OLG Stuttgart: Vertragsstrafenklage eines Wettbewerbsverbandes ist keine Klage nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) / 2024

veröffentlicht am 8. August 2024

OLG Stuttgart, Urteil vom 10.07.2024, Az. 9 UKl 2/24
§ 6 Abs. 1 UKlaG, § 5 ZKG, § 6 ZKG, § 8 ZKG, § 9 ZKG

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass eine Klage zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe auch dann keine Klage nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG 2023) ist, wenn sie eine anspruchsberechtigte Stelle gem. §§ 3 f. UKlaG erhebt. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für solch eine Klage ergebe sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 6 Abs. 1 UKlaG. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Stuttgart

Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand
Randnummer1
Die Parteien streiten um den Anfall einer Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes gegen eine von der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgegebene Unterlassungsklärung.
Randnummer2
Im Jahr 2015 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltene Entgeltklauseln von Kreditinstituten u. a. wegen unangemessener Benachteiligung ihrer Kunden nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind, wenn sie so ausgelegt werden können, dass Entgelte für Buchungsposten auch anfallen können, wenn diese lediglich der Korrektur fehlerhafter Ausführungen von Zahlungsaufträgen dienen oder mit ihnen nicht autorisierte Zahlungsaufträge ausgeführt werden. Zur Umsetzung dieser Rechtsprechung hatte die Raiffeisenbank K. eG als Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: Beklagte) sich nach Abmahnung mit Schreiben vom 29.04.2016 (Anl. K3) u. a. verpflichtet,
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„die Vergütungsklausel in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis und/oder in anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Wortlaut:
„Lastschrifteinlösung 0,25 EUR“
und/oder eine ihr inhaltsgleiche Klausel nicht mehr zu verwenden.“
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Weiter heißt es in dem Schreiben:
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„Die BANK behält sich vor, beispielsweise wie folgt zu formulieren:
„Lastschrifteinlösung ___ EUR“
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Mit einem (Fußnoten-)Zusatz:
„Wird nur berechnet, wenn Lastschrifteinlösungen im Auftrag des Kunden fehlerfrei durchgeführt werden. Storno und Berichtigungsbuchungen wegen fehlerhafter Buchungen werden nicht bepreist.“
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sowie
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„Diese strafbewehrte Unterlassungserklärung wird ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl mit Rechtsbindungswillen, abgegeben. Sie ist in Bezug auf diejenigen Entgeltklauseln hinfällig, die künftig in einer höchstrichterlichen Entscheidung als wirksam angesehen werden.“
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Abschließend verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 2.500 € für „jede Zuwiderhandlung“ an die „S. e.V., B.“.
Randnummer10
Nach Inkrafttreten der u. a. Art. 4 der Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (RL 2014/92/EU) umsetzenden §§ 5 ff. des Gesetzes über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen – Zahlungskontengesetz (ZKG) – zum 31.10.2018 hat die Beklagte mit Wirkung vom 15.02.2020 Entgeltinformationen erstellt (Anl. K4). Diese veröffentlicht sie u. a. unter https://… auf ihrer Homepage, wo – unmittelbar danach – auch das von ihr verwendete „Glossar zu mit einem Zahlungskonto verbundenen Diensten“ (Anl. B6) abrufbar ist.
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Zu jeder angebotenen Kontenart heißt es dort eingangs:
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– „Hiermit informieren wir Sie über die Entgelte, die bei Nutzung der wichtigsten mit dem Zahlungskonto verbundenen Dienste anfallen, damit Sie diese mit anderen Konten vergleichen können.
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– Darüber hinaus können auch Entgelte für hier nicht aufgeführte Dienste anfallen. Umfassende Informationen erhalten Sie in dem Preisaushang sowie Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank.
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– Ein Glossar der hier verwendeten Begriffe ist kostenfrei erhältlich.“.
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Im Anschluss daran sind die hauptsächlich angebotenen Dienste sowie die dafür anfallenden Entgelte tabellarisch aufgeführt.
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Für die Kontenmodelle „GiroPrivat“ und „GiroPrivat – Basiskonto“ heißt es dann u. a.:
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„Lastschrift
In Euro aus den EWR-Staaten
0,30 EUR“
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Eine Fußnote oder einen sonstigen speziellen, ergänzenden Hinweis zu diesem Eintrag enthält die Entgeltinformation nicht.
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Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragener Verband (https://…, Stand 27.05.2024) hält die „Entgeltinformation“ für AGB. Er ist der Ansicht, mangels einer dem Vorbehalt in der Unterlassungserklärung vom 29.04.2016 entsprechenden Ergänzung habe die Beklagte gegen die damit übernommene Verpflichtung verstoßen, weswegen er – aufgrund der Verwendung der Klausel für zwei Kontenmodelle – Anspruch auf Zahlung der zweifachen Vertragsstrafe von je 2.500 € gegen die Beklagte habe.
Randnummer20
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 07.12.2023, Bl. I 1 ff. der Akte):
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2020 zu bezahlen.
Randnummer22
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR freizustellen.
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Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 16.02.2024, Bl. I 164 ff. der Akte):
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Die Klage wird abgewiesen.
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Ihrer Auffassung nach handele es sich bei den Entgeltinformationen aufgrund ihres bloßen Informationscharakters und mangels jeglichen Einbeziehungshinweises (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB) schon nicht um AGB. Darüber hinaus habe die Beklagte keine Vertragsregelung schaffen, sondern lediglich ihrer Informationspflicht aus §§ 5 ff. ZKG nachkommen wollen, wozu sie die Angaben entsprechend dem der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach § 47 Abs. 2 ZKG veröffentlichten Muster gemacht habe. Dieses dürfe nicht verändert werden; Fußnoten seien dafür nicht vorgesehen.
Randnummer26
Letztlich habe die Beklagte gegen die Unterlassungsverpflichtung auch deswegen nicht verstoßen, weil die Angaben der Entgeltinformation i. S. d. Begrifflichkeiten des zwingend zu veröffentlichenden und von ihr auch veröffentlichten Glossars zu verstehen seien.
Randnummer27
Der Kläger hat die Klage vor dem Amtsgericht Künzelsau erhoben, weil das Oberlandesgericht seiner Ansicht nach nur für Klagen nach dem UKlaG zuständig sei, die in §§ 1 bis 2b UKlaG abschließend aufgeführt seien. Nach Zuständigkeitsrüge durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.01.2024 (Bl. I 142 ff. der Akte) und entsprechendem Hinweis des Amtsgerichts vom 09.01.2024 (Bl. I 45 der Akte) hat sich dieses für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit aufgrund des klägerischen (Hilfs-)Antrages vom 01.03.2024 (Bl. I 270 ff. [272] der Akte) nach § 281 ZPO an das Oberlandesgericht verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
Randnummer28
Die Klage ist zulässig. Das Oberlandesgericht ist wegen der bindenden Verweisung durch das Amtsgericht zuständig.
Randnummer29
Die Zuständigkeit ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 1 UKlaG i. d. F. v. 08.10.2023. Individualklagen wie insbesondere solche auf Geltendmachung von Vertragsstrafen fallen, wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat, gerade nicht unter diese Zuständigkeitsregelung. Denn dabei handelt es sich nicht um Klagen i. S. d. §§ 1 f. UKlaG, sondern um die Geltendmachung von im Zweipersonenverhältnis begründeten Schadensersatzverpflichtungen. Entgegen der Ansicht von Köhler/Alexander (in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, § 6 UKlaG, Rn. 4), der sich auch das Amtsgericht Künzelsau angeschlossen hat, ist die Vorschrift – anders als dies hinsichtlich der vorangegangenen Fassung nach verbreiteter Auffassung erfolgt ist – auch nicht analog anwendbar. Das ergibt sich zum einen schon daraus, dass Voraussetzung einer analogen Rechtsanwendung eine planwidrige Regelungslücke ist (s. statt vieler nur BGH, Urteil vom 14.12.2006 – IX ZR 92/05, zit. nach juris, Rn. 15). Die ist nach der Zuständigkeitsänderung durch Art. 10 des Gesetzes vom 08.10.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 272) nicht mehr ernsthaft anzunehmen (vgl. zur Rolle der Gesetzgebungshistorie schon BGH, aaO., Rn. 17). Trotz der bis dahin mitunter gesehenen Regelungslücke und darauf basierenden analogen Anwendung auf Vertragsstrafenansprüche hat der Gesetzgeber gerade diese Zuständigkeitskonzentration neu geregelt, ohne Vertragsstrafenansprüche einzubeziehen. Das ist erkennbar aufgrund bewusster Entscheidung erfolgt, wie auch daraus ersichtlich ist, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus Vertragsstrafen in §§ 13a f. UWG nun ausdrücklich geregelt ist. Von einer „planwidrigen“ Regelungslücke kann man danach schlicht nicht mehr ausgehen. Auch verfängt der Hinweis auf den erforderlichen Gleichlauf mit § 13 UWG (a.F.) nicht (mehr). Denn dessen analoge Anwendung auf Ansprüche auf Vertragsstrafen hatte der Bundesgerichtshof mit der großen Sachkunde und dem „notwendigen Erfahrungswissen“ der Landgerichte begründet (BGH, Beschluss vom 19.10.2016 – I ZR 93/15, zit. nach juris, Rn. 24). Die ausschließliche OLG-Zuständigkeit nach § 6 Abs. 1 UKlaG dagegen soll der Beschleunigung der Verfahren dienen, was damit gerechtfertigt wurde, dass bei Klagen nach §§ 1 und 2 UKlaG „überwiegend Rechtsfragen zu klären [seien], so dass eine Tatsacheninstanz ebenso wie bei Musterfeststellungsklagen und Abhilfeklagen nach dem VDuG ausreichend“ ist (BT-Drs. 20/6520, S. 118, zu Nr. 17 Buchstabe b). Das ist bei Ansprüchen aus Vertragsstrafen gerade nicht der Fall, da diese auf individuellen Willenserklärungen bzw. Verträgen beruhen, die durchaus auslegungsbedürftig sein können und dann nach §§ 133, 157 BGB – unter Berücksichtigung der weiteren bekannten und erkennbaren Umstände – auszulegen sind (vgl. statt vieler nur Grüneberg, Ellenberger, 83. Aufl. 2024, § 133 BGB, Rn. 9, 14 m. w. N.). Es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, den Parteien die ihnen bei Ermittlung und Bewertung entscheidender Willenserklärungen zustehende zweite Tatsacheninstanz vorzuenthalten. Schließlich haben auf Vertragsstrafenabreden basierende Ansprüche – anders als Verbands- wie insbesondere Musterfeststellungs- und Abhilfeklagen – auch keinerlei über das individuelle Schuldverhältnis hinausgehende Bedeutung für das Interesse der Allgemeinheit in einem größeren Bezirk, mit der man eine Notwendigkeit für diesbezügliche Entscheidungen durch die Oberlandesgerichte gegebenenfalls sonst noch zu rechtfertigen versuchen könnte.
Randnummer30
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich allein aus der Verweisung durch das Amtsgericht nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Es hat den Rechtsstreit, trotz Berücksichtigung der – zutreffenden – Erwägungen des Klägers, gestützt auf die Kommentierung insbesondere von Köhler/Alexander in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 6 UKlaG Rn. 4 (die weiter angegebene Fundstelle im jurisPK-BGB Band 2, 10. Auflage 2023, § 6 UKlaG, Rn. 23, bezog sich auf die alte Fassung, die Erwägungen des BGH (MMR 2017, 169) ausschließlich auf § 13 UWG a.F.) an das Oberlandesgericht verwiesen. Willkürlich erfolgte die Entscheidung folglich nicht; sie ist vielmehr bindend.
Randnummer31
II.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.000 € [s. u. 1.] noch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallen Rechtsanwaltskosten [s. u. 2.].
Randnummer32
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 € aus der mit Schreiben vom 29.04.2016 (Anl. K3) übernommenen Verpflichtung.
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a) Zweifelhaft, wenn auch letztlich nicht entscheidend, ist bereits die Aktivlegitimation des Klägers. Die Beklagte hatte sich für jede Zuwiderhandlung gegen die im o. g. Schreiben übernommene Unterlassungsverpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 2.500 € an die „S. e.V., B.“ verpflichtet. Woraus sich in diesem Zusammenhang eine Zahlungspflicht an die „S. e.V., G.“ ergeben soll, hat der Kläger nicht dargelegt.
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b) Unabhängig von der konkret begünstigten Person hat niemand einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus der von ihr mit Schreiben vom 29.04.2016 (Anl. K3) übernommenen Schadensersatzverpflichtung. Allerdings hatte sie sich in diesem Schreiben verpflichtet, die Vergütungsklausel „Lastschrifteinlösung 0,25 EUR“ oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihrem „Preis- und Leistungsverzeichnis und/oder in anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ […] nicht mehr zu verwenden und/oder Entgelt mit Bezug auf die vorstehend genannte Klausel zu verlangen“. Entgegen der Ansicht des Klägers verstieß sie gegen diese Verpflichtung jedoch nicht.
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aa) Die Beklagte verwendete die genannte Vergütungsklausel weder in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis, noch verlangte sie mit Bezug darauf ein Entgelt.
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bb) Die Beklagte verwendete diese oder eine inhaltsgleiche Klausel auch nicht in anderen AGB. Allerdings heißt es in den „Entgeltinformationen“ der Beklagten zu den Kontenmodellen „GiroPrivat“ und „GiroPrivat – Basiskonto“:
Randnummer37

„Lastschrift
In Euro aus den EWR-Staaten
0,30 EUR“
Randnummer38
Obwohl die Parteien unter Hinweis auf verschiedenste Entscheidungen aller Instanzen (der Kläger etwa auf die gewichtigen Gründe im Urteil des LG Stuttgart vom 06.11.2023 – 53 O 161/23 [Anl. K9a] und auf den Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 22.03.2024 – 3 U 10/24 [Anl. K9h] sowie die Beklagte auf die Ausführungen des BGH im Urteil vom 11.07.2012 – IV ZR 164/11, zit. nach juris, unter Rn. 33) primär darüber streiten, ob es sich bei den Entgeltinformationen um AGB handelt, kann dies dahinstehen. Selbst wenn das der Fall ist, verstößt die Beklagte mit den darin enthaltenen, o. g. Informationen nicht gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 29.04.2016. Denn mit der Definition des Lastschriftbegriffs im „Glossar der hier verwendeten Begriffe“, auf das die Beklagte zu Beginn jeder Entgeltinformation verweist, hat sie zumindest eine der vorbehaltenen Fußnote gleichwertige Erläuterung einbezogen. Die Definition im Glossar stimmt zwar im Wortlaut nicht mit dem Vorbehalt der Unterlassungserklärung überein. Die Auslegungen sowohl der Unterlassungserklärung als auch der – i. S. d. im zugehörigen Glossar definierten Begriffe verstandenen – Entgeltinformation führen aber zur inhaltlichen Übereinstimmung.
Randnummer39
(1)
Die Unterlassungserklärung im Schreiben vom 29.04.2016 (Anl. K3) als empfangsbedürftige Willenserklärung ist nach §§ 133, 157 BGB, ausgehend von ihrem Wortlaut, so auszulegen, wie sie der Kläger als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm bekannten und erkennbaren Umstände nach seinem Horizont verstehen musste (vgl. statt vieler nur Grüneberg, Ellenberger, 83. Aufl. 2024, § 133 BGB, Rn. 9, 14 m. w. N.). Das ist die Verpflichtung, eine Klausel zu unterlassen, nach der Lastschriftbuchungen nicht nur dann Gebühren auslösen, wenn sie im Auftrag des Kunden und korrekt ausgeführt werden, sondern auch dann, wenn es sich um von der Beklagten veranlasste Storno- oder Korrekturbuchungen handelt, oder der Kunde dies jedenfalls so verstehen kann.
Randnummer40
Nach dem reinen Wortlaut der Unterlassungserklärung war die Beklagte zwar lediglich berechtigt, die Bepreisung von Lastschriftbuchungen in AGB vorzusehen, wenn sie dies „Mit einem (Fußnoten-)Zusatz“ klarstellt. Nichts anderes kann aber für sonstige, ebenso deutliche Klarstellungen gelten. Denn Hintergrund für die – auf Abmahnung des S. e.V. – abgegebene und von diesem vorformulierte Unterlassungsklärung (vgl. Anl. B9) war die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gebotene, für den Adressaten eindeutige Angabe, Entgelte nur für solche Buchungsposten zu fordern, die auf Veranlassung des Kunden fehlerfrei durchgeführt werden. Erkennbar keine Entgelte dürfen Kreditinstitute dagegen für Storno- und Korrekturbuchungen fordern, die sie im eigenen Interesse oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung vornehmen (s. etwa BGH, Urteile vom 27.01.2015 – XI ZR 174/13, zit. nach juris, Rn. 13 f., sowie vom 28.07.2015 – XI ZR 434/14, zit. nach juris, Rn. 32 ff.). Indem der Verein die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2016 (Anl. B9) mit folgender Einleitung zur Abgabe der Unterlassungserklärung aufgefordert hatte
Randnummer41
„Damit verstoßen Sie gegen rechtliche Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Wir fordern Sie deshalb auf, die oben genannte Vergütungsklausel und/oder eine ihr inhaltsgleiche Klausel ab sofort nicht mehr zu verwenden und es ferner zu unterlassen, Ihren Kunden Entgelt aus vorstehend genanntem Anlass zu berechnen“,
Randnummer42
hatte er – für die Parteien erkennbar – auf die dargestellten, vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze Bezug genommen und mit der von ihm vorformulierten Erklärung ausgedrückt, dass ein Vorbehalt der zulässigen Bepreisung im Sinne der jedenfalls von eindeutig auf Kundenveranlassung korrekt vorgenommenen Buchungen möglich bleiben solle. Mehr wollte und konnte er von der Beklagten nicht verlangen, die ersichtlich auch nicht mehr zusagen wollte. Kern der Unterlassungsverpflichtung war daher nicht, eine Klarstellung zwingend in einer Fußnote anzubringen, sondern schlicht, eindeutig nur im Kundenauftrag korrekt ausgeführte Lastschriftbuchungen zu bepreisen.
Randnummer43
(2)
Solch eine eindeutige Eingrenzung ergibt sich aus der Gebührenangabe zur lediglich mit „Lastschrift“ bezeichneten Leistung nicht. Auch findet sich in den Entgeltinformationen keine Fußnote o. ä. Klarstellung. Die vorbehaltene Einschränkung ergibt sich aber aus der Bezugnahme auf das – nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 ZKG pflichtgemäß veröffentlichte – „Glossar der hier verwendeten Begriffe“. Denn danach handelt es sich von vornherein (nur) um eine Lastschrift‚ wenn „Der Kunde […] eine andere Person (Empfänger) [ermächtigt], den Kontoanbieter anzuweisen, Geld vom Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers zu übertragen. Der Kontoanbieter überträgt dann zu einem oder mehreren von Kunde und Empfänger vereinbarten Termin(en) Geld von dem Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers. Der Betrag kann unterschiedlich hoch sein.“. Selbstverständlich fällt die aufgeführte Gebühr dann auch nur für in diesem Sinne verstandene Lastschriften an, also korrekt ausgeführte Abbuchungen, zu denen der Kunde einem Dritten als Empfänger eine Ermächtigung zur Einziehung erteilt hat. Unter Berücksichtigung dieser Definition kann ein verständiger und redlicher Durchschnittskunde die Gebühreninformation unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise (s. zur Auslegung von AGB statt vieler nur BGH, Urteil vom 05.06.2018 – XI ZR 790/16, zit. nach juris, Rn. 37) – anders als ohne, wie dies bei den den o. g. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Klauseln der Fall war – schlechthin nicht als Gebühr für Storno- oder Korrekturbuchungen verstehen. Dem „Glossar der hier verwendeten Begriffe“ kommt damit dieselbe Funktion wie der in der Unterlassungserklärung ausdrücklich vorbehaltenen Fußnote zu.
Randnummer44
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Text des Glossars, anders als eine Fußnote, nicht direkt aus der „Entgeltinformation“ ersichtlich ist, sondern hierzu ein zusätzliches Dokument geöffnet werden muss. Denn es ist als, wenn auch externer, Bestandteil der Entgeltinformationen anzusehen. Die europäische Kommission hat in Art. 1 Abs. 1 der nach Art. 4 Abs. 6 der RL 2014/92/EU erlassenen Durchführungsverordnung (EU) 2018/34 vom 28.09.2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für das standardisierte Format für die Entgeltinformation und des betreffenden gemeinsamen Symbols gemäß der Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (nachfolgend: DVO (EU) 2018/34) die Verwendung des im Anhang dieser DVO „festgelegte Muster“ verbindlich vorgegeben. Nach Art. 6 Abs. 1 DVO (EU) 2018/34 hatte die Beklagte als Zahlungsdienstleister die eingangs zitierten, „einleitenden Hinweise“, incl. desjenigen auf das „kostenfrei erhältliche“ „Glossar der hier verwendeten Begriffe“ zwingend und „unverändert in die Entgeltinformation zu übernehmen“. Mit der bloßen Bezugnahme auf ein derartiges, gesondertes Glossar war offensichtlich beabsichtigt, die Entgeltinformation selbst zur Gewährleistung großer „Vergleichbarkeit und Transparenz“ sowie eines „klaren Überblicks“ (vgl. etwa Erwägungsgründe 2, 4 und 6) schlank zu halten und erläuternde Begriffsbestimmungen dahin „auszulagern“. Daran ändert nichts, dass die Verwendung von Fußnoten, wie der Kläger zu Recht anmerkt, nicht ausgeschlossen ist. Eine Fußnote gleichen Inhalts wäre schlicht überflüssig und – entgegen des erklärten Zwecks übersichtlicher Vergleichbarkeit – nicht nur doppelt, sondern irritierend
Randnummer45
(3)
Die Eingrenzung der Gebührenerhebung für Buchungen fehlerfrei ausgeführter, vom Kunden veranlasster Lastschriften, zu der sich die Beklagte mit Schreiben vom 29.04.2016 (Anl. K3) verpflichtet hatte, ergibt sich zudem direkt aus dem nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ZKG pflichtgemäß verwendeten Begriff der Lastschrift. Denn die Beklagte als Zahlungsdienstleister war nicht nur nach §§ 5, 6 Abs. 1 Satz 1 ZKG zur Entgeltinformation verpflichtet. Sie hatte überdies nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ZKG die Begriffe einer standardisierten Zahlungskontenterminologie zu verwenden. Das sind die aufgrund von Artt. 4 Abs. 1, 3 Abs. 5 RL 2014/92/EU nach §§ 2 Abs. 6 f., 47 Abs. 1 ZKG in der nach Abstimmung mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aufgrund Art. 3 Abs. 3 ff. RL 2014/92/EU von durch die BaFin veröffentlichten „Liste der repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste gemäß Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2014/92/EU (§ 47 Abs. 1 ZKG)“ verwendeten Begriffe. Darin ist die „Lastschrift“ gleichermaßen definiert: „Der Kunde ermächtigt eine andere Person (Empfänger) den Kontoanbieter anzuweisen, Geld vom Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers zu übertragen. Der Kontoanbieter überträgt dann zu einem oder mehreren von Kunde und Empfänger vereinbarten Termin(en) Geld von dem Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers. Der Betrag kann unterschiedlich hoch sein.“
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c) Selbst wenn die Informationen über für Lastschriften anfallende Entgelte zu den Kontenmodellen „GiroPrivat“ und „GiroPrivat – Basiskonto“ – entgegen der Ansicht des Senats – als inhaltsgleiche Klausel zu der Vergütungsklausel zu verstehen wären, zu deren Unterlassung sich die Beklagte verpflichtet hatte, wäre damit die aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) zur Zahlung der Vertragsstrafe nicht eingetreten. Denn diese Bedingung konnte nur für solche Verwendungsverbote eintreten, die z. Z. einer Klauselverwendung noch wirksam waren. Das war hinsichtlich der Entgeltinformationen nicht der Fall. Denn die „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ war „in Bezug auf diejenigen Entgeltklauseln hinfällig, die künftig in einer höchstrichterlichen Entscheidung als wirksam angesehen werden“.
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Zwar hat nicht der Bundesgerichtshof die Klausel zwischenzeitlich als wirksam angesehen; der Gesetzgeber hat sie aber nicht nur gebilligt, sondern angeordnet. Wie bereits oben unter b)bb)(3) ausgeführt, war die Beklagte zum einen nach §§ 5, 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 ZKG verpflichtet, die Entgeltinformation zu erstellen und hierbei die standardisierte Zahlungskontenterminologie zu verwenden. Nach der von der BaFin veröffentlichten „Liste der repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste“ ist die „Lastschrift“ im genannten, eingeschränkten Sinne zu verstehen.
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Zum anderen hat die BaFin nach § 47 Abs. 2 ZKG ein den äußeren Gestaltungsanforderungen des Musters laut Anhang zur DVO (EU) 2018/34 entsprechendes (Anl. B3) Muster vorgegeben. Im Falle der Verwendung dieses veröffentlichten Musters genügen Zahlungsdienstleister nach § 9 Abs. 4 ZKG den Gestaltungsanforderungen an die Entgeltinformation. Laut diesem Muster (Anl. B4) ist in der linken Spalte lediglich „Lastschrift“, ggf. mit eigener Firmenbezeichnung, und in der rechten Spalte im Wesentlichen die „zugehörige Entgeltart“ anzugeben, ohne dass nähere Erläuterungen vorgesehen sind. Diese sind vielmehr in dem – verpflichtend einzubeziehenden [vgl. dazu bereits oben unter b)bb)(2)] – Glossar enthalten. Mit ihren Informationen zu Entgelten für Lastschriften hat sich die Beklagte nicht nur nach den äußeren Gestaltungsanforderungen der Muster des Anhanges zur DVO (EU) 2018/34 (Anl. B3) und der BaFin (Anl. B4), sondern auch unter Verwendung der vorgegebenen Terminologie nach deren inhaltlicher Ausgestaltung gerichtet.
Randnummer49
Die Verwendung des von der BaFin entworfenen Musters mit der vorgegebenen Terminologie hat zwar nicht der Bundesgerichtshof als wirksam anerkannt. Der Vorbehalt der Hinfälligkeit der Unterlassungserklärung, wenn die Klausel „künftig in einer höchstrichterlichen Entscheidung als wirksam angesehen“ wird, ist jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass er erst recht bei Billigung und Anordnung durch den Gesetzgeber greift. Immerhin sind die Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG dem Gesetz unterworfen.
Randnummer50
2.
Der Kläger hat mangels Verzugs der Beklagten mit der – nicht geschuldeten – Hauptforderung auch keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Randnummer51
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

I