OLG Rostock, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021, Az. 2 U 11/20
§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, § 5a Abs. 2 S. 1 UWG
Das OLG Rostock hat entschieden, dass eine Werbung für einen Handwerksbetrieb bei „Unterschlagung“ eines Einsatzes von Subunternehmern wettbewerbswidrig ist. Insbesondere, wenn ein Bauunternehmen mit dem Hinweis „Alles aus einer Hand!“ werbe, Teilleistungen aber an Subunternehmer vergebe, werde der durchschnittliche Verbraucher in die Irre geführt, da dieser üblicherweise bei einem Handwerksbetrieb erwarte, dass die Handwerksleistungen von diesem Betrieb selbst erbracht würden. Zum Volltext der Entscheidung:
berlandesgericht Rostock
Hinweisbeschluss
…
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 11.08.2020, Az.: 6 HK O 13/20, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die – zulässige – Berufung wird in der Sache ohne Erfolg bleiben. Das Landgericht hat die Beklagte nach Maßgabe der §§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG zurecht zur Unterlassung der im Urteilstenor genannten werblichen Äußerungen verurteilt. Das gilt sowohl im Hinblick auf den Problemkreis „Subunternehmereinsatz“ als auch bezüglich der Frage nach den Haftungsverhältnissen.
1. Es entspricht in der veröffentlichten Rechtsprechung – zwei einschlägige Entscheidungen hat das Landgericht bereits zitiert (UA Seite 6) – einhelliger Auffassung, dass der durchschnittliche Verbraucher bei einem Handwerksbetrieb im Zweifel eine Leistungserbringung durch seinen Vertragspartner selbst bzw. dessen eigenes Personal erwartet und daher eine Werbung, die den Einsatz von Subunternehmern „unterschlägt“, irreführend und damit wettbewerbswidrig ist (KG, Beschluss vom 15.09.2017 – 5 U 65/17, WRP 2017, 1495 = MMR 2018, 316 [Tz. 59 f.]; OLG München, Urteil vom 18.02.1999 – 6 U 3666/98, OLGR 1999, 288 [Rn. 2]; LG Braunschweig, Urteil vom 26.08.2010 – 21 O 3239/09, WRP 2011, 641 [Juris; Tz. 28 f.]; LG Stuttgart, Beschluss vom 10.05.1996 – 4 KfH O 63/96, GewArch 1997, 298). Das gilt allemal dann, wenn die Werbung durch Formulierungen wie „aus einer Hand“ zusätzlich unterstreicht, dass keine Dritten eingeschaltet sind (OLG Celle, Urteil vom 14.11.1991 – 13 U 113/91, WRP 1992, 320 [Rn. 1]; ähnlich auch OLG Nürnberg, Urteil vom 05.02.1985 – 3 U 3955/84, WRP 1985, 447 [Rn. 1]: „Montage durch Fachpersonal“ ist auch ohne explizite Zusätze im Zweifel als Montage durch eigenes Personal des Vertragspartners zu verstehen bzw. wird vom Verbraucher gemeinhin so verstanden).
Ausgehend von diesen Maßstäben, die der Senat teilt – auch die Mitglieder des Senats zählen zu dem hier angesprochenen und damit für das Verständnis der Werbeinhalte maßgeblichen Verkehrskreis der Endverbraucher – , hat die Beklagte in einer zur Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Werbungsadressaten geeigneten Weise (vgl. §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 5a Abs. 1 UWG) irreführend geworben.
a) Dass die Beklagte für die Leistungserbringung tatsächlich – wenn auch ggf. nicht stets – Subunternehmer einsetzt, ist unstreitig und damit der Entscheidung als feststehend zu Grunde zu legen (vgl. §§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1, 525 Satz 1 ZPO); Gleiches gilt für den handwerklichen Charakter der hier in Rede stehenden Leistungen. Bereits in der Klageerwiderung … hat die Beklagte den vom Kläger behaupteten Subunternehmereinsatz nicht nur unbestritten gelassen, sondern jedenfalls den wiederholten Rückgriff auf die … GmbH als Subunternehmerin seit dem Jahr 2016 positiv zugestanden. Das deckt sich mit den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung der Beklagten vom … aus der Anlage AG 1 (Aktenband II). Der begriffliche Sinnzusammenhang aus „Wir“, „in Familienhand“ und „… als Hersteller, Zertifizierer und Verarbeiter in einer Firma“ vermittelt dem angesprochenen Verbraucher eben das erwähnte Bild einer Leistungserbringung „aus einer Hand“ (abgesehen davon, dass es nach der überwiegenden Rechtsprechung auf diese zusätzliche textliche Unterlegung nicht einmal entscheidend ankäme).
b) Ob es sich hier – worüber die Parteien streiten … – um solche Handwerksleistungen handelt, die dem so genannten Meisterzwang unterliegen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1a HwO), kann auf sich beruhen. Soweit die Rechtsprechung teilweise auf den Meisterzwang abgehoben hat, betraf dies nicht die hier allein maßgebliche Frage, ob der Verbraucher eine Leistungserbringung durch den Vertragspartner selbst erwartet. Vielmehr war dieser Aspekt lediglich in anderen Zusammenhängen von Belang bzw. hat ggf. für einen zusätzlichen – selbständigen – Lauterkeitsrechtsverstoß eine Rolle gespielt (vgl. KG, a.a.O., Tz. 58 ff. / 65 ff.]). Auch der Senat vermag aus eigener Anschauung nicht zu erkennen, dass es für die Erwartungshaltung der potentiellen Kundschaft der Beklagten entscheidend auf Fragen des Meisterzwanges ankäme.
c) Dass es sich bei der … GmbH um den Träger eines nach seiner personellen Ausstattung „handwerklichen“ Unternehmens handeln mag, spielt keine Rolle. Das ändert nämlich – so oder so – nichts daran, dass ein Dritter eingeschaltet wird. Auch der „handwerkliche“ Dritte ist – selbstverständlich – Dritter (KG, a.a.O., Tz. 63). Es geht dem Verbraucher nicht darum, dass die Leistung durch irgendwelches handwerklich geschulte Personal erbracht wird. Wäre das so, käme eine irreführende Wirkung der Werbung nach den hier skizzierten Grundsätzen schon im Ansatz nicht in Betracht, weil es auf die Abgrenzung Selbstausführung – Subunternehmereinsatz nicht ankäme, sondern nur auf das Begriffspaar handwerklich – industriell. Das aber ist eine völlig anders gelagerte Frage. Was der Verbraucher bei handwerklichen Leistungen typischerweise erwartet, ist die Leistungserbringung durch seinen Vertragspartner bzw. dessen eigenes Personal. Insbesondere wird der Verbraucher regelmäßig das „Einstehen“ seines Vertragspartners nicht nur in einem finanziell-haftungsrechtlichen Sinn begreifen (und erwarten) – insofern ergäbe sich aus dem Subunternehmereinsatz für den Kunden in der Tat kein Nachteil, sondern potentiell sogar ein weiterer Schuldner (aus Delikt / Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter) und damit jedenfalls abstrakt eine Aufwertung seiner Rechtsposition – , sondern gerade auch oder sogar vorrangig in einem spezifisch handwerklich-berufsethischen Sinn. Auf eben diese Erwartungshaltung ist die von der Beklagten gewählte Werbeaussage auch erkennbar zugeschnitten, indem sie auf das Einstehen „mit unserem guten Namen für die Arbeit“ abhebt. Ginge es allein – wie die Beklagte nunmehr im Prozess geltend zu machen versucht – um den monetären Aspekt von Haftungsrisiken und deren Abdeckung bzw. Minimierung, würde der gute Name keine Rolle spielen. Auch der Handwerker mit eher „schlechtem Namen“ bietet kein gesteigertes Haftungsrisiko, wenn z. B. aufgrund der gewählten Rechtsform, der Kapitalausstattung oder etwa durch das Vorhandensein eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes sichergestellt ist, dass eine ggf. eintretende Haftung wegen Mängeln bei der Leistungserbringung nicht effektiv „leerläuft“, Insolvenz- und Ausfallrisiken also – so weit möglich – ausgeschlossen sind. Umgekehrt kann selbst ein fachlich exzellent beleumundeter Handwerker ein „schlechter Kaufmann“ ohne ausreichende Kapitalausstattung sein und für seinen Kunden ein überdurchschnittlich hohes finanzielles Ausfallrisiko bergen.
d) Keine Rolle spielt weiter der Umstand, dass es sich bei dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der … GmbH um den Ehemann der Beklagten handelt. Auch das nimmt der Gesellschaft nicht den Charakter eines Dritten, und zwar insbesondere auch nicht mit Rücksicht auf die wiederholte Verwendung der Pluralform „Wir“ in den streitbegriffenen Werbeslogans bzw. auf das begriffliche Abstellen auf die „Familie“. Der durchschnittliche Verbraucher erwartet aufgrund dieser begrifflichen Heraushebungen nicht bloß, im Ergebnis nur mit Angehörigen derselben Familie umgehen zu müssen. Vielmehr erwartet er (und darf er erwarten), es mit derselben Familie im rechtlichen Gewand seines – einzigen! – Vertragspartners zu tun zu haben. Das aber ist hier nicht gewährleistet.
e) Ersichtlich neben der Sache liegt der Einwand der Beklagten, die Werbung sei deshalb nicht irreführend, weil dem jeweiligen Kunden gegenüber spätestens im Zuge der konkreten Auftragsgespräche offengelegt werde, dass – ggf. – für die Leistungserbringung ein Subunternehmer eingeschaltet wird. Darauf kann es mit Blick auf die Zielrichtung des Lauterkeitsrechts, das Verschaffen wettbewerbswidriger Marktvorteile in jeder Hinsicht und vor allen Dingen in jeder – auch frühen – Geschäftsanbahnungsphase zu unterbinden, nicht ankommen. Vielmehr ist die beanstandete Werbung – die ja schon als solche einen kundenstromleitenden Effekt auslösen soll und oftmals auch wird – für sich genommen zu betrachten. Anderenfalls könnte sich z. B. ein Supermarkt- oder Discounterbetreiber, der in einer Broschüre Maracujanektar als „Maracujasaft“ bewirbt, vom Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit (vgl. Senat, Urteil vom 25.09.2019 – 2 U 22/18, WRP 2019, 1596 = GRUR-RR 2020, 376 [Juris; Tz. 52 ff.]) freizeichnen, indem er dann dem Kunden in der konkreten Verkaufssituation – vor Ort im Markt – berichtigend mitteilt, es handele sich nur um Nektar. Dass derartige Ansätze unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht ernstlich in Betracht kommen können, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Der Hinweis auf einen – zumindest möglichen – Subunternehmereinsatz muss schon im Rahmen des Werbeslogans selbst erfolgen.
2. Mit dem Landgericht hält auch der Senat die werbliche Aussage: „Wir haften mit unserem gesamten Hab und Gut.“, schon deshalb für irreführend, weil damit eine in Wahrheit nicht bestehende Haftung der „Familie …“ suggeriert wird, also das vermeintliche Vorhandensein einer über die Beklagte als einzelne natürliche Person hinausgehenden (potentiellen) Haftungsmasse. Sowohl aus semantischer Sicht als auch unter Kontextgesichtspunkten ist das „Wir“ erkennbar nicht auf das Unternehmen bzw. (richtiger) den Unternehmensträger – also (nur) die Beklagte – bezogen (…), sondern auf die Familie als Personenmehrheit. Selbst wenn man das im Ansatz anders sähe, wäre der Slogan aber auch deshalb irreführend, weil mit dem Passus „Familie … mit unserer Firma …“ (Hervorhebung durch den Senat) gleichzeitig der – falsche – Eindruck erweckt wird, die Firma sei eine solche der Familie (…). Unabhängig davon, wie weit der von dem Begriffspaar „Familie …“ umschlossene Personenkreis konkret reicht (ob er beispielsweise Kinder einschließt), wird der Rechtsverkehr von einer (Mit-) Haftung wenigstens des Ehemannes ausgehen, weil dieser hier einerseits bestimmungsgemäß mit den Kunden in Kontakt kommt und damit gerade als „auftragsrelevant“ wahrgenommen werden wird, andererseits aber auch deshalb, weil sich Ausfallrisiken erfahrungsgemäß gerade dort auftun, wo mit gläubigerbenachteiligenden Vermögensverschiebungen zu rechnen ist, wie sie typischerweise insbesondere unter Eheleuten – jedenfalls solchen im gesetzlichen Güterstand oder solchen im Güterstand der Gütertrennung – vorkommen.
3. Schlussendlich begegnet auch der Ansatz des Landgerichts, die im Urteilstenor wiedergegebenen Werbeaussagen seien insgesamt irreführend und damit im Ganzen zu untersagen (UA Seite 5 u.a.), keinen Bedenken. Die in Rede stehenden Slogans stellen einen geschlossenen – von der Beklagten ersichtlich auch so angestrebten – Aussagekontext dar, der in seiner Gesamtheit ein bestimmtes Unternehmensbild vermitteln soll und sich nicht künstlich in Kleinstbestandteile aufspalten lässt. Bei einer fortschreitenden Zerlegung von Werbeaussagen in immer kleinere Sequenzen wird sich nahezu stets auch etwas für sich genommen Wahres bzw. nicht Irreführendes finden. So ist z. B. unbestritten, dass die Beklagte bereits „21 Jahre am Markt“ ist, dass „nicht immer alles glatt läuft“ und – bewusst pointiert – , dass es überhaupt eine „Firma …“ gibt und dass diese Firma „Vertragspartner“ von Kunden ist. Aus der theoretisch nahezu stets vorhandenen Möglichkeit, isoliert betrachtet unbedenkliche Aussageelemente zu extrahieren, kann nicht geschlossen werden, Gegenstand der Untersagung könne nur ein mit diversen Auslassungen gespickter Text sein (vgl. Senat, Beschluss vom 02.09.2019 – 2 U 10/19).