OLG Köln: Zur Identität eines Unternehmens gehört auch die Rechtsform

veröffentlicht am 8. April 2014

OLG Köln, Urteil vom 25.10.2013, Az. 6 U 226/12
§ 3 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG

Das OLG Köln hat entschieden, dass in der Zeitungswerbung eines Unternehmens auch die Rechtsform mit angegeben werden muss. Anderenfalls seien die Angaben zur Identität unvollständig und die Werbung daher wettbewerbswidrig. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Verbraucher aufgrund der Werbung bereits eine geschäftliche Entscheidung treffen könne. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Köln

Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.11.2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 94/12 – abgeändert:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig ihre Identität (Firma mit Rechtsformzusatz) und vollständige Anschrift (Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer) anzugeben,

wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben (Anzeige in der „L“ vom 17.11.2011, Seite 15, Anlage K 3 zur Klageschrift).

Abb.

2.
an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2012 zu zahlen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet. Die Sicherheit beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für beide Parteien 20.000 €, im Übrigen für die Beklagte 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der klagende Wettbewerbsverband nimmt die Beklagte wegen ihrer in der Urteilsformel wiedergegebenen Zeitungswerbung auf Unterlassung und Abmahnkostenerstattung in Anspruch, weil darin entgegen § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG ihre Identität und Anschrift nicht vollständig angegeben sei. Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Klage unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 09.01.2012 – 6 W 3/12 – im vorauslaufenden Verfügungsverfahren 31 O 752/11 LG Köln abgewiesen. Mit seiner Berufung beantragt der Kläger Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, hilfsweise Verurteilung der Beklagten nach seinen Anträgen erster Instanz. Dieser verteidigt unter Vertiefung seines Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

II.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgericht erweist sich im Ergebnis als unbegründet, weil der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen, ohne dass seine Entscheidung deshalb an einem Verfahrensmangel gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO leiden würde, sich unter Zurückstellung eigener Bedenken der vom Senat in seinem Beschluss vom 09.01.2012 – 6 W 3/12 – vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen hat, diese aber unter Berücksichtigung der nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils veröffentlichten, gleichartige Informationspflichten betreffenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.04.2013 – I ZR 180/12 – „Brandneu von der IFA“ nicht aufrechterhalten bleiben kann.

Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 1 S. 1 UWG zu.

1.
Seine Aktivlegitimation folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Insbesondere gehören ihm hinreichend viele Unternehmen (darunter mehrere große Versandhandelsunternehmen) an, die Bekleidung oder Waren aller Art vertreiben und deren Interessen durch das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten am selben Markt berührt werden.

2.
Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen der Kommunikationsmittel wesentlich ist. Nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG gilt die Information über die Identität und Anschrift des Unternehmers als wesentlich, wenn Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann.

In der angegriffenen Zeitungswerbung werden Waren im Sinne dieser Vorschrift so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 = WRP 2012, 189 Rn. 33 – „Ving Sverige“; BGH, a.a.O., Rn. 10). Aufgrund der Werbung kann sich der Verbraucher zum Kauf der unter Angabe des Preises abgebildeten Jacken im Handelsgeschäft der Beklagten entscheiden.

3.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem eingangs erwähnten Urteil vom 18.04.2013 – I ZR 180/12 – ausgeführt, warum er die bisher vom Senat vertretene Auslegung der Pflicht zur Information über die Identität des Unternehmers im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht teilt, sondern den Stimmen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum folgt, die in Fällen der vorliegenden Art stets auch die Angabe der Rechtsform des werbenden Unternehmens für erforderlich halten (OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2011 – I 4 W 84/11; Beschluss vom 11.08.2011 – I 4 W 66/11; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.10.2011 – 5 W 134/11; OLG München, WRP 2012, 230; Fezer / Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 50; Seichter in jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 5a Rn. 80 f.; Nordemann in Götting / Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 140). Der Senat hat dies zum Anlass genommen, seine bisherige Auffassung zu überprüfen. Im Ergebnis kann er sich der eingehenden, teleologische und systematische Gesichtspunkte, deutsche und gemeinschaftsrechtliche Vorschriften in ihrem Gesamtzusammenhang würdigenden Argumentation des Bundesgerichtshofs nicht verschließen. Er tritt ihr auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei.

a)
Hiernach (BGH, a.a.O., Rn. 12) ergibt sich aus der Bestimmung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die mit § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG ins deutsche Recht umgesetzt worden ist, dass als wesentliche Information die „Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, wie sein Handelsname“ gilt. Daraus folgt die Pflicht zur Identifizierung des Vertragspartners. Denn der Handelsname dient wie ein Firmenzeichen dazu, ein Geschäft zu bezeichnen (EuGH, GRUR 2007, 971 = WRP 2008, 95 Rn. 21 – „Céline“). Der Rechtsformzusatz ist Bestandteil der Firma und des Namens eines Einzelkaufmanns (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB), einer Personengesellschaft (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB) und einer Partnerschaftsgesellschaft (§ 2 Abs. 1 PartGG). Entsprechendes gilt für Kapitalgesellschaften (§§ 4, 279 AktG; § 4 GmbHG) und Genossenschaften (§ 3 GenG).

b)
Die grundsätzliche Pflicht zur Angabe der Rechtsform folgt auch aus dem in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG geregelten Transparenzgebot; dessen Sinn und Zweck ist es sicherzustellen, dass dem Verbraucher diejenigen Basisinformationen mitgeteilt werden, die er benötigt, um eine informationsgeleitete geschäftliche Entscheidung treffen zu können (vgl. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2005/29/EG). Für eine solche informationsgeleitete Entscheidung muss der Verbraucher wissen, wer sein Vertragspartner wird, und zwar auf klare und unmissverständliche Weise. Diese Information ist erforderlich, damit der Verbraucher ohne Schwierigkeiten Kontakt mit dem anbietenden Unternehmen aufnehmen kann; das ist nicht gewährleistet, wenn er im Falle der Auseinandersetzung mit dem Unternehmer erst dessen exakte Identität ermitteln muss. Darüber hinaus ist die Mitteilung der Identität des Vertragspartners auch für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers wesentlich, weil dieser dadurch in die Lage versetzt wird, den Ruf des Unternehmers im Hinblick auf Qualität und Zuverlässigkeit der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen, aber auch dessen wirtschaftliche Potenz, Bonität und Haftung einzuschätzen. Insbesondere die letztgenannten Umstände können auch von der Rechtsform des Unternehmens abhängen. Dem entspricht es, dass nach § 19 Abs. 1 HGB die Handelsfirma Angaben zur Rechtsform eines Einzelkaufmanns und einer Personengesellschaft enthalten muss. Auch dies dient dem Schutz des Geschäftsverkehrs und dem Interesse der Marktteilnehmer an der Ersichtlichkeit der Kaufmannseigenschaft und der Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse bei Personen- und Kapitalgesellschaften (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 13).

c)
Systematische Erwägungen sprechen gleichfalls dafür, dass unter den Begriff der Identität des Unternehmers im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG auch die Angabe der Rechtsform fällt. So hat der Gesetzgeber in § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 EGBGB ebenfalls die Pflicht zur Information über die Identität des Unternehmers geregelt. Diese Bestimmungen beruhen wie § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG auf dem Grundgedanken, dass der Wettbewerbsauftritt nicht anonym erfolgen darf. Für die Erfüllung der Pflicht zur Information über die Identität gemäß § 312c BGB ist ebenfalls erforderlich, die Rechtsform mitzuteilen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).

d)
Für den Umfang der nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG mitzuteilenden Informationen über die Identität des Unternehmers kommt es gemäß den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O., Rn. 15 f.) nicht darauf an, ob im Einzelfall konkrete Umstände dafür vorliegen, dass der Unternehmer ohne Angabe eines Rechtsformzusatzes mit einem anderen, tatsächlich existierenden Unternehmen verwechselt werden könnte. Ein solches Erfordernis lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dem steht auch der Schutzzweck des Gesetzes entgegen, das eine klare und unmissverständliche Unterrichtung des Verbrauchers über die Identität seines Vertragspartners sicherstellen und Schwierigkeiten bei der Einholung von Informationen über den Vertragspartner und bei der Kontaktaufnahme mit ihm verhindern will. Der Umfang der Unterrichtungspflicht muss auch für den werbenden Unternehmer klar bestimmt sein und darf nicht von einer mit Unsicherheiten im Einzelfall belasteten Prüfung einer konkreten Verwechslungsgefahr abhängig gemacht werden.

Aus dem in § 5a Abs. 2 UWG geregelten Erfordernis der Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels folgt nichts anderes; diese betrifft nicht die Frage, welche Anforderungen an die Mitteilung der Identität des Unternehmens zu stellen sind, sondern die Bewertung der Vorenthaltung dieser Information als unlauter. Anders als die gemäß § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG mitzuteilenden Informationen enthält das Merkmal der Identität des Unternehmers im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG auch keine wertenden Elemente wie „wesentlich“ und „angemessen“, die eine Einzelfallbetrachtung bereits auf dieser Ebene notwendig machen (vgl. zu Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG EuGH, GRUR 2011, 930 = WRP 2012, 189 Rn. 55 f. – „Ving Sverige“).

e)
Der Bewertung des Vorenthaltens der Angabe der Rechtsform als unlauter stehen im Streitfall auch nicht die Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels entgegen (§ 5a Abs. 2 UWG). Bei der angegriffenen Werbung handelt es sich um eine großformatige Zeitungsanzeige. Es ist nicht ersichtlich, dass es der Beklagten unmöglich oder unzumutbar wäre, dort zusätzlich zu seinem Unternehmenskennzeichen „Weingarten“ die Angabe „GmbH & Co. KG“ zu verwenden.

f)
Da es im Streitfall um die Vorenthaltung von Informationen geht, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist zugleich geklärt, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG erfüllt ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 19; GRUR 2012, 842 Rn. 25 = WRP 2012, 1096 – „Neue Personenkraftwagen“).

4.
Für die Angabe der vollständigen Anschrift der Beklagten – statt „L2 G“ also „G , L2″ – gelten die vorstehenden Erwägungen, insbesondere diejenigen zu Nr. 3 lit. d, entsprechend.

Wenn Ziel der Regelung des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG eine klare und unmissverständliche Unterrichtung des Verbrauchers über die Identität seines Vertragspartners sicherstellen und Schwierigkeiten bei der Einholung von Informationen über den Vertragspartner und bei der Kontaktaufnahme mit ihm verhindern will und der Umfang der Unterrichtungspflicht auch für den werbenden Unternehmer klar bestimmt sein und nicht von Unsicherheiten im Einzelfall abhängig sein soll, ist es erforderlich und zumutbar, eine vollständige Postanschrift des Unternehmens anzugeben, unter der der Verbraucher Kontakt zu dessen Geschäftsleitung aufnehmen kann. Dies gilt dann auch, wenn es sich wie hier um ein in der Region bekanntes Unternehmen handelt, das in unmittelbarer Nähe zu seinem Stammsitz unter abweichenden Hausnummern über weitere Ladengeschäfte verfügt.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Nach Klärung der maßgeblichen Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof besteht in vorliegender Sache kein Grund, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Vorinstanz:
LG Köln, Az. 84 O 94/12

I