LG Düsseldorf: Branchenbuch-Falle – AGB häufig unwirksam

veröffentlicht am 10. Juni 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2008, Az. 19 S 29/08
§§
305c Abs. 1 BGB

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Vertrag über die Eintragung in einem Branchenverzeichnis nach AGB-Recht unwirksam sein kann. Der Beklagte hatte mit der Klägerin einen Vertrag über einen Branchenverzeichniseintrag für einen Zeitraum von 5 Jahren geschlossen, wobei das Verzeichnis jährlich neu herausgebracht werden sollte. Zahlen musste die Beklagte jedoch nur für den Zeitraum eines Jahres. Die Vertragsurkunde war so aufgebaut, dass zunächst nur der drucktechnisch durch ein gesondertes Kästchen hervorgehobene handschriftlich zu ergänzende lnsertionspreis von 309,00 EUR ins Auge fiel. Dass der Vertrag jedoch für 5 Jahre gelten sollte, ergab sich erst aus dem „Kleingedruckten“, d.h. die Vereinbarung einer fünfjährigen Vertragslaufzeit war ohne besondere drucktechnische Hervorhebung als zweiter Satz in einem fünfeinhalb Zeilen langen Fließtext aus Großdruckbuchstaben über dem Feld der Kundendaten und damit an völlig anderer Stelle „versteckt“. Weitere Preisinformationen über zusätzliche Einträge oder den Bezug der Buchausgabe fanden sich an anderen Stellen.


Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich bei der 5-Jahres-Klausel um AGB, da sie für die Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen vorgesehen war. Darüber hinaus habe es sich aber um eine so genannte überraschende Klausel gehandelt, mit der der Beklagte nicht rechnen musste, auch als Unternehmer nicht. Um die tatsächliche Tragweite des Vertrages zu erkennen, habe sich der Auftraggeber den Gesamtpreis aus verschiedenen über den Vertrag verstreuten Preisangaben zusammensuchen, und unter Berücksichtigung der fünfjährigen Laufzeit eine eigene aufwendige Kostenberechnung durchführen müssen. Dies sei unzulässig und damit unwirksam gewesen.

Landgericht Düsseldorf

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2008  durch … für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.05.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Langenfeld (Az.: 54 C 11/08) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich derenigen der Berufungsinstanz – trägt die Klägerin.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem am 30.11.2005 geschlossenen Werkver­trag über den Eintrag der Beklagten in fünf jährlich erscheinenden Ausgaben eines von der Klägerin herausgegebenen Branchenverzeichnisses für das zweite und dritte Vertragsjahr in Anspruch, nachdem die Beklagte den Werklohn für das erste Ver­tragsjahr ausgeglichen hat. Wegen des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Weiterer entscheidungserheblicher ergänzender Vor­trag tatsächlicher oder rechtlicher Art ist nicht erfolgt.

Das Amtsgericht hat der auf Zahtung von 1.719,09 EUR zuzüglich Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gem. §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB für weitere zwei Jahre.  Es kann letztlich dahinstehen, ob überhaupt ein Werkvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist, weil die Klägerin aus einem etwaigen Werkvertrag lediglich die Vergütung für den Eintrag in einer Jahresgesamtausgabe des von der Klägerin herausgegebenen Branchenbuches verlangen kann.

Denn die Klausel, wonach die Bestellung für fünf jährlich erscheinende Ausgaben ab Vertragsschluss gilt, ist als überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden, so dass der Vertrag lediglich über die Veröffentlichung der Einträge in einer Jahresausgabe geschlossen wäre.

Die Beklagte kann sich auch als Untemehmerin darauf berufen, dass es sich um eine überraschende Klausel gern. § 305c BGB handelt. § 305c BGB gilt auch bei Verwendung von Allgemeinen Geschaftsbedingungen gegenüber Unternehmern (Heinrichs in: Palandt, BGB, § 305c Rn. 2).

Es besteht kein Zweifel, dass es sich bei der Klausel um Allgemeine Geschäftsbe­dingungen handelt. Bei dem Text dieser Urkunde handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Klägenn als Verwenderin ihren Kunden bei Abschluss eines Vertrages stellt.

Die wirksame Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen Vertrag setzt voraus, dass der Verwender dem anderen Teil ermöglicht, vom Inhalt dieser Vertragsbedingungen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Es gehört deshalb zu den Obliegenheiten des Verwenders, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners durch eine entsprechend transparente Ausgestaltung und geeignete Vorformulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darzustellen (LG Saarbrücken, Urteil vom 27.03.2002, NRW-RR 2002, 915).

Diesen Anforderungen wird der Text der hier in Rede stehenden Vertragsurkunde nicht gerecht. Denn die Vertragsgestaltung ist schon hinsichtlich der vom Auftraggeber zu tragenden Kosten unübersichtlich und verwirrend. Entscheidend ist aber, dass sich aus dem Vertragsformular nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ergibt, dass der Vertrag eine Laufzeit von fünf Jahren hat. Nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertragsformulars fällt zunächst nur der drucktechnisch durch ein gesondertes Kästchen hervorgehobene handschriftlich zu ergänzende lnsertionspreis von 309,00 EUR ins Auge. Dass die Bestellung für füOnf jährlich erscheinende Ausgaben gelten soll, ist nicht ausreichend klar erkennbar. Die Vereinbarung einer fünfjährigen Vertragslaufzeit ist nämlich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung als zweiter Satz in einem fünfeinhalb Zeilen langen Fließtext aus Großdruckbuchstaben über dem Feld der Kundendaten und damit an völlig anderer Stelle „versteckt“. Des Weiteren findet sich auch das Entgelt für weitere Eintragungen – nämlich zusätzliche Brancheneinträge für je 198,00 EUR, Eintragung in weiteren Bänden der bundesweiten Ausgabe für zzgl. 198,00 EUR je Ausgabe und BuchbesteIlung der Gesamtausgabe für 20,00 EUR pro Exemplar – ohne besondere Hervorhebung an unterschiedlichen Stellen des Formulars, ohne dass eine übersichtliche Aufstellung der Gesamtkosten erfolgt. Um die wirtschaftliche Belastung durch den Vertrag zu erkennen, muss der Auftraggeber sich vorliegend den Gesamtpreis aus verschiedenen über den Vertrag verstreuten Preisangaben zusammensuchen, und unter Berücksichtigung der fünfjährigen Laufzeit eine eigene aufwendige Kostenberechnung durchführen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Klausel mit der fünfjährigen Vertragslaufzeit überraschend. Die fünfjährige Laufzeit zu erkennen, wird dem Leser durch die gewählte Darstellung erheblich erschwert. Denn die Klägerin hat bewusst eine verwirrende und unübersichtliche Darstellung des Vertragstextes gewählt. Während der Preis je Ausgabe von 309,00 EUR durch Darstellung in einem eigenen Kästchen drucktechnisch hervorgehoben wird, ist der einzige Hinweis auf die fünfjährige Laufzeit nicht etwa aufgrund seiner Bedeutung für den Kunden drucktechnisch erkennbar platziert, sondern im Fließtext zwischen allgemeinen Angaben versteckt.

Dies zusammen genommen belegt, dass diejenigen Passagen des Vertrags, die auf einen Auftrag für eine fünfjährige Laufzeit hindeuten, derart unübersichtlich, undurchschaubar und verklausuliert sind, dass sie die mit ihnen beabsichtigte Bedeutung eher verschleiern und verbergen als herausstellen und durch den unbefangenen Leser entweder übersehen oder in ihrer Tragweite verkannt werden. Dies stellt auch unter Berücksichtigung der im kaufmännischen Verkehr weniger strengen Anforderungen an die Verständlichkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verletzung des Transparenzgebotes dar (so auch LG Saarbrücken a.a.O.).

Dies hat umso mehr zu gelten, wenn man berücksichtigt, dass es sich um einen nicht sehr komplexen Sachverhalt handelt, den die Klägenn ohne Weiteres in einer einfachen, klaren und für jedermann verständlichen Art und Weise hätte darstellen können.

Nach § 305c Abs. 1 BGB werden solche Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Bestandteil des Vertrages, die nach den Umständen, insbesondere dem äußeren Erscheinungsbild der Vertragsurkunde, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht. zu rechnen braucht. Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn den Klauseln ein Überrumpelungs­- oder Übertölpelungseffekt innewohnt, indem sie Regelungen enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweichen und mit denen dieser den Umständen nach nicht zu rechnen braucht. Als zusätzliches Tatbestandsmerkmal stellt § 305c 8GB auf den Überraschungseffekt der Klausel ab.

Sowohl die Ungewöhnlichkeit der Klausel als auch der Überraschungseffekt ergeben sich vorliegend unter den vorstehend dargestellten Gesichtspunkten. Durch die Ausgestaltung des Formulars wird bei den Kunden der Eindruck erweckt, dass es grundsätzlich nur um die Veröffentlichung in einer Ausgabe geht. Demgegenüber enthält das Vertragsformular die aufgezeigte unübersichtliche Regelung einer Beauftragung zur Veröffentlichung in fünf jährlich erscheinenden Ausgaben.

Die Regelungen des Vertrages, die den Auftrag auf fünf jährlich erscheinende Ausgaben erstrecken, sind damit nicht Bestandteil des zwischen, den Parteien geschlossenen Vertrages geworden, da sie überraschende Klauseln im Sinne des § 305c 8GB sind.

Daher kann dahinstehen, ob die Klägerin den Vertrag überhaupt erfüllt hat. Die Beklagte hat nämlich erstinstanzlich hilfsweise vorgetragen, der Abdruck sei entgegen der Vereinbarung nicht in allen drei Bänden, sondern lediglich in einem Band erfolgt und die Bände seien der Klägerin auch nicht als Belegexemplar entsprechend der Vereinbarung übersendet worden. Die Klägerin hat hierauf im nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich behauptet, die Belegexemplare seien übersendet worden, und hierzu einen Report als Anlage (K 7) vorgelegt, in dem tabellarisch die übersendeten Bände aufgeführt sind und der darüber hinaus eine Auflistung der Ausgaben und Bande mit den jeweiligen Seitenzahlen, in denen der Abdruck des Eintrags der Beklagten erfolgt ist, enthält. Das Amtsgericht hat diesbezüglich in den Urteilsgründen ausgeführt, die Klägerin habe hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt, dass die Anzeige für sämtliche Anzeigenjahre 2006, 2007 und 2008 in allen drei Bänden unter den auf der Anlage K 7 angegeben Buchseiten erfolgte. Abgesehen davon, dass es an einem derartigen Vortrag der Klägerin fehlt, die Klägerin vielmehr ohne jeglichen Sachvortrag die Anlage K 7 in anderem Zusammenhang vorgelegt hat, hätte das Amtsgericht die Anlage K 7 nicht verwerten dürfen, ohne zuvor der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Denn die Anlage K 7 wurde erst im nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung übersendet und steht im Widerspruch zum Vortrag der Beklagten. Letztlich braucht die Frage, ob die Klagerin überhaupt die Einträge in sämtlichen Bänden der streitgegenständlichen Jahre vorgenommen hat, indes nicht entschieden zu werden, da der Anspruch der Klägerin ohnehin aus den oben aufgezeigten Gründen nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Vorinstanz:
AG Langenfeld, Az. 54 C 11/08

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