LG Paderborn: Zu den Gründen, wann eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist

veröffentlicht am 1. Januar 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Paderborn, Urteil vom 03.04.2007, Az. 7 O 20/07
§ 8 Abs. 4 UWG

Das LG Paderborn hat in einem eher seltenen Fall den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Rechtsmissbrauchs abgelehnt und die Gründe dargelegt, unter denen eine Abmahnung und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtsmissbräuchlich ist: Die Beauftragung mehrerer Rechtsanwaltskanzleien für ein Abmahnungs(un)wesen, in dem die abmahnende Partei auf Grund der Vielzahl von Fällen den Überblick verloren habe und das Fehlen eines nennenswerten wirtschaftlichen oder wettbewerbspolitischen Interesses der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung, wobei das Fehlen dadurch begründet wurde, dass die Antragstellerin „kein [Produkt] mehr verkaufen wird, wenn der Antragsgegner, soweit nicht bereits geschehen, seine Widerrufsbelehrungen der Rechtsprechung … anpasst.“


Landgericht Paderborn

Urteil

Das Landgericht Paderborn hat auf die mündliche Verhandlung vom 03.04.2007 durch … für Recht erkannt:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Antragsgegner Sicherheit in derselben Höhe vor der Vollstreckung leistet.

Tatbestand

Die Parteien bieten gewerblich im Internet Computerkomponenten und Computerzubehör an. In diesem Zusammenhang bot der Antragsgegner am 5. Februar 2007 auf der Website der Firma x unter dem Verkäufernamen „x“ einen 14 Zoll Multisync TFT Monitor des Herstellers x zum Kauf an. In einem Scroll-Fenster dazu war zu Widerrufsrechten zu lesen:

Als Verbraucher können sie ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (zum Beispiel Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache wiederrufen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit dieser Widerrufsbelehrung unlauteren Wettbewerb im Sinne der §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG betrieben habe. Da bei den Internetangeboten des Antragsgegners der Kaufvertrag schon durch einseitigen Tastendruck des Kaufinteressenten zustande komme, müsse in diesem Augenblick die Erstbelehrung zum Widerrufsrecht gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt sein, und zwar in der in § 126 b BGB definierten Textform. Im Lichte der Rechtsprechung insbesondere des Kammergerichts Berlin und des Hamburger Oberlandesgerichts genüge die Widerrufsbelehrung des Antragsgegners den Textformanforderungen nicht. Das bedeute, dass in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Erstbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB eine Widerrufsfrist von 1 Monat zum Zuge komme.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner selbst mit Schreiben vom 05.02.2007 abgemahnt. Dieser hat die beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, die in Ziffer 3 eine Aufwendungserstattung in Höhe von 200,00 EUR zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer vorsieht, nicht unterzeichnet.

Die Antragstellerin begehrt daher nunmehr im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den Antragsgegner zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internethandelsplattform x den Abschluss entgeltlicher Verträge über Computerzubehör oder Computerkomponenten mit Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei über die Dauer der Widerrufsfrist mit zwei Wochen zu belehren.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, keinen unlauteren Wettbewerb im Sinne der genannten Bestimmungen betrieben zu haben. Er meint, dass seine Widerrufsbelehrung am 05.02.2007 dem Textformerfordernis entsprochen habe. Insoweit müsse nämlich berücksichtigt werden, dass Angebote im ebay-Shop 90 Tage gespeichert würden.

Im übrigen machte der Antragsgegner geltend, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG handele. Bei der Antragstellerin handele es sich um eine Vielfachabmahnerin, die selbst oder deren Anwälte bei ihren Abmahnungen schon den Überblick verloren hätten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung konnte nicht entsprochen werden. Zwar ist das Landgericht Paderborn in örtlicher Hinsicht zur Entscheidung berufen. Diese Zuständigkeit folgt schon aus § 39 ZPO, da der Antragsgegner mündlich zur Hauptsache verhandelt hat, ohne die Zuständigkeit zu rügen. Im vorliegenden Fall kann daher offen bleiben, ob beim Warenverkauf über das Internet der fliegende Gerichtsstand aus § 14 Abs. 2 UWG zur Anwendung gelangt.

Dem Begehren der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war deshalb nicht zu entsprechen, weil der Antragsgegner zu Recht den Missbrauchseinwand aus § 8 Abs. 4 UWG erhebt.

Die Antragstellerin gehört offensichtlich zum Kreis der Unternehmen, die sich nach Aufkommen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin und des Oberlandesgerichts Hamburg zum Thema Textform mit Rechtsanwälten verbündet haben, um Internetseiten bei ebay etc. auf eventuelle Belehrungsdefizite zu durchsuchen und durch Abmahnungen die eigenen Einkünfte zu erhöhen.

So ist auf der Internetseite x zu lesen, dass die die als recht abmahnfreudig bekannte Antragstellerin jetzt dazu übergegangen sei, auch Händler abzumahnen, die über x Elektronikwaren verkaufen.

Eine exakte Übersicht über die außergerichtlich erledigten Abmahnungen der Antragstellerin und über die von ihr anhängig gemachten Gerichtsverfahren ist der Kammer naturgemäß verwehrt. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass die Methode der Antragstellerin entsprechend den allgemeinen Gebräuchen im Abmahnwesen zum Eahin geht, die Inanspruchnahmen der Landgerichte zu streuen. Um den getätigten Rechtsmissbrauch nicht von vornherein evident zu machen, wird insbesondere das Landgericht, in dem man den Betriebssitz hat, nicht oder nur zurückhaltend mit Verfahren bedacht. Auch im vorliegenden Fall ist es aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers, der seine Einnahmen nicht durch Abmahnungen erzielen will, nicht verständlich, warum man sich bei der Antragstellerin die immerhin 102 km/h weite Fahrt nach Paderborn zumutet, obwohl es zum Landgericht Hildesheim nur 26 km/h sind.

Der Kammer ist, wie gesagt, zwar ein genauer Überblick über die Abmahntätigkeit die Antragstellerin verwehrt. Eine ausreichende Einschätzung wird ihr allerdings bereits ermöglicht durch die Akte hier und das weitere Verfahren 7 O 12/07 Landgericht Paderborn. Aus diesen Akten folgt, dass die Antragstellerin derzeit insgesamt drei Anwaltsbüros im Abmahnwesen beauftragt hat. Das sind:

Die Rechtsanwälte xxx, die die Antragstellerin im Verfahren hier vertreten.

Weiterhin zu nennen sind die Rechtsanwälte xxx, die in der Anlage 1 des Antragsgegners auftauchen.

Letztlich zu nennen sind noch die Rechtsanwälte xxx, von denen als Anlage 4 des Antragsgegners ein Schriftsatz zur Akte gereicht ist. Die Rechtsanwälte xxx vertreten die Antragstellerin auch im Verfahren 7 O 12/07 Landgericht Paderborn, einer negativen Feststellungsklage wegen angeblich unberechtigter Abmahnung.

Der Inhalt dieser Akte bestätigt auch die Behauptung der Beklagten, dass man bei der Antragstellerin und ihren Anwälten im Massengeschäft den Überblick verloren hat. So heißt es nämlich in dieser Sache in der Klageerwiderung der Rechtsanwälte xxx vom 22.03.2007 dass man mit gleicher Post Hauptsacheklage vor dem Landgericht Berlin erhoben habe. Die beigefügte Abschrift der Unterlassungsklage ist freilich adressiert an das Landgericht Hamburg.

Ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Bei einigem Nachdenken sollte es ihr klar sein, dass sie keine Grafikkarte und keine Festplatte mehr verkaufen wird, wenn der Antragsgegner, soweit nicht bereits geschehen, seine Widerrufsbelehrungen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin oder des OLG  Hamburg anpasst.

Einer Entscheidung dazu, ob diese Rechtsprechung zum Begriff Textform zutreffend ist, enthält sich die Kammer ausdrücklich unter Hinweis darauf, dass das in Abmahnerkreisen bekannt gewordene Urteil des Landgerichts Paderborn vom 28.11.2006 – 6 O 70/06 – von der 1. Kammer für Handelssachen erlassen worden ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziffer 6, 711 ZPO.

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