BPatG: Die Freihaltebedürftigkeit von geografischen Angaben – „Madrid“ nicht eintragungsfähig

veröffentlicht am 5. Mai 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBPatG, Beschluss vom 17.02.2011, Az. 27 W (pat) 518/10
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass die Wortmarke „Madrid“ für Schuhwaren u.a. nicht eintragungsfähig ist. Dem stehe das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit entgegen. Danach seien u. a. Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren und Dienstleistungen dienen können. Es könne davon ausgegangen werden, dass die spanische Hauptstadt Madrid erheblichen Teilen der angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise bekannt sei. Für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei Madrid geeignet, als geographische Herkunftsangabe zu dienen, denn bei wirtschaftlich bedeutenden Orten bestehe eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für nahezu alle Waren benötigt würden. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 027 750.5

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. Februar 2011 durch … beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die am 28. April 2008 als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 10: Orthopädische Schuhwaren und solche zur Rehabilitation, zur Fußgymnastik und Therapie sowie zu sonstigen medizinischen Zwecken und deren Teile, einschließlich orthopädischer Schuhe, auch derartige Schuhe mit Fußbett oder mit orthopädischen Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen; derartige Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen und deren Teile, auch in Form starrer thermoplastisch verformbarer Einlagen, Schuhbauteile und Schuheinbauteile zur orthopädischen Schuhzurichtung, insbesondere Passteile, Keile, Kissen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schaumpolster, Schaumpelotten sowie Fußformsohlen, auch in Form von vollplastischen Einlagen mit orthopädischem Fußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, auch Bequemschuhwaren und solche für Arbeit, Freizeit, Gesundheit und Sport, einschließlich Sandalen, Gymnastiksandalen, Pantoletten, Slipper, Clogs, auch mit Fußbett, insbesondere mit anatomisch geformten Tieffußbett, Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen, Schutzeinlagen; Teile und Zubehör derartiger Schuhwaren, nämlich Schuhoberteile, Absätze, Laufsohlen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schuhbodenteile auch Fußbettungen, Fußstützen, Fuß- und Schuheinlagen, insbesondere mit Fußbett oder anatomisch geformtem Tieffußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen;

Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Turn-, Sport-, Trainings- und Fitnessbekleidung, Schuhwaren und orthopädische Artikel, auch im Wege des Versandhandels, mittels Teleshopping- Sendungen und über das Internet; Waren- und Dienstleistungspräsentationen sowie Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Waren, auch im Rahmen von E-Commerce und M-Commerce; Bestellannahme und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von E-Commerce; Sammeln, Pflege, Systematisierung und Zusammenstellung von Informationen und Daten in Computerdatenbanken; Betrieb eines Teleshoppingkanals, nämlich Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren; Betrieb eines Teleshoppingkanals, nämlich Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen; Dienstleistungen eines Callcenters, nämlich Auftrags-, Bestell- und Reklamationsannahme, Durchführung von Auktionen im Internet; Marketing, insbesondere Werbung in digitalen Netzen (Webvertising), Direktmarketing, Franchising im Bereich Bekleidung, Schuhwaren und orthopädischen Artikeln sowie Organisationsberatung und Marketing betreffend die oben genannten Waren, jeweils in betriebswirtschaftlicher Hinsicht; Warenpräsentation im Internet; Unternehmensberatung und Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung“

angemeldete Bezeichnung

Madrid

hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 wegen eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Das ist damit begründet, Madrid sei die Hauptstadt Spaniens und der Autonomen Gemeinschaft Madrid. Der Großraum Madrid zähle mit etwa sechs Millionen Einwohnern zu den größten Metropolen Europas. Madrid sei (ohne Vororte) mit rund 3,3 Millionen Einwohnern nach London und Berlin die drittgrößte Stadt der Europäischen Union. Madrid sei seit Jahrhunderten der geographische, politische und kulturelle Mittelpunkt Spaniens und der Sitz der spanischen Regierung. Hier residierten auch der König, ein katholischer Erzbischof sowie wichtige Verwaltungs- und Militärbehörden. Als Handels- und Finanzzentrum habe die Stadt nationale und internationale Bedeutung.

Es sei daher davon auszugehen, dass „Madrid“ den beteiligten Verkehrskreisen als Bezeichnung eines Ortes bekannt sei, dass die fragliche Bezeichnung von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der beanspruchten Art von Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht werde und dass vernünftigerweise zu erwarten sei, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung dieser Kreise die geographische Herkunft dieser Art von Waren bzw. der Dienstleistungsgegenstand bezeichnet werden könne.

Wirtschaftliche Tätigkeiten, für die die Stadt Madrid den Verbrauchern in ganz Deutschland bekannt sein könne, ergäben sich aus der bereits mit Amtsbescheid übermittelten Fundstelle. Hieraus lasse sich entnehmen, dass sich in Madrid Textilindustrie befinde. Damit sei gleichzeitig ein deutlicher Hinweis auf die dort produzierten Waren der Warenklasse 25 gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die nicht begründete Beschwerde der Anmelderin, mit der sie (sinngemäß) beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 2009 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

Im Amtsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, die angemeldete Marke sei nicht freihaltungsbedürftig. Dass sich in Madrid Textilindustrie befinde, lasse nicht die Schlussfolgerung auf eine Schuhindustrie zu. Hierbei handle es sich um grundsätzlich verschiedene Wirtschaftsbereiche.

II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke das Schutzhindernis eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift sind u. a. Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren und Dienstleistungen dienen können.

Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass warenbeschreibende Angaben von allen frei verwendet werden können. Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Die Monopolisierung einer beschreibenden Angabe zugunsten eines einzigen Unternehmens ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723, 725, Nr. 25 – Chiemsee).

Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht aber auch das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (EuGH Chiemsee, a. a. O., Nr. 26). Mithin kommt bei der Prüfung, ob ein geographischer Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht kommt (und nicht nur bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) dem Verständnis und den Vorstellungen der Endverbraucher ebenfalls Bedeutung zu. Nur wenn die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem betreffenden Ort oder mit den Eigenschaften der als solche erkennbaren geographischen Region vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden können, scheitert das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (EuGH Chiemsee, a. a. O., Nr. 31; Ullmann, GRUR 1999, 666, 672). Dagegen ist nicht erforderlich, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis im Sinn der früheren deutschen Rechtsprechung besteht (EuGH Chiemsee, a. a. O., Nr. 35).

Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt die Bezeichnung „Madrid“ für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen einem Eintragungsverbot. Es kann davon ausgegangen werden, dass die spanische Hauptstadt Madrid erheblichen Teilen der angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise bekannt ist. Für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist Madrid geeignet, als geographische Herkunftsangabe zu dienen.

Dafür spricht insbesondere der von der Markenstelle ermittelte Internetausdruck, wonach sich in Madrid eine Textilindustrie befindet. Auch wenn die beanspruchten Schuhwaren in dem Internetausdruck nicht ausdrücklich erwähnt werden, entfällt dadurch nicht etwa das Eintragungshindernis für Schuhwaren. Eine Eignung als geographische Herkunftsangabe, kommt nämlich auch dem Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass die Verbraucher eine Verbindung zu den beanspruchten Waren/Dienstleistungen herstellen können. Bei wirtschaftlich bedeutenden Orten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geographische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für nahezu alle Waren benötigt werden.

Das Eintragungsverbot besteht entgegen der von der Anmelderin im Amtsverfahren vertretenen Auffassung auch bezüglich der Dienstleistungen der Klasse 35. Selbst wenn Madrid nicht der Erbringungsort dieser Dienstleistungen wäre, änderte dies nichts daran, dass Madrid auch für diese Dienstleistungen eine Herkunftsangabe darstellen kann.

Da die Anmelderin ihre Beschwerde nicht begründet hat, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sie die angefochtene Entscheidung der Markenstelle für anfechtbar erachtet.

Ob einer Registrierung der angemeldeten Marke auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

I