OLG Köln: Telefonische Nachfrage zur Kundenzufriedenheit nach Abwicklung eines Auftrages kann unlautere Werbung sein

veröffentlicht am 7. Mai 2012

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Köln, Urteil vom 30.03.2012, Az. 6 U 191/11
§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG

Das OLG Köln hat entschieden, dass die telefonische Nachfrage zur Kundenzufriedenheit durch eine Kfz-Glas-Werkstatt, von einem Marktforschungsinstitut durchgeführt, belästigende Werbung ist, wenn eine Einverständnis des Kunden dafür nicht vorliegt. Dabei sei es unerheblich, ob es sich bei dem Kunden um einen Verbraucher oder Gewerbetreibenden handele. Die Überlassung der Handy-Nummer an die Werkstatt „für den Fall der Fälle“ stelle keine wirksame Einwilligung zur späteren Befragung dar. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Köln

Urteil

1.)
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.8.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 52/11 – wird zurückgewiesen.

2.)
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3.)
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Zahlungs- und des Kostenerstattungsanspruches kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.)
Die Revision wird zugelassen.

Begründung

A.

Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Danach nimmt der Kläger, ein hierfür hinreichend aktivlegitimierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG wegen unzumutbarer Belästigung durch einen Telefonanruf auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Die Beklagte betätigt sich auf dem Gebiet der Reparatur und des Austausches von Kfz-Glasscheiben. Sie gehört zum C. T.-Konzern mit Sitz in M.. Wie auch weitere Gesellschaften jenes weltweit tätigen Konzerns lässt sie von der in O. ansässigen Marktforschungsgesellschaft H. V. Ltd., einem Tochterunterneh­men der H. U. in P., Kunden anrufen und befragen, um deren Akzeptanz und Bewertung ihrer Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum zu ermitteln. Wegen des Wortlauts der dabei gestellten standardisierten Fragen wird auf die Anlage B 2 zur Klageerwiderung (AH Bl. 7) verwiesen.

Anfang September 2009 ließ der Rechtsanwalt und Notar Dr. N. in I. bei der Beklagten einen Steinschlagschaden in der Frontscheibe seines – zumindest auch – geschäftlich genutzten Pkw beseitigen. Bei der telefonischen Vereinbarung des Termins für diese Reparatur teilte er der Beklagten seine Handynummer mit, nachdem diese ihn danach „für den Fall der Fälle“ gefragt hatte. Nachdem der Auftrag durchgeführt worden war, erhielt der Kunde am 08.09.2009 auf seinem Handy einen Anruf der britischen Marktforschungsgesellschaft in O., mit der diese im Rahmen der beschriebenen Umfrage seine Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung erfragen wollte. Ein Einverständnis für einen derartigen Anruf hatte der Kunde nicht erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagte auf den Hauptantrag des Klägers unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen,

Unternehmer, an deren Kraftfahrzeug sie die Reparatur einer Scheibe durchgeführt hat, im Anschluss an die Abwicklung dieses Auftrags auf Handy aus O. anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um nach ihrer Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung zu fragen, wenn der betreffende Unternehmer kein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt und ihr seine Handynummer nur überlassen hatte, weil sie ihn bei der telefonischen Vereinbarung eines Reparaturtermins „für den Fall der Fälle“ hierum gebeten hatte.

und an den Kläger 208.65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.

Zur Begründung ihrer Berufung gegen dieses Urteil, mit der sie weiter die Abweisung der Klage begehrt, trägt die Beklagte erstmals vor, tatsächlich habe der Kunde bei der Auftragserteilung als Privatmann gehandelt. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach ein Verstoß gegen § 7 UWG nicht gegeben sei, weil weder eine geschäftliche Handlung noch eine Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorliege. Es handele sich bei der telefonischen Befragung um einen Handeln zu Forschungszwecken, das zumindest von Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt sei. Zudem stehe die Verurteilung mit europarechtlichen Bestimmungen nicht im Einklang.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und bestreitet, dass der Kunde Dr. N. den Auftrag als Privatmann erteilt habe.

B.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I.

Der dem Kläger zuerkannte Unterlassungsanspruch ist aus §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet.

1.)
Der in Rede stehende Anruf bei dem Kunden Dr. N. stellt eine in § 7 Abs. 1 S. 1 UWG vorausgesetzte geschäftliche Handlung dar.

Eine geschäftliche Handlung liegt nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG u. a. in jedem Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, die den Angriffen der Berufung standhält, bejaht.

Die Verurteilung der Beklagten hat Telefonanrufe des Meinungsforschungsinstituts bei Kunden zum Gegenstand, die in ihrem Auftrag durchgeführt werden und das Ziel verfolgen, nach deren Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung zu fragen. Derartige Anrufe dienen der Absatzförderung der Beklagten, weil diese durch die Antworten In­formationen bekommt, die ihr die Möglichkeit eröffnen, etwaige Schwächen in der bisherigen Vertragsabwicklung zu erkennen und abzustellen und so ihre Serviceleistungen gegenüber ihren Kunden zu verbessern und auf diese Weise ihre Absatzchancen zu erhöhen. Dass diese Umfrage erst nach Abwicklung des Geschäftes erfolgt, steht ihrer Einordnung als „geschäftliche Handlung“ nicht entgegen. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erfasst ausdrücklich auch Handlungen, die erst nach einem Geschäftsabschluss getätigt werden.

Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte – was indes nahe liegt – durch diese Maßnahme ihren Absatz bereits unmittelbar fördert. Nach der vorstehenden Legaldefinition, die eine subjektive Wettbewerbsförderungsabsicht nicht (mehr) erfordert (vgl. z. B. Piper/Ohly/Sos­nitza, UWG, 5 Auflage, § 2 Rz. 24), genügt es, dass das in Rede stehende Verhalten mit der Förderung des Absatzes lediglich „objektiv zusammenhängt“. Ein solch objektiver Zusammenhang liegt indes vor, weil die Zufriedenheitsabfrage der Beklagten dazu dient, die Servicequalitäten erhöhen zu können. Es ist aus diesem Grunde für die Frage der geschäftlichen Handlung entgegen der Meinung der Beklagten auch unerheblich, ob der Durchschnittskunde ihre Dienste so selten in Anspruch nimmt, dass er sich vor einem erneuten Auftrag an die Befragung nicht mehr erinnert.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass das Telefonat nicht von der Beklagten selbst, sondern in ihrem Auftrag von einem Meinungsforschungsinstitut durchgeführt wird. Der Einsatz eines solchen Unternehmens ändert nichts daran, dass die Anrufe mit der Förderung des Absatzes auf die beschriebene Weise objektiv zusammenhängen. Das ergibt sich gerade auch aus den Gesetzesmaterialien zur UWG-Novel­le 2008, durch die der Begriff der geschäftlichen Handlung in das Gesetz eingefügt worden ist und auf die sich die Beklagte deswegen zu Unrecht beruft. Sowohl die amtliche Begründung (BT-Drucksache 16/10145 besonderer Teil zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG), als auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages zu jener Gesetzesnovelle (BT-Drucksache 16/11070) rechtfertigen es nicht, Zufrie­den­heitsanfragen bei Kunden, die Gewerbetreibende durch professionelle Meinungsforschungsinstitute durchführen lassen, nicht als geschäftliche Handlungen anzusehen. Das gilt auch dann, wenn – wie es im vorliegenden Fall unstreitig ist – bei dieser Befragung die Berufsstandsregeln für die Markt- und Sozialforschung, der Anonymisierungsgrundsatz sowie die einschlägigen Datenschutzbestimmungen beachtet werden.

Im besonderen Teil der amtlichen Begründung zum Entwurf des erwähnten Gesetzes (BT-Drucksache 16/10145, S. 13) ist zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG unter anderem ausgeführt:

„Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen unterfallen weiterhin nicht dem UWG, soweit sie in keinem objektiven Zusammenhang mit dem Absatz von Waren und den anderen o. g. Unternehmensaktivitäten stehen. Das gilt etwa für redaktionelle Äußerungen oder eine Reichweitenforschung (Forschung über Medienkontakte). Dienen sie nur der Information der Leserschaft oder der die Anonymität der befragten Personen wahrenden Markt- und Meinungsforschung, fehlt es an einem objektiven Zusammenhang zum Warenabsatz, so dass eine geschäftliche Handlung nicht vorliegt.“

In der Bundestagsdrucksache 16/11070 hat der Rechtsausschuss zur selben Norm – wie die Beklagte selbst zitiert hat – formuliert:

„Zum Begriffsinhalt geht der Ausschuss in Übereinstimmung mit der Begründung des Gesetzentwurfs davon aus, dass Umfragen allgemeiner Art einschließlich Umfragen zur Markt- und Meinungsforschung, die nicht direkt dem Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen dienen, auch künftig nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.“

Diese einschränkenden Formulierungen belegen allerdings, dass nicht jede Meinungsumfrage und – worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – jede Reichweitenstudie eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes darstellt. Indes sind danach nicht alle empirischen Untersuchungen von vornherein aus der Begriffsbestimmung der „geschäftlichen Handlung“ ausgenommen. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung im Gegenteil sogar ausdrücklich, dass eine derartige Ausnahme in den Fällen nicht in Betracht kommt, in denen die dort näher beschriebenen Äußerungen in einem „objektiven Zusammenhang mit dem Absatz von Waren und den anderen o. g. Unternehmensaktivitäten“ stehen. Bezüglich der von der Beklagten angeführten Reichweitenfor­schung heißt es in der Gesetzesbegrün­dung ebenso eindeutig: „Dienen sie nur der Information der Leserschaft oder der die Anonymität der befragten Personen wahrenden Markt- und Meinungsforschung, fehlt es an einem objektiven Zusammenhang zum Warenabsatz, so dass eine geschäftliche Handlung nicht vorliegt“. Die Gesetzesbegründung schreibt daher lediglich fest, dass die dort aufgeführten Äußerungen, zu denen mit der Beklagten auch Meinungsumfragen gezählt werden können, dann keine geschäftliche Handlung darstellen, wenn sie mit dem Absatz nicht in einem objektiven Zusammenhang stehen. Auch die zitierte Begründung des Rechtsausschusses rechtfertigt ein anderes Verständnis nicht. Wenn dieser in ausdrücklicher Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass Umfragen „allgemeiner Art einschließlich Umfragen zum Markt- und Meinungsforschung die, die nicht direkt zum Absatz oder dem Bezug von Waren dienen, auch künftig nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen“, sieht er damit keineswegs jede Markt- bzw. Meinungsforschung als nicht unter den Begriff der geschäftlichen Handlung fallend an, sondern setzt hierfür ebenfalls voraus, dass die Umfrage nicht direkt dem Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen dient.

Nach den Gesetzesmaterialien fallen demnach, was die hier in Rede stehenden Meinungsumfragen angeht, solche nicht unter den Begriff der geschäftlichen Handlung, die insbesondere von unabhängiger dritter Seite etwa zu wissenschaftlichen oder Forschungszwecken durchgeführt werden. Eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG stellen danach zum Beispiel Umfragen nicht dar, die etwa im Auftrag des DIHT oder von ähnlichen Institutionen, zum Beispiel auch Hochschulen, zur Erforschung der Marktgegebenheiten in einer bestimmten Branche – auch im Bereich der Abwicklung von Geschäften – durchgeführt werden. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend aber nicht. Vielmehr wird die Umfrage ausschließlich im Interesse und Auftrag der Beklagten bzw. des hinter ihr stehenden Konzerns durchgeführt, um Informationen über die Zufriedenheit des Kunden mit der Abwicklung eines konkreten Auftrags zu erlangen und auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ihre Marktposition verbessern zu können. Sie stellt daher eine geschäftliche Handlung dar.

Ein anderes Ergebnis ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch die von ihr erstrebte richtlinienkonforme Auslegung der Bestimmung geboten.

Hierzu trifft zunächst die Auffassung der Kammer zu, dass eine derartige Auslegung von Gesetzes wegen nicht geboten ist, weil die Richtlinie ausschließlich das Verhältnis von Unternehmen zu Verbrauchern („B2C“) und nicht das hier gegebene Verhältnis zwischen Unternehmern („B2B“) betrifft. Ungeachtet dessen würde eine richtlinienkonforme Auslegung der Normen nicht zu einem anderen Ergebnis führen.

Der Begriff des „objektiven Zusammenhangs“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dient der Umsetzung von Art. 2 lit. d) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG), wonach jede Handlung erfasst ist, „die unmittelbar mit der Absatzförderung, der im Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängt“. Bei der Auslegung dieses Begriffes ist – der Senat schließt sich hier zu der Auffassung von Köhler/Bornkamm UWG, 30. Aufl. § 2, Rz. 43 und 48 an – in erster Linie auf Erwägungsgrund 7 der Richtlinie abzustellen. Danach bezieht sich die Richtlinie auf „Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte“ stehen. Die Maßnahme muss bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet sein, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher den Absatz zu fördern. Diese Voraussetzung ist aus den dargelegten Gründen erfüllt: Die Befragung dient der Informationsbeschaffung zur Vorbereitung einer kundengerechteren Abwicklung der Geschäfte und damit letztlich einer Erhöhung des Absatzes.

2.)
Der Anspruch aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG setzt weiter voraus, dass es sich bei der in Rede stehenden geschäftlichen Handlung um „Werbung“ handelt. Auch dieses Tatbestandsmerkmal hat die Kammer mit zutreffender Begründung, auf die einleitend verwiesen wird, bejaht. Unter Werbung ist nach Art. 2 Nr. 1 der Werberichtlinie (2006/114/EG) „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder … zu fördern“ zu verstehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Kammer hat den werbenden Charakter der Anrufe damit begründet (Urteil S. 9 unten), dem Kunden werde „der Eindruck vermittelt, dass der Unternehmer sich weiter um ihn bemühe“. Die Beklagte meint, die Kammer habe damit ein Verständnis der angesprochenen Kunden zugrunde gelegt, dass nicht vorgetragen und von ihr nicht (förmlich) festgestellt worden sei. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Insbesondere ist zur Feststellung dieser Tatsache die Einholung einer demoskopischen Umfrage nicht erforderlich.

Der von der Kammer zuerkannte Hauptantrag stellt darauf ab, dass die untersagten Anrufe dem Zweck dienen, die Kunden „nach ihrer Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung zu fragen“. Erfasst sind also nur solche Anrufe, aus denen sich für den Angerufenen ergibt, dass Gegenstand des Gespräches seine Zufriedenheit bzw. der Grad seiner Zufriedenheit mit der Durchführung seines Auftrages ist. Es macht das Wesen von Gesprächen, die dem Zweck dienen, die Zufriedenheit zu erfragen, aus, dass der Befragte diesen Zweck auch erkennt. Die Kammer hat deswegen zutreffend darauf abgestellt, dass durch die Gespräche der Eindruck vermittelt werde, der Unternehmer bemühe sich weiter, das heißt nach Abschluss des Geschäftes, um ihn. Die nachträgliche Frage nach seiner Zufriedenheit stellt nämlich ein derartiges Bemühen dar.

Die Kammer und der Senat sind auch nicht gehindert, diese Feststellung zu treffen, und zwar ungeachtet der Frage, ob sie ausdrücklich von dem Kläger vorgetragen worden ist. Der Kläger hat vorgetragen, dass – was auch unstreitig ist und sich aus dem Text der Fragen ohne Weiteres ergibt – der Kunde Dr. N. nach seiner Zufriedenheit gefragt worden ist. Es gehört zu den Aufgaben der Wettbewerbsgerichte, wenn es hierauf ankommt, festzustellen, welchen Eindruck ein Verhalten eines als Verletzer in Anspruch genommenen Beklagten bei dem Verbraucher hervorruft.

Der Werbecharakter der Anfrage wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass – wie die Beklagte vorträgt – nach statistischen Berechnungen nur etwa alle zehn Jahre ein derartiger Steinschlagschaden eintreten soll, und der Angerufene sich nach so langer Zeit an die Befragung nicht erinnern wird. Aus statistischen Angaben lässt sich allenfalls entnehmen, in welcher durchschnittlichen Häufigkeit derartige Schäden entstehen. Aus ihnen lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass derjenige, der einen Schaden bereits erlitten hat, einen weiteren Glasschaden erst nach einer Zeit erleiden wird, in der er die Befragung bereits wieder vergessen hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes wird nicht dadurch geringer, dass der Kunde gerade einen solchen Schaden hinter sich hat.

Es kommt – worauf schon die Kammer zu Recht abgestellt hat – hinzu, dass der Angerufene über mehrere Fahrzeuge verfügen kann und deswegen auch bei jedem dieser Fahrzeuge mit Steinschlagschäden rechnen muss. Der Antrag richtet sich gegen Anrufe bei Unternehmern. In den Schutzbereich des Verbotes einbezogen sind damit also auch Gewerbetreibende, die über mehrere Fahrzeuge (möglicherweise, etwa bei Lkw, mit größeren und teureren Windschutzscheiben) verfügen. Bei diesen – für die Beklagten besonders interessanten – Kunden sind umso eher Schadensfälle zu einem Zeitpunkt zu erwarten, in dem der Unternehmer die Befragung und den durch sie erweckten Eindruck, die Beklagte arbeite ständig an der Verbesserung ihrer Servicequalität, noch in Erinnerung hat.

Zu Recht hat die Kammer den Werbecharakter der Umfrage auch damit begründet, es sei „schließlich auch an Weiterempfehlungen zu denken“ (Urteil S. 9). Der nicht näher begründete Angriff der Berufung, die Kammer habe argumentiert, „schließlich sei der Angerufene auch nach einer Weiterempfehlung gefragt worden“, greift nicht durch. Ungeachtet dessen, dass in dem konkret geführten Gespräch, das allerdings nicht Gegenstand des Antrags ist, eine derartige Frage tatsächlich gestellt war, ist davon auszugehen, dass ein – insbesondere zufriedener – Kunde durch diese Umfrage dazu veranlasst werden kann, die Beklagte sinngemäß mit folgender Formulierung weiter zu empfehlen: „Ich bin dort gut behandelt worden und man hat sogar nachträglich gefragt, ob ich zufrieden war.“

Die von der Beklagten erstrebte einschränkende Auslegung des Begriffes „Werbung“ ist auch aus europarechtlichen Gründen nicht geboten. Ebenso hat eine Vorlage an dem EuGH zur Klärung dieser Frage nicht zu erfolgen.

Die vorstehende Auslegung des Begriffes „Werbung“ steht entgegen der von der Beklagten vorgetragenen Rechtsauffassung mit sekundärem Europarecht im Einklang. Das folgt schon daraus, dass aus den bereits dargelegten Gründen in der vorliegenden Fallkonstellation eine richtlinienkonforme Auslegung nicht geboten ist. Die vorstehende Auslegung steht aber auch in Übereinstimmung mit der UGP-Richtlinie.

Die Beklagte meint, die in Rede stehende Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei „insgesamt europarechtswidrig“. Dies folge aus dem Grundsatz der Vollharmonisierung und der Tatsache, dass die Richtlinie eine entsprechende Regelung nicht enthalte. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beklagten ist einzuräumen, dass in Nr. 26 S. 1 des Anhangs I zur UGP-Richtlinie als Beispiel einer per se unlauteren Geschäftspraktik (nur) der Fall aufgeführt ist, dass Kunden durch „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon“ geworben werden. Über diesen Wortlaut geht die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG allerdings insofern hinaus, als bereits jeder Anruf erfasst wird und das Anrufen nicht „hartnäckig“, also wiederholt, erfolgen muss. Gleichwohl steht die gesetzliche Regelung wie der BGH in der Entscheidung „Double-opt-in-Verfahren“ (GRUR 2011, 936, Rz 25 f.) entschieden hat, im Einklang. Nr. 26 S. 1 des Anhangs I zur UGP-Richtlinie schränkt insbesondere Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG nicht ein. Diese erlaubt indes eine nationale Regelung, nach der Telefonwerbung ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer nicht gestattet ist, und setzt hierfür einen hartnäckigen Verstoß nicht voraus.

Zu Unrecht rügt die Beklagte auch einen Verletzung von primärem Europarecht. Ein Verstoß gegen die Warenverkehrs- bzw. Dienstleistungsfreiheit (Art. 34, 56 AEUV) kommt allenfalls mit der Begründung in Betracht, Anbieter aus Ländern, in denen derartige Anrufe zulässig seien, hätte nicht die Möglichkeit, in Deutschland auf Werbeformen zurückzugreifen. Ob hiervon bezüglich eines aus England erfolgten Anrufes auszugehen sein und dies der Beklagten trotz ihres Geschäftssitzes in Deutschland zu Gute kommen könnte, ist zweifelhaft, kann aber auf sich beruhen. Selbst wenn die vorstehenden Voraussetzungen zu bejahen sein sollten, wäre die nationale Regelung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses begründet. Solche zwingenden Gründe sind nicht nur zu Gunsten angerufener Verbraucher, sondern auch zum Schutz von Unternehmen vor unerbetenen Störungen zu bejahen (vgl. die Darstellung bei Köhler, a. a. O., UWG-Einl., Rz. 3.27; § 7 Rz. 120).

In der Verurteilung liegt schließlich auch keine Verletzung von Grundrechten. Ein Verstoß gegen den von der Beklagten angeführten Art. 5 Abs. 3 GG kommt nicht in Betracht, weil zu den nach dieser Bestimmung geschützten Rechtsgütern die hier allein betroffene wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nicht gehört. Die Beklagte mag in ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen sein, wie dies bei allen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften der Fall ist, durch die Gewerbetreibenden zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Beschränkungen auferlegt werden. Die Berufsausübungsfreiheit kann gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG durch Gesetz geregelt werden. Sie wird nicht dadurch verletzt, dass es der Beklagten untersagt wird, Unternehmen ohne deren Einverständnis anzurufen. Der Schutz der Angerufenen vor einer Belästigung durch unerbetene Telefonanrufe hat Vorrang vor dem Interesse der Beklagten, ihr Gewerbe ohne Rücksicht auf diese berechtigten Belange der Angerufenen auszuüben.

3.)
Die Beklagte hat bei dem Kunden Dr. N. als sonstigem Marktteilnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG angerufen, ohne dass dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung gegeben wäre.

Der Entscheidung ist zugrunde zu legen, dass Herr Dr. N., ein Rechtsanwalt und Notar, die Beklagte nicht als Privatmann, sondern in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und Notar mit der Beseitigung des Glasschadens beauftragt hat.

Dies war in erster Instanz unstreitig. Im Berufungsverfahren führt die Beklagte erstmals an, tatsächlich sei die Auftragserteilung von Herrn Dr. N. als Privatperson erfolgt. Mit diesem Vortrag kann sie indes ungeachtet dessen, dass auch ein Anruf bei dem Kunden als Privatperson unzulässig gewesen wäre, nicht gehört werden. Der bestrittene Vortrag ist – wie die Beklagte selbst ausdrücklich einräumt – neu. Er könnte daher gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nur dann Berücksichtigung finden, wenn sein Nichtvorbringen in erster Instanz nicht auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruhen würde. Gründe hierfür sind indes nicht ersichtlich. Allein dass der Kunde den Auftrag „nunmehr aufgefunden“ haben soll, reicht zur Begründung nicht aus. Der Anruf ist nach einem Auftrag erfolgt, den Herr Dr. N. der Beklagten schriftlich erteilt hatte. Diesen mithin auch in ihrem Besitz befindlichen schriftlichen Auftrag hätte die Beklagte in erster Instanz vorlegen können. Gründe, warum dies nicht möglich gewesen sein sollte, sind nicht vorgetragen. Zumindest hätte die Beklagte die Unterlagen auch früher von ihrem Kunden erbitten können, als dies nach ihrem Vortrag geschehen ist.

Der Kunde hatte seine Einwilligung mit dem Anruf nicht erklärt. Aus der Sicht der Beklagten, die dies auch nicht für sich in Anspruch nimmt, lag aber auch eine mutmaßliche Einwilligung nicht vor. Die bloße Überlassung der Handynummer „für alle Fälle“ diente erkennbar ausschließlich dem Zweck, den Kunden vor und während der Reparatur für Rückfragen erreichen zu können, die die Durchführung der Reparatur selber betrafen.

Das Anrufe, denen eine mutmaßliche Einwilligung zugrundeliegt, von dem Verbot nicht erfasst sind, kommt schließlich auch durch die in den landgerichtlichen Urteilstenor übernommene Antragsformulierung hinreichend zum Ausdruck.

IV.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 208,65 € nebst Zinsen ist aus § 12 Abs. 2 UWG begründet. Es handelte sich um eine aus den vorstehenden Gründen berechtigte Abmahnung, Einwände gegen die Höhe des Anspruches sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zu, weil die Frage, ob Meinungsforschungsinstitute unter den hier gegebenen Umständen bei Verbrauchern, die sich hiermit nicht einverstanden erklärt haben, zu Befragungszwecken anrufen dürfen, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird einverständlich endgültig auf 25.000 € festgesetzt.

Vorinstanz:
LG Köln, Az. 84 O 52/11

I