OLG München: Zur Reduzierung einer Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch

veröffentlicht am 13. April 2021

OLG München, Urteil vom 07.11.2013, Az. 29 U 2019/13
§ 315 Abs. 3 S.2 BGB

Das OLG München hat eine nach Neuem Hamburger Brauch  festgesetzte Vertragsstrafe wegen fortgesetzten Fotoklaus mit dem Hinweis reduziert, dass bei der Bemessung nicht berücksichtigt worden sei, dass  der Beklagte einen kleinen Musikalienhandel mit geringem Umsatz betreibe, er mit dem Bild keinen messbaren Gewinn erzielt habe und die Verletzungshandlung für den Beklagten ohne Relevanz sei, weil er die Geigen nicht mehr vertreibe. Die Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Bestimmungen treffe den Kläger. Es wäre daher, so der Senat, an sich an ihm gewesen, zu diesen Kriterien, die für die Höhe der Vertragsstrafe maßgeblich sind, vorzutragen. Der Senat setzte die Vertragsstrafe auf 1.500,00 EUR herab. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht München

Urteil

I. Tatbestand

Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Entscheidungsgründe

1.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und überwiegend begründet. Der Kläger war berechtigt, nach billigem Ermessen eine Vertragsstrafe festzusetzen. Die vom Kläger festgesetzte Vertragsstrafe ist mit den geforderten 5.100 Euro allerdings zu hoch bemessen. Sie war vom Gericht auf 1.500 Euro herabzusetzen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). 1. Der Beklagte hat, indem er das streitgegenständliche Bild (Anlage K2) nach Abgabe der strafbewährten Unterlassungserklärung wieder auf seiner Website zeigte, gegen die von ihm übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

2.
Der Verstoß erfolgte auch schuldhaft. Dem Beklagten ist zum einen eigenes fahrlässiges Verhalten nach § 276 BGB vorzuwerfen und darüber hinaus hat er sich auch das fahrlässige Verhalten seiner Mitarbeiterin gemäß § 278 BGB zurechnen zu lassen. Nach dem Vortrag des Beklagten hat dieser seine Mitarbeiterin angewiesen, das Foto zu löschen. Diese hat daraufhin die Website des Beklagten aus dem Netz genommen und das Foto in den Datenbankprogrammen gelöscht. In einem weiteren beim Beklagen vorhandenen Ordner, in dem alle Fotos gesammelt wurden, hat sie aber eine Löschung des Fotos nicht vorgenommen und bei Neuerstellung der Website das in dem Ordner noch vorhandene Foto wieder verwendet. Die erneute Verwendung des Fotos ist somit entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf „einen technisch äußerst unglücklichen Vorgang“ zurückzuführen, sondern schlicht auf mangelnde Sorgfalt der Mitarbeiterin bei der Löschung des Fotos. Der Beklagte selbst hätte die neu erstellte Website kontrollieren und sich vergewissern müssen, dass sich das streitgegenständliche Foto nicht auf der Website befindet. Da er dies nicht oder zumindest nicht mit der notwendigen Sorgfalt getan hat, trifft auch ihn selbst ein Fahrlässigkeitsvorwurf.

3.
Die vom Kläger auf 5.100 Euro festgesetzte Höhe der Vertragsstrafe entspricht nicht billigem Ermessen. Die Höhe der Vertragsstrafe hängt von der Art und Größe des Unternehmens ab, vom Umsatz und möglichen Gewinn, von der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, von deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, vom Verschulden des Verletzers, von dessen Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen, aber auch von dem im Zusammenhang mit dem Verstoß auch nachträglich gezeigten Verhalten des Verletzers. Wird die Höhe der Vertragsstrafe wie im vorliegenden Fall nachträglich bestimmt (Hamburger Brauch), ist außer der Sanktionsfunktion auch ihre Funktion als pauschalierter Schadensersatz maßgeblich (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. § 12 Rn. 1.139 m.w.N.).

Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe hat der Kläger diese Kriterien nicht hinreichend berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsinstanz, dass er einen kleinen Musikalienhandel mit geringem Umsatz betreibe, er mit dem Bild keinen messbaren Gewinn erzielt habe und die Verletzungshandlung für den Beklagten ohne Relevanz ist, weil er die Geigen nicht mehr vertreibt, durchaus zu berücksichtigen. Die Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Bestimmungen trifft den Kläger (Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. § 315 Rn. 20 m.w.N.). Es wäre daher an sich an ihm gewesen, zu diesen Kriterien, die für die Höhe der Vertragsstrafe maßgeblich sind, vorzutragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers werden die Ausführungen des Beklagten zur Größe seines Musikalienhandels durch die vom Kläger vorgelegte Anlage K 15 nicht widerlegt, sondern bestätigt. Aus dem als Anlage K 15 vorgelegten Zeitschriftenartikel ergibt sich nicht, dass der Beklagte mit 15 Mitarbeitern auf 250 qm Musikinstrumente vertreibt, sondern, dass er den Verkauf neben seiner Tätigkeit als Musiklehrer zusammen mit seiner Frau und einer Mitarbeiterin in einem Laden mit einer Verkaufsfläche von 50 qm, der in einem Wohngebiet liegt, vornimmt. Laut dem Artikel ist die Mitarbeiterin u.a. für die Pflege der Homepage zuständig. Aus den Ausführungen im vorliegenden Verfahren ergibt sich, dass diese Mitarbeiterin auf Minijobbasis tätig ist.

Für die Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist somit festzustellen, dass der Beklagte im Rahmen eines kleinen von ihm betriebenen Musikalienhandels entgegen seiner vertraglichen Unterlassungsverpflichtung zur Darstellung eines der von ihm vertriebenen Produkte ein Lichtbild des Beklagten verwendete. Diese als geringfügig einzustufende Zuwiderhandlung ist für den Kläger schon deshalb ohne Relevanz, weil er das abgelichtete Produkt nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Beklagten nicht mehr vertreibt. Der Beklagte hat kein Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen, weil er ein Herstellerbild zur Darstellung des Produkts verwenden könnte. Dem Beklagten ist ein Fahrlässigkeitsvorwurf mittlerer Schwere zu machen. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte hält der Senat im vorliegenden Fall eine Vertragsstrafe von 1.500,00 EUR für ausreichend, aber auch angemessen.

III. Nebenentscheidungen

1.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

3.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

I