OLG Nürnberg: Offensichtlich falsche Preisangaben binden Onlinehändler nicht

veröffentlicht am 7. August 2009

OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009, Az. 14 U 622/09
§§ 145, 242 BGB

Das OLG Nürnberg hat in diesem Hinweisbeschluss entschieden, dass ein Onlinehändler an einer offensichtlich falschen Preisangabe nicht festgehalten werden kann, wenn dies gegen Treu und Glauben verstößt. Ausführlich setzte sich der Senat mit der Frage auseinander, wann ein Warenangebot im Internet als Angebot im Sinne von § 145 BGB oder vielmehr als invitatio ad offerendum zu werten sei. Doch selbst wenn man dem Grunde nach einen Vertragsschluss bejahen würde, so die Nürnberger Richter, spräche letztlich der Grundsatz von Treu und Glauben dagegen, dass sich die Beklagte hieran festhalten lassen müsste.

Treu und Glauben bildeten eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine hiergegen verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage sei unzulässig. Ein solcher Rechtsmissbrauch liege vor, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liege (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn. 38, 50).

Der auf der Internetseite der Beklagten angegebene Preis pro Flachbildschirm von 199,99 Euro habe nur rund 10 % des von der Beklagten vorgesehenen Preises von 1.999,00 Euro betragen und weit unterhalb der zum damaligen Zeitpunkt für entsprechende Flachbildschirme von Markenherstellern verlangten Preise gelegen, was sich auch auf dem rechten Rand der Angebotsseite der Beklagten habe ersehen lassen, wo andere Markengeräte mit Preisangaben im vierstelligen Eurobereich aufgelistet worden seien.

Auf der Angebotsseite habe sich kein Hinweis darauf gefunden, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Flachbildschirm um ein Sonderangebot handeln solle (abgesehen davon, dass ein solches höchst unrealistisch gewesen wäre). Vielmehr ergebe sich aus der bereits erwähnten Auflistung weiterer Markengeräte, dass bei einem anderen Flachbildschirm von … der ursprüngliche Preis von 1.999,00 Euro durchgestrichen und auf 1.429,00 Euro reduziert wurde.

Angesichts dieser für den Kläger erkennbaren Umstände könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger gewusst habe, dass der Preis für den streitgegenständlichen Flachbildschirm weit untersetzt gewesen sei und „etwas nicht mit richtigen Dingen“ zugegangen sei. Hierfür spreche auch, dass er Bestellungen getätigt habe, die einen normalen Umfang für einen Privathaushalt bei weitem überstiegen hätten. Sein Vortrag, er habe auch Familienmitglieder beschenken wollen, erscheine angesichts bestellter 18 Geräte als lebensfremd. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass er das äußerst günstige Angebot dazu habe nutzen wollen, einen Gewinn herauszuschlagen. Dies sei an sich zwar nicht verwerflich. Angesichts der erkennbaren Umstände würde es jedoch dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechen, wenn der Kläger die Beklagte an dem ihr offensichtlich unterlaufenden Versehen festhalten könnte (vgl. zu einem ähnlichen Fall OLG München, NJW 2003, 367), ohne dass es diesbezüglich auf eine rechtzeitige Anfechtung wegen Erklärungsirrtums ankomme.

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