LG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2012, Az. 12 O 579/10
§ 97 Abs. 1 UrhG, § 97a UrhG, § 19a UrhG
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Vorlage einer IP-Adressen-Zuordnung zu einem bestimmten Anschluss für das Zurverfügungstellen von Musikaufnahmen über eine Tauschbörse kein Beweis für die Täterschaft des Anschlussinhabers ist. Lege dieser substantiiert dar, dass sich weder Tauschbörsensoftware noch die streitgegenständlichen Musikaufnahmen auf den hauseigenen Rechnern befunden hätten, müsse die Klägerin ihrerseits beweisen, dass die Behauptung der Täterschaft zutreffe. Dies sei hier nicht geschehen. Ein Zugriff Dritter sei nicht auszuschließen. Dies könnte eine Störerhaftung des Anschlussinhabers zur Folge haben, was aber vorliegend nicht Streitgegenstand und daher nicht zu prüfen gewesen sei. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Düsseldorf
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren Unterlassung und Ersatz von Schäden infolge einer angeblichen Verletzung ihrer Leistungsschutzrechte durch den Beklagten sowie den Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung.
Die Klägerinnen gehören zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern und sind als solche Inhaber ausschließlicher Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen nationaler und internationaler Künstler.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2008 (K9, Bl. 148ff. GA) mahnten die Klägerinnen den Beklagten ab, weil am 22.03.2007 um 11:18:25 Uhr (MEZ) über den Internetanschluss (IP-Adresse „A.“) 589 Musikdateien zum Herunterladen verfügbar gemacht worden seien. Sie forderten ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, wonach dieser sich verpflichten sollte, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.001,00 Euro zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Unterlassungsgläubiger ohne deren erforderliche Einwilligung im Internet verfügbar zu machen oder sonst wie auszuwerten. Eine entsprechende Erklärung gab der Beklagte nicht ab.
Die Klägerinnen machen insoweit einen Kostenerstattungsbetrag geltend gemäß folgender Kostenberechnung:
Unterlassungstreitwert: Euro 40.000,00
Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (1,3) Euro 1.172,60
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG (3 x 0,3) Euro 811,80
Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) Euro 20,00
Summe Euro 2.004,40.
Die Klägerinnen tragen vor:
Ihnen stünden an einem Großteil der abgemahnten 589 Musikaufnahmen u. a. das ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung zu. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Musikaufnahmen ergebe sich dies aus den als Anlage K 4 vorgelegten Auszügen aus der Katalogdatenbank B. der C. und den als Anlage K 8 vorgelegten Screenshots.
Die von den Klägerinnen in Auftrag gegebenen Ermittlungsmaßnahmen zur Feststellung von Verletzungen ihrer Leistungsschutzrechte durch unautorisierte Internet-Angebote durch die D. hätten ergeben, dass am 22.03.2007 um 11:18:25 Uhr (MEZ) über den Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse „A“ zugewiesen gewesen sei, mittels einer Filesharing-Software, die auf dem „Gnutella“-Protokoll basiert, 589 Audio-Dateien für den Abruf durch andere Teilnehmer des Filesharing-Systems verfügbar gemacht worden seien, darunter auch das streitgegenständliche Repertoire. Die Aufnahmen „E“ sowie „F“ der Künstlerin G. seien zum Zwecke der Überprüfung und Beweissicherung aus dem Gesamtangebot heruntergeladen und nach Durchführung eines Hörvergleichs als mit der Originalaufnahme übereinstimmend festgestellt worden. Die einzelnen Ermittlungsschritte seien in dem als Anlage K 1 überreichten Ausdruck protokolliert worden. Nach einem entsprechenden Strafantrag der Antragsteller habe die Staatsanwaltschaft Darmstadt Ermittlungen aufgenommen. Die seitens der Staatsanwaltschaft vom Internet-Serviceprovider H. angeforderte Auskunft über Nachnamen und Anschrift des Anschlussinhabers, habe ergeben, dass der streitgegenständlichen IP-Adresse „A.“ betreffenden Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen gewesen sei.
Der Beklagte habe die tatsächlichen Vermutungen seiner Täterschaft nicht erschüttert.
Die Klägerinnen beantragen,
1.
den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes (im Einzelfall höchstens Euro 250.000,00) und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (insgesamt jedoch höchstens zwei Jahre)
a)
gegenüber der Klägerin zu 1. zu unterlassen,
die Musikaufnahme „I.“ des Künstlers J.,
b)
gegenüber der Klägerin zu 2. zu unterlassen,
die Musikaufnahme „K.“ der Künstlergruppe „L.“,
c)
gegenüber der Klägerin zu 3. zu unterlassen,
die Musikaufnahme „M.“ des Künstlers N. sowie
d)
gegenüber der Klägerin zu 4. zu unterlassen,
die Musikaufnahme „E.“ der Künstlerin G.
auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
2.
Den Beklagten zu verurteilen,
a)
an die Klägerin zu 1. Euro 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
b)
an die Klägerin zu 2. Euro 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
c)
an die Klägerin zu 3. Euro 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
d)
an die Klägerin zu 4. Euro 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.
Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen zu 1. bis 4. Euro 2.004,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt und trägt im Übrigen vor:
Die streitgegenständlichen Dateien seien ihm nicht bekannt. Sie seien auf seinem Rechner nicht vorhanden. Sie hätten sich nach seiner Kenntnis und nach Kenntnis seiner Lebensgefährtin nicht auf seinem Rechner oder einem anderen in seinem Haushalt existierenden Rechner befunden. Auch eine Tauschbörsensoftware habe nicht entdeckt werden können. Zudem sei das Wireless-Lan-Netzwerk mittels einer WPA-2-Verschlüsselung geschützt worden.
Es sei davon auszugehen, dass ein Fehler bei der Ermittlung des Anschlussinhabers vorgelegen habe. Ermittlungsmethoden der Tochterfirma der Klägerinnen seien ungeeignet, über Rechtsverletzungen einen Anschluss konkret zuzuordnen, weil ein Musikstück nicht in einem Stück von einem Anschluss heruntergeladen werde, sondern sich aus vielen Bausteinen zusammensetze.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 11.01.2012 (Blatt 89 f. GA) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
I.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf folgt aus § 32 ZPO
Nach dem Vorbringen der Kläger ist das Download-Angebot der vorliegend streitgegenständlichen Musikdateien im Internet weltweit, also auch im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Düsseldorf, erfolgt.
II.
In der Sache ist die Klage jedoch nicht begründet.
Die Klägerinnen können weder Unterlassung noch Schadensersatz noch Erstattung der Abmahnkosten gemäß §§ 97 Absatz 1, 97a, 19a UrhG beanspruchen, weil nicht feststellbar ist, dass der Beklagte als Täter für die von den Klägerinnen behaupteten Rechtsverletzungen im Sinne von § 19a UrhG verantwortlich ist.
Selbst wenn man unterstellt, dass die Ermittlungen der D. zutreffend waren und am 22.03.2007 um 11:18:25 Uhr (MEZ) über den Internet-Anschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse „A.“ zugewiesen war, mittels einer Filesharing-Software 589 Audio-Dateien für den Abruf durch andere Teilnehmer des Filesharing-Systems verfügbar gemacht wurden, und die genannte IP-Adresse dem Internet-Anschluss des Beklagten zuzuordnen war, ist der Beklagte jedenfalls der ihm zur Rechtsprechung des BGH obliegenden sekundären Darlegungslast (BGH GRUR 2010, 633 – Sommer unseres Lebens) nachgekommen.
Der Beklagte hat substantiiert dargetan, dass er nicht als Täter für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt. Nach seinem Vorbringen befanden sich auf seinem Rechner weder die streitgegenständlichen Dateien noch eine entsprechende Filesharing-Software. Damit hat er einen Sachverhalt vorgetragen, der – die Wahrheit unterstellt – eine täterschaftliche Haftung des Beklagten ausgeschlossen erscheinen lässt. Anhaltspunkte für einen der prozessualen Wahrheitspflicht zuwider laufenden Vortrag haben sich nicht ergeben; diese folgen insbesondere nicht aus den vorgerichtlichen Einlassungen des Beklagten, in denen er keinen dem prozessualen Vortrag entgegenstehenden Sachverhalt mitteilte.
Die Klägerinnen, die die anspruchsbegründenden Voraussetzungen darlegen und beweisen müssen, haben insoweit keinen geeigneten Beweis angetreten. Sie verkennen das Wesen der sekundären Darlegungslast, wenn sie vom Beklagten einen Beweis für seine Darlegungen fordern und meinen, seinen Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungslast mit der Folge, dass der Beklagte diesen beweisen müsse, bestreiten zu können. Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt gegebenenfalls zu beweisen (Reichold in: Thomas/Putzo, 29. Auflage 2008, vor § 284 ZPO Rn 18). Vielmehr hat ein der sekundären Darlegungslast genügender Vortrag zur Folge, dass der grundsätzlich Beweisbelastete – hier die Klägerinnen – seine Behauptung beweisen muss. Fehl geht insbesondere der Verweis der Klägerinnen, der Beklagte könne sich durch eine Auskunft seines Providers entlasten oder gemäß §§ 421, 425 ZPO zur Vorlage seines Routerprotokolls angehalten werden. Im Hinblick auf die ca. 1 Jahr nach der vorgeworfenen Rechtsverletzung ausgesprochene Abmahnung dürften bereits in diesem Zeitpunkt keine Verbindungsdaten zur im streitgegenständlichen Zeitpunkt zugeordneten dynamischen IP-Adresse mehr gespeichert gewesen sein. Ungeachtet der nach dem Vorgesagten fehlenden Beweispflicht des Beklagten fehlt es auch an den Voraussetzungen des § 424 ZPO, der eine Ausforschung verhindern soll. Soweit die Klägerinnen für die Richtigkeit ihrer Ermittlungen Beweis angetreten haben, lässt dies keinen Schluss auf eine täterschaftliche Verantwortung des Beklagten zu. Ebenso kann ein Dritter den W-Lan-Anschluss des Beklagten für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen genutzt haben. In diesem Fall scheidet aber eine täterschaftliche Verantwortung des Beklagten aus; es käme lediglich eine Haftung als Störer in Betracht, bei der es sich indes um einen anderen Streitgegenstand handelt, den die Klägerinnen vorliegend nicht geltend machen (so schon OLG Köln, MMR 2011, 396 [397]; wohl auch OLG Hamm, MMR 2012, 40 [41]).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 41.200,00 Euro.