BVerfG: Zur (nicht bestehenden) „Prangerwirkung“ bei Veröffentlichung von Zitaten aus E-Mail-Korrespondenz

veröffentlicht am 8. April 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBVerfG, Beschluss vom 18.02.2010, Az. 1 BvR 2477/08
Art. 5 Abs. 1; Art. 103 Abs. 1 GG
; §§ 823 Abs. 1, Abs. 2; 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

Das BVerfG hat mit einer Pressemitteilung vom 07.04.2010 mitgeteilt, dass die (bereitwillige) Annahme der Gerichte, die Veröffentlichung eines Zitats beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Erklärenden, „erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken“ begegne. Soweit die Gerichte hier auf die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe der sogenannten „Prangerwirkung“ abgestellt hätten, fehle es an einer  nachvollziehbaren Begründung. Die Urteilsgründe ließen insbesondere  nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers  ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder  wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen habe können, wie es der Annahme  einer Anprangerung vorausgesetzt sei. Es erscheine vielmehr schon  zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen  die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahre, überhaupt geeignet  sei, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.

Der Beschwerdeführer betrieb eine Internetseite, auf der er die „N. Zeitung online“ publiziert. Er beabsichtigte, dort einen Artikel des Autors R. zu veröffentlichen, der sich mit einem Rechtsstreit befasste,  in dem R. auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Buches in Anspruch genommen wurde. Deshalb fragte der Beschwerdeführer schriftlich bei dem Sozius des Rechtsanwalts H., der den Kläger in jenem Rechtsstreit  vertrat, an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für  die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils unfreundlichen, teils ironischen Ton gehalten. Der Sozius (im Folgenden: Kläger) widersprach ausdrücklich der Nutzung von Bildern seiner Person und seines Sozius H. und drohte dem Beschwerdeführer mit rechtlichen Schritten. Im Zusammenhang mit dem anschließend veröffentlichten Artikel des R. auf seiner Website, in dem sowohl das Auftreten als auch die äußere Erscheinung des Prozessvertreters H. kommentiert wurden, merkte die Redaktion an, dass der Beschwerdeführer auf Anfrage „ein eindrucksvolles Homepage-Foto seiner Kanzlei zu R.s Glosse nicht habe freigeben wollen“. Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie einer weiteren E-Mail, mit der H. ausdrücklich der Verwendung seines Bildes widersprochen hatte, wörtlich wiedergegeben.

Das LG Berlin hatte einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht. Der Kläger werde durch die  Wiedergabe seiner harsch formulierten Ablehnung auf der Website des Beschwerdeführers öffentlich als jemand vorgeführt, der auf eine  schlichte Anfrage mit einer scharfen Drohung reagiere. Die dadurch  erfolgte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege schwerer als das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Information. Die  Berufung des Beschwerdeführers war nach entsprechendem Hinweis gem. §  522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden.

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