OLG München, Endurteil vom 16.09.2024, Az. 7 U 1412/23
§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB
Das OLG München hat entschieden, dass immer dann, wenn unklar ist, ob der Vertreter einen Vertrag im eigenen oder fremden Namen abgeschlossen hat, verschiedene Umstände bei der Auslegung seiner Erklärung zuberücksichtigen sind, darunter die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen. Bei der Auslegung einer Willenserklärung seien aber nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zu Tage getreten seien, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn habe verstehen müssen. Zwar könne bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten der Partei berücksichtigt werden. Dies gelte aber nur in dem Sinne, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen könnten. Im vorliegenden Fall ging der Senat davon aus, dass der Vertreter den Vertrag im eigenen Namen und für sich abgeschlossen habe. Nach § 164 I 2 BGB wirke eine von einem Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht abgegebene Willenserklärung auch dann für und gegen den Vertretenen, wenn sie der Vertreter zwar nicht ausdrücklich in dessen Namen abgebe, die Umstände jedoch ergäben, dass sie im Namen des Vertretenen erfolgen solle. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht München
Urteil
…
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23.01.2023, Az 15 HK O 7622/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Parteien streiten um die Vergütung für die Durchführung von Email-Aktionen.
A.
Nachdem die Parteien, bei denen es sich um E-Mail-Marketing-Agenturen handelt, bereits zuvor im Rahmen der Versendung von Email-Newslettern zusammengearbeitet hatten, schlossen sie am 12.02.2020 u.a. den Vertrag laut Anl. K 1 (im Folgenden mit SV abgekürzt) sowie die „Rahmenvereinbarung“ laut Anl. K 3 (im Folgenden mit RV abgekürzt), durch die die Vorläufervereinbarungen ersetzt wurden.
Der Vertrag laut Anl. K 1 lautete auszugsweise wie folgt:
„Vertrag
Zwischen der k. GmbH
vertreten durch die Geschäftsführer …
– im Folgenden „k.“ –
und
S. M. D. M. GmbH
vertreten durch den Geschäftsführer …
– im Folgenden „Kunde“ – wird Folgendes vereinbart:
§ 1 Vertragsgegenstand
Vertragsgegenstand ist die entgeltliche Zurverfügungstellung der Software „k. MAIL“ (…) zum Versand von E-Mail-Newslettern per Übertragung über das Internet auf einer Subdomain
(…)
§ 2 Vertragsdauer
1. Der Vertrag beginnt zum 31.09.2020 [sic] und dauert zunächst achtzehn Monate bis zum 28.02.2022.
(…)
§ 3 Vergütung
1. Die Vergütung für die von k. zu erbringenden Leistungen wird in § 5 der separaten Rahmenvereinbarung vom heutigen Tage gesondert geregelt.
§ 4 Pflichten von k.
1. k. verpflichtet sich, dem Kunden die Software k. MAIL zur Nutzung über ein Datennetz zugänglich zu machen und zu erhalten (…).
…, den 12. Februar 2020
k. GmbH Kunde“
Die Rahmenvereinbarung (Anl. K 3) lautete auszugsweise wie folgt:
„Rahmenvereinbarung S.M. D.M.
Zwischen
der k. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer …
– im Folgenden „k. “ –
und
S. M. D.M. GmbH
vertreten durch den Geschäftsführer …
– im Folgenden
„Kunde“ –
wird folgende Rahmenvereinbarung geschlossen:
„(…)
§ 2 Beteiligte Systempartner
Derzeit können folgende Systempartner zu den nachgenannten Rahmenbedingungen am Mailversand teilnehmen:
1) (…)
(…)
12) S.M. D.M. GmbH (…)
16) P.L. GmbH (…)
Der Kunde ist berechtigt, weitere Systempartner zu benennen, die die in dieser Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen in Anspruch nehmen können, k. darf die Aufnahme eines weiteren Systempartners ablehnen.
§ 3 Vertragsdauer
1. Der Vertrag beginnt zum 01.09.2020 und dauert zunächst achtzehn Monate bis zum 28.02.2022.
(…)
§ 4 Durchführung
Bei der Berechnung der Versandkosten für die in diesem Rahmenvertrag genannten Systempartner werden sämtliche Systeme, die über diesen Rahmenvertrag abgerechnet werden, zu Abrechnungszwecken wie ein System behandelt, d.h. die versandten Mails aller Systempartner werden monatlich addiert. Aus der Gesamtzahl der versandten Mails ergibt sich sodann der jeweilige TKP gemäß der Tabelle in § 5.
§ 5 Vergütung
1. Für den Mailversand des Kunden und der beteiligten Systempartner gelten folgende monatliche Staffelpreise jeweils zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer in Höhe von derzeit 19%:
Mio. eMails/Monat TKP Bis 500 0,0670 € Ab 500 0,0620 €
(…)
Ab 1.000 0,0490 €
§ 6 Mindestabnahmemenge und Aufteilung
Als monatliche Mindestabnahmemenge werden 500.000.000 Mails bezogen auf alle Systempartner vereinbart. Daraus resultieren EUR 33.500 an Mindestgebühr. Die Mindestabnahmemenge ist nicht in den Folgemonat übertragbar. Die Vergütung für 500.000.000 ist vom Kunden immer zu bezahlen, auch wenn vom Kunden und den Systempartnern insgesamt weniger Mails versandt werden. Wie die Mindestabnahmemenge an die unter den im Rahmenvertrag geführten Systemen aufgeteilt wird, entscheiden die teilnehmenden Unternehmen.
Werden von den beteiligten Systempartnern und dem Kunden weniger als 500.000.000 Mails versandt, zahlt der Kunde den Differenzbetrag zwischen der Vergütung für die tatsächlichen [sic] versandten Mails und der monatlichen Mindestabnahmemenge von 500.000.000 Mails.
Der Kunde verpflichtet sich, k. bis spätestens zum 2. Tag eines jeden Monats die Aufteilung des Mindestabnahmevolumens auf die beteiligten Systeme mitzuteilen. Sollte bis zum 2. Tag eines Monats die Aufteilung des Mindestabnahmevolumens seitens des Kunden nicht an k. gemeldet worden sein, so stellt k. die komplette Vergütung für die vereinbarte Mindestabnahmemenge von 500.000.000 Mails dem Kunden in Rechnung.
Sofern das in einem Monat anfallende Versandvolumen der mit diesem Rahmenvertrag abgedeckten Systeme in Summe das Mindestversandvolumen überschreitet, erfolgt die Rechnungsstellung jeweils an die beteiligten Systeme über deren individuelles Versandvolumen zu den sich aus der Versandstaffelung ergebenden günstigeren Konditionen.
(…)
M., den 12. Februar 2020
k. GmbH Kunde“
Sowohl bei dem Vertrag laut Anl. K 1 als auch bei dem Rahmenvertrag laut Anl. K 3 handelt es sich um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Alle in § 2 RV bezeichneten „Systempartner“ waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 12.02.2020 mit der Beklagten verbundene Unternehmen, deren (Mit) Gesellschafter und zumindest teilweise auch Geschäftsführer Herr U. war, der gleichzeitig auch Geschäftsführer der Beklagten war.
Die Beklagte teilte der Klägerin regelmäßig mit, wie die monatliche Mindestvergütung von 33.500 € netto auf die jeweiligen Systempartner umgelegt werden sollen. So teilte die Beklagte bspw. mit Email vom 31.03.2021, 14:21 Uhr laut Anl. K 4 der Klägerin Folgendes mit:
„(…)
Wie gestern am Telefon schon angekündigt, haben wir ein neues Berechnungsmodell für die monatliche Abrechnung auf die Mandanten/Firmen/Verteiler von und aufgestellt:
Neuverteilung
A. 7500
C. 3800
L. S. 3800
PSVP 3550
P. 7350
I.L. 150
P. L. 3550
M. 3800
33500
Bitte nutzt dies ab sofort und auch schon für den Monat März zur Abrechnung.
(…)
Es werden zunächst einmal nur noch feste Pauschalen abgerechnet, solange die Zustellproblematik und Nichterreichung des monatlichen Mindestvolumens Bestand haben.“
Die Mindestabnahmemenge des § 6 Abs. 1 S. 1 RV wurde jedenfalls seit 31.03.2021 nicht erreicht.
Die Verbundenheit der P.L. GmbH mit der Beklagten endete zu einem nicht vorgetragenen Zeitpunkt im Sommer 2021.
Unter den Nummern …921 – …927 stellte die Klägerin den Systempartnern A. D. GmbH, C.r M.r E. GmbH, L. S. M. GmbH, P. V. GmbH, p. w. GmbH, I. L. GmbH und M. O. GmbH jeweils mit Schreiben vom 30.06.2021 die im Email vom 31.03.2021 laut Anl. K 4 für sie angegebenen Beträge in Rechnung (Anlagenkonvolut K 7). Die Rechnungen laut Anlagenkonvolut K 7 enthielten jeweils den Passus:
„Wie mitgeteilt, haben wir vorbehaltlich des Abschlusses eines Anschlussvertrages i.H.v. min. 50% des bestehenden Vertrages einen Nachlass in Höhe von 10,00% gewährt. Für den Fall, dass ein solcher Anschlussvertrag an den bestehenden Vertrag nicht zustande kommen sollte, behalten wir uns vor, auch den Restbetrag der vertraglich vereinbarten Vergütung vollständig abzurechnen.“
Die Beklagte hatte die Klägerin zuvor im Juni 2021 um diesen Nachlass gebeten (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 14,03.2023, S. 2 unter Punkt 2, Bl. 56 d.A.). Ein Anschlussvertrag wurde nicht geschlossen.
Unter der Nr. …939 stellte die Klägerin der Beklagten mit weiterem Schreiben vom 30.06.2021 laut Anlagenkonvolut K 7 3.802,05 € brutto wegen „Nachberechnung wg. Nichterreichen der Mindestabnahmemenge gem. Vereinbarung Anteil P.L. GmbH“ in Rechnung. Den Rechnungsbetrag errechnete die Klägerin aus dem Einzelpreis von 3.550,00 € netto abzüglich eines Rabatts von 10% zuzüglich USt. Die Rechnung enthielt den Passus:
„Wie mitgeteilt, haben wir vorbehaltlich des Abschlusses eines Anschlussvertrages i.H.v. min. 50% des bestehenden Vertrages einen Nachlass in Höhe von 10,00% gewährt. Für den Fall, dass ein solcher Anschlussvertrag an den bestehenden Vertrag nicht zustande kommen sollte, behalten wir uns vor, auch den Restbetrag der vertraglich vereinbarten Vergütung vollständig abzurechnen.“
Mit Email vom 11.08.2021, 16:31 Uhr laut Anl. K 5 schrieb die Beklagte an die Klägerin:
„(…)
Ich bitte um Neuverteilung der mtl. Abrechnungsnettosumme ab Leistung 2021. (..)
Neuverteilung ab 01.08.2021
A. 7400
C. 4200
L. S. 3600
PSVP 3500
P. 7300
I.
L. 150
P. L. 3550
M. 3800
33500“
Die Klägerin stellte der P.L. GmbH für den Zeitraum August 2021 bis Februar 2022 einen Monatsbetrag in Höhe von jeweils 3.550 € netto in Rechnung (GesamtBrutto 29.571,50 €).
Die P.L. GmbH zahlte hierauf nicht.
Unter der Nr. 49002 stellte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2022 laut Anl. K 6 für den Zeitraum August 2021 bis Februar 2022 insgesamt 29.571,50 € brutto wegen „Nachberechnung wg. Nichterreichen der Mindestabnahmemenge gem. Vereinbarung Anteil P.L. GmbH 08/2021-02/2022“ in Rechnung.
Mit weiterem Schreiben vom 31.05.2022 (Re.-Nr. …004 laut Anl. K 8) stellte die Klägerin der Beklagten für die in den Emails vom 31.03.2021 und 11.08.2021 laut Anl. K 4 und 5 bezeichneten Systempartner für die Leistungszeiträume Mai und Juni 2021 insgesamt 6.976,38 € in Rechnung wegen „Nachberechnung Restbeträge der vertraglich vereinbarten Vergütungen bei nicht zustande-kommen [sic] eines Folgevertrages.“
Die Klägerin behauptete, dass zwischen den Parteien eine sogenannte Mindestabnahmemenge von 500 Millionen Emails pro Monat und eine von der Beklagten an die Klägerin zu zahlende monatliche Mindestvergütung von 33.500,00 € netto vereinbart worden seien (Klageschrift S. 3 Mitte) und S. 6 letzter Absatz.
Die Rechnungsstellung an die P.L. GmbH sei lediglich auf eine Bitte der Beklagten hin erfolgt, obwohl zwischen der Klägerin und der P.L. GmbH keine vertragliche Beziehung bestehe (Klageschrift S. 5 oben).
Die Klägerin beantragte,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 29.571,50 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 6.976,38 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Die Beklagte erwiderte, dass nur die jeweiligen Systempartner passivlegitimiert seien, streitgegenständlich also die P.L. GmbH, nicht aber die Beklagte.
Denn die Beklagte sei bei Abschluss der Verträge vom 12.02.2020 laut Anl. K 1 und K 3 als Vertreter der in § 2 RV bezeichneten Systempartner aufgetreten. Anderenfalls würde es sich bei den Verträgen nämlich um unzulässige Verträge zu Lasten Dritter, nämlich der Systempartner, handeln (vgl. Klageerwiderung S. 4 unter Punkt 6, Bl. 19 d.A.) und hätte die im RV stipuierte Verpflichtung der Systempartner, die gegenüber ihnen auszustellenden Rechnungen zu begleichen, nicht begründet werden können (vgl. Klageerwiderung S. 3 unter Punkt 2, Bl. 18 d.A.). Dass auch die Klägerin selbst von einer Vertragsbeziehung zwischen ihr und den Systempartnern ausgegangen sei, zeige sich in der nachfolgenden tatsächlichen Durchführung der Verträge. So habe die Klägerin die Rechnungen für die von ihr erbrachten Leistungen ausschließlich an die Systempartner und nicht an die Beklagte gestellt. Bei der erfolgten Rechnungsstellung sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin sich rechtskonform verhalten habe wollen und deshalb entsprechend § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG die Rechnungen an die tatsächlichen Leistungsempfänger und nicht an nicht am Vertrag beteiligte Dritte gerichtet habe (vgl. Klageerwiderung S. 4 unter Punkt 5, Bl. 19 d.A.).
Sollte nicht von einer Vertretung der Systempartner durch die Beklagte bei Vertragsschluss ausgegangen werden, so hätte die Klägerin jedenfalls eine Vertragsübernahme durch den jeweiligen Systempartner von vorneherein angeboten. Dieses Angebot der Klägerin sei durch die nachfolgende Begleichung der an die Systempartner gerichteten Rechnungen durch letztere angenommen worden.
In Bezug auf § 6 Abs. 1 S. 3 RV hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass es auf die Erreichung der vereinbarten Mindestabnahmemenge von 500.000.000 Mails nicht mehr ankommen solle. Aus diesem Grund habe die Klägerin auch von ihrer in § 6 Abs. 1 RV vorgesehenen Möglichkeit, die komplette Vergütung für die vereinbarte Mindestmenge abzurechnen, Abstand genommen und vereinbarungsgemäß die tatsächlichen Abnahmevolumen abgerechnet und in preislicher Hinsicht nicht die Mindestgebühr gemäß § 6 Abs. 1 RV verrechnet (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 06.10.2022, S. 5 unter Punkt 8, Bl. 20 d.A.).
Jedenfalls sei das nunmehrige Verlangen der Klägerin treuwidrig, da sie sich damit nicht mehr an die verabredete Vertragshandhabung und die spätere Abrechnungspraxis, die im Sinne eines kaufmännischen Bestätigungsdatums [sic] Ausdruck des Vereinbarten sei, gehalten habe (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 06.10.2022, S. 4 unter Punkt 8, Bl. 19 d.A.).
Die Klageschrift wurde der Beklagten am 02.08.2022 zugestellt.
Mit Endurteil vom 23.01.2023, Az. 15 HK O 7622/22, verurteilte das Landgericht München I die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 36.547,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.08.2022.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 1) ergebe sich der Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 3 SV i.V.m. § 5 RV. Die Beklagte sei passivlegitimiert, da sie bei Vertragsschluss in eigenem Namen und nicht als Vertreterin der P.L. GmbH gehandelt habe. Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten, in fremdem Namen gehandelt zu haben, liege nicht vor. Die Klägerin habe die Willenserklärung der Beklagten aufgrund der in § 6 RV vereinbarten Abrechnungsmethode auch nicht als fremde Willenserklärung verstehen müssen. Nach dem Wortlaut des Vertrages und dessen äußerer Gestaltung (Rubrum/Unterschriftenzeile) sollte nur die Beklagte Vertragspartei werden. Nur sie sei darin als „Kunde“ bezeichnet. Die Verträge seien auch nur von der Beklagten als „Kunde“ unterschrieben. Ergänzungen wie bspw. „i.V.“ oder „als Vertreter für“ seien im Vertrag nicht enthalten.
Im Vertrag sei auch begrifflich zwischen „Kunde“ und „Systempartner“ unterschieden. Als „Kunde“ sei nur die Beklagte bezeichnet. Die „Systempartner“ seien dagegen in § 2 RV genannt und als „Dritte“ anzusehen, die gerade nicht Vertragspartner werden sollten. § 6 RV beinhalte nur eine Regelung hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten, nicht aber bezüglich einer Parteistellung der „Systempartner“.
Dies sei auch interessengerecht, da die Klägerin – wie für die Beklagte auch ersichtlich – kein Interesse daran haben könne, eine Vielzahl von Vertragspartnern zu haben. Denn damit würde sie das Insolvenz- und Durchsetzungsrisiko hinsichtlich aller Systempartner zu tragen haben.
Auch aus der einvernehmlichen Rechnungsstellung gegenüber den Systempartnern könne nichts anderes geschlossen werden.
Aus § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG ergebe sich nichts anderes, wobei offenbleiben könne, ob die Praxis der § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG entspreche. Denn die Parteien könnten gegebenenfalls auch ein Abrechnungsverfahren vereinbaren, das gegen steuerrechtliche Vorgaben verstoße. Zwar sei bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass diese eine Vereinbarung treffen wollten, die den steuerrechtlichen Vorgaben entspreche. Die setze aber voraus, dass ein objektiver Empfänger die steuerlichen Normen kenne, da er ansonsten die steuerliche Problematik bei der Auslegung der Willenserklärung gar nicht berücksichtigen könne. Dies sei vorliegend aber gerade nicht zu erwarten, da es sich bei der Frage des § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG um „tiefes Steuerrecht“ handle, dessen Kenntnis auch im geschäftlichen Verkehr nicht zu erwarten sei.
Dass die Parteien entsprechend § 6 der Rahmenvereinbarung verfahren hätten, spreche nicht gegen diese Auslegung. Denn für die Frage, ob eine Willenserklärung im eigenen oder fremden Namen abgegeben worden sei, komme es allein auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. Überdies folge aus der Abrechnungspraxis auch nicht zwingend, dass die Systempartner Vertragspartner geworden seien. Es sei vielmehr auch rechtlich zulässig, dass diese als Dritte auf den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte leisten.
Der Vertrag sei auch nicht durch Vertragsübernahme auf die P.L. übergegangen. Eine solche setze nämlich eine Mitwirkung aller drei Beteiligten, d.h. der beiden bisherigen Vertragsparteien und des Übernehmenden, voraus. Die Klägerin habe aber an einer solchen Vertragsübernahme nicht mitgewirkt; sie habe den Systempartnern eine Übernahme nicht angeboten. Dafür gebe es weder im Wortlaut der Verträge noch in den Umständen Anhaltspunkte.
Auch aus der Handhabung der Rechnungsstellung und -begleichung könne keine Vertragsübernahme abgeleitet werden. Eine Schuld für jemanden zu begleichen, könne nicht mit einer Vertragsübernahme gleichgesetzt werden.
Die Beklagte könne sich schließlich auch nicht auf § 242 BGB berufen, um eine Inanspruchnahme zu vermeiden. Es fehle nämlich insoweit an der Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch die Klägerin. Da eine vertragliche Beziehung der Klägerin nur zur Klägerin, nicht aber zu den Systempartnern bestehe, durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin bei Nichtzahlung eines Systempartners insoweit auf ihren Vergütungsanspruch gegen die Beklagte verzichten werde.
Die Klage sei auch hinsichtlich des Antrags zu 2) begründet. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für Mai und Juni 2021 ergebe sich aus dem Vertrag. Die Vergütungsansprüche blieben auch durch den gewährten Nachlass unberührt. Dieser stelle eine Vertragsänderung unter einer aufschiebenden Bedingung dar. Diese Bedingung sei nicht eingetreten, da ein Folgevertrag von den Parteien nicht geschlossen worden sei.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageabweisungsziel vollumfänglich weiter.
Sie rügt u.a., dass das Landgericht verkannt habe, dass die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass die Abrechnungspraxis der Klägerin einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG darstelle. Vielmehr habe die Beklagte dargelegt, dass die Abrechnungspraxis § 14 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG entspreche und daraus deutlich werde, dass die jeweiligen Systempartner passivlegitimiert seien, und nicht die Beklagte. Die Vertragsparteien hätten sich gesetzeskonform verhalten wollen.
Hintergrund für das streitgegenständliche Vertretergeschäft sei gewesen, dass der unterzeichnende Geschäftsführer der Beklagten, Herr U., gleichzeitig Gesellschafter oder Mitgesellschafter und teilweise auch Geschäftsführer sämtlicher im Vertrag genannter Systempartner gewesen sei.
Die Beklagte habe die abgerechneten Leistungen auch nicht erhalten und bereits erstinstanzlich bestritten, dass diese erbracht worden seien (Berufungsbegründung S. 12 unter Punkt 2.10).
Die Beklagte beantragt daher, nunter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München 1 [sic] vom 28.02.2023, zugestellt am 28.02.2023, Az. 15 HK O 7622/22, die Klage kostenfällig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Der Senat hat am 16.10.2024 mündlich verhandelt und einen Hinweis erteilt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2024 (Bl. 33/36 d.A.), die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von 29.571,50 € sowie weiterer 6.976,38 € angenommen.
I. Der Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 29.571,50 € folgt aus § 6 Abs. 1 S. 3 RV.
1. Die Beklagte ist insoweit passivlegitimiert, da sie bei Abschluss der beiden Verträge laut Anl. K 1 und K 3 sowohl in eigenem Namen (a.) als auch im Namen der Systempartner (b.) handelte.
a. aa. Die Beklagte hat bei Abschluss der beiden Verträge ausdrücklich erklärt, in eigenem Namen zu handeln. Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten, bei Abschluss der beiden Verträge laut Anl. K 1 und 3, nicht in eigenem Namen, sondern im Namen der in § 2 RV bezeichneten Systempartner aufzutreten, liegt – wie das Landgericht richtig festgestellt hat (LGU S. 7 zweiter Absatz) – dagegen nicht vor. Denn sowohl der Vertrag laut Anl. K 1 als auch der RV führen in ihrem jeweiligen „Rubrum“ die vertragsschließenden Personen ausdrücklich auf, nämlich die Klägerin und die Beklagte, und definieren, wie diese im weiteren Vertragstext bezeichnet werden, nämlich die Klägerin als „k. “ und die Beklagte als „Kunde“. Von anderen Personen – wie bspw. den Systempartnern – ist bei der Beschreibung der Vertragsparteien dagegen nicht die Rede. Dieser ausdrücklichen Beschränkung des Parteistatus auf die Parteien des Rechtsstreits entsprechen die Unterschriftszeilen der beiden Verträge, in denen jeweils ebenfalls nur von „k. “ und von „Kunde“ die Rede ist und die laut Anl. K 1 und K 3 jeweils auch nur eine Unterschrift für den „Kunden“ ohne Hinweis auf ein etwaiges Handeln des Unterschreibenden für eine andere Person als die Beklagte enthalten. Ein diesbezüglicher Vermerk vor oder nach der Unterschrift – wie bspw. „i.V.“, „i.A.“ oder „zugleich handelnd für“ wurde von der für die Beklagte zeichnenden Person nicht angebracht. Damit fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung der Beklagten, bei Vertragsschluss in fremdem Namen gehandelt zu haben, es liegt vielmehr nur eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten vor, in eigenem Namen gehandelt zu haben.
bb. Dafür dass die Parteien trotzdem übereinstimmend eine Parteistellung der Beklagten nicht wollten und der Vertrag von der Beklagten ausschließlich im Namen der Systempartner geschlossen werden sollte, also eine falsa demonstratio anzunehmen sei, gibt es auch unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Erklärung abgegeben wurde, keine Anhaltspunkte.
(1) Nach § 164 I 2 BGB wirkt eine von einem Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht abgegebene Willenserklärung auch dann für und gegen den Vertretenen, wenn sie der Vertreter zwar nicht ausdrücklich in dessen Namen abgibt, die Umstände jedoch ergeben, dass sie im Namen des Vertretenen erfolgen soll. Ist in Ermangelung einer ausdrücklichen Erklärung ungewiss, ob der Vertreter den Vertrag in fremdem Namen abschloss, ist die Willenserklärung des Vertreters gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen. Von Bedeutung ist also, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsgegners darstellt. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört und die typischen Verhaltensweisen (BGH, Urteile vom 17.11.1975 – II ZR 120/74, Rdnr. und vom 17.12.1987 – VII ZR 299/86, Rdnr. 17). Bei der Auslegung einer Willenserklärung sind aber nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zu Tage treten, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste. Zwar kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten der Partei berücksichtigt werden. Dies gilt aber nur in dem Sinne, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können (BGH, Versäumnisurteil vom 07.12.2006 – VII ZR 166/05, Rdnr. 18).
(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 BGB aus den Umständen, dass der Vertragsschluss durch die Beklagte – entsprechend ihrer ausdrücklichen Erklärung – (zumindest auch) in ihrem eigenen Namen erfolgte.
Denn § 6 RV begründet in seinem Abs. 1 S. 3 ausdrücklich eine eigene Zahlungsverpflichtung des Kunden und damit der Beklagten. In § 6 Abs. 1 S. 3 RV ist nämlich stipuliert, dass „die Vergütung für 500.000.000 Mails pro Monat (…) vom Kunden immer zu bezahlen (ist), auch wenn vom Kunden und den Systempartnern insgesamt weniger Mails versandt werden.“ Die Beklagte hat demnach in jedem Fall voll für die Mindestvergütung einzustehen. Daran ändert auch § 6 Abs. 2 RV nichts, der für den Fall der Nichterreichung der Mindestabnahmemenge von 500.000.000 Emails pro Monat vorsieht, dass der Kunde den Differenzbetrag zwischen der Vergütung für die tatsächlich versandten Emails und der Mindestvergütung zahlt. Dies ist nämlich, wie sich aus dem systematischen Kontext und dem inhaltlichen Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 S. 5 RV ergibt, nur eine Regelung bezüglich der Aufteilung der Mindestvergütung im Verhältnis des Kunden und der Systempartner untereinander. Während im vorangestellten § 6 Abs. 1 S. 5 RV den Systempartnern und dem Kunden (“teilnehmende Unternehmen“) das Recht eingeräumt wird, die Mindestabnahmemenge untereinander frei aufzuteilen, regelt der unmittelbar nachstehende § 6 Abs. 2 RV, wie sich diese Aufteilung im Verhältnis der beteiligten Unternehmen zueinander auswirkt, wenn die Mindestabnahmemenge nicht erreicht wird. Eine Auslegung von § 6 Abs. 2 RV dahingehend, dass der Kunde gegenüber der Klägerin nur für die Differenz zwischen der tatsächlich von den Systempartnern in Anspruch genommenen Abnahmemenge und der Mindestabnahmemenge einzustehen habe, würde dazu führen, dass dann die weitergehende Regelung in § 6 Abs. 1 S. 3 RV, wonach der Kunde (und nicht die Systempartner) in jedem Fall die gesamte Mindestvergütung zu zahlen habe, keinen eigenen Regelungsgehalt hätte und somit sinnlos wäre. Davon kann jedoch bei der Auslegung nicht ausgegangen werden.
Darüber hinaus konstituiert § 6 RV aber nicht nur eine Zahlungsverpflichtung des Kunden und damit der Beklagten, sondern in seinem Absatz 3 S. 1 auch eine weitere Verpflichtung der Beklagten, nämlich die zur Mitteilung des Aufteilungsmaßstabs für die Mindestvergütung an die Klägerin.
Nachdem § 6 RV daher ausdrücklich zwei Verpflichtungen der Beklagten begründet, konnte für einen objektiven Betrachter in der Lage der Klägerin der Vertragsschluss nur zumindest auch im eigenen Namen der Beklagten erfolgen. Denn anderenfalls würden trotz des entgegenstehenden eindeutigen Wortlauts von § 6 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 S. 1 RV – aufgrund der Unzulässigkeit eines Vertrages zu Lasten Dritter – durch den Vertrag keine Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte begründet. Die Regelungen des § 6 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 S. 1 RV hätten damit keinen Regelungsgehalt, wovon bei der Auslegung aber gerade nicht ausgegangen werden darf. Die insoweitige Rechtlosstellung der Klägerin gegenüber der Beklagten wäre im Übrigen auch nicht interessengerecht.
cc. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB berufen. Denn zum einen sind die Vertragsregelungen und insbesondere die des § 6 RV nach der oben vorgenommenen Auslegung nicht unklar. Zum anderen greift, auch wenn es sich bei den beiden Verträgen laut Anl. K 1 und K 3 unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, § 305c Abs. 2 BGB insoweit nicht, da die Klärung der Frage, ob und gegebenenfalls für wen eine Willenserklärung abgegeben worden sein soll, durch eine subjektive Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgen hat (vgl. BGH vom 17.12.1987 – VII ZR 299/86, Rdnr. 17, Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 4 zu § 164 BGB). Selbst wenn – wie streitgegenständlich gerade nicht – nach vorgenommener Auslegung zweifelhaft bliebe, ob ein Fremd- oder ein Eigengeschäft vorliegt, wäre gemäß § 164 Abs. 2 BGB ein Eigengeschäft anzunehmen (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 4 zu § 164 BGB).
b. Die Auslegung der beiden Verträge ergibt aber des Weiteren, dass die Beklagte bei Vertragsschluss nicht nur im eigenen Namen, sondern gleichzeitig auch im Namen der Systempartner handelte.
aa. Der RV regelt in seinem § 6 die Frage, wem gegenüber die Klägerin die erbrachten Leistungen abzurechnen hat, ausdrücklich nur für zwei Fallkonstellationen. Zum einen soll bei einer Überschreitung des Mindestabnahmevolumens die Abrechnung „jeweils an die beteiligten Systeme“ erfolgen (§ 6 Abs. 4 RV). Zum anderen soll für den Fall, dass der “Kunde“, d.h. die Beklagte, entgegen ihrer diesbezüglichen Verpflichtung aus § 6 Abs. 3 S. 1 RV die Aufteilung des Mindestabnahmevolumens auf die Systempartner nicht bis zum zweiten Tag eines Monats der Klägerin mitgeteilt hat, die „komplette Vergütung“ für die Mindestabnahmemenge dem Kunden und damit der Beklagten in Rechnung gestellt werden (§ 6 Abs. 3 S. 2 RV). Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass, wird die Mindestabnahmemenge nicht erreicht, die Aufteilung der Mindestabnahmemenge der Klägerin aber rechtzeitig mitgeteilt, die Abrechnung nicht gegenüber dem Kunden, d.h. der Beklagten, sondern gegenüber den Systempartnern auf der Basis der auf sie jeweils anteilig entfallenden Mindestabnahmemenge erfolgen soll. Dies ist auch konsequent, da ohne Mitteilung über die Aufteilung der Mindestabnahmemenge die Klägerin die Mindestvergütung nicht auf die Systempartner anteilig umlegen kann.
Aus der Regelung, dass damit nach § 6 Abs. 4 und 3 S. 1 RV die Abrechnung im Regelfall gegenüber den einzelnen Systempartnern zu erfolgen hat und nur im Falle der Nichtmitteilung des Aufteilungsmaßstabs insgesamt gegenüber dem Kunden abgerechnet werden soll, ergibt sich, dass jedenfalls auch die Systempartner zur Zahlung ihres Anteils der Mindestvergütung verpflichtet sein sollen. Denn ansonsten wäre eine Abrechnungsverpflichtung gegenüber ihnen nicht nur sinnlos und hätte damit keine rechtlich erhebliche Bedeutung, sondern wäre auch nicht im Einklang mit den Vorgaben des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG, da in der Rechnung dann ein unrichtiger Leistungsempfänger angegeben wäre. Denn Leistungsempfänger iSd. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG ist der Vertragspartner des Leistenden. Ein solches Auslegungsergebnis widerspräche nicht nur der allgemeinen Auslegungsregel, dass die Vertragsparteien Vernünftiges wollten und jede Vertragsnorm eine rechtserhebliche Bedeutung haben soll, sondern auch der weiteren allgemeinen Auslegungsregel, dass sich die Vertragsparteien rechtskonform verhalten wollen (vgl. zu diesen allgemeinen Auslegungsregeln Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 26 zu § 133 BGB).
Hätte die Beklagte nämlich die beiden Verträge nicht auch im Namen der Systempartner, d.h. in fremdem Namen geschlossen, wäre, nachdem in § 6 Abs. 3 S. 2 RV eigene Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Systempartner begründet werden, davon auszugehen, dass die Parteien einen Vertrag zu Lasten Dritter schließen wollten, der jedoch keine Wirksamkeit gegenüber den Systempartnern als Dritten entfalten würde. Da jedoch grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Vertragsparteien keine unwirksamen Verträge schließen wollen (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 26 zu § 133 BGB), ist der Vertragsschluss dahingehend auszulegen, dass er auch im Namen der Systempartner erfolgen sollte.
bb. Dass die Vertragsparteien dies auch so verstanden haben, ergibt sich aus ihrer späteren Praxis, wonach die Abrechnungen der Klägerin gegenüber den Systempartnern erfolgten und die Systempartner auch auf die Rechnungen der Beklagten zahlten. Im Geschäftsleben ist aber davon auszugehen, dass Firmen nicht auf Rechnungen zahlen, sofern keine rechtliche Verpflichtung besteht.
cc. Ein Vertragsschluss durch die Beklagte nicht nur – wie ausdrücklich erklärt – im eigenen Namen, sondern auch im Namen der Systempartner war auch aus Sicht der Klägerin naheliegend, da jedenfalls bis zum Verkauf der Anteile an der P.L. GmbH im Sommer 2021 die P.L. über Herrn U., der unstreitig zum Vertragsschlusszeitpunkt am 12.02.2020 nicht nur Geschäftsführer der Beklagten, sondern auch (Mit) Gesellschafter und teilweise auch Geschäftsführer der Systempartner war, eine enge Verbindung zwischen der Beklagten und den Systempartnern bestand und die Beklagte gegenüber den Systempartnern auch bereits unter dem Vorläufervertrag, der bis zum 31.08.2020 galt, abrechnete und die Systempartner die Rechnungen auch beglichen.
An der vom Senat vorgenommenen Auslegung ändert daher die Praxis der Parteien zum Vorläufervertrag nichts, da sie den streitgegenständlichen Vertragsregelungen entspricht, wonach bei Nichterreichung der Mindestabnahmemenge und vorheriger Mitteilung des Aufteilungsmaßstabs auch Zahlungsansprüche gegen die Systempartner bestehen Nach alledem ergibt die Auslegung der beiden Verträge, dass die Beklagte hinsichtlich der Forderung über 29.571,50 € neben der P.L. passivlegitimiert ist.
2. Diese nach den beiden Verträgen laut Anl. K 1 und K 3 bestehende Passivlegitimation der Beklagten entfiel entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht durch die von ihr behauptete „Vertragsübernahme“. Danach hätte die Klägerin von vorneherein eine Vertragsübernahme durch die Systempartner angeboten, die durch die tatsächliche Begleichung der von der Klägerin an die Systempartner gestellten Rechnungen durch die Systempartner von den Systempartnern angenommen worden sei (Klageerwiderung S. 3 und 4 unter Punkt 3, Bl. 18 und 19 d.A.). Wie das Landgericht richtig ausführt (LGU S. 9 vorletzter Absatz) setzt eine Vertragsübernahme voraus, dass alle an ihr Beteiligten, d.h. die Klägerin, die Beklagte und die Systempartner, mitwirkten und insbesondere die Klägerin damit einverstanden war, dass die Beklagte aus dem von ihr geschlossenen Verträgen ausschied. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits in den Verträgen der Beklagten die Möglichkeit eröffnete, aus dem Vertrag auszuscheiden und durch Systempartner ersetzt zu werden, lassen sich dem Vertragstext nicht entnehmen. Vielmehr unterscheidet der Rahmenvertrag insbesondere in seinem § 6 ausdrücklich zwischen „Kunde“ und Systempartner (bspw. in § 6 Abs. 1 S. 3 RV), stipuliert insoweit differenzierte Abrechnungsmodalitäten und regelt unterschiedliche Verpflichtungen der jeweiligen Beteiligten für unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen. Ein von der Beklagten behauptetes bereits in den Verträgen erklärtes Einverständnis der Klägerin zu einem Ausscheiden der Beklagten aus dem Vertrag hätte zur Folge, dass die Klägerin bei Nichterreichung der Mindestabnahmemenge nicht mehr – wie in § 6 Abs. 1 S. 3 RV i.V.m. § 6 Abs. 3 RV ausdrücklich vorgesehen – zwischen zwei Schuldnern wählen könnte, sondern sich nur noch an die Systempartner halten könnte. Warum sich die Klägerin entgegen dem Wortlaut des RV auf diese Reduzierung ihrer Rechte einlassen sollte, erschließt sich nicht und ist daher auch nicht interessengerecht. Die Abrechnung der Klägerin gegenüber den einzelnen Systempartner entspricht vielmehr – wie oben unter 1 b aa dargelegt – dem in § 6 Abs. 3 RV vorgesehenen Abrechnungssystem. Eine Zustimmung der Klägerin zu einer Änderung des Parteienkreises der Verträge kann daher daraus nicht hergeleitet werden.
3. Da das von der Klägerin nach Vertragsabschluss praktizierte Abrechnungsverhalten dem – wie oben dargelegt – vertraglich Vereinbarten entsprach, liegt auch kein widersprüchliches Verhalten der Klägerin vor, das eine Treuwidrigkeit begründen könnte.
4. Für die von der Beklagten behauptete Einigung der Parteien, dass es – anders als die Klägerin in der Klageschrift (dort S. 3 Mitte und S. 6 letzter Absatz) darlegte – auf die Erreichung der vereinbarten Mindestabnahmemenge nicht mehr ankommen solle und die Klägerin daher in der Vertragspraxis auf die in § 6 Abs. 1 RV vorgesehene Möglichkeit verzichtet habe, die komplette Vergütung für die vereinbarte Mindestmenge abzurechnen und stattdessen die tatsächlichen Abnahmevolumen gegenüber den Systempartnern in Rechnung stellte (Berufungserwiderung S. 4 unter Punkt 8, Bl. 19 d.A.), gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr entspricht die spätere Vertragspraxis mit einer Abrechnung der Klägerin gegenüber den Systempartnern auch bei Nichterreichung der Mindestabnahmemenge der vertraglichen Regelung in § 6 Abs. 3 RV (vgl. oben unter 1 b aa). Aus dieser Praxis kann eine Änderung von § 6 Abs. 1 S. 3 RV daher nicht abgeleitet werden.
Die Beklagte hat in erster Instanz außer hinsichtlich der von ihr bestrittenen Passivlegitimation Einwände weder gegen den Grund noch die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs erhoben. Solche sind auch nicht ersichtlich.
5. Soweit die Beklagte nunmehr erstmals in der Berufung behauptet, die Klägerin habe die abgerechneten Leistungen gar nicht erbracht (Berufungsbegründung, S. 12 unter Punkt 2.10, Bl. 18 d.A.), hat die Klägerin dies bestritten (Berufungserwiderung, S. 3 vorletzter Absatz, Bl. 26 d.A.), sodass dieser Einwand der Beklagten gemäß § 531 ZPO nicht zuzulassen war.
II. Zu Recht hat das Landgericht auch den Klageantrag zu 2) für begründet erachtet, da die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der nicht eingetretenen Bedingung des Abschlusses eines Folgevertrages Anspruch auf Zahlung des zunächst von der Klägerin nachgelassenen Rabatts von 10% auf die auf den Anteil der P.L. an der Mindestvergütung entfallende Vergütung für Mai und Juni 2021 hat.
1. Zur Passivlegitimation gilt das oben zu I Ausgeführte.
2. Die Beklagte dringt mit ihrer Rüge, das Landgericht sei ohne substanziierten Vortrag der Klägerin davon ausgegangen, dass die Parteien die Rabattvereinbarung unter der Bedingung geschlossen hätten, dass ein Folgevertrag zustande komme, nicht durch. Die Klägerin hatte nämlich in der Klageschrift, dort S. 5 letzter Absatz, wie folgt vorgetragen:
„Weiter hatte die Beklagte im Juni 2021 die Klagepartei um Gewährung eines Nachlasses gebeten. Die Klagepartei erklärte daraufhin, dass sie der Beklagtenpartei entgegenkommen würde und dieser sowie bei den auf die Systempartner entfallenden Vergütungen vorerst einen 10-prozentigen Nachlass gewähren würde, dies allerdings nur, wenn im Hinblick auf die zum Ende Februar 2022 auslaufenden Verträge ein signifikanter Folgevertrag geschlossen werden würde, der mindestens ein Volumen von 50% des bisherigen Vertrages erreichen würde.“
Zu diesem Vortrag hat sich die Beklagte weder in der Klageerwiderung noch im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 21.11.2022 (Bl. 24/26 und 33/34 d.A.) verhalten. Erst im Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 14.03.2023 (dort S. 2 unter Punkt 3, Bl. 56 d.A.) hat die Beklagte bestritten, dass die Parteien vereinbart hätten, dass der Rabatt unter der Bedingung des Abschlusses eines Folgevertrages gewährt würde. Da dies nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 23.01.2023 war, war der klägerische Vortrag insoweit unstreitig und hat das Landgericht den dagegen gerichteten Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 14.03.2023, Bl. 56/58 d.A., insoweit zu Recht zurückgewiesen.
Das Bestreiten der Vereinbarung einer Bedingung durch die Beklagte ist daher ein neues Verteidigungsmittel iSd. § 531 ZPO, das nicht zuzulassen war. Es ist nämlich nicht zu erkennen, warum das Bestreiten nicht schon erster Instanz erfolgte.
3. Die Höhe der Nachforderung (6.976,38 €) rügt die Berufung nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dieser Betrag unrichtig wäre.
III. Die Verzinsung der beiden Klageforderungen richtet sich nach §§ 291, 288 Abs. 2 ZPO. Nach der Regelung in § 6 Abs. 1 S. 3 RV ist die streitgegenständliche Forderung auch im Verhältnis zur Beklagten Entgeltforderung.
C.
I. Die Beklagte trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens.
II. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III. Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt.