Filesharing: Plant die Rechtsanwaltskanzlei U+C zum 01.09.2012 einen als „Gegnerliste“ aufgemachten öffentlichen „Internetpranger“ für die abgemahnten Anschlussinhaber? / Abwehrmöglichkeiten

veröffentlicht am 20. August 2012

Die Kanzlei Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (U+C) hat angekündigt, „voraussichtlich ab dem 01.09.2012“ unter dem Link „http://www.urmann.com/gegnerliste.htm“ eine „Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die uns Mandat erteilt wurde oder Mandat erteilt ist zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Tätigkeit“ zu veröffentlichen. Pikant an dieser Mitteilung ist, dass die Kollegen von U+C zahlreiche Rechteinhaber aus dem Erotik- und Pornobereich vertreten und nicht jedem Anschlussinhaber, der wegen des illegalen Downloads eines solchen Films abgemahnt worden ist, daran gelegen ist, nunmehr öffentlich namentlich mit einer solchen Tätigkeit in Verbindung gebracht zu werden. Was wir davon halten? Eine solche „Gegnerliste“ wäre krass rechtswidrig. Den Kollegen kommt auch nicht die Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 12.12.2007, Az. 1 BvR 1625/06 zu Gute. Im Einzelnen:

1.
Es handelt sich um ein Ankündigung und noch nicht um Tatsachen. Die gewählte Frist von mehreren Wochen deutet darauf hin, dass es sich, zumal eine Gegnerliste in kürzester Zeit zu erstellen ist, um eine Drohgebärde handelt.

2.
Die Veröffentlichung einer solchen Gegnerliste wäre aus unserer Sicht zweifellos rechtswidrig. Eine solche, vornehmlich gegen Privatpersonen gerichtete Liste wäre nicht von der oben genannten Entscheidung des BVerfG gedeckt. Diese befasste sich mit einer Liste von „mehreren hundert gewerblichen Gegnern“ und prüfte anhand von Art. 12 Abs. 1 GG das Recht auf Berufsausübungsfreiheit, genauer: Werbefreiheit. In dem vom Senat zu entscheidenden Fall hatte ein Unternehmen die Gegnerliste als Werbemittel genutzt, um Interessenten anzuzeigen, dass man gegen die aufgeführten Unternehmen, die samt und sonders gewerblich in Erscheinung getreten waren, rechtlich tätig geworden sei.

Die o.g. Gegnerliste kann einen solchen Zweck nicht erfüllen, da die des illegalen Filesharings beschuldigten Anschlussinhaber im Zeitpunkt des Rechtsverstoßes überhaupt noch nicht bekannt sind. Vielmehr dient die Mandatierung von Kanzleien wie U+C auch der Ermittlung des Störers durch Erwirkung gerichtlicher Auskunftsbeschlüsse. Damit kann der Zweck der Gegnerliste lediglich der Bloßstellung der genannten Anschlussinhaber und der Ausübung von Druck für die Abgabe einer Unterlassungserklärung bzw. Zahlung von Abmahngebühren dienen. Dies wiederum honoriert die Rechtsprechung als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eher nicht (vgl z.B. LG Hamburg, Urteil vom 31.07.2009, Az. 325 O 85/09, hier). Auch handelten die Anschlussinhaber im Gegensatz zu dem o.g. Unternehmen im Rahmen ihrer Privatsphäre, selbst wenn das Ausmaß ihrer Tätigkeit in Hinblick auf die Folgen (Verbreitung des Werks) aus urheberrechtlicher Sicht von den Gerichten häufig als „gewerblich“ eingestuft wird. Pikanterweise hat auch das BVerfG in seiner o.g. Entscheidung bereits angedeutet, dass die Verletzung der „Geschäftsehre der Klägerin“ als Teil des unternehmerischen Persönlichkeitsrechts von Art. 2 Abs. 1 GG“ grundsätzlich einen Hinderungsgrund für die Aufführung in der Gegnerliste darstellen kann (was in jenem Falle allerdings verneint wurde).

3.
Auch wenn es sich nur um eine Drohgebärde von U+C handelt, mit der man offensichtlich wieder etwas Bewegung in die „träge Herde“ bringen möchte, birgt schon die Ankündigung ein erhebliches Risiko. Denn die inhaltlich sehr konkrete Ankündigung mag als „Erstbegehungsgefahr“ gewertet werden, was zu einer Abmahnung und entsprechenden gerichtlichen Schritten durch den Anschlussinhaber führen kann. Dass einzelne Anschlussinhaber nicht genannt werden, erscheint uns unschädlich, da umgekehrt keine Erklärung erkennbar ist, dass die Veröffentlichung nur ausgewählte Anschlussinhaber aufführen solle. Da grundsätzlich alle „bloßgestellten“ Anschlussinhaber, welche von U+C abgemahnt wurden, über diese Abwehrrechte verfügen, könnte sich eine für U+C nicht gerade vergnügungssteuerpflichtige Abmahnungs- bzw. Klagewelle in entgegengesetzte Richtung einstellen.

Die vorbeugende Einschaltung der Nürnberger Rechtsanwaltskammer, welche für U+C zuständig ist, erscheint angesichts des zu erwartenden Umfangs der geplanten Maßnahme nicht gänzlich aussichtslos.

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