VG Braunschweig: Indianisch-schamanischer Kräutertee nicht als neuartiges Lebensmittel zugelassen

veröffentlicht am 15. April 2013

VG Braunschweig, Urteil vom 27.02.2013, Az. 5 A 117/12
§ 53 LFGB, § 54 LFGB; Art. 1 Abs. 2 Buchst e EGV 258/97

Das VG Braunschweig hat entschieden, dass ein Heilkräutertee aus u.a. Rinde der Rot-Ulme, dem angeblich von kanadischen Ureinwohnern heilende Kräfte beigemessen werden, nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung zum Vertrieb in Deutschland zugelassen wird. Bei den Inhaltsstoffen handele es sich weder um Stoffe, die in der EU bisher in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden wären, noch um Stoffe, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten könnten. Zum Volltext der Entscheidung:


Verwaltungsgericht Braunschweig

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) in Bezug auf den von ihr vertriebenen Kräutertrunk E. *F..

Die Klägerin ist eine Stiftung mit Sitz in Kanada. Nach eigenen Angaben ist sie darum bemüht, indianisch-schamanisches Wissen kanadischer Ureinwohner zu verbreiten und den Heiltrunk E. *F. weltweit zu vertreiben und für jedermann zugänglich zu machen. Ein – nicht näher bezeichneter – Anteil des mit dem Vertrieb von E. *F. erzielten Gewinns komme den kanadischen Ureinwohnern zugute.

E. *F. setzt sich aus neun, fein geschnittenen bzw. pulverisierten Pflanzenbestandteilen zusammen, unter anderem zu einem Anteil von 60 Prozent aus fein geschnittener Klettenwurzel (Arctium Lappa) und zu einem Anteil von 10 Prozent aus der fein geschnittenen Rinde der Rot-Ulme (Ulmus rubra). Wegen der Einzelheiten der Zusammensetzung wird auf die Auflistung auf Blatt 1 der Beiakte A Bezug genommen. Aus der Kräutermischung wird nach einer detaillierten Zubereitungsempfehlung der Klägerin durch wiederholtes Aufkochen bzw. Erhitzen und Abkühlen über circa 12 Stunden ein Sud bereitet. Die Klägerin empfiehlt die Einnahme von zweimal täglich zwei Esslöffeln dieses Suds zur „Gesundheitsprophylaxe und zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems“ bzw. dreimal täglich drei Esslöffeln als „Kur zur Entgiftung und Reinigung auf allen Körperebenen“. Namhafte Mediziner, so die Klägerin auf ihrer Homepage (www. G.), bestätigten die enorme Wirkung ihrer Heiltee-Essenz.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für das Produkt E. *F.. Zur Begründung führte sie aus, E. *F. sei seit 1996 als Lebensmittel EU- und weltweit im Verkehr. Die niederländische Gesundheitsbehörde habe ihr Produkt im Jahr 1996 überprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um ein Lebensmittel handele. Dies ergebe sich aus einem dem Antrag in Kopie beigefügten Schreiben des „Keuringsdienst van Waren“ vom 28. Februar 1996. Ihr Produkt sei im Jahr 1996 von niederländischen und im Jahr 2003 von deutschen Zollbehörden zolltechnisch als Lebensmittel bewertet worden. Sie verwies insoweit auf Schreiben der niederländischen Zollbehörde vom 6. März 1996 und der zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom 28. Mai 2003. Kanadische Behörden hätten die Verkehrsfähigkeit des Produktes im April 1998 bestätigt. Produzent der Kräutermischung sei das Unternehmen H. AG in der Schweiz. Seit circa 1995 seien außerdem unter den Bezeichnungen I. *F. und J. Konkurrenzprodukte mit einer sehr ähnlichen Zusammensetzung auf dem deutschen Markt erhältlich.

Mit Schreiben vom 3. September 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Ablehnung des Antrages an und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: E. *F. enthalte Bestandteile, für die in Deutschland keine allgemeine Verkehrsauffassung als Lebensmittel existiere, sondern vielmehr eine gefestigte Verkehrsauffassung als Arzneimittel. Eine Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB könne für Arzneimittel aber nicht erteilt werden. Auch wenn es sich bei E. *F. um ein Lebensmittel handeln sollte, könne die beantragte Allgemeinverfügung nicht erteilt werden, weil es sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung VO (EG) Nr. 258/97 (NFVO) handele. Für neuartige Lebensmittel könne eine Allgemeinverfügung nach dem LFGB nicht erlassen werden; vielmehr habe die Klägerin einen Genehmigungsantrag nach Artikel 4 der NFVO zu stellen. Die beantragte Allgemeinverfügung könne sie schließlich auch deswegen nicht erlassen, weil die Klägerin nicht belegt habe, dass sich E. *F. in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinde. Dies sei durch Vorlage einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der zuständigen Behörde des entsprechenden Staates zu belegen sowie durch Vorlage plausibler Nachweise, dass sich das Produkt derzeit dort noch im Verkehr befinde. Die bisher von der Klägerin eingereichten Unterlagen genügten hierfür nicht.

Mit Schreiben vom 30. November 2008 nahm die Klägerin Stellung. Sie vertrat die Ansicht, dass das Schreiben vom Februar 1996 eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der Niederländischen Behörden sei. Über zusätzliche Unterlagen verfüge sie nicht, da sie geschäftliche Unterlagen nach Ablauf von zehn Jahren vernichte.

Im März 2009 erkundigte sich die Beklagte beim niederländischen CBG – Medicines Evaluation Board -, wie das von der Klägerin vorgelegte Schreiben vom Februar 1996 von dort bewertet werde. Per E-Mail vom 6. April 2010 teilte ein Mitarbeiter des CBG mit, dass das Schreiben vom Februar 1996 nach seiner Einschätzung keinen Schluss auf einen nennenswerten Konsum von E. *F. im Sinne der NFVO zulasse.

Mit Bescheid vom 3. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB für das Produkt E. *F. mit der Begründung ab, das Produkt enthalte mit Klettenwurzel einen Bestandteil, der als neuartiges Lebensmittel im Sinne der NFVO einzustufen sei und für den bislang keine Zulassung existiere. Klettenwurzel sei ein neuartiges Lebensmittel und sei dementsprechend in den „Novel-Food-Katalog“ aufgenommen, der unter anderem auf der Homepage der Europäischen Kommission veröffentlicht sei.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009 legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie wiederholte und vertiefte ihre Ausführungen aus dem ablehnenden Bescheid. Die beantragte Allgemeinverfügung könne nicht erlassen werden, weil Klettenwurzel als neuartiges Lebensmittel im Sinne der NFVO zu bewerten sei. Die von der Klägerin vorgelegten Schreiben rechtfertigten keine andere Bewertung. Das Schreiben der niederländischen Behörde vom Februar 1996 belege nicht, dass E. *F. vor dem 15. Mai 1997 innerhalb der EU in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Es sei bereits unklar, in welchem Zusammenhang dieses Schreiben verfasst worden sei, zumal darin lediglich auf eine Absicht, das Produkt künftig auf den Markt zu bringen, abgestellt werde. Das Schreiben könne weder belegen, dass E. *F. tatsächlich in nennenswertem Umfang in den Verkehr gebracht worden sei, noch genüge es als Verkehrsfähigkeitsbescheinigung. Die Zolltarifauskünfte, die die Klägerin vorgelegt habe, könnten einen Verzehr in nennenswertem Umfang ebenfalls nicht belegen.

Am 11. Januar 2011 erhob die Klägerin Klage zum erkennenden Gericht (gerichtliches Aktenzeichen: 5 A 2/11). Ergänzend zu ihrem bisherigem Vortrag verwies sie zur Begründung auf ein Schreiben des Unternehmens H. AG vom September 2008, in dem dieses der Klägerin bestätigt, seit dem Jahr 1995 E. *F. für den weltweiten Vertrieb herzustellen. Außerdem legte sie zwei Faxschreiben des Druckereibetriebes K. GmbH aus Österreich vor: zum einen eine Rechnung vom August 1995 für den Druck von 1.920 Faltschachteln „L. E. *F.“ und zum anderen ein Angebot vom Oktober 1995 zum Druck von 10.000 Beipackzetteln ohne Benennung eines Produktes. Zusätzliche Unterlagen, so die Klägerin weiter, könne sie nicht beibringen, da sie bei einer Renovierung ihres Wohnhauses im Frühjahr 2010 alte Unterlagen und Computer entsorgt habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. In Ergänzung ihrer bisherigen Ausführungen verwies sie darauf, dass die Eintragung von Klettenwurzel im Novel-Food-Katalog als neuartiges Lebensmittel für sie verbindlich sei, solange ihr keine anderslautenden Informationen bekannt seien. Die von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Unterlagen könnten schon deshalb nicht belegen, dass E. *F. vor dem 15. Mai 1997 in der EU in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, weil sich aus ihnen nicht ergebe, ob und in welchem Umfang E. *F. in Länder der Europäischen Union tatsächlich vertrieben worden sei. Die mit der Klagebegründung erstmals vorgelegten Unterlagen der Firma H. AG sowie die Rechnungen der Druckerei K. GmbH belegten ebenfalls nicht einen nennenswerten Verzehr des Produktes der Klägerin in der EU vor dem 15. Mai 1997. Aus ihnen gehe nicht hervor, dass das Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht worden sei, insbesondere besagten sie zudem nichts über den Umfang eines Inverkehrbringens.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 teilte die Beklagte zum gerichtlichen Verfahren 5 A 52/11 mit, dass sie Klettenwurzel nicht länger als neuartigen Bestandteil im Sinne der NFVO behandeln werde. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass es in der Slowakei nicht als neuartiger Lebensmittelbestandteil angesehen werde. Sie gehe deswegen hinsichtlich des Bestandteils Klettenwurzel von einem nennenswerten Verzehr vor dem 15. Mai 1997 im Sinne der NFVO aus. Mit dieser Begründung hob die Beklagte im Juli 2011 ihren Bescheid vom 3. September 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. Dezember 2010 auf und führte aus, dass der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB wieder auflebe und von ihr beschieden werde.

Mit Beschluss vom 26. August 2011 setzte das erkennende Gericht das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren 5 A 2/11 bis längstens Ende April 2012 nach § 75 Satz 3 VwGO aus, damit die Beklagte über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Allgemeinverfügung und einen sich ggf. anschließenden Widerspruch entscheiden könne.

Mit Bescheid vom 13. April 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom Juni 2008 auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB mit der Begründung ab, das Produkt der Klägerin enthalte mit der Rinde der Rot-Ulme (Ulmus rubra) einen Bestandteil, der als neuartiges Lebensmittel im Sinne der NFVO anzusehen sei und für den bislang keine Zulassung existiere. Ein nennenswerter Verzehr vor dem 15. Mai 1997 im Sinne der NFVO sei für diesen Bestandteil nicht festzustellen.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2012 legte die Klägerin Widerspruch hiergegen ein und wiederholte die Begründung aus dem Klageverfahren 5 A 2/11. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2012 als unbegründet zurück. Sie wiederholte insoweit ihre Argumentation aus dem Klageverfahren 5 A 52/11 in Bezug auf die Rinde der Rot-Ulme, die als neuartiger Lebensmittelbestandteil anzusehen sei.

Das Gericht hat das Klageverfahren am 5. Juni 2012 zum Aktenzeichen 5 A 117/12 wieder aufgenommen, die Klägerin hält an der Klage fest und wiederholt und vertieft zur Begründung ihren bisherigen Vortrag.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. April 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. September 2012 zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 12. Juni 2008 eine Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB in Bezug auf das von ihr vertriebene Produkt E. *F. zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und bezieht sich wegen der Begründung auf ihre Bescheide vom 13. April und 4. September 2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Streitgegenstand der Klage ist ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für das Produkt E. *F.. Im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin gegenüber der Beklagten ausdrücklich die Erteilung einer solchen Allgemeinverfügung beantragt. Über diesen Antrag hat die Beklagte in dem Bescheid vom 13. April 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. September 2012 entschieden. Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten und verfolgt ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Streitgegenstand ist hingegen weder – im Sinne einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO – die Feststellung der Verkehrsfähigkeit von E. *F. nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB (vgl. zu dieser Konstellation OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.03.2006 – 13 A 1977/02 – juris Rn 25 ff.; VG Braunschweig, U. v. 15.12.2010 – 5 A 71/09 -) noch ist Streitgegenstand ein Anspruch der Klägerin, E. *F. als neuartiges Lebensmittel nach der sogenannten Novel-Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 (NFVO) zuzulassen. Die Klägerin hat die Zulassung ihres Produktes als neuartiges Lebensmittel bislang nicht gegenüber der Beklagten, die nach § 1 Abs. 1 Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) die zuständige Behörde in der Bundesrepublik Deutschland ist, beantragt; ein Verwaltungsverfahren nach der NFVO hat nicht stattgefunden.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB zu Recht abgelehnt, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Allgemeinverfügung.

Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) einem Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügungen i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu entsprechen, soweit nicht zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen. Grundlegende Voraussetzung dafür, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für ein Lebensmittel besteht, ist, dass das Lebensmittel die Voraussetzungen von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB erfüllt. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme zu Beginn von § 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB auf Satz 1 der Vorschrift. Das Lebensmittel muss somit 1. entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB) oder 2. aus einem Drittland stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinden (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB).

Der Anspruch auf Erteilung einer Allgemeinverfügung für ein Lebensmittel steht somit im Regelungszusammenhang von § 53 und § 54 LFGB: Nach dem Grundsatz des § 53 Abs. 1 Satz 1 LFGB dürfen Lebensmittel, die nicht den im Inland geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes entsprechen, nicht in das Inland verbracht werden. Abweichend hiervon gestattet es § 54 Absatz 1 Satz 1 LFGB, Lebensmittel in das Inland zu verbringen und hier in den Verkehr zu bringen, auch wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel nicht entsprechen, wenn sie 1. entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder 2. aus einem Drittland stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinden. § 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB schränkt den Anwendungsbereich von Satz 1 ein und bringt das Verbot des § 53 Abs. 1 Satz 1 LFGB wieder zur Geltung, wenn diese Lebensmittel im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB einzeln aufgeführten oder – nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB -, sonstigen, dem Gesundheitsschutz dienenden Vorschriften nicht entsprechen. Entspricht das Lebensmittel „nur“ sonstigen, dem Gesundheitsschutz dienenden Vorschriften im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB nicht, ist die Einfuhr und das Inverkehrbringen wiederum doch erlaubt, soweit für das Produkt eine Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 2 LFGB erlassen ist. Weil die Erteilung der Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB voraussetzt, dass in Bezug auf das Lebensmittel keine zwingenden Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen, wird dem Zweck des Gesundheitsschutzes nach § 1 Abs. 1 LFGB hierbei hinreichend genügt.

Das Erzeugnis E. *F. der Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Es wird 1. weder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht noch stammt es 2. aus einem Drittland und befindet sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr. Denn die Beklagte hat E. *F. zu Recht als neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO bewertet, dessen Inverkehrbringen bislang weder nach Art. 4 Abs. 2 1. Spiegelstrich NFVO noch nach Art. 7 NFVO genehmigt ist. Ohne die erforderliche Genehmigung nach der NFVO dürfen neuartige Lebensmittel im Sinne von § 1 Abs. 2 NFVO nicht in den Verkehr gebracht werden (vgl. auch § 3 Abs. 1 NLV). Befinden sich neuartige Lebensmittel ohne Zulassung dennoch im Verkehr, ist dies gemeinschaftsrechtswidrig.

E. *F. (und nicht – wie von der Beklagten im Bescheid zugrunde gelegt – nur die Rinde der Rot-Ulme) ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO. Die NFVO findet hiernach Anwendung auf Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die in der Gemeinschaft bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, außer Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können. Diese Voraussetzungen für ein neuartiges Lebensmittel treffen auf E. *F. zu.

Bei E. *F. handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne der NFVO bzw. des LFGB. Maßgeblich ist insoweit die Definition des Art. 2 der VO (EG) 178/2002 (Basis-VO) (vgl. Jany in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juni 2012, C 150 Art. 1 Rn. 4; § 2 Abs. 2 LFGB). Von der Lebensmitteleigenschaft gehen die Klägerin und – nachdem sie zunächst noch geltend gemacht hat, es könne sich bei E. *F. um ein Arzneimittel handeln, inzwischen auch – die Beklagte übereinstimmend aus. Die Kammer sieht dementsprechend keine Anhaltspunkte, aus eigener Veranlassung E. *F. abweichend als Arzneimittel zu bewerten.

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Lebensmittel als neuartig im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO zu bewerten ist, hat das Verwaltungsgericht München im Urteil vom 26. September 2011 (- M 18 K 11.1445 -, juris Rn. 39 ff.) wie folgt ausgeführt:

„ …Stichtag für die Frage, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat „bisher“ in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, ist der Tag des Inkrafttretens der Verordnung am 15. Mai 1997 (Art. 15).

Menschlicher Verzehr ist im Sinne einer Aufnahme durch den Menschen zu verstehen. Neuartig ist ein Lebensmittel, wenn das betreffende Lebensmittel oder die betreffende Lebensmittelzutat vor dem Bezugszeitpunkt von Menschen nicht in erheblicher Menge verzehrt wurde. Bei der Beurteilung, ob ein zu geringer menschlicher Verzehr vorliegt, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die berücksichtigten Umstände müssen das Lebensmittel oder die Zutat selbst, auf das oder die sich die Prüfung erstreckt, betreffen und nicht ein ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel oder eine ähnliche oder vergleichbare Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können, zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen wurde. Ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat wurde in der Gemeinschaft noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls feststeht, dass dieses Lebensmittel oder diese Lebensmittelzutat vor dem Bezugszeitpunkt in keinem Mitgliedsstaat in erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurde (so EuGH, Urt. v. 9.6.2005 C-211/03).

Der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, reicht nicht dafür aus, das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 anzusehen, da nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann. Die Entscheidung, ob ein Lebensmittel als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen (so EuGH, Urt. v. 15.1.2009 C-383/07).

Der fehlende Nachweis eines nennenswerten Verzehrs eines Produkts im europäischen Raum vor dem 15. Mai 1997 geht im Zweifelsfall zu Lasten des Unternehmers, der die materielle Beweislast trägt. Was den Begriff der „erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit“ als Lebensmittel im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 258/97 betrifft, ist auf die in der Gemeinschaft erworbenen Erfahrungen abzustellen (so BayVGH, Urt. v. 12.5.2009, Az. 9 B 09.199).“

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

Nach diesem Maßstab handelt es sich bei E. *F. um ein neuartiges Lebensmittel i.S.v. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO. Es ist zunächst nicht ersichtlich, dass E. *F. vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang innerhalb der Gemeinschaft für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. In nennenswertem Umfang wurde das Lebensmittel innerhalb der Gemeinschaft verzehrt, wenn es im Hinblick auf den Umfang, in dem der Verzehr stattgefunden hat, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nicht (mehr) erforderlich erscheint, das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft erst nach einer Sicherheitsprüfung nach den Bestimmungen der Novel-Food-Verordnung zuzulassen (vgl.OLG München, U. v. 21.01.2010 – 29 U 3012/09 -, juris Rn. 31 m.w.N.). Dies ist für E. *F. nicht festzustellen.

Die Recherchen der Beklagten, die – wie im Schreiben der Beklagten vom vom 14. Februar 2013 (Bl. 135 ff. der Gerichtsakte) beschrieben – eine umfangreiche Recherche in der einschlägigen Fachliteratur sowie einer Abfrage bei den für die Bewertung neuartiger Lebensmittel zuständigen Behörden sämtlicher Mitgliedsstaaten umfasst haben, haben bereits für die Rinde der Rot-Ulme als einen Bestandteil von E. *F. keinen Beleg für einen Verzehr in nennenswertem Umfang vor dem Inkrafttreten der NFVO ergeben. Dies gilt erst Recht für das – Rinde der Rot-Ulme enthaltende – Produkt E. *F. der Klägerin.

Die Klägerin hat hingegen ihre Behauptung, ihr Produkt werde seit dem Jahr 1995 europaweit in nennenswertem Umfang vertrieben, bereits weder hinsichtlich des Ausmaßes noch zur Art des Vertriebs näher spezifiziert. Insbesondere hat die Klägerin zudem keine Belege für den behaupteten Vertrieb ihres Produktes vor dem Inkrafttreten der NFVO beibringen können. Die von der Klägerin in Bezug genommene Bestätigung der Firma H. AG (Bl. 4 der Gerichtsakte) bestätigt nur die Produktion von E. *F. seit dem Jahr 1995 für den weltweiten Vertrieb. Aus ihr ergibt sich weder mit hinreichender Sicherheit, dass E. *F. bis zum Inkrafttreten der NFVO innerhalb der Gemeinschaft vertrieben wurde, noch ergibt sich hieraus das Ausmaß eines Inverkehrbringens. Entsprechendes trifft auf die Schreiben der Firma Offsetdruckerei K. GmbH vom August und Oktober 1995 (Bl. 6 f. der Gerichtsakte) zu. Diese sind nicht geeignet zu belegen, dass E. *F. innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde. Bei dem Angebot vom Oktober 1995 folgt dies schon daraus, dass es sich um ein bloßes Angebot zur Herstellung von 10.000 Beipackzetteln handelt. Es ist weder das Produkt ersichtlich, für das die Beipackzettel gedruckt werden sollten, noch ergibt sich, dass das Angebot angenommen und die Beipackzettel tatsächlich hergestellt worden sind. Die Rechnung vom August 1995 bezieht sich auf 1.920 Faltschachteln für das Produkt E. *F.. Ein Inverkehrbringen des Produktes innerhalb der Gemeinschaft ist mit dieser Rechnung hingegen nicht belegt. Selbst wenn man im Hinblick auf diese beiden Schreiben zugunsten der Klägerin unterstellt, dass 10.000 bzw. 1.920 Verkaufseinheiten von E. *F. vor dem Inkrafttreten der NFVO innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden wären, wäre hiermit ein Verzehr in nennenswertem Umfang nicht belegt. Das Inverkehrbringen einer solch geringen Menge von E. *F. ließe das Bedürfnis, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung eine Sicherheitsprüfung nach den Bestimmungen der NFVO durchzuführen, nicht entfallen. Dies folgt bereits aus der quantitativ geringen Menge von einigen wenigen Tausend Einheiten (vgl. auch VG Osnabrück, U. v. 21.03.2003 – 3 A 217/01 -, n.v., das die Einfuhr einiger hundert Tonnen einer indischen Maulbeere als nicht hinreichend für den Nachweis eines nennenswerten Verzehrs erachtet hat). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass E. *F. bzw. deren Bestandteile nach Angaben der Klägerin beim Verzehr erhebliche physiologische Wirkungen entfalten sollen. So haben die Bestandteile nach den Angaben auf der Homepage der Klägerin u.a. folgende Wirkungen: den Blutzucker regulierend, als aktives Heilmittel gegen den Krebs, entzündungshemmend, antibiotisch und antimikrobiell, blutzuckersenkend, krebsvorbeugend, Niere, Blase, Leber und Milz entgiftend, die Drüsentätigkeit regulierend, den Stoffwechsel anregend und die Pankreas positiv beeinflussend. Unabhängig davon, ob E. *F. bzw. seine Bestandteile diese Wirkungen tatsächlich hervorrufen können, steigert bereits die Behauptung solcher erheblichen physiologischen Wirkungen das Bedürfnis nach einer Sicherheitsüberprüfung des Produkts, bevor es in den Verkehr gebracht wird. Hiermit korrespondierend erhöhen sich die Anforderungen an den Nachweis, dass ein Verzehr „in nennenswertem Umfang“ im Sinne der NFVO stattgefunden hat. Das Inverkehrbringen einiger weniger Tausend Einheiten kann angesichts dessen ein hinreichendes Ausmaß eines Verzehrs in der Gemeinschaft nicht nahe- bzw. belegen. Ob E. *F. zeitlich nach dem Inkrafttreten der NFVO in größerem Umfang innerhalb der Gemeinschaft verzehrt worden ist, ist nach dem zuvor beschriebenen Prüfungsmaßstab für das Vorliegen eines neuartigen Lebensmittels unerheblich. Auch dies hat die Klägerin zudem nicht belegt. Entsprechendes trifft auf einen etwaigen Konsum in langer Tradition oder großem Umfang außerhalb der Gemeinschaft zu (vgl. auch Jany, a.a.O., C 150 Art 1 Rn. 18). Dem von der Klägerin mit der Antragstellung eingereichten Schreiben der kanadischen Lebensmittelbehörde kommt deshalb keine maßgebliche Bedeutung zu.

Die Klägerin hat einen Verzehr von E. *F. in nennenswertem Umfang in der Gemeinschaft auch nicht durch die Bezugnahme auf die Konkurrenzprodukte I. *F. und J. nachgewiesen, von denen sie behauptet, sie würden seit dem Jahr 1995 in weitaus größerem Umfang als E. *F. in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben. Wie zuvor dargelegt, müssen sich die Umstände, von denen auf einen Verzehr in nennenswertem Umfang zu schließen ist, auf das in Rede stehende Lebensmittel oder die Zutat selbst, auf das oder die sich die Prüfung erstreckt, zutreffen und nicht auf ein ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel oder eine ähnliche oder vergleichbare Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können (vgl. EuGH, U. v. 09.06.2005 – C-211/03 -, juris Rn. 86; Jany a.a.O, C 150 Art 1 Rn. 18a). Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Produkte I. *F. oder J. identisch mit E. *F. sind, sondern erklärt, diese hätten eine „sehr ähnliche Zusammensetzung“. Schon deshalb sind diese Produkte nicht geeignet, einen Verzehr von E. *F. in nennenswertem Umfang zu belegen. Soweit aus dem Internet .) bzw. der von der Klägerin eingereichten Produktinformation (vgl. Bl. 26 der Beiakte A) ersichtlich, unterscheiden sich die Zusammensetzungen der Produkte zudem nicht unerheblich. So beinhaltet I. *F. anders als E. *F. Rhabarberwurzel, aber keine Mistelblätter und keine Blätter der Großen Brennnessel; J., für das ohnehin nur vier Bestandteile bekannt sind, beinhaltet anders als E. *F. Indianischen Rhabarber. Die – auch insoweit materiell beweisbelastete – Klägerin hat schließlich nicht belegt, dass I. *F. oder J. vor dem Inkrafttreten der NFVO in der Gemeinschaft in nennenswertem Umfang in den Verkehr gebracht worden sind.

Dass sich ein Verzehr von E. *F. in der Gemeinschaft in nennenswerten Umfang vor dem Inkrafttreten der NFVO nicht feststellen lässt, wirkt sich zulasten der materiell beweisbelasteten Klägerin aus (vgl. BayVGH, U. v. 12.05.2009 – 9 B 09.199 -, juris Rn. 19). Eine Änderung der materiellen Beweislast zugunsten der Klägerin ergibt sich nicht im Hinblick auf ihren Einwand, dass sie das Inverkehrbringen von E. *F. nur deshalb nicht belegen könne, weil das Inkrafttreten der NFVO viele Jahre zurückliegt und sie deshalb Geschäftsunterlagen, mit denen sie den Nachweis hätte führen können, mittlerweile vernichtet habe (vgl. OLG Nürnberg, B. v. 25.07.2011 – 3 U 650/11 -, juris Rn. 7).

Es ist des Weiteren nicht festzustellen, dass E. *F. als erfahrungsgemäß unbedenkliches Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO gelten kann. Als unbedenklich kann ein Lebensmittel gelten, wenn davon auszugehen ist, dass mit seinem Inverkehrbringen die mit der NFVO verfolgten Zwecke, insbesondere der Gesundheitsschutz und der Schutz der Verbraucher vor Irreführung, nicht tangiert ist (vgl. Jany, a.a.O., C 150 Art 1 Rn 43 f.). Da sich die Unbedenklichkeit erfahrungsgemäß ergeben muss, sind in den Anwendungsbereich der NFVO alle diejenigen Lebensmittel eingeschlossen, für deren Unbedenklichkeit noch keine hinreichenden Erfahrungen, seien es praktischer oder wissenschaftlicher Art, vorliegen (vgl. Jany, a.a.O., C 150 Art. 1 Rn. 44b). Abzustellen ist auf die innerhalb der Gemeinschaft erworbene Erfahrung (vgl. EuGH, U. v. 15.01.2009 – C-383/07 -, juris Rn. 37 ff.; Jany, a.a.O, C 150 Art. 1 Rn. 45). Nach diesem Maßstab ist nicht ersichtlich, dass hinreichende praktische (Konsum-)Erfahrungen oder wissenschaftliche Erfahrungen zum Verzehr von E. *F. innerhalb der Gemeinschaft vorliegen, um von dessen Unbedenklichkeit auszugehen. Die obenstehenden Ausführungen zum fehlenden Nachweis des Umfangs eines Inverkehrbringens sowie zu den erhöhten Anforderungen für die Annahme einer Unbedenklichkeit, die aus den von der Klägerin behaupteten physiologischen Wirkungen ihres Produktes bzw. deren Bestandteile resultieren, gelten insoweit entsprechend. Da nicht ersichtlich und nicht belegt ist, in welchem Ausmaß E. *F. seit Inkrafttreten der NFVO innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht bzw. verzehrt wurde, muss die Kammer nicht entscheiden, ob es für die Beurteilung der erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der NFVO oder den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage ankommt.

Da eine Erlaubnis nach der NFVO – entweder nach Art. 4 Abs. 2 1. Spiegelstrich oder Art. 7-,E. *F. in den Verkehr zu bringen, nicht erteilt wurde, befindet sich dieses, soweit es in den Verkehr gebracht wird, gemeinschaftsrechtswidrig am Markt. E. *F. erfüllt deswegen nicht die Voraussetzungen von § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die von der Klägerin mit der Antragstellung gegenüber der Beklagten in Bezug genommenen Schreiben (Bl. 5 ff. der Beiakte A). Das Schreiben des Keuringsdienst van Waren vom 28. Februar 1996 trifft inhaltlich keine Aussage über die Rechtmäßigkeit eines Inverkehrbringens, sondern beschränkt sich auf einen Hinweis zur Gestaltung der Verpackung bzgl. des Bestandteiles Mistelblätter, sofern eine Vermarktung des Produktes beabsichtigt sein sollte. Erst recht ist hiermit nicht die Aussage verbunden, bei E. *F. handele es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der NFVO. Da das Schreiben vor Inkrafttreten der NFVO datiert, wäre es mit Inkrafttreten der NFVO selbst dann überholt und würde der Bewertung von E. *F. als genehmigungsbedürftiges neuartiges Lebensmittel nach der NFVO nicht entgegenstehen, sofern hiermit eine Aussage zur Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens getroffen werden sollte (vgl. insoweit auch OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 07.05.2003 – 13 A 1977/02 -, juris Rn. 6). Auch die Zolltarifauskünfte der niederländischen und deutschen Zollbehörden aus den Jahren 1996 und 2003 treffen inhaltlich keine Bewertung zur Rechtmäßigkeit eines Inverkehrbringens des Produkts, zumal das Verbringungsverbot des § 53 Abs. 1 Satz 1 LFGB nach § 53 Abs. 1 Satz 3 LFGB der zollamtlicher Abfertigung der Lebensmittel nicht entgegensteht.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus der Anwendung von § 167 VwGO, § 711 und § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der von der Klägerin mitgeteilten Erwartung des jährlichen Gewinns bei einem Inverkehrbringen von E. *F. in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Kammer weist die Klägerin, ohne dass es für die Entscheidung über die Klage hierauf ankommt, darauf hin, dass sie, sofern sie beabsichtigt, E. *F. in den Verkehr zu bringen, die Zulassung ihres Produktes als neuartiges Lebensmittel nach der NFVO einzuholen hat.

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