LG Darmstadt: Wann liegt ein Urheberrechtsverstoß von „gewerblichem Ausmaß“ vor (§ 101 UrhG)?

veröffentlicht am 19. April 2009

LG Darmstadt, Beschluss vom 09.10.2008, Az. 9 Qs 490/08
§ 101 UrhG

Das LG Darmstadt hat zu der Frage Stellung genommen, wann ein Urheberrechtsverstoß von gewerblichem Ausmaß im Sinne von § 101 UrhG ist. Was unter diesem Begriff zu verstehen sei, werde nicht einheitlich beurteilt. In Anlehnung an § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG, wonach sich das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl als auch der Schwere der Rechtsverletzungen ergeben kann, werde zum Teil auf die Anzahl und die Aktualität der zum Download bereitgehaltenen Musikdateien abgestellt. Die decke sich mit der Entwurfsbegründunbg, wonach das Ausmaß der Handlungen über das hinausgehen müsse, was einer Nutzung zum privaten Gebrauch entspreche (vgl. BT-Drucksache 16/5048, S. 49). Allerdings würden die jeweils vertretenen Größenordnungen zwischen der Bereitstellung lediglich eines aktuellen Kinofilmes oder Musikalbums (Weiden, GRUR 2008, S. 495, 497) bis hin zum Zugänglichmachen von etwa 3.000 Musikstücken oder 200 Filmen (Braun, jurisPR-ITR, 17/2008 Anm. 4, unter D.) schwanken.

Indessen würde in der Rechtsprechung bisweilen an den handels- und zivilrechtlichen Gewerbebegriff angeknüpft. Demnach solle eine selbständige, planmäßige und auf Dauer angelegte Tätigkeit erforderlich sein, die in der Absicht der Gewinnerzielung erfolge und äußerlich erkennbar auf zumindest einem Markt hervortrete (LG Frankenthal, Beschluss vom 26.09.2008, Az. 6 O 340/08; Beschluss vom 15.09.2008, Az. 6 O 325/08).

Richtigerweise sei der Begriff jedoch im Lichte des höherrangigen sekundären Gemeinschaftsrechts auszulegen, da § 101 UrhG in Umsetzung von Art. 8 der Enforcement-Richtlinie erlassen worden sei (EU-RL 2004/48/EG, ABl. EU Nr. L 195, S. 16). Nach Erwägungsgrund 14, der zum integralen Bestandteil der Richtlinie gehöre, zeichneten sich „in gewerblichem Ausmaß“ vorgenommene Rechtsverletzungen dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines „wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden; dies schließt in der Regel Handlungen aus, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden“.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe begegne es keinen Bedenken, sei ein gewerbliches Ausmaß nach der (erheblichen) Anzahl der fraglichen Dateien und der (erheblichen) Dauer der sog. Sessions zu bestimmen, da die Erlangung eines „wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils“ nicht notwendigerweise auf Geld gerichtet sein müsse. Sie könne sich vielmehr auf jeden beliebigen Vermögensvorteil beziehen, mithin auch – wie es Wesensmerkmal von Tauschbörsen sei – auf das Herunterladen gesuchter Musikstücke, die auf legalem Wege grundsätzlich nur gegen Entgelt zu erlangen wären und daher einen Marktwert besäßen. Der Nutzer, der sich im vorgenannten Sinne des Filesharings bediene, werde auch regelmäßig nicht „in gutem Glauben“ handeln.

Im vorliegenden Falle sei bei einer mehrstündigen Session und dem Bereithalten von 620 Audiodateien von einer Rechtsverletzung im gewerblichem Ausmaß auszugehen.

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