OLG Naumburg: Für jeden rechtlichen Fehler in einer Widerrufsbelehrung Streitwert von 2.000 EUR

veröffentlicht am 16. Oktober 2008

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Naumburg, Urteil vom 13.07.2007, Az. 10 U 14/07
§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 4 UWG, §§ 126b, 312 c Abs. 2 Nr. 2, 312 d Abs. 2, 355 Abs. 2 BGB

Das OLG Naumburg ist der Rechtsansicht, dass für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein Streitwert von 2.000,00 EUR zu Grunde zu legen ist. Zugleich hat das Oberlandesgericht zum Ausdruck gebracht, wann rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG vorliegt. Indizien für einen Rechtsmissbrauch sollen ein systematisches, massenhaftes Vorgehen, eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Abmahnenden und dem beauftragten Anwalt, eine weit überhöht in Ansatz gebrachte Abmahngebühr und kein nennenswertes wirtschaftliches Eigeninteresse sein. Allein die Vielzahl von Abmahnungen sei aber nicht geeignet, missbräuchliches Verhalten zu belegen. Im Übrigen wurde erklärt, dass die Widerrufsbelehrung auf einer Internetseite nicht die gesetzlich geforderte Textform (§ 126 b BGB) erfülle.

Oberlandesgericht Naumburg

Urteil

In dem Verfahren

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung


gegen

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch … auf die mündliche Verhandlung vom 02. 07.2007 für Recht erkannt:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 31.01.2007 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert: 4000,00 Euro.

Gründe:

A.

Die Verfügungsklägerin hält die von der Verfügungsbeklagten beim Verkauf von Computerartikeln im Internet verwendete Widerrufsbelehrung für unzulässig.

Die Verfügungsklägerin handelt mit Computerartikeln im Internet ([URL]). Die Verfügungsbeklagte vertreibt ebenfalls Computerartikel über das Internet. So bot sie am 18.10.2006 über die Internetplattform [NAME] einen Tintenstrahldrucker der Marke „Canon PIXMA iP 6220 D“ an. Sie verwandte dabei folgende Widerrufsbelehrung:

„Widerrufsrecht
Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: …“, (…).

Die Verfügungsklägerin hält diese Art der Widerrufsbelehrung für unzulässig. Sie mahnte deshalb die Verfügungsbeklagte am 25.10.2006 ab und forderte sie auf, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben. Da die Verfügungsbeklagte dem nicht nachkam, hat die Verfügungsklägerin am 10.11.2006 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Magdeburg erwirkt. Die Verfügungsbeklagte hat dagegen am 16.11.2006 Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin hält die Art der Widerrufsbelehrung für wettbewerbswidrig. Denn sie beinhalte eine falsche Widerrufsfrist. Da die Belehrung nicht im Sinne des § 126b BGB verkörpert sei, gelte nicht die zweiwöchige Widerrufsfrist. Außerdem beginne die Widerrufsfrist erst mit Erhalt der Ware.

Die Verfügungsbeklagte vertritt dagegen die Ansicht, dass eine vom Verbraucher abgerufene Internetseite den Erfordernissen des § 126b BGB schon dann gerecht werde, wenn für den Verbraucher die Möglichkeit bestehe, die Seite auszudrucken oder auf seinem Computer abzuspeichern und sie so dauerhaft aufzubewahren.

Das Landgericht hat mit am 31.01.2007 verkündetem Urteil die einstweilige Verfügung aufrecht erhalten.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Widerrufsbelehrung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG wettbewerbswidrig sei. Nach § 126b BGB sei die vorgeschriebene Textform der Belehrung nur dann eingehalten, wenn die Erklärung in einer Urkunde oder in einer anderen zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben worden sei. Auch eine telelogische Reduktion des § 126b BGB komme nicht in Betracht.

Die Verfügungsbeklagte hat gegen das ihr am 08.02.2007 zugestellte Urteil am 19.02.2007 Berufung eingelegt und diese am Osterdienstag, den 10.04.2007 begründet.

Sie wiederholt ihre Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung schon dem Wortlaut des § 126b BGB entspreche. Denn sie sei in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise abgegeben. Man könne sie auf dem eigenen Computer speichern oder ausdrucken („Screenshots“).

Mit Schriftsatz vom 12.04.2007 hat die Verfügungsbeklagte zur Begründung der Berufung weiter vorgetragen. Die Verfügungsklägerin nehme Massenabmahnungen in Gebührenerzielungsinteresse vor. Deshalb sei ihr Vorgehen rechtsmißbräuchlich. Hierzu bezieht sie sich auf ein Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 03.04.2007 (Az.: 33 O 21617/06), das sie in Kopie vorlegt. Sie möchte die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dieses Urteils ausdrücklich zum Gegenstand ihres Vortrags zum Berufungsverfahren machen, indem sie darauf Bezug nimmt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, das am 31.01.2007 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg abzuändern, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Magdeburg vom 10.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass auch die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist: „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft und wettbewerbswidrig sei. Der bloße Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts München I ersetze nicht den sachgemäßen Vortrag. Im übrigen reicht die Verfügungsklägerin ihre Berufungsschrift gegen das fragliche Urteil ebenfalls zu den Akten und nimmt darauf Bezug.

B.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Entscheidungen des ersten Rechtszuges nach § 513 ZPO nur darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu überprüfen, ob ernstliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Rügen der Verfügungsbeklagten dringen im Ergebnis nicht durch. Der Verfügungskläger hat hier ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verb. mit §§ 312 c Abs. 2 Nr. 2, 312 d Abs. 2, 355 Abs. 2 BGB. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die beanstandete Widerrufsbelehrung unzutreffend ist.

I.
Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG einzustufen. Das Abmahnverhalten der Verfügungsklägerin stellt keinen Missbrauch in diesem Sinne dar.

1.
Die Verfügungsbeklagte hat bereits die Voraussetzungen eines solchen Missbrauchs nicht ausreichend vorgetragen. Die bloße Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts München I ist hierzu nicht ausreichend.

a.
Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 – 4 ZPO gehören die Berufungsangriffe zum notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung.

b.
Aus der Unterscheidung zwischen dem zwingenden und dem fakultativen Inhalt eines Schriftsatz ergibt sich, ob und inwieweit in dem Schriftsatz Bezugnahmen auf beigefügte Anlagen zulässig sind. Der zwingende Inhalt kann durch eine solche Bezugnahme nicht ersetzt, allenfalls erläutert oder belegt werden (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 130 Rn 2, m.w.N.).

Danach hätten die Umstände, aus denen sich der Missbrauchseinwand ergibt, im einzelnen vorgetragen werden müssen.

Im Übrigen bleibt bei dieser Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten unklar, ob sie sich z. B. die Feststellungen des Landgerichts, dass die Verfügungsklägerin etwa 100 Unternehmen bzw. Unternehmensinhaber abgemahnt habe, zu eigen machen will.

2.
Aber selbst wenn man die Feststellungen, die das Landgericht München I in dem vorgelegten Urteil getroffen hat, als Berufungsvortrag der Verfügungsbeklagten zu Grunde legen wollte, ergäbe sich kein Mißbrauch. Der Senat folgt der rechtlichen Würdigung des Landgerichts München insoweit nicht.

a.
Von einem Missbrauch i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich gesehen nicht schutzfähige Interessen und Ziele sind. Ein Fehlen oder ein gänzliches Zurücktreten legitimer wettbewerblicher Ziele ist indessen nicht erforderlich; die sachfremden Erwägungen müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, allerdings überwiegen und den beherrschenden Zweck der Rechtsverfolgung darstellen (BGH „Mega Sale WRP 2006, 354 ff.; OLGR Naumburg, 2006, 499 f. jeweils m. w. N.). Ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, ist unter der umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Falles festzustellen.

Indizien für ein Rechtsmissbrauch können sein: ein systematisches, massenhaftes Vorgehen, eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Abmahnenden und dem beauftragten Anwalt, eine weit überhöht in Ansatz gebrachte Abmahngebühr, und kein nennenswertes wirtschaftliches Eigeninteresse.

b.
Von den genannten Indizien findet sich im vorliegenden Fall nur die „Vielzahl der Abmahnungen“. Dieses Indiz ist aber allein nicht geeignet, um den Mißbrauchstatbestand in einer umfassenden Abwägung zu begründen.

Nach §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG kann jeder Mitbewerber andere Mitbewerber bei einer Zuwiderhandlung auf Beseitigung und gegebenenfalls auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Eine zahlenmäßige Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor.

Daraus folgt, dass ein Wettbewerber auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen kann, wenn sich eben eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält. Dass damit finanzielle Nachteile für den Gegner und Einnahmen für die Anwälte beider Parteien verbunden sind, liegt in der Natur der Sache. Der Abmahnende selbst hat jedenfalls keine finanziellen Vorteile. Immerhin trägt er bei Zahlungsunfähigkeit des Gegners das Risiko, für die Gerichts- und Anwaltskosten zu haften (Beschluss des [OLG München vom 12.12.2006 – 6 W 2908/06], GRUR-RR 2007, 55).

Bei einem Markt, der sich so in Bewegung befindet, wie der Vertrieb von Computerteilen über das Internet, ist es angesichts der erst in jüngerer Zeit eingeführten Belehrungsvorschriften, nicht verwunderlich, wenn die gesetzlichen Vorgaben noch nicht in allen Fällen beachtet werden. Der Gesetzgeber selbst hat weder eine staatliche Institution geschaffen, um die Einhaltung dieser Vorgaben zu kontrollieren, noch den Unterlassungsanspruch zahlenmäßig begrenzt. Es wäre systemwidrig, wenn ein Unternehmer nur wenige Mitbewerber abmahnen dürfte.

Nach der von der Verfügungsklägerin in Bezug genommenen Berufungsbegründung, gegen die fragliche Entscheidung des Landgerichts München I, hat sie bei einem Jahresumsatz von ca. 50 Millionen Euro und ca. 100 Mitbewerber abgemahnt. Das Verhältnis zwischen Umsatz und Abmahnverhalten gibt daher keinen Anlass, einen Missbrauch anzunehmen.

Darüber hinaus setzt die Verfügungsklägerin verschiedene Anwälte für die Abmahnungen ein. Insofern ist auch nicht zu sehen, dass ihr Verhalten alleine dazu dient, einem Anwalt besondere Einnahmen zu verschaffen.

Auch der von der Verfügungsklägerin angenommene Streitwert kann, angesichts der im Wettbewerbsrecht üblichen Sätze, nicht als weit überhöht bezeichnet werden.

Schließlich ist auch die Ausnutzung des „fliegenden“ Gerichtsstandes des §§ 14 Abs. 2 UWG, 35 ZPO keine unzulässige Rechtsausübung. Die Gerichtswahl nach § 35 ZPO kennt grundsätzlich keine Einschränkung.

Zwar mag die Verfügungsklägerin auf diese Weise die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen „testen“. Die gesetzlichen Vorschriften eröffnen ihr jedoch diese Möglichkeiten. Im übrigen liegt die Befassung verschiedener Gerichte mit diesen Fragen im Interesse der Allgemeinheit. Denn auf diese Weise wird eine schnellere Klärung der Rechtsfragen vorbereitet.

Der Senat sieht nicht, dass hier das Wettbewerbsrecht „als Mittel des Angriffs“ gegen Wettbewerber eingesetzt wird oder werden könnte. Zum einen hätte es den Mitbewerbern freigestanden, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, um diese Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Zum anderen liegt die Streitwertfestsetzung und damit die Kosten, die durch die Verfahren verursacht werden, zum größeren Teil in der Hand der Gerichte. Durch die Gerichtswahl des Anspruchsstellers werden daher letztlich nur Reisekosten der Anwälte verursacht.

II.
Die Verfügungsklägerin ist als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt.

Sie hat durch die Vorlage ihres eigenen Internetauftritts … ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie selbst mit Computerartikeln handelt und diese über das Internet vertreibt.

III.
Die Verfügungsbeklagte handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG, da die beanstandete Widerrufsbelehrung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG gegen gesetzliche Bestimmungen zur Regulierung des Marktverhaltens verstößt.

1.
Die Belehrung verstößt gegen § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Widerrufsfrist beträgt im konkreten Fall richtiger Weise einen Monat.

a.
Der Verfügungsbeklagten ist einzuräumen, dass die Dauer der Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge gemäß § 312d Abs. 1 in Verb. mit § 355 BGB grundsätzlich zwei Wochen beträgt.

Dies gilt allerdings nicht, wenn die in Textform mitzuteilende Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). So liegt der Fall hier.

b.
Eine Mitteilung der Widerrufsbelehrung „in Textform“, wie sie § 355 Abs. 2 S.1 BGB voraussetzt, liegt nicht vor, wenn sich die Belehrung lediglich auf der Internetseite des Anbietenden befindet.

Zwar war die beanstandete Widerrufsbelehrung der Verfügungsbeklagten für den Verbraucher schon vor Vertragsschluss zugänglich. Denn jeder Interessent hatte die Möglichkeit, sie zusammen mit dem Angebot auf dem Bildschirm zu lesen.

Dies genügt jedoch nach Auffassung des Senats nicht, um die Textform im Sinne der §§ 355 Abs. 2 S. 1, 126b BGB zu wahren.

aa)
Gemäß § 126b BGB erfordert Textform, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben ist. Der Sache nach verlangt diese Vorschrift daher eine Perpetuierung der Erklärung. Ob eine Internetseite diese Funktion erfüllt, ist in der Rechtsprechung umstritten:

Das Kammergericht und ihm folgend das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg vertreten die Auffassung, dass ein Internetauftritt noch keine Mitteilung in Textform i. S. d. § 126b BGB beinhalte (Beschluss des Kammergerichts vom [28.06.2006 – 5 W 156/06], zitiert nach juris, Rn 28, Urteil des Hanseatischen [OLG vom 24.08.2006 – 3 U103/06], zitiert nach juris, Rn 32).

Dagegen vertreten die Landgerichte Flensburg und Paderborn die Auffassung, dass es ausreichend sein dürfte, wenn die notwendigen Informationen im Rahmen des Angebots zur Verfügung gestellt werden und der Verbraucher die Möglichkeit hat, sie zu speichern oder auszudrucken (Urteil des [LG Flensburg vom 23.08.2006 – 6 O 107/06], zitiert nach juris, Rn 33; Urteil des [LG Paderborn vom 28.11.2006 – 6 O 70/06], zitiert nach einer von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Ausfertigung, S. 6 […]).

Der Senat folgt dem Kammergericht und dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg.

Durch einen Internetauftritt ist die Perpetuierungsfunktion, die § 126b BGB fordert, allein noch nicht erfüllt. Denn der Text verbleibt in diesem Fall nur dann dauerhaft beim Verbraucher, wenn dieser aufgrund eigenen zusätzlichen Willensentschlusses ihn ausdruckt oder abspeichert.

Vom Gesetzeszweck her ist es nicht möglich, danach zu differenzieren, ob es im Nachhinein zu einer solchen Perpetuierung kommt oder nicht. Denn die Länge der Widerrufsfrist würde sich dann danach richten, wie sich der Verbraucher verhält bzw. wie er technisch ausgestattet ist. Dies führte zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit. Man könnte dann jedem Verbraucher nur raten, die Widerrufsbelehrung keinesfalls auszudrucken, um in den Genuss einer längeren Widerrufsfrist zu kommen.

Darüber hinaus hängt die Perpetuierung auch von der technischen Ausstattung des Verbrauchers ab. Verfügt der Verbraucher über keinen Drucker, ist er schon technisch nicht in der Lage, die Belehrung auszudrucken. Es mag auch Situationen geben, in denen der Verbraucher die Belehrung nicht ohne Weiteres abspeichern kann. Denkbar – wenn auch wohl nicht sehr wahrscheinlich – ist die Situation, dass auf der Festplatte nicht genügend Speicherplatz zur Verfügung steht. Darüber hinaus kann der Verbraucher aber die Bestellung auch von einem fremden Computer – etwa in einem Internetcafe – abgeben. Ein Speichern auf diesem Rechner würde nicht dazu führen, dass die Widerrufsbelehrung für ihn dauerhaft zugänglich ist.

bb)
Die richtlinienkonforme Auslegung der Vorschriften stützt dieses Ergebnis.

§ 312d BGB dient der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (im Folgenden abgekürzt: FernAbsRL).

?)
EU-Richtlinien sind bei der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften ergänzend heranzuziehen, wobei Divergenzen zu der Richtlinie soweit wie möglich zu vermeiden sind (BGH NJW 1996, 55, 56). Die nationalen Rechtsvorschriften sind soweit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Zweck der Richtlinie auszulegen (EUGH, Urteil vom 27.06.2000, C-240/98 – 244/98, NJW 2000, 2571, 2572 f.). Denn das Gemeinschaftsrecht geht nach Maßgabe des Artikel 249 EG jedenfalls dem einfachen nationalen Recht vor (Pieper/Ohlie, UWG, 4. Aufl., § 3, Rn 50).

?)
Der Vergleich zwischen der FernAbsRL und der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. Nr. L 178 S. 1; im Folgenden: ECommerceRL) zeigt, dass letztlich nur die genannte Auslegung der §§ 355 Abs. 2 S. 1, 126b BGB dem Gemeinschaftsrecht gerecht wird.

Art. 5 Abs. 1 FernAbsRL bestimmt:

„Der Verbraucher muß eine Bestätigung der Informationen gemäß Art. 4 Absatz 1 Buchstaben a) bis f) rechtzeitig während der Erfüllung des Vertrages, bei nicht zur Lieferung an Dritte bestimmte Waren spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung schriftlich oder auf einem anderen für ihn verfügbaren dauerhaften Datenträger erhalten, soweit ihm diese Informationen nicht bereits vor Vertragsabschluss schriftlich oder auf einem anderen für ihn verfügbaren dauerhaften Datenträger erteilt wurden.“

Dagegen regelt Art. 10 E-Commerce-RL:

„Die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen dem Nutzer so zur Verfügung gestellt werden, daß er sie speichern und reproduzieren kann.“

Die FernAbsRL, die auch und gerade den Verbraucherschutz bezweckt, fordert die Erteilung der Informationen auf einem dauerhaften Datenträger. Schon nach dem Wortlaut muss hier allein der Unternehmer tätig werden. Sie stellt damit strengere Anforderungen als die E-Commerce-RL, die auch bei reinen Unternehmensgeschäften anwendbar ist.

Wollte man § 355 Abs. 2 S. 1 BGB und § 126b BGB bereits dann als erfüllt ansehen, wenn die Information gespeichert und reproduziert werden kann, würde man den durch die FernAbsRL intendierten Verbraucherschutz außer Acht lassen und den Unterschied zwischen beiden Richtlinien verwischen.

2.
Darüber hinaus verstößt die hier beanstandete Widerrufsbelehrung auch gegen § 312d Abs. 2 BGB.

Nach dieser Vorschrift beginnt die Widerrufsfrist bei der Lieferung von Waren nicht vor dem Tage ihres Eingangs beim Empfänger. Die beanstandete Widerrufsbelehrung erweckt den Eindruck, dass die Widerrufsbelehrung schon vorher, nämlich mit dem Lesen des Textes auf dem Bildschirm beginnen könne. Jedenfalls ist diese Belehrung nicht eindeutig und unmissverständlich.

a.
Das nunmehr in § 355 BGB und in Vorschriften, die auf diese Bestimmung verweisen, geregelte Widerrufsrecht bezweckt den Schutz der Verbraucher. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende und unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzeswegen zu beachtenden Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung. Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. (Urteil des 1. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2002, Az.: I ZR 55/00, zitiert nach juris, Rn 16).

Gemessen an diesem Maßstab ist zu fordern, dass die Widerrufsbelehrung den Verbraucher bei Verkauf über das Internet darüber in Kenntnis setzt, dass die Widerrufsbelehrung erst mit Erhalt der Waren beginnt. Ein Missverständnis des Verbrauchers darüber, wann die Frist in der er sein Widerrufsrecht ausüben kann, beginnt, kann die Ausübung dieses Rechts beeinträchtigen. Möglicherweise meint ein Verbraucher, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen und übt das Recht daher nicht aus.

b.
Die Fehlerhaftigkeit der Belehrung wird auch nicht durch § 14 Abs. 1 BGB-InfoV ausgeschlossen.

Hier hat die Verfügungsbeklagte zwar Wort für Wort den Text der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 1 BGB-InfoV verwendet.

Wie bereits ausgeführt, genügt die Musterbelehrung in der vorliegenden Fallkonstellation den Anforderungen des § 355 Abs. 2 bzw. 312 d Abs. 2 BGB nicht. Daran ändert § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nichts.

An sich ordnet diese Vorschrift an, dass die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches genügt, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird.

aa)
Hier fehlt es bereits an der Verwendung in Textform (s.o.), so dass die Anwendungsvoraussetzungen für § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht erfüllt sind.

bb)
Auch davon abgesehen könnte § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den Verstoß nicht heilen. Denn § 312 d Abs. 2 BGB, der eine direkte Umsetzung des vorrangigen Gemeinschaftsrechts beinhaltet, geht bereits als formelles Gesetz der Rechtsverordnung vor.

Aufgrund der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts stehen § 312 d Abs. 2 BGB und § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht auf der gleichen normhierarchischen Ebene. Dies ergibt sich wiederum durch die Auslegung der Vorschriften im Lichte des Gemeinschaftsrechts.

Die FernAbsRL bezweckt einen optimalen Verbraucherschutz (vgl. Präambel (19)). Nach Artikel 6 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie beginnt die Widerrufsfrist mit dem Tag des Eingangs der Waren beim Verbraucher. Die Richtlinie enthält keine Musterbelehrung. Die Musterbelehrung des deutschen Gesetzgesetzgebers beinhaltet eine Richtschnur für die Unternehmen, die zur Belehrung verpflichtet sind. Sie zielt damit nicht zuerst auf den Verbraucherschutz, sondern möchte im Interesse der Unternehmen Rechtssicherheit schaffen. Dieses Ziel ist in der Richtlinie nicht unmittelbar enthalten.

3.
Die Nichtbeachtung der §§ 312c Abs. 2 und 312d Abs. 2 BGB ist zugleich ein Gesetzesverstoß i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG.

§ 312c BGB regelt die Unterrichtungspflichten des Unternehmers bei Fernabsatzverträgen. Dies ist eine Verbraucherschutzvorschrift, die das Marktverhalten von Unternehmern im Interesse der Marktteilnehmer bestimmt (Urteil des 1. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2006, Az.: I ZR 228/03, zitiert nach juris Rn 28.). Insofern ist auch die unzutreffende Unterrichtung über den Beginn der Widerrufsfrist gemäß § 312d Abs. 2 BGB ein Verstoß gegen diese Unterrichtungspflichten.

IV.
Das hier beanstandete Wettbewerbsverhalten der Verfügungsbeklagten ist auch nicht unerheblich i.S.d. 3 UWG; statt dessen weist es die erforderliche wettbewerbliche Relevanz auf.

In diesem Zusammenhang sind zwei Fragenkreise zu unterscheiden: Zum einen die Betroffenheit der Klägerin in ihrer Marktposition und zum andern das Interessen der Allgemeinheit an der Durchsetzung der verbraucherschützenden Vorschriften:

1.
Die Klägerin ist in ihrer Marktposition betroffen, allerdings dürfte der Nachteil im Hinblick auf die unzutreffende Belehrung allein durch die Beklagte kaum spürbar sein.

Sind sich die Verbraucher über den Beginn und Länge der Widerrufsfrist im Unklaren, kann dies die Ausübung des Widerrufsrechts beeinträchtigen. Denn ein Verbraucher kann von der Ausübung des Widerrufsrechts durchaus deshalb absehen, weil er aufgrund der unzutreffenden Belehrung der Auffassung ist, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen. Insoweit könnte sich der Unternehmer gegenüber anderen Wettbewerbern eine wirtschaftlich vorteilhafte Position verschaffen, weil er der Ausübung des Widerrufsrechts durch Verbraucher seltener ausgesetzt ist, als andere.

Bei der Vielzahl der Wettbewerber, die im Internet Computerartikel vertreiben, dürfte zwar eine unzutreffende Widerrufsbelehrung bei einem einzigen Mitwettbewerber für die Marktposition der Klägerin wohl kaum ins Gewicht fallen. Anders sähe es allerdings aus, wenn eine Vielzahl von Konkurrenten solche Belehrungen verwendeten. Sähe man jeden Einzelfall als unerheblich im Sinne des § 3 UWG an, könnte sich der rechtstreue Mitbewerber gegen Verstöße nicht erfolgreich wehren. Durch die Summe der Einzelverstöße käme es dann jedoch zur einer spürbaren Benachteiligung.

2.
Auch das Interesse der Allgemeinheit an der Befolgung der Verbraucherschutzbestimmungen gebietet es, die Abmahnung von leichten Einzelverstößen zuzulassen.

Der Gesetzgeber hat aber zum Schutz des Verbrauchers, wie § 8 Abs. 3 UWG zeigt, eine Konstruktion gewählt, die weitgehend von der persönlichen Betroffenheit des Klagenden absieht. Denn nicht nur Mitbewerbern werden die Unterlassungsansprüche nach dieser Vorschrift eingeräumt, sondern auch Institutionen, die nicht am Markt teilnehmen. Der Mitbewerber macht daher mit seiner Klage nicht nur sein eigenes Interesse, sondern zugleich auch das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Verbraucherschutzbestimmungen geltend. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beeinträchtigung durch eine unzutreffende bzw. missverständliche Widerrufsbelehrung keinesfalls unerheblich. Das Widerrufsrecht ist Kernbestandteil des Verbraucherschutzes, der durch die Richtlinienumsetzung gewährleistet werden soll. Hierzu gehört gerade die richtige Information über Länge und Beginn der Widerrufsfrist, damit dieses Recht wirksam ausgeübt werden kann.

V.
Da die Beklagte die Unterzeichnung der Abmahnungserklärung verweigert hat, besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr.

C.

I.
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entfällt wegen § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 708 Rn. 8 ).

II.
Der Senat bemisst jedoch den Streitwert nur mit 4.000,00 Euro.

Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung von Wettbewerbsverletzung gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber an Hand des ihm drohenden Schadens (wie Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) bestimmt. Dabei sind unter anderem die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer und bei dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), die Auswirkung zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, insbesondere durch die bereits begangenen Verletzungshandlung) und die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen (Kammergericht vom 14.11.2006, Az.: 5 W 254/06, zitiert nach juris, Rn 3 m. w. N.).

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach den vorstehenden Grundsätzen bildet die Angabe des Streitwertes in der Klageschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zu Grunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht von der Notwendigkeit, diese an Hand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzung selbständig nachzuprüfen (KG, a. a. O.).

Der Senat hält in Anwendung dieser Grundsätze es für angemessen, für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen von 2.000,00 EUR zu Grunde zu legen.

Wie bereits ausgeführt, ist die Betroffenheit der Verfügungsklägerin als Marktteilnehmer kaum spürbar. Durch eine noch weitere Herabsetzung des Streitwerts würde aber andererseits Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden können. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter würde abmahnen oder eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vorn herein ein Verlustgeschäft bedeutete.

I