AG Aachen: Zahlungsanspruch für Eintragung in Branchenbuch ebvz.de nach Cold-Call

veröffentlicht am 16. Dezember 2016

AG Aachen, Urteil vom 26.07.2016, Az. 113 C 8/16
§ 119 Abs. 1 BGB, § 134 BGB, § 142 BGB, § 312 ff. BGB, § 611 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB; § 7 Abs. 2 UWG

Das AG Aachen hat entschieden, dass dem Betreiber des elektronischen Branchenverzeichnisses www.ebvz.de ein Zahlungsanspruch gegen ein Unternehmen zusteht, welches nach einem sog. cold call in die Branchenverzeichniseintragung eingewilligt hatte. Ausweislich eines abgespielten Telefonmitschnitts zwischen den Parteien sei eine vertragliche Vereinbarung zustande gekommen, mit der die Beklagte die Klägerin beauftragt habe, ihre Firmendaten in das klägerseits geführte Branchenverzeichnis www.ebvz.de gegen Entgelt einzutragen. Der Vertrag sei weder wegen Verletzung von § 7 Abs. 2 UWG noch wegen Anfechtung auf Grund eines Irrtums nichtig; er könnte auch nicht widerrufen werden, da der Beklagten als Unternehmerin kein Widerrufsrecht zustehe. Beachtlicherweise hat das Amtsgericht mit keiner Silbe die Frage erörtert, ob der später vorgelegte Mitschnitt des Telefonats als Beweismittel berücksichtigt werden könne; diverse Gerichte haben zu solchen Telefonmitschnitten ein Beweisverwertungsverbot bejaht (vgl. AG München, Urteil vom 10.07.2014, Az. 222 C 1187/14, vgl. auch weitere Rechtsprechung in OLG Brandenburg, Urteil vom 30.04.2009, Az. 12 U 196/08). Zum Volltext der Entscheidung:


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Amtsgericht Aachen

Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 499,80 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2015 sowie weitere 80,95 € zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand gemäß § 313a ZPO

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 499,80 € für die Eintragung der Beklagten in das elektronische Branchenverzeichnis www.ebvz.de  gemäß § 611 Abs. 1 BGB.

Ausweislich des im Termin vom 05.07.2016 abgespielten Telefonmitschnitts ist zwischen den Parteien eine vertragliche Vereinbarung zustande gekommen, mit der die Beklagte die Klägerin beauftragte, ihre Firmendaten in das klägerseits geführte Branchenverzeichnis www.ebvz.de gegen Entgelt einzutragen.

Bei dieser Vereinbarung handelt es sich um einen Dienstvertrag (das Aufrechterhalten und Pflegen des Eintrags der Beklagten im Branchenverzeichnis der Klägerin) mit untergeordneten werkvertraglichen Elementen, nämlich der Einstellung in das Branchenverzeichnis (LG Bonn, Urteil v. 05.08.2014, 8 S 46/14, zit. nach juris). Der klägerische Vergütungsanspruch richtet sich mithin nach Dienstvertragsrecht.

Gemäß § 9 Abs. 3 der AGB der Klägerin (Bl. 21 d.A.) verlängert sich der Vertrag jeweils um weitere 12 Monate zum Standardpreis, falls er nicht spätestens 6 Wochen vor Ablauf des Vertrags schriftlich gekündigt wird.

Die klägerischen AGB wurden wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen. Da die Beklagte als GmbH Kaufmann kraft Rechtsform (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB) und damit Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist, gilt für sie nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einbeziehungsregelung des § 305 Abs. 2 BGB nicht. Vielmehr ist für den Fall, dass AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, anerkannt, dass zur Einbeziehung in den Vertrag jede auch stillschweigende Willensübereinstimmung genügt (vgl. OLG Bremen, Urteil vom 11.02.2004, 1 U 68/02, zit. nach juris, auch zum Folgenden). Eine solche Einbeziehung ist selbst dann wirksam, wenn die AGB bei Vertragsschluss nicht vorgelegt werden und auch der Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt, da gegenüber einem Unternehmer der bloße Hinweis auf die Geltung der AGB für die wirksame Einbeziehung genügt. Allerdings gilt auch im kaufmännischen Verkehr der Grundsatz, dass der Verwender dem anderen Teil ermöglichen muss, von dem Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Diese Voraussetzung ist bei der Möglichkeit zur Einsichtnahme im Internet zu bejahen. Ein entsprechender Hinweis unter Angabe der Internetadresse wurde der Beklagten gemäß dem abgespielten Telefonmitschnitt erteilt („finden Sie unsere AGB … auf ebvz.de“). Ob der Beklagten auch bereits vor Beginn der Telefonaufzeichnung ein solcher Hinweis erteilt worden war, kann dahin stehen. Denn aus dem nicht aufgezeichneten Teil des Telefonats leitet die Klägerin keine Ansprüche her, vielmehr stellt der alle essentialia negotii enthaltende Telefonmitschnitt selbst den Vertragsschluss dar.

Dieser Vertrag ist auch wirksam.

Der Vertrag ist nicht nach § 134 BGB nichtig. Dies folgt schon daraus, dass Verstöße gegen §§ 3 ff. UWG und damit auch eine Verletzung von § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 UWG nur die Art des Zustandekommens, nicht aber den Inhalt des Rechtsgeschäfts betreffen (vgl. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 74. A., § 134 Rn. 24). Auch das UWG selbst ordnet eine solche Rechtsfolge – Nichtigkeit der unter Verstoß hiergegen zustande gekommenen Verträge – nicht an.

Der Vertrag ist auch nicht aufgrund Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig. Selbst wenn der Vertrag in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise mittels eines sogenannten cold call zustande gekommen wäre, verstößt ein derartiges Verhalten jedenfalls im kaufmännischen Verkehr nicht in einer derartigen Art und Weise gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, dass die Unwirksamkeit der vertraglich Vereinbarung als Folge geboten wäre. Eine Unvereinbarkeit mit grundlegenden Wertungen der Sitten- und Rechtsordnung ist hierin nicht zu erkennen (LG Bonn, Urteil v. 05.08.2014, 8 S 46/14, zit. nach juris).

Der Vertrag ist auch nicht infolge Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen, § 142 BGB.

Für einen beklagtenseitigen Inhalts- oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB ist nichts ersichtlich.

Die Beklagte wurde von der Klägerin am 08.08.2014 auch nicht arglistig getäuscht, § 123 BGB. Diesbezüglich liegt kein Anfechtungsgrund vor. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn die Klägerin bei der Beklagten durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregt und arglistig gehandelt hätte, also entweder die Unwahrheit ihrer Angaben gekannt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Derartiges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Vertrag konnte auch nicht widerrufen werden, weil er keine Widerrufsmöglichkeit vorsah und die §§ 312 ff. BGB gegenüber einem Unternehmer nicht anwendbar sind.

Der der Klägerin zustehende Vergütungsanspruch ist schließlich nicht durch die seitens der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, weil der Beklagten keine Gegenforderung zusteht. Ein solcher Anspruch scheitert schon daran, dass § 7 Abs. 2 UWG kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist. Das LG Hamburg hat in seinem Urteil vom 17.12.2014 (416 HKO 158/14, zit. nach juris) in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Ansicht des LG Bonn in seinem bereits zitierten Urteil Folgendes ausgeführt:

„Bei § 7 UWG handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift. Bejaht man einen Aufhebungsanspruch, so entstünde zudem ein Wertungswiderspruch zu der bisher ständigen Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur, dass ein Wettbewerbsverstoß nicht zur Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages führt.

Das LG Frankfurt (NJW 1964, 501) hat den Schutzgesetzcharakter von § 1 UWG verneint, da das Wettbewerbsrecht nicht den Einzelnen schützen wolle. Das LG Kassel (Beschl. v. 13.06.2014 – 1 S 118/14) und das AG Hamburg (Urt. v. 27.10.2005 – 918 C 413/05) verneinten bei § 7 Abs. 2 UWG den Schutzgesetzcharakter. Der BGH hat in einzelnen Entscheidungen – wie das LG Bonn richtig ausführt – den Schutzgesetzcharakter von § 1 und 3 UWG bejaht (BGH GRUR 1955, 351 (357) – GEMA; BGH NJW 1980, 1224 (1225) – BMW-Importe; differenzierend BGH GRUR 1964, 567 (568) – Lavamat). In einer anderen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof allerdings einen Schadenersatzanspruch aufgrund § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 UWG abgelehnt (GRUR 1975, 150 – Prüfzeichen). Das Gericht begründete dies vor allem damit, dass die Aktivlegitimation im UWG für Schadenersatzansprüche speziell geregelt und deswegen § 823 Abs. 2 BGB unanwendbar sei.

Die amtliche Begründung zum UWG 2004 sagt ausdrücklich, dass es sich bei § 3 UWG nicht um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handelt. Die Regelungen zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen seien sowohl hinsichtlich der Klagebefugnis als auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlage abschließend (Bt-Drs. 15/1487, S. 22). Zwar wird nunmehr der Verbraucher ausdrücklich als Schutzobjekt in § 1 UWG genannt. Ein Teil der Literatur vertritt daher, die §§ 8 und 9 UWG seien Schutzgesetze (vgl. Emmerich, WettbR, § 14 VIII 2, § 23 II 1; Fezer WRP 2003, 127; Sack GRUR 2004, 625; Säcker WRP 2004, 1199, 1219; dagegen: vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 32. Aufl. 2014, Einl. Rn. 7.5, § 9 Rn. 1.10; ders. GRUR 2003, 265 ff.; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Goldmann, UWG, § 9 Rn. 10). Der in § 1 UWG zugunsten der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer nunmehr ausdrücklich ausgedehnte Schutzzweck führt aber nicht zwingend dazu, den Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern ein subjektives Recht einzuräumen. Der Gesetzgeber bezweckte damit nicht, dem Verbraucher individuelle Ansprüche anzuerkennen (Bt-Drs. 15/1487, S. 22). Das Anspruchssystem der §§ 8 ff. UWG ist abschließend. Die Besonderheit der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen gegenüber dem Immaterialgüterrecht und dem allgemeinen Zivilrecht liegt gerade in deren kollektivrechtlichem Einschlag. Das ergibt sich insbesondere aus § 8 Abs. 3 UWG und § 10 UWG. Ein individuellen Schadenersatzanspruch hat der Gesetzgeber in den §§ 8 ff. UWG nicht vorgesehen (Ohly/Sosnitza/Ohly, 6. Aufl. 2014, Einf. UWG, Rn. 62, 68). Die Systematik sowie der Sinn und Zweck des UWG sprechen mithin gegen die Anerkennung der §§ 3, 7 UWG als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 UWG. Insbesondere würde eine Anerkennung individueller Rechtsbehelfe auf lauterkeitsrechtlicher Ebene zu Widersprüchen zum bürgerlichen Recht, etwa zu den §§ 119 ff., 355 BGB, und damit auch zu einer Aufweichung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ führen (Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., Einf. UWG, Rn. 68). Im Ergebnis würde daher bei Anerkennung eines Individualanspruchs ein Wettbewerbsverstoß zur Nichtigkeit des Vertrages führen, was jedoch nach h.M. gerade nicht der Fall sein soll.“

Dies entspricht der Auffassung des BGH, wie sie im sog. Lebens-Kost-Urteil vom 21.04.2016 (I ZR 276/14) zum Ausdruck gekommen ist.

Bezweckt § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mithin nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Verbrauchers und der sonstigen Markteilnehmer vor Belästigungen durch Werbeanrufe, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Vertragsschluss beim ersten oder zweiten Anruf des Werbenden zustande gekommen ist. Im einem wie im anderen Fall wird der Schutzweck der Norm nicht berührt.

Endlich steht der Beklagten auch nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB zu. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte nach § 6 Abs. 3 AGB zur Vorleistung verpflichtet war.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.

Der Anspruch auf Zahlung der Pauschale von 40,00 € ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 5 BGB, derjenige auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in unbedenklicher Höhe aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Im Hinblick auf die Erwägungsgründe 19 und 20 der Richtlinie 2011/7/EU kommt eine Anrechnung der Pauschale i.H.v. 40,00 € nach § 288 Abs. 5 BGB auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht in Betracht. Eine Anrechnung würde zu einer vollständigen Aufzehrung der Pauschale führen, so dass ein Kläger im Ergebnis – wie bislang ohnehin – nur einen Betrag in Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen könnte. Ein solches Ergebnis wäre indes mit dem gesetzgeberischen Bestreben, zu einem zügigeren Zahlungsverhalten zu führen, nicht zu vereinbaren. Mangels Definition des Begriffs der Rechtsverfolgungskosten ist diese Lösung auch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar.

Nebenentscheidungen: §§ 91 Abs. 1, 713 ZPO

Wert: 499,80 €

Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende Beschwer von über 600,00 EUR erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO. Die Berufung ist danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Die von den Parteien thematisierten Rechtsfragen sind als geklärt anzusehen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht zulässig, weil keine der Parteien durch dieses Urteil hinsichtlich eines Werts von über 600,00 EUR beschwert ist und das Gericht die Berufung auch nicht zugelassen hat, § 511 Abs. 2 Nr. 1 , 2 ZPO.

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