LG Frankfurt a.M.: Onlinehändler auf Amazon kann abgemahnt werden, wenn Amazon Standardeinstellung mit falscher Lieferfrist verwendet

veröffentlicht am 14. November 2008

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 07.10.2008, Az. 2-18 O 242/08
§§ 312 c Abs. 2, § 312 e Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 1 Abs. 1, 2, und 4 BGB-InfoV, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 220 ZPO.

Das LG Frankfurt a.M. hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Onlinehändler abgemahnt werden kann, wenn er seine Ware auf der Internethandelsplattform www.amazon.de anbietet und Amazon – ohne das Zutun des Händlers – eine fehlerhafte Angabe zu den Lieferbedingungen (hier: „Lieferfrist“) angibt. Im vorliegenden Fall hatte der Onlinehändler Bücher angeboten. Amazon hatte mindestens einen von diesen Artikeln mit dem Hinweis versehen: „“Verfügbarkeit: Versand normalerweise in 2 Werktagen“. Das Landgericht urteilte nun, dass sich der Onlinehändler diese Angabe als eigene Angabe der Lieferfrist zuzurechnen lassen habe. Der Antragsteller hatte argumentiert, es sei Sache des Onlinehändlers, wo und wie er seine Bücher anbiete. Könne er die Bedingungen einer Internethandelsplattform und insbesondere deren rechtswidrige, zu seinen Gunsten ausfallende Vertragsbedingungen nicht beeinflussen, müsse er sich von diesen Internethandelsplattformen fernhalten. Das Gericht gab dem Antragsteller Recht. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Amazon-Plattform auf dieses Urteil ihre Politik des Abwartens einstellt und, ähnlich wie eBay, nach einer Protestwelle des Onlinehandels derzeit zahlreich bestehende rechtliche Defizite abzustellen beginnt. Dieses würde die Plattform Amazon um ein Vielfaches attraktiver machen für die ohnehin abmahngebeutelte Gemeinschaft der Onlinehändler. In verfahrensrechtlicher Hinsicht enthielt das Urteil die Besonderheit, dass es auf ein Versäumnisurteil zu reagieren galt, welches ergangen war, nachdem die Angelegenheit zwar im Gerichtssaal, nicht aber – wie vorgesehen – im Gerichtsflur davor aufgerufen worden war.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Landgericht Frankfurt am Main, 18. Zivilkammer, durch … im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 30.09.2008 für Recht erkannt:

I.
Die einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.08.2008 bestätigt.

II.
Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Der Antragsteller handelt auf der Internethandelsplattform eBay unter dem eBay- Mitgliedsnamen „…“ mit u.a. Büchern. Die Antragsgegnerin handelt auf der Internethandelsplattform Amazon (www.amazon.de) unter dem Mitgliedsnamen „…“ ebenfalls mit Büchern.

Die hiesige Antragsgegnerin hatte den Antragsteller unter Hinweis auf ein Wettbewerbsverhältnis unter dem 16.05.2008 selbst förmlich abgemahnt und sich dabei auf Rechtsverstöße gegen die Widerrufsbelehrung berufen. Nunmehr geht der hiesige Antragsteller gegen die Antragsgegnerin vor.

Die Antragsgegnerin informierte Verbraucher in der Artikelbeschreibung zu den Amazon-Angeboten …, …, … oder … auf der Internethandelsplattform www.amazon.de wie folgt:

„Verfügbarkeit: Versand normalerweise in 2 Werktagen“.

Dabei handelt es sich um eine von Amazon verwendete und vorgegebene Standardformulierung.

Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.06.2008 auf Unterlassung wettbewerbsrechtlicher Verstöße in Anspruch genommen.

In der Folge gab die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung ab.

Der Antragsteller hat beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern im Internet … „Versand normalerweise in 2 Werktagen“ … zu verwenden.

Dem ist die Kammer durch Beschlussverfügung vom 20.06.2008 nachgekommen. Wegen des genauen Wortlauts wird auf Blatt 41, 42 der Akten Bezug genommen. Gegen diese Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Nachdem für den Antragsteller im Termin der mündlichen Verhandlung am 12.8.2008 niemand aufgetreten war, hat die Kammer auf Antrag des Antragsgegnervertreters am 12.8.2008 gegen den Antragsteller ein Versäumnisurteil erlassen mit dem – unter Zurückweisung des Antrags vom 18.06.2008 – die einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 aufgehoben worden ist.

Nachdem der Antragsteller am 13.08.2008 gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, beantragt er nunmehr, das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufzuheben, den Widerspruch vom 19.07.2008 zurückzuweisen und die einstweiligen Verfügung vom 23.06.2008 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufrecht zu erhalten.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass hinsichtlich der Formulierung zur Verfügbarkeit allenfalls Amazon als Störerin angesehen werden könne. Da die Antragsgegnerin keine Möglichkeit habe, diese Information, mit der darauf hingewiesen werden soll, dass Amazonhändler zum Versand innerhalb von zwei Tagen verpflichtet sind, verschwinden zu lassen, fehle es an einem Handlungszusammenhang.

Im Übrigen formuliert die Beklagte folgende Rechtsansichten: Durch die Verwendung fehlerhafter AGB verschaffe sich der Unternehmer keinerlei Vorsprung durch Rechtsbruch. Entgegenstehende Auffassungen verstießen gegen den klaren Wortlaut des Unterlassungsklagegesetzes, welches als Spezialgesetz dem UWG vorgehe und die Verwendung unzulässiger AGB ausklammere. Hiernach dürfen Verstöße gegen AGB Klauselverbote nur von den in § 3 UKlaG genannten qualifizierten Vereinigungen verfolgt werden, zu denen der Antragsteller nicht gehöre. Das feine Anspruchssystem dieses Gesetzes würde unterlaufen, wenn trotz vorrangiger Regelung in einem diese Fälle ausdrücklich erfassenden Spezialgesetz gleichzeitig ein Vorgehen nach dem UWG möglich wäre.

Vorliegend sei schon zweifelhaft, ob die Angabe „Versand normalerweise in 2 Tagen“ geeignet sei, den Verbraucher spürbar zu benachteiligen. Wie in anderen Fällen kann dem Verkäufer eine Frist gesetzt und anschließend auf Leistung geklagt werden, sollte es einmal wirklich zu längeren Verzögerungen kommen.

Durch die Verwendung der im Antrag bezeichneten Formulierung verschaffe sich die Antragsgegnerin jedenfalls keinen spürbaren Vorteil im Wettbewerb. Somit bestehe kein Unterlassungsanspruch.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf den rechtzeitigen Einspruch des Antragstellers war das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufzuheben.

Die mit dem Widerspruch angegriffene einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 war zu Recht ergangen und daher zu bestätigen.

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin liegen gemäß § 3 UWG iVm §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vor.

Die unwirksamen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin stellen wettbewerbsrechtlich relevante Verstöße gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar.

Bei den § 307 ff. BGB handelt es sich auch um gesetzliche Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass diese Verstöße unter das Unterlassungsklagegesetz fallen und der einzelne Mitbewerber nicht befugt ist, einen eigenen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, widerspricht dies der Gesetzessystematik. Die Regelungen des Unterlassungsklagegesetzes sind nämlich nicht abschließend (vgl. Köhler in Hefennehl u.a. Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 Rn 11.17 mwN). Die in § 3 UKlaG nicht aufgeführten Mitbewerber – und um einen solchen handelt es sich bei dem Antragsteller unstreitig – können daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch gegen Verstöße gegen AGB-Recht und Verbraucherschutzgesetze vorgehen (Köhler aaO).

Es handelt sich auch nicht lediglich um Bagatellverstöße.

Auch der Hinweis auf die Verfügbarkeit „Versand normalerweise in 2Werktagen“ stellt einen Verstoß gegen  § 308 Nr 1 2. Alt. BGB dar, denn die von der Antragsgegnerin bestimmte Lieferfrist (normalerweise in 2 Werktagen) ist nicht hinreichend bestimmt.

Der Begriff „normalerweise“ ist genauso unbestimmt wie die bereits von Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 308 RN 8 mwN erörterte Formulierung „in der Regel“ (vgl dazu auch Entscheidung des Kammergerichts vom 3.4.2007 Az 5 W 73/07 dort Rn 5 zitiert nachjuris).

Sowohl bei der Verwendung des hier zu beurteilenden Begriffs „normalerweise“ wie auch bei der aus der vorstehenden Entscheidung des Kammergerichts bekannten Formulierung „in der Regel“ sind die Leistungszeitangaben mehr oder weniger in das Belieben des Verwenders gestellt und der Kunde ist nicht in der Lage das Ende der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebenen Lieferfrist selbst zu erkennen und zu berechnen.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich um die Standardformulierung von Amazon handelt. Wenn sie – wie geschehen – ihre Ware mit dieser Formulierung anbietet, ist sie auch Verwenderin.

Nach allem war die angegriffene einstweilige Verfügung zu Recht ergangen, so dass das Versäumnisurteil gemäß § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben war.

Die prozessuale Nebenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Säumniskosten fallen nicht gemäß § 344 ZPO der Antragstellerin zur Last, denn das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 ist nicht gesetzlicher Weise ergangen. Es fehlte an einem Aufruf des Rechtsstreits vor dem Saal nach § 220 ZPO. Dieser Aufrufvor dem Saal z.B durch den Protokollführer ist notwendig (vgl Baumbach u.a., Zivilprozessordnung, 66. Aufl., Rn 4) und kann nicht von dem vorliegend durch den Vorsitzenden erfolgten Aufruf des Rechtsstreits im Saal ersetzt werden.

I