OLG Hamm: Mundspüllösung benötigt als Funktionsarzneimittel eine Zulassung – Abgrenzung zu Kosmetik

veröffentlicht am 24. Februar 2014

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamm, Urteil vom 05.12.2013, Az. 4 U 70/13
aufgehoben durch BGH, Urteil vom 25.06.2015, Az. I ZR 11/14
(hier)
§ 8 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; § 2 AMG, § 21 AMG; § 3a HWG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine Mundspüllösung ein zulassungspflichtiges Arzneimittel sein kann und ein Vertrieb ohne Zulassung daher gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Bei einem so genannten Funktionsarzneimittel würden natürliche Lebensvorgänge im Organismus durch eine pharmakologische Wirkung beeinflusst, z.B. durch die Reduzierung von Keimen. Ein kosmetisches Produkt habe solche Eigenschaften nicht. Zur Pressemitteilung vom 07.02.2014:

 

„Mundspüllösungen können Arzneimittel sein und dürfen dann nicht ohne arzneimittelrechtliche Zulassung als kosmetische Mittel vertrieben werden. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.12.2013 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Dortmund bestätigt.

Die in Bühl ansässige Klägerin bringt Mundspüllösungen als zugelassene Arzneimittel in den Verkehr. Die mit ihr konkurrierende, in Kriftel ansässige Beklagte vertreibt eine Mundspüllösung mit Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,12 % als kosmetisches Mittel ohne arzneimittelrechtliche Zulassung. Mit der Begründung, dass die Mundspüllösung der Beklagten ein zulassungspflichtiges Arzneimittel sei, hat die Klägerin von der Beklagten verlangt, die Bewerbung und den Verkauf ihres Produkts bis zur Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung zu unterlassen.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Klägerin Recht gegeben. Der Klägerin stehe ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagte verhalte sich unlauter, weil sie ein als Arzneimittel einzustufendes Produkt vertreibe, für das die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erteilt sei. Die von der Beklagten vertriebene Mundspüllösung sei ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes und damit zulassungspflichtig. Es handele sich nicht lediglich um ein Produkt im Sinne der Kosmetikverordnung.

Funktionsarzneimittel seien u.a. Stoffzusammensetzungen, die im menschlichen Körper verwendet würden, um natürliche Lebensvorgänge im Organismus durch eine pharmakologische Wirkung zu beeinflussen. Diese Eigenschaften weise die Mundspüllösung der Beklagten auf. Das in ihr in einer Konzentration von 0,12 % enthaltene Chlorhexidin entfalte eine pharmakologische, weil antibakterielle Wirkung in der Mundhöhle. Es verbleibe dort an der Oberfläche von Mundschleimhaut und Zähnen und mache in der Mundhöhle vorhandene Bakterien unschädlich. Diese pharmakologische Wirkung sei geeignet, natürliche Lebensvorgänge im menschlichen Organismus nennenswert zu beeinflussen. Durch die Reduzierung von Keimen in der Mundhöhle würden in Folge bakteriell bedingte Entzündungen des Zahnfleisches gelindert. Eine solche Wirkung könne allein mithilfe mechanischer Mundhygiene wie dem Zähneputzen oder kosmetischer Mittel nicht erzielt werden. Letztlich bestreite die Beklagte diese Wirkung auch gar nicht, die ihr Produkt im Internet ursprünglich selbst als „medizinische Mundspüllösung“ beworben habe.“

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