

49bb) Aus der Systematik des Kapitels III des Digital Services Act ergibt sich allerdings, dass ein Vermittlungsdienst den von einem Verstoß betroffenen Nutzer im Regelfall nicht anhören muss (aber anhören kann), bevor er den Inhalt aufgrund seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkt oder weitergehende Maßnahmen gegen das Konto des Nutzers ergreift. Der Digital Services Act sieht – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – nachträgliches rechtliches Gehör und nachgelagerten Rechtsschutz mittels interner Beschwerdemanagementsysteme, außergerichtlicher Streitbeilegung und ggf. gerichtlicher Hilfe vor (vgl. Raue in Hofmann/Raue, DSA, 1. Aufl., Art. 14 Rn. 86; Grünwald/Hackl, MMR 2024, 532, 535; Holznagel, CR 2022, 594, 598; Gielen/Uphues, EuZW 2021, 627).

50cc) Es ist umstritten, ob sich die prozeduralen Pflichten des Betreibers einer Online-Plattform bei der Ergreifung von Maßnahmen gegen einzelne Inhalte sowie das Konto des Nutzers im Falle von gegen die Nutzungsbedingungen verstoßenden Inhalten ab Inkrafttreten des Digital Services Act – so wie die Beklagte meint – ausschließlich nach den dortigen Regelungen bestimmen.

51(a) So wird vertreten, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Facebook-Nutzungsbedingungen und einer vorherigen Anhörungspflicht vor (vorübergehenden) Kontosperrungen mit Wirksamwerden des Digital Services Act nicht mehr haltbar sei und gegen höherrangiges Recht verstoße (vgl. Grünwald/Hackl, MMR 2024, 532, 535) bzw. die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch den Digital Services Act überlagert und die geforderte Anhörung betroffener Nutzer bei Durchführung einer Moderationsmaßnahme des Online-Plattformbetreibers durch das Beschwerdeverfahren gemäß Art. 20 DSA als Leitbild ersetzt sei (vgl. Berberich in Steinrötter, Europäische Plattformregulierung, 1. Aufl., § 5 Rn. 46). Dagegen wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, der Digital Services Act schließe einen Rückgriff auf das sich nach nationalem Recht richtende vertragsrechtliche Gefüge nicht aus, so dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle der Facebook-Nutzungsbedingungen nach § 307 BGB weiterhin Anwendung finde (vgl. Gerdemann/Spindler, GRUR 2023, 3, 10; Holznagel, CR 2022, 594, 597). Andere wiederum sind der Meinung, dass sich trotz der Systematik des Kapitels III des Digital Services Act bestimmte Anhörungspflichten aus Art. 14 Abs. 4 DSA ergäben, wonach die Anbieter von Vermittlungsdiensten bei der Anwendung und Durchsetzung von Beschränkungen nach Art. 14 Abs. 1 DSA „sorgfältig, objektiv und verhältnismäßig“ vorzugehen hätten und dabei „die Rechte und berechtigten Interessen aller Beteiligten sowie die Grundrechte der Nutzer, die in der Charta verankert sind, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Freiheit und den Pluralismus der Medien und andere Grundrechte und -freiheiten“ berücksichtigen müssten. Zwar sei für die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anhörungserfordernisse zu den Facebook-Nutzungsbedingungen unter dem neuen Regelungsregime des Digital Services Act kein Raum. Allerdings ergebe sich aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass in „normalen“ Fällen, in denen sich nicht etwa aus dem bisherigen Nutzerverhalten ableiten lasse, dass kurzfristig weitere Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen drohten, eine vorherige Warnung des Nutzers mit der Möglichkeit zur Stellungnahme erfolgen müsse (vgl. Raue in Hofmann/Raue, DSA, 1. Aufl., Art. 14 Rn. 87; Wischmeyer/Meißner, NJW 2023, 2673, 2678).

52(b) Die Streitfrage kann im vorliegenden Fall indes offenbleiben. Selbst wenn die Facebook-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den prozeduralen Anforderungen an Moderationsentscheidungen unter dem Digital Services Act fortgelten sollte oder aber sich Anhörungserfordernisse aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben sollten, welche sodann über Art. 14 Abs. 4 DSA zu einer unionsrechtlich determinierten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle führen (kritisch zur Einwirkung von Art. 14 Abs. 4 DSA auf die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Mast/Kettemann/Schulz in Mast/Kettemann/Dreyer/Schulz, DSA/DMA, 1. Aufl., Art. 14 DSA Rn. 16), ergäbe sich für den Streitfall unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen – siehe unter 3.c) – keine Unwirksamkeit der eine vorherige Anhörung nicht vorsehenden Nutzungsbedingungen der Beklagten. Das ausdifferenzierte Regelungssystem zu Sperrentscheidungen bei Mehrfachverstößen stellt sich nicht als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 14 Abs. 4 DSA dar, da es ein abgestuftes Vorgehen beinhaltet und zeitlich beschränkte Sperrmaßnahmen ohne vorherige Anhörungen einer effektiven und aufgrund der vorangegangenen Verstöße auch dringlichen Prävention weiterer Verstöße dienen.

53e) Nach alledem handelt es sich bei den Regelungen der Beklagten zur nachträglichen Anhörung auch im Falle von Kontofunktionseinschränkungen und -sperrungen um eine sämtliche Interessen ausgleichende Vertragsgestaltung, die nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt.

544. Dem erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfs-Hilfsantrag zu Ziff. 3 der Berufungsanträge bleibt der Erfolg ebenfalls versagt.

55a) Bei dem Antrag handelt es sich um eine zulässige Klageerweiterung, da diese sachdienlich ist (§ 533 Nr. 1 ZPO) und auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).

56b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger nicht zu. Es besteht weder eine Wiederholungsgefahr noch eine ernsthaft drohende Erstbegehungsgefahr. Soweit der Kläger offenbar meint, die Beklagte informiere nicht „unverzüglich“ über Nutzbarkeits- oder Funktionseinschränkungen eines YouTube-Kanals aufgrund der Veröffentlichung richtlinienwidriger Videoinhalte, übersieht er zum einen, dass die Nutzungsbedingungen der Beklagten ausdrücklich eine „unverzügliche“ Benachrichtigung des Nutzers im Falle der vollständigen oder teilweisen Entfernung von Videoinhalten vorsehen (vgl. die Nutzungsbedingungen unter der Überschrift „Entfernen von Inhalten durch YouTube, GA-LG 159-160). Zum anderen ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unabhängig von den eine „unverzügliche“ Benachrichtigung gerade vorsehenden Nutzungsbedingungen den Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt nicht „unverzüglich“ benachrichtigt hätte.

575. Schließlich kann der Kläger von der Beklagten auch nicht die mit dem Klageantrag zu 4. geltend gemachte Löschung der „Lösch- und Sperrvorgänge“ verlangen.

58a) Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz verlangt, ist der Antrag bereits mangels Bestimmtheit unzulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Werden nämlich die einzelnen Vermerke nicht bezeichnet, wäre im Fall einer Verurteilung der Umfang der Rechtskraft hinsichtlich der Löschungsverpflichtung nicht hinreichend bestimmt und eine Vollstreckung nicht möglich (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.11.2024 – 16 U 52/23, K&R 2025, 138, juris Rn. 56, juris).

59b) Dem Kläger steht gegen die Beklagte aber auch kein Löschungsanspruch in der mit dem Hilfsantrag spezifizierten Form zu.

60aa) Der Kläger kann von der Beklagten keine Löschung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt eines noch aktiv gezählten Verstoßes gegen die Community-Richtlinien geltend machen.

61Zwar wäre die Beklagte im Falle bereits revidierter Warnungen und/oder Verwarnungen gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die dokumentierten Verstöße nicht mehr als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen zu zählen, mit der Folge, dass sich bei weiteren Verstößen gegen die Richtlinien umfangreichere Sanktionen der Beklagten gegen den Kläger ergeben könnten (vgl. OLG München, Urteil vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19 Pre, MMR 2021, 79, juris Rn. 183). Dass das YouTube-Konto des Klägers, nachdem – so sein eigener Vortrag – sämtliche Videos wiederhergestellt sind, noch aktiv gezählte Warnungen und/oder Verwarnungen aufweist, hat der Kläger aber schon nicht substantiiert behauptet. Die Beklagte hat bestritten, dass gegenwärtig Warnungen und/oder Verwarnungen bestünden und hat – vom Kläger unbestritten – vorgetragen, dass dieser in seinem YouTube-Konto selbst einsehen könne, ob gegenwärtig Warnungen oder sonstige Kontobeeinträchtigungen vorlägen (GA-LG 330). Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der gegenteiligen Behauptung des Klägers um eine ohne greifbare Anhaltspunkte aufgestellte Mutmaßung ins Blaue hinein.

62bb) Der Kläger kann von der Beklagten die Löschung der Lösch- und Sperrvorgänge aber auch nicht insoweit verlangen, als es sich dabei lediglich um die interne Dokumentation eines Vorgangs ohne Auswirkungen auf den „Verstoßzähler“ handelt.

63(a) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Löschung nach Art. 16 DSGVO. Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Videolöschungen und Kontosperrungen haben tatsächlich – unstreitig – stattgefunden, so dass schon vor diesem Hintergrund keine „unrichtigen“ Daten im Sinne von Art. 16 DSGVO vorliegen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.05.2023 – 10 U 24/22, MMR 2023, 962, juris Rn. 245; OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, MMR 2022, 399, juris Rn. 97; siehe auch Keber/Keppeler in Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 16 DSGVO Rn. 7).

64(b) Schließlich besteht ein entsprechender Anspruch auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

65Diese Vorschrift gibt ein „Recht auf Vergessenwerden“, also auf Löschung personenbezogener Daten insbesondere dann, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO) oder wenn sie für die Zwecke, für die sie verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO). Es kann dahinstehen, ob die Verarbeitung der Lösch- und Sperrvorgänge zur Erfüllung von Transparenzberichtspflichten der Beklagten nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. b und d DSA erforderlich ist, so dass ein Datenberichtigungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DSGVO ausgeschlossen wäre. Jedenfalls ist die Beklagte berechtigt, entsprechende Daten gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO vorzuhalten.

66Eine Löschung personenbezogener Daten kommt gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO nicht in Betracht, soweit die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich sind. Dies gilt jedenfalls für den vorliegenden Fall, nachdem der Kläger die Beklagte wegen angeblicher unberechtigter Sperrungen und Videolöschungen in Anspruch nimmt und es der Beklagten jedenfalls während des noch laufenden Verfahrens unbenommen sein muss, Informationen darüber vorzuhalten, die ihr eine sachgerechte Rechtsverteidigung erlauben. Dazu gehört es, dass es ihr möglich sein muss, den klägerischen Vortrag zu stattgefundenen Videolöschungen und Kontosperrungen anhand eigener Aufzeichnungen verifizieren oder falsifizieren zu können. Der Kläger kann keine Klage wegen Ansprüchen erheben, die er auf vertragswidrige Lösch- und Sperrvorgänge der Beklagten stützt (Vorgerichtliche Kosten als Schadensersatz; Unterlassung künftiger vertragswidriger Einschränkungen oder Löschungen des YouTube-Kanals), und gleichzeitig von der Beklagten verlangen, ihre Aufzeichnungen darüber zu löschen, ob solche etwaigen Verstöße stattgefunden haben (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.05.2023 – 10 U 24/22, MMR 2023, 962, juris Rn. 246; siehe auch OLG Köln, Urteil vom 25.01.2024 – 15 U 45/23, juris Rn. 17; BeckOK Datenschutzrecht/Worms, Stand: 01.11.2024, Art. 17 DSGVO Rn. 87; a.A. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.11.2024 – 16 U 52/23, K&R 2025, 138, juris Rn. 70).

676. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

687. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711.

698. Die Revision war im tenorierten Umfang zuzulassen. Die Frage nach den prozeduralen Anforderungen an Moderationsentscheidungen unter der Geltung des seit dem 17.02.2024 anzuwendenden Digital Services Act ist bislang nicht geklärt. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage relevant, inwieweit Nutzungsbedingungen von Online-Plattformbetreibern, deren Moderationsentscheidungen prozedural nicht durch eine vorherige Anhörung des betroffenen Nutzers bei vorgeworfenen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen abgesichert sind, einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten, sofern sich die seitens des Betreibers zu ergreifenden Maßnahmen nach einem – wie im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangten – Modell verschiedener „Eskalationsstufen“ bei Mehrfachverstößen richten. Hinsichtlich des Datenberichtigungsanspruchs ist die Zulassung der Revision ebenfalls veranlasst, da die maßgeblichen Fragen im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten sind. Keine Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht hingegen hinsichtlich der die vorgerichtlichen Kosten betreffenden Berufungsanträge zu Ziff. 1 und 2 sowie hinsichtlich des Hilfs-Hilfsantrags zu Ziff. 3 der Berufungsanträge.

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