OLG Oldenburg: Gebrauchtwagenverkauf zwischen Privatleuten – Gefährliche Formulare mit unwirksamen Klauseln

veröffentlicht am 9. August 2011

OLG Oldenburg,Urteil vom 27.05.2011, Az. 6 U 14/11
§§ 437, 323 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 346 BGB

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass der Gewährleistungsausschluss „Der Verkäufer übernimmt für die Beschaffenheit des verkauften Kraftfahrzeugs keine Gewährleistung.“ in einem Kaufvertragsformular, wie man es beispielsweise im Internet für den Gebrauchtwagenverkauf findet, unwirksam ist. Es handele sich dabei um eine AGB-Klausel. Klauseln, die die Gewährleistung ohne Ausnahme ausschließen, würden auch Schadensersatzansprüche, die auf Körper und Gesundheitsschäden wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels beruhen oder auf grobes Verschulden des Verkäufers gestützt sind, ausschließen. Solche Klauseln seien mit § 309 Nr. 7 BGB nicht vereinbar und somit unwirksam. Vorliegend konnte der Käufer eines Gebrauchtwagens deshalb gegen Rückzahlung des Kaufpreises vom Vertrag zurücktreten, da das Fahrzeug einen dem Verkäufer unbekannten schwerwiegenden Unfallschaden hatte. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Oldenburg

Urteil

In dem Rechtsstreit


hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch … auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2011 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung geändert und wie folgt neu gefasst:

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.541,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2010 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw V…, FahrgestellNr. …, nebst Fahrzeugpapieren sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 EUR zu zahlen.

2.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw.

Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 04.08.2009 einen gebrauchten Pkw V… für 6.900,00 EUR von dem Beklagten, der das Fahrzeug selbst etwa ein Jahr zuvor von einem privaten Verkäufer erworben hatte. beide Parteien sind Privatleute, keine Kraftfahrzeughändler. Im Vertrag (K 1) ist unter ´Das Fahrzeug hat folgende Vorschäden/Mängel´ eingetragen: ´reparierten Frontschaden´. Der Vertrag enthält folgenden Gewährleistungsausschluss:

Der Verkäufer übernimmt für die Beschaffenheit des verkauften Kraftfahrzeugs keine Gewährleistung.

Der Beklagte hatte den Wagen am 22.08.2008 dem TÜV zur Hauptuntersuchung vorgestellt. ihm war bescheinigt worden, dass das Fahrzeug ´ohne erkennbare Mängel´ sei. Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige R… stellte hingegen in seinem Gutachten vom 03.06.2010 einen erheblichen Unfallschaden im Frontbereich fest, den er als ´schwersten Schaden mit Beeinträchtigung der Fahrzeugstruktur´ bezeichnete. der Schaden sei unfachmännisch instandgesetzt worden, teilweise seien noch ´gravierende Restschäden´ ersichtlich.

Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben vom 09.07.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung sowie ´vorsorglich´ aus demselben Grund die Anfechtung. Er begehrt die Zahlung von 6.771,47 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw V…. Für die gezogen Nutzungen in Gestalt von 13.600 mit dem Fahrzeug gefahrene Kilometer hat der Kläger einen Betrag von 358,80 EUR von dem zurückverlangten Kaufpreis abgesetzt (0,4 % des Bruttoverkaufspreises pro gefahrene 1.000 km bei erwarteter Gesamtleistung von 250.000 km). Neben der Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung verlangt der Kläger die Erstattung der Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von 230,27 EUR.

In erster Instanz war streitig, ob der Beklagte den Kläger über den Umfang des Schadens durch Vorspiegelung eines Bagatellschadens arglistig getäuscht hat.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen zu den Verkaufsgesprächen abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass der Beklagte keine Kenntnis von den Mängeln des Fahrzeugs gehabt habe. Den Haftungsausschluss könne der Kläger auch nicht durch eine Garantie des Beklagten überwinden, denn die Beschreibung des Fahrzeugs stelle lediglich eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Dass eine bestimmte Beschaffenheit garantiert worden sei, habe der Kläger nicht bewiesen.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger zunächst gegen die Ablehnung einer Garantie durch das Landgericht. Darüber hinaus habe das Landgericht rechtsfehlerhaft einen wirksam vereinbarten Haftungsausschluss angenommen. die hier verwandte Klausel verstoße gegen § 309 Nr. 7 a und b BGB.

In seiner Stellungnahme zu dem zunächst von dem Senat erlassenen Hinweisbeschluss weist der Kläger erneut darauf hin, dass der Gewährleistungsausschluss unwirksam sei, weil er hinsichtlich einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung des Verkäufers sowie hinsichtlich Körperschäden nicht eingeschränkt sei.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Er bezweifelt die AGBQualität des Kaufvertrags und meint, der Beklagte sei nicht ´Verwender´ des Vertragsformulars gewesen.

II.
Die Berufung ist überwiegend begründet.

1.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 6.541,20 EUR gegen den Beklagten, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Er kann gemäß §§ 437, 323 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 346 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags und damit die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw verlangen.

Das Fahrzeug weist einen Mangel i.S.d. § 434 BGB auf. Entgegen der Angabe im Kaufvertrag wies das Auto, wie sich aus dem von dem Kläger eingeholten Sachverständigengutachter ergibt, nicht einen ´reparierten Frontschaden´, sondern einen teilweise immer noch vorhandenen ´schwersten Schaden mit Beeinträchtigung der Fahrzeugstruktur´ auf. Der Schaden als solcher wird von dem Beklagten nicht bestritten. er will lediglich keine Kenntnis davon gehabt haben.

Die Berechtigung zum Rücktritt setzt gemäß §§ 437, 323 Abs. 1 BGB voraus, dass dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung gesetzt worden ist. das ist hier nicht geschehen. Vielmehr hat der Kläger sofort den Rücktritt erklärt. Dennoch ist hier der Rücktritt zu Recht erklärt worden, weil besondere Umstände vorliegen, die gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Der Beklagte ist kein KfzHändler mit Reparaturwerkstatt, sondern eine Privatperson. Eine Nacherfüllung gegen ihn könnte nur durch Verbringen des Wagens in eine Fachwerkstatt mit vollständiger fachgerechter Instandsetzung auf Kosten des Beklagten erfolgen. ob das angesichts der Intensität des Schadens – gerade auch aus Sicht des Beklagten – überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist, erscheint zweifelhaft, mag aber dahinstehen. Jedenfalls bliebe der Wagen auch nach einer Reparatur ein Fahrzeug mit einem massiven Unfallschaden, der die Fahrzeugstruktur beeinträchtigt hat. Der Wert eines solchen Fahrzeugs ist erheblich niedriger als der eines dem Vertrag entsprechenden Fahrzeugs, das nur einen reparierten Frontschaden aufweist.

Nach § 346 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, und zwar gemäß § 348 BGB Zug um Zug. Gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat der Kläger dem Beklagten Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlen. der vom Kläger errechnete Betrag ist von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Der Beklagte hätte gegebenenfalls einen höheren Nutzungsschaden darlegen und beweisen müssen.
Auf den vereinbarten Haftungsausschluss kann sich der Beklagte, wie der Kläger zu Recht ausführt, nicht berufen, weil die betreffende Vertragsklausel gegen § 309 Nr. 7 a und b BGB verstößt und damit nicht wirksam ist. Klauseln, die die Gewährleistung ohne Ausnahme ausschließen, erfassen auch Schadensersatzansprüche, die auf Körper und Gesundheitsschäden wegen eines vom Verkäufer zu vertretenen Mangels beruhen oder auf grobes Verschulden des Verkäufers gestützt sind. solche Klauseln sind mit § 309 Nr. 7 BGB nicht vereinbar (vgl. BGH, NJW 2007, S. 674 [675]. OLG Hamm, NJWRR 2005, S. 1220 [1221]. vgl. auch StaudingerCoesterWaltjen, BGB, Neubearb. 2006, § 309 Rn. 8). An der im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung hält der Senat, wie im Termin erörtert, nicht fest.

Bei dem Kaufvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, auch wenn das – aus dem Internet ´heruntergeladene´ – Formular von dem Beklagten nur einmal verwendet worden sein sollte, denn es reicht aus, wenn die Geschäftsbedingungen von einem Dritten für mehrfache Verwendung formuliert worden sind (vgl. PalandtGrüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 309 Rn. 9). Das ist hier der Fall.

Der Beklagte war auch Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil er diese i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB gestellt hat. die diesbezügliche Behauptung des Klägers in der Berufungsbegründung ist seitens des Beklagten nicht bestritten worden. Dass der Kläger mit der Verwendung einverstanden war, wie der Beklagte nunmehr hervorhebt, ändert nichts daran, dass der Beklagte das Formular als Vertragsgrundlage eingeführt hat.

2.
Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls begründet, weil sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet, nachdem ihm durch das Anwaltsschreiben vom 09.07.2010 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten worden ist.

3.
Der Zinsanspruch ist gerechtfertigt gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

4.
Unbegründet ist die Berufung, soweit der Kläger neben dem Rückabwicklungsverlangen einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der von ihm aufgewendeten Sachverständigenkosten in Höhe von 230,27 EUR geltend macht.

Ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437, 280 Abs. 1 BGB setzt Verschulden voraus (vgl. PalandtWeidenkaff, a.a.O., § 437 Rn. 37). Das Verschulden wird zwar vermutet, dem Beklagten ist jedoch der Entlastungsbeweis gelungen, denn das Landgericht hat festgestellt, dass der Beklagte von dem massiven Schaden nichts wusste. Auf die überzeugende Beweiswürdigung des Landgerichts wird Bezug genommen.

5.
Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nur in Höhe von 603,93 EUR (1,3 Gebühr nach einem Wert von bis zu 7.000,00 EUR, 20,00 EUR Auslagenpauschale, 19 % USt).

6.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Vorinstanz:
LG Oldenburg, Az. 4 O 2368/10

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