LG Wiesbaden: „Gewerbliches Handeln“ bereits bei sechs gleichen Produktangeboten; Onlinehändler haftet, wenn Auftraggeber unbekannt

veröffentlicht am 22. Juli 2008

LG Wiesbaden, Urteil vom 02.12.2004, Az. 13 O 143/04
§§ 3, 9 Abs. 2 Nr. 3 BuchPrG

Das LG Wiesbaden hat im Rahmen eines Urteils bemerkt, dass bereits sechs gleiche Produktangebote – hier: sechs gleiche Buchtitel – für ein gewerbliches Handeln sprechen. Ferner hat das Landgericht einem Onlinehändler die Grenzen der Identitätsverschleierung aufgezeigt: Der Versandhändler hatte für eine ihm angeblich unbekannte Person mit einer fingierten Adresse einen eBay-Account eröffnet und dabei Bücher unterhalb des festgesetzten Buchpreises verkauft. Als er diesbezüglich abgemahnt wurde, erklärte der Onlinehändler, er kenne die Person, unter der der eBay-Account angemeldet worden sei (und über die er die fraglichen Bücher anbot!), nicht. Das LG Wiesbaden urteilte: Kann der Betreiber des Versandservices seinen Auftraggeber nicht nennen, sind Versendungen, die in rechtswidriger Weise geschehen, seiner Person zuzurechnen, als wäre er selbst der Auftraggeber. Bei dieser Gelegenheit wurde bestätigt, dass Rechtsanwalt Dieter Wallenfels (Kanzlei Fuhrmann Wallenfels Binder, Wiesbaden/Berlin) Preisbindungstreuhänder des Deutschen Buchhandels sei, so dass dieser in eigener Person gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 BuchPrG Verstöße gegen das Preisbindungsgebot verfolgen darf.

Landgericht Wiesbaden

Urteil

In dem Rechtsstreit

Dieter Wallenfels, An der Ringkirche 6, 65197 Wiesbaden

gegen

hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden durch den Vors. Richter am Landgericht Hausmann an Stelle der Kammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2004 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäft­lichen Verkehr zu Zwecken des VVettbewerbs verlagsneue Bücher, insbesondere
– Ulrich Wickert, Der Richter aus Paris,
– Olivia Goldsmith, Die Rachegöttinnen,
– Jörg Schieb, Windows Me,
– Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Orden des Phönix,
– Eric-Emmanuel Schmitt, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran,
– Donna Leon, Die dunkle Stunde der Serenissima
zu anderen als den von den Verlagen festgesetzten Preisen anzubieten und/oder zu verkaufen und/oder zu be­werben.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 50.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft , oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleis­tung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Be­trages.

Tatbestand:

Der Kläger ist, wie gerichtsbekannt ist, als Preisbindungstreuhänder des Deut­schen Buchhandels eingesetzt und hat die Aufgabe, die Einhaltung der Buchpreisbindung durch die Händler zu überwachen, die Bücher gewerbs- oder geschäftsmäßig an Letztabnehmer verkaufen.

Unter den Pseudonymen „Comueller“ und „Connueller“ wurden im ebay Bücher zu niedrigeren als den von den Verlagen festgesetzten Preisen angeboten. Der Beklagte ist unter dem Namen „Conni Mueller“ bei ebay angemeldet, allerdings unter einer fingierten Adresse. Er hat dort die im Tenor genannten Bücher angeboten und das Buch Harry Potter und der Orden des Phönix insgesamt sechsmal verkauft. Alle Bücher wurden als „Topzustand“, „neuwertig“, „verschweißt“ angeboten.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe damit gegen § 3 des Gesetzes über die Buchpreisbindung verstoßen, er habe nämlich zumindest geschäftsmäßig gehandelt.

Er beantragt, zu entscheiden wie erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, nicht er habe die Bücher verkauft, sondern Conni Mueller. Er selbst betreibe nur einen Versandservice für verschiedene Kunden. Conni Mueller kenne er selbst nicht. Vielmehr seien ihm die Bücher mit den Empfän­geradressen von verschiedenen Personen im Auftrag von Conni Mueller ge­bracht worden. Er könne bei der Abwicklung seines Versandservices nicht auch noch die Identität der Kunden überprüfen. Er ist darüber hinaus der Ansicht, der Klage fehle schon deswegen das Rechtsschutzinteresse, weil er seit längerer Zeit für Conni Mueller keine Bücher mehr versandt habe und es auch in Zukunft nicht tun wolle. Zumindest sei der Rechtsstreit dadurch in der Hauptsache erle­digt. Darüber hinaus hat er eine Unterlassungserklärung abgegeben mit der Einschränkung, dass er es unterlassen wird, für Conni oder C. Mueller oder unter dem Namen Conni oder C. Mueller im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Bücher zu versenden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

Zunächst ist festzustellen. dass sie noch in vollem Umfang anhängig ist und nicht durch die Erledigungserklärung des Beklagten sich der Streitgegenstand geändert hat. Beklagten Personen ist es nämlich grundsätzlich verboten, von sich aus den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Diese Möglichkeit hat lediglich der Kläger und der Beklagte mag sich dann anschließen oder nicht. Eine Erledigungserklärung hat der Kläger nicht abgegeben und war dazu auch nicht verpflichtet, denn eine Erledigung ist nicht eingetreten. Es fehlt nämlich in Folge der abgegebenen Unterlassungserklärung nicht etwa das Rechtsschutzinteresse für die Klage, das auch nicht dadurch entfallen ist, dass der Beklagte seit drei Monaten fur C. Mueller oder Conni Mueller keine Bücher mehr versandt hat und dies auch in Zukunft nach seiner Darstellung nicht beab­sichtigt. Mit der Klage verfolgt nämlich der Kläger nicht lediglich die Versendung von Büchern unter der Absenderangabe Conni Mueller oder C. Mueller, son­dern den Verkauf von Büchern an Letztabnehmer unterhalb des gebotenen La­denpreises, geschehe dieser unter welcher Absenderadresse immer. Dies ver­kennt wohl auch der Beklagte nicht, der, falls sein Vortrag Erfolg hätte, den oder die ohnehin unbekannte Conni Mueller nur in Steffi Mueller umtaufen müsste, um sein bisheriges Verhalten fortsetzen zu können.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg, denn der Beklagte selbst ist als Ver­käufer der Bücher anzusehen. Sein Versuch, sich hinter Conni Mueller zu ver­stecken, hat keinen Erfolg, denn die Kammer glaubt ihm nicht, dass die Bücher von verschiedenen Personen im Auftrag des oder der ohnehin unbekannten Conni Mueller bei ihm zum Versand abgegeben worden sind. Wer einen Ver­sandservice betreibt, muss sich jedenfalls im Rahmen einer wiederholten Ge­schäftsbeziehung, bei der neue Waren verkauft werden, über die Person des Absenders schon deswegen in geeigneter Weise Klarheit verschaffen, um nicht der Gefahr der Beihilfe oder Mittäterschaft zur Hehlerei ausgesetzt zu sein, denn immerhin ist es denkbar, dass unbekannte Personen gestohlene Waren mit Hilfe von Versandserviceunternehmen in den Verkehr bringen und damit die Gefahr minimieren, entdeckt zu werden. Dass ein geschäftsmäßiges Handeln vorliegt, wenn verschiedene Neuerscheinungen verbilligt angeboten werden und davon ein Titel zumindest sechsmal verkauft wird, liegt offen zu tage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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