LG Arnsberg: Alkoholfreies Bier darf als „vitalisierend“ beworben werden

veröffentlicht am 7. April 2014

LG Arnsberg, Urteil vom 19.12.2013, Az. 8 O 99/13
§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; Art. 10 Abs. 1, Abs. 3 HCVO

Das LG Arnsberg hat entschieden, dass die Werbung für ein alkoholfreies Bier mit dem Begriff „vitalisierend“ zulässig ist und insbesondere nicht gegen die sog. Health-Claim-Verordnung verstößt. Es handele sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen benutzt werden dürfe. Vielmehr sei es eine Angabe zum allgemeinen Wohlbefinden, welche von den Verboten der HCVO nicht erfasst sei. Zudem sei der Begriff in der speziellen Werbung eher auf den Werbeträger als Wortspiel bezogen als auf das Bier selbst. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Arnsberg

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Er macht gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche im Hinblick auf eine Werbekampagne geltend. Die Beklagte vertreibt ihr Erzeugnis „X Alkoholfrei“ mit Rückseitenetiketten, die sich auch auf der Schauseite von Sechserpackungen wiederfinden, auf denen die Worte „isotonisch“, „erfrischend“ sowie „vitalisierend“ zu lesen sind, wobei sich hinter den Worten jeweils ein Häkchen (sogenanntes „positives Häkchen“) befindet. Wegen des Erscheinungs- und Darstellungsbildes wird auf die Anlage A zum Klageantrag gemäß Seite 2 der Klageschrift vom 31.07.2013 (Bl. 4 / 5 d. A.) Bezug genommen.

Der klagende Verband ist der Ansicht, jedenfalls die gewerbliche Verwendung der Angabe „vitalisierend“ stelle sich als unzulässige geschäftliche Handlung dar, so dass der Unterlassungsanspruch begründet sei. Dies ergebe sich daraus, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs „vitalisierend“ um eine verbotene Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben handele. Diese Rechtsansicht führt der klagende Verband insbesondere in der Klageschrift vom 31.07.2013, ergänzend im Schriftsatz vom 22.11.2013, auf deren Inhalt insoweit verwiesen wird, aus.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu

250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erzeugnis „X Alkoholfrei“ mit der Angabe „vitalisierend“ zu werben, wenn dies wie auf dem Rückenetikett der Flaschen und/oder auf den sogenannten „Sixpacks“ so erfolgt wie aus der Anlage A zu diesem Antrag (Bl. 4/5 d .A.) ersichtlich wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, bei der Verwendung des Begriffes „vitalisierend“ handele es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe. Dies folge schon daraus, dass sich dieser Begriff auf allgemeine Produktvorzüge wie Sensorik und den Geschmack beziehe, nicht aber auf die Gesundheit. Im Übrigen fehle es auch deshalb an einer gesundheitsbezogenen Angabe, weil es sich bei der Verwendung dieses Wortes vor dem Hintergrund, dass – wie zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig ist – auf den Rückseitenetiketten der Flaschen als Werbeträger die als Boxprofis bekannten Brüder P1 zu sehen sind, von denen einer bekanntlich mit Vornamen „P2″ heißt, um ein bloßes Wortspiel handele.

Schließlich beruft sich die Beklagte mit der Behauptung, die von dem klagenden Verband angegriffene Bewerbung des Getränkes „X Alkoholfrei“ werde seit dem März 2011 betrieben und sei dem klagenden Verband seit diesem Zeitpunkt bekannt, ergänzend auf die Einrede der Verjährung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I.
Der geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, § 3, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Artikel 10 Abs. 1, Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, der sogenannten „Health-Claim-Verordnung“ (im Folgenden: HCVO). Denn der Anwendungsbereich dieser Verordnung ist nicht eröffnet, weil dieser ausweislich der Regelung in Artikel 1 Abs. 2 HCVO nur für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, gilt, während die von dem klagenden Verein als unzulässig erachtete Bewerbung des Produktes „X Alkoholfrei“ aber solche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben nicht enthält.

Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der nährwertbezogenen Angaben behauptet der klagende Verband das selbst nicht. Entgegen der von ihm vertretenen Ansicht handelt es sich vorliegend bei dem Ausdruck „vitalisierend“ aber auch nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Artikels 1 Abs. 2 HCVO:

Die Kammer schließt sich der Auffassung an, dass der Begriff der gesundheitsbezogenen Angaben nicht auch das allgemeine Wohlbefinden umfassen soll (BGH, GRUR 2011, 246, 247 m. w. N.). Dies ergibt sich aus einer Definition des Begriffes „vitalisierend“. Dieser ist ein Synonym für die folgenden Worte: aktivierend, anregend, aufmunternd, belebend, erfrischend, erquickend, stimulierend. Da der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe jeden Zusammenhang erfasst, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161; 2013, 189; BGH, GRUR 2013, 958, 959), kann vorliegend eine gesundheitsbezogene Angabe nicht bejaht werden. Denn dass der Genuss des Bieres „X Alkoholfrei“ eine Verbesserung des Gesundheitszustandes herbeiführen soll, lässt sich allein aus der Bewerbung des Produkts mit dem Ausdruck „vitalisierend“ nicht entnehmen, weil keinem der soeben dargestellten, die gleiche Bedeutung enthaltenden Worte die Bedeutung eines verbesserten Gesundheitszustandes zukommt.

Im Übrigen dürfte es am Vorliegen einer gesundheitsbezogenen Angabe auch schon deshalb fehlen, weil in Zusammenschau mit dem Umstand, dass die Bewerbung mit dem Ausdruck „vitalisierend“ vor dem Hintergrund eines Bildes der P1-Brüder auf den jeweiligen Etiketten der Flaschen aufgedruckt ist, gewahr wird, dass sich der Ausdruck „vitalisierend“ vorliegend nicht auf einen Gesundheitszustand, sondern auf den Werbeträger P2 bezieht.

Vor diesem Hintergrund weist die Kammer nur ergänzend darauf hin, dass dann, wenn man anderer Ansicht sein wollte, die Werbeaussage „vitalisierend“ lediglich unspezifische Angaben im Sinne von Artikel 10 Abs. 3 HCVO enthält und auch deshalb nicht unzulässig ist. Die Kammer schließt sich in diesem Zusammenhang den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 958, 959) an, dass jedenfalls so lange, wie die Listen nach Artikel 13 und 14 der HCVO nicht erstellt sind, Artikel 10 Abs. 3 HCVO noch nicht vollzogen werden kann.

II.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, § 3, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 11 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (im Folgenden: LFGB). Denn der Anwendungsbereich ist nicht eröffnet, weil aus dem Vortrag der Parteien nicht folgt, dass vorliegend seitens der Beklagten eine „zur Täuschung geeignete Bezeichnung“ verwendet worden ist. Es fehlt daher an der durch § 11 Abs. 1 LFGB vorausgesetzten Eignung zur Irreführung.

III.
Aus diesem Grunde ergibt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 § 3, § 5, § 5a UWG.

IV.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, § 3, § 1 UWG ergibt. Zwar hat der BGH in früheren Zeiten (Urteil vom 27.02.1980 – I ZR 8/78 -, GRUR 1980, 797 ff.) einen Unterlassungsanspruch unter dem Aspekt der „alkoholbezogenen Gesundheitswerbung“ bejaht. Vorliegend geht es jedoch um alkoholfreies Bier, so dass auch dieser allgemeine Unterlassungsanspruch nicht greift.

V.
Da weitere, das klägerische Anspruchsbegehren stützende Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

I