BPatG: Wie der Käptn Sharky im Porzellanladen! / Zur Verwechselungsgefahr von Marken bei Verwendung gekreuzter Schwerter

veröffentlicht am 13. Oktober 2010

BPatG, Beschluss vom 26.05.2010, Az. 27 W (pat) 200/09
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

Das BPatG hatte sich in dieser Entscheidung mit Käptn Sharky zu befassen, nachdem dieser dem traditionsreichen Unternehmen Meissener Porzellan Kopfschmerzen bereitete. Im Einzelnen ging es um die Verwechselungsgefahr dieser Marke

Käptn Sharky

und dieser

Meissener Porzellan

Das Bundespatentgericht konnte eine Verwechselungsgefahr nicht bestätigen. Zur Entscheidung im Volltext:



Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 32 894

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2010 durch … beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Gegen die am 22.05.2006 angemeldete und am 18.10.2006 eingetragene Wort-/Bildmarke 306 32 894 hat die Widersprechende am 19.12.2006 aus ihrer am 20. August 1990 angemeldeten Wort-/Bildmarke 1184201 die seit 17.03.1992 für

Kaffee-, Tee-, Mokka- und Speiseservices sowie Figuren aus Porzellan, Plastiken aus Porzellan und Feinsteinzeug; Geschenkartikel aus Porzellan, Glas und Feinsteinzeug; Vasen, Schalen, Dosen, Trinkgläser, auch aus Glas; Essbestecke aus Silber, versilbert und aus Stahl; Wandplatten und Wandbilder aus Porzellan und Keramik; Fliesen; Spiele, ganz oder teilweise aus Porzellan oder Feinsteinzeug; Spielzeug, nämlich Figuren aus Porzellan oder aus Porzellan und Glas/Keramik; Beleuchtungsgeräte; Haus- und Küchengeräte aus Porzellan, Glas, Keramik, Edelmetallen; Kunstgegenstände, Kochgeräte, Baustoffe, Uhren aus Porzellan, Glas und Keramik; Modeschmuck, Manschettenknöpfe, Krawattennadeln, Papierwaren, nämlich Schreibpapier; Plastiktüten, Druckereierzeugnisse, Büroartikel, nämlich nichtelektrische Bürogeräte; Aufkleber, Lederwaren, nämlich Taschen, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen, Koffer, Gürtel; Textilstoffe, Textilhandtücher, Tisch- und Bettwäsche; Tabakdosen; Zigarettenartikel, nämlich Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, Zigarren- und Zigarettenetuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetallen, deren Legierungen oder damit plattiert); Feuerzeuge, Streichhölzer, Parfüme, Kosmetika

eingetragen ist, Widerspruch eingelegt, den sie am 24. Juni 2008 auf die von der angegriffenen Marke u. a. beanspruchten Waren der Klasse 21 beschränkt hat, nämlich auf

Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und/oder Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Putzzeug; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Abfalleimer; Abschminkgeräte (nicht elektrisch); Aerosolzerstäuber, nicht für medizinische Zwecke; Babybadewannen (tragbare); Babyflaschenwärmer (nicht elektrisch); Becher, nicht aus Edelmetall; Behälter für Haushalt und Küche, nicht aus Edelmetall; bemalte Glaswaren; Bierkrüge; Blumentöpfe und Blumenübertöpfe, nicht aus Papier; Bonbonnieren, nicht aus Edelmetall; Brotbretter; Brotkästen; Brotkörbe; Bürsten und Bürstenwaren, soweit in Klasse 21 enthalten; Büsten, Figuren, Statuen und/oder Statuetten aus Porzellan, Ton oder Glas; Butterdosen; Eierbecher, nicht aus Edelmetall; Eimer aller Art; Eiskübel; Flaschen; Flaschenöffner; Gefäße, nicht aus Edelmetall, für Haushalt oder Küche; Gießkannen; Glasbehälter; Gläser (Gefäße); Glaskugeln; Glasmosaiken, nicht für Bauzwecke; Isolierbehälter, -gefäße, -flaschen, insbesondere Kühltaschen; Kämme; Kammetuis; Kannen, Krüge und/oder Karaffen, nicht aus Edelmetall; Keksdosen; Keramikerzeugnisse für den Haushalt; Kochgeschirr; Korkenzieher; kosmetische Geräte; Kristallglaswaren; Kuchenformen; Nachttöpfe; Nagelbürsten; Obstschalen; Opalglaswaren; Papier- oder Plastikbecher; Papierteller; Picknickkoffer (Geschirr); Plätzchen-, Keksausstechformen; Proviantdosen; Puderdosen, nicht aus Edelmetall; Schilder aus Porzellan oder Glas; Schuhanzieher; Schuhbürsten; Schuhspanner; Schüsseln und Schalen, nicht aus Edelmetall; Seifendosen, -halter, -schalen, -spender; Sparbüchsen, nicht aus Metall; Tafelservice, nicht aus Edelmetall; Teeservice, nicht aus Edelmetall; Toilettenecessaires; Toilettengeräte (Körperpflege); Töpfe; Töpferwaren; Topflappen; Vasen, nicht aus Edelmetall; Waschwannen; Zahnbürsten; Zahnseiden.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 28. Mai 2009 mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, hinsichtlich Tee- und Speiseservices bestehe Warenidentität, die Widerspruchsmarke verfüge bei Porzellanwaren und Geschirr über eine erhöhte Kennzeichnungskraft, und die angesprochenen Verkehrskreise würden viele der strittigen Waren ohne große Aufmerksamkeit erwerben, aber die Bilder seien sich nicht ähnlich genug, um eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Das Motiv der gekreuzten Schwerter sei üblich, wie das Beispiel Wilkinson zeige.

Dieser Beschluss wurde der Widersprechenden am 04.06.2009 zugestellt.

Sie hat am 02.07.2009 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke verfüge über eine extrem gesteigerte Kennzeichnungskraft.

Die Marken stimmten in ihrem jeweiligen bildlichen Gesamteindruck überein. Die gekreuzten Schwerter seien im angegriffenen Zeichen dominierend. Ihnen komme nach der EuGH-Rechtsprechung (GRUR 1998, 387 – Sabel) sogar Motivschutz zu. Jedenfalls werde das angegriffene Zeichen als Abwandlung der Widerspruchsmarke empfunden, so dass eine mittelbare, begriffliche bzw. assoziative Verwechslungsgefahr bestehe.

Dass gekreuzte Schwerter als Motiv verbraucht seien, habe die Inhaberin des angegriffenen Zeichens lediglich behauptet. Eine tatsächliche Benutzung der von ihr zitierten Zeichen habe sie nicht dargetan.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss vom 04.06.2009 aufzuheben und die Löschung der Marke 306 32 894 anzuordnen.

Demgegenüber beantragt die Inhaberin des angegriffenen Zeichens, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es fehle jede Zeichenähnlichkeit. Das angegriffene Zeichen weise durch den Fisch mit Augenklappe und die wuchtigen Säbel auf Piraten hin, was der Widerspruchsmarke völlig fremd sei. Diese habe auch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft, da das Motiv gekreuzter Stich- und Hiebwaffen verbraucht sei.

Entsprechend habe das LG Köln in seinem Urteil vom 29.04.2009 eine Löschung des angegriffenen Zeichens abgelehnt und dazu ausgeführt, es könne unterstellt werden, dass es sich bei der Klagemarke „Gekreuzte Schwerter“ um eine Marke mit einem hohen Bekanntheitsgrad handle. Auch könne unterstellt werden, dass zwischen den beanspruchten Waren teilweise Identität, zumindest Ähnlichkeit bestehe. Die Marken seien sich aber dennoch nicht ähnlich. Dies ergebe schon der Vergleich der dargestellten Waffen. Die Klagemarke beinhalte zwei gekreuzte Schwerter. Deren Darstellung sei filigran und stilisiert ohne Ausprägungen im Detail. Die Marke der Beklagten bilde demgegenüber Säbel ab. Deren Darstellung zeige ausgeprägte und wuchtige Griffe sowie Klingen. Als weiteres den Gesamteindruck prägendes Bildelement enthalte die Marke der Beklagten einen Haifisch, der in gleicher Weise wie die Säbel wahrgenommen werde; beide Elemente bildeten eine Einheit. Die Assoziation „Piratenmotiv“ sei bei der Marke der Beklagten eindeutig. An Meissener Porzellan werde der Verbraucher dabei nicht denken, so dass auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn bestehe.

II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Es besteht nach Auffassung des Senats keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren, Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie Art und Aufmerksamkeit des beteiligten Publikums, besteht eine Wechselwirkung. So kann etwa ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Dienstleistungen oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (EuGH GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2005, 326 – IL PATRONE / PORTONE).

Danach ist vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.

Selbst im Bereich der Warenidentität und hoher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reichen die von der Markenstelle zutreffend angeführten Unterschiede in den Marken aus, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Bildlich unterscheiden sich die Marken aufgrund der graphischen Gestaltung der Widerspruchsmarke und des angegriffenen Zeichens ausreichend. Der Fisch im angegriffenen Zeichen geht neben den Krummsäbeln weder von der Größe noch von der Anordnung her optisch unter.

Die als Hilfsüberlegung zur unmittelbaren Verwechslungsgefahr zu prüfende komplexe Ähnlichkeit ist ebenfalls nicht gegeben. Hier führt gerade das Zusammenwirken aller Umständen zur Unterscheidbarkeit der Marken, da das angegriffene Zeichen ein „Piratenimage“ aufweist und sich auch damit von der filigran eleganten Widerspruchsmarke absetzt.

Mittelbare Verwechslungsgefahr ist nicht gegeben. Diese Art der Verwechslungsgefahr könnte gegeben sein, wenn die Verbraucher zwei an sich unterschiedliche Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnen. Einen solchen Bestandteil bilden die unterschiedlichen Schwerter/Säbel nicht.

Irrige Herkunftsvorstellungen können nur entstehen, wenn die Abweichungen so unauffällig sind, dass sie nicht bemerkt werden. Das ist hier nicht der Fall. Beide Marken enthalten zwar gekreuzte Säbel, Schwerter oder Degen; diese sind aber so verschieden gezeichnet, dass der Verbraucher keiner assoziativen Verwechslungsgefahr unterliegen wird.

Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar zu behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, würden von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ohnehin nicht erfasst (EuGH GRUR 1998, 387, 389, Nr. 18 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 886, 887 – Bayer/BeyChem; GRUR 2002, 544, 547 – BANK 24).

In der Graphik des angegriffenen Zeichens wurde nicht die bekannte Schwerterform der Widerspruchsmarke in einen anderen Kontext gestellt. Im angegriffenen Zeichen verbinden sich Fisch und Säbel. Die Verwechslungsgefahr ist aber umso geringer einzustufen, je mehr sich der Bestandteil in die jüngere Gesamtkombination integriert und je weniger er der Widerspruchsmarke ähnelt.

Die Gefahr, dass die Marken im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, wäre nur gegeben, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen würden, den die Verbraucher als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansehen und deshalb nachfolgende Bezeichnungen mit einem gleichen oder wesensgleichen Stamm demselben Zeicheninhaber zuordnen (vgl. BGH GRUR 1996, 200 – INNOVADICLOPHLONT; vgl. ferner STRÖBELE/HACKER, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 466 ff.). Die Widersprechende hat aber nicht dargetan, dass sie unterschiedliche Hieb- und Stichwaffen in gekreuzter Form oder ergänzt durch verschiedene thematische Darstellungen verwendet.

Insgesamt besteht deshalb ein so geringer Ähnlichkeitsgrad der Marken, dass selbst bei Identität der Waren und hoher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie Berücksichtigung allgemeiner Verkehrskreise keine Verwechslungsgefahr besteht.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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