LG Bochum: Axel Gronen darf die Schmidt Wellness GmbH als „Massenabmahner“ bezeichnen und mehr

veröffentlicht am 12. Dezember 2008

LG Bochum, Urteil vom 17.11.2008, Az. 2 O 762/08
§§ 823, 1004 BGB

Das LG Bochum hat entschieden, dass die Schmidt Wellness GmbH als „Massenabmahner“ bezeichnet werden darf. Die Schmidt Wellness GmbH hatte in der jüngeren Vergangenheit, vermutlich vor allem zum Zwecke der Erzielung rechtsanwaltlicher Abmahngebühren, eine technische Panne der Internethandelsplattform eBay ausgenutzt, derzufolge bei eBay hinterlegte Widerrufsbelehrungen der Onlinehändler nicht angezeigt wurden und stattdessen sich ein Hinweis „Der Verkäufer nimmt diesen Artikel nicht zurück“ fand, und an betroffene Onlinehändler massenhaft Abmahnungen wegen wettbewerbsrechtlichen Verstoßes verschickt. Der Verfügungsbeklagte Axel Gronen hatte sich gegen diese „Abzocke“ im Namen der Onlinehändler gewehrt und einen Bericht über das Abmahnverhalten der Schmidt Wellness GmbH (Bericht) und dessen Prozessbevollmächtigten verfasst. Hiergegen wehrte sich die Firma Schmidt Wellness GmbH zunächst mit einer außergerichtlichen Unterlassungsaufforderung (Abmahnung), sodann per Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das LG Bochum entschloss sich, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. In dieser konnte der Verfügungsbeklagte Gronen 30 streitgegenständliche Abmahnungen vorlegen. Das LG Bochum hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nunmehr per Urteil abgelehnt und die Äußerungen Gronens einerseits als zutreffend, andererseits als durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt angesehen. Mitunter darf Gronen auch seine frühere Behauptung aufrecht erhalten: „Der Abmahnanwalt ist interessanterweise Andreas G. aus K., der früher den Betrügerverein ‚Ehrlich währt am längsten‘ vertrat.“ und zu Sanktionen gegenüber der Schmidt Wellness GmbH aufrufen. Dem Vernehmen nach soll die Angelegenheit durch die Schmidt Wellness GmbH noch im Hauptsacheverfahren vor einem anderen Gericht weiterverfolgt werden.

Landgericht Bochum

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Fa. Schmidt Wellness GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn Dieter Schmidt, Herrn Karl Best. Schermbecker Landstraße 73-81, 46485 Wesel

gegen

Herrn Axel Gronen, …

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.2008 durch … für Recht erkannt:

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungsklägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin handelt u.a. auf dem Onlinemarktplatz ebay mit Artikeln aus dem Freizeitbereich. Sie ließ Ober ihren Prozessbevollmachtigten in der Vergangenheit Mitbewerber abmahnen. Aufgrund einer technischen Panne, die eine Vielzahl gewerblicher Verkäufer betraf, erschien Im Oktober 2008 in den online-Anzeigen dieser Verkäufer folgende Meldung: „Der Verkäufer nimmt diesen Artikel nicht zurück“. Die Verfügungsklägerin nahm dies zum Anlass, in etwa 30 Fällen Abmahnschreiben an Mitbewerber zu versenden und vermeintlich verwirkte Vertragsstrafen einzufordern. Dies kritisiert der Verfügungsbeklagte auf seiner Internetseite. Für die – unstreitigen – Äußerungen des Verfügungsbeklagten im Einzelnen wird auf die Anlagen zur Antragsschrift der Verlügungsklägerin und die zitierten Passagen im Antrag der Verfügungsklägerin Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,  dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren) aufzugeben, es zu unterlassen

1. nachfolgende Aussage öffentlich zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen: „Im Gegenteil: eBay-Verkäufer www-schmidt-freizeit-de war selbst Opfer der eBay-Panne, auch dort wurde der falsche Hinweis „Der Verkäufer nimmt diesen Artikel nicht zurück“ eingeblendet“, sofern die Verfügungsklägerin nicht nachweisbar betroffen war,

2. von einer .Massenabmahnung“ zu sprechen,

3. die Verfügungsklägerin mit dem Verein „Ehrlich währt am längsten“ in Verbindung zu bringen oder durch Verlinkungen den Eindruck eines Zusammenhanges zu erwecken, wie im Schreiben vom 05.11.2008 dargestellt geschehen,

4. zu Folgendem öffentlich aufzurufen: „Meine Bitte:  Schreiben Sie eBay an und fordern Sie eBay dazu auf, www-schmidt-freizeit-de vom Handel auszuschließen!“,

5. Vertrags partner der Verfügungsklägerin anzuschreiben und diese darum zu bitten, die Zusammenarbeit mit der Verfügungsklägerin einzustellen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, wie erkannt.

Er behauptet, auch die Verfügungsklägerin sei von der technischen Panne bei eBay betroffen gewesen und verteidigt seine Kritik als freie Meinungsäußerung.  Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist unbegründet.

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 823,1004 BGB liegen nicht vor.

Die im Antrag zu 1 zitierte Außerung ist wahr. Dies hat der Antragsgegner durch die vorgelegte Auskunft von ebay vom 10.11.2008 glaubhaft gemacht. Die dies in Abrede stellende Äußerung des Mitarbeiters Schmidt der Antragstellerin in der Verhandlung am 17.11.2008 besitzt nach Auffassung der Kammer nicht denselben Beweiswert wie die Stellungnahme des neutralen Online-Anbieters ebay. Die im Antrag zu 2 zitierte Äußerung ist ebenfalls wahr. In mindestens 30 Fällen hat die Antragstellerin abgemahnt. Jedenfalls durfte der Antragsgegner den Begriff „Massenabmahner“ im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsaußerung gemäß Art. 5 GG als Werturteil benutzen. Der Antragsgegner durfte auch äußern, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin früher den Verein „Ehrlich währt am längsten“ vertreten hat. Auch dieser Hinweis trifft zu. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin hat den Verein „Ehrlich währt am längsten“ zumindest in einem Fall unstreitig vertreten. Schließlich sind auch die mit den Anträgen zu 4 und 5 kritisierten Aufforderungen des Antragstellers im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zulässig.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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