AG Bonn, Urteil vom 09.01.2013, Az. 113 C 28/12
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB
Das AG Bonn hat entschieden, dass eine negative Bewertung durch einen Käufer bei eBay mit dem Wortlaut VORSICHT!!!! beide Steuergeräte defekt Vorsicht lieber woanders kaufen!!!!“ unzulässig ist, da hierdurch falsche Schlüsse auf das Geschäftsgebaren des Verkäufers gezogen werden können. Vorliegend hatte der Käufer vor Abgabe seiner Bewertung keinen Kontakt zum Verkäufer aufgenommen und einen möglichen Defekt gemeldet. Gleichwohl erwecke der Wortlaut der Bewertung (zweimal die Warnung „Vorsicht“ sowie der Gebrauch zahlreicher Ausrufezeichen) den Eindruck, dass der Verkäufer nicht willens oder nicht fähig sei, funktionierende Geräte zu liefern. Dies sei jedoch unstreitig nicht der Fall. Was wir davon halten? Eine geharnischte Bewertung bei eBay sollte nicht beim ersten Ärger abgefeuert, sondern wohldurchdacht werden, da jedenfalls das AG Bonn auch „zwischen den Zeilen“ liest – in diesem Fall wohl zu Recht. Zum Volltext der Entscheidung:
Amtsgericht Bonn
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
hat das Amtsgericht Bonn
auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2012 durch die Richterin am Amtsgericht … für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm unter dem Mitgliedsnamen … in dem Internet-Marktplatz eBay gegenüber der Klägerin, welche dort als Verkäuferin unter dem Mitgliedsnamen … auftritt, abgegebene Negativbewertung vom …, zur Auktion mit der Nummer … mit dem Wortlaut „VORSICHT!!!! beide Steuergeräte defekt Vorsicht lieber woanders kaufen!!!!“ zurückzunehmen und der Löschung zuzustimmen sowie an die Klägerin 229,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 27.04.2012 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien schlossen über eBay einen Kaufvertrag über 2 Steuergeräte, die die Klägerin dem Beklagten lieferte. Der Beklagte meldete sich nicht bel der Klägerin.
Am 18.12.2011 beurteilte er die Klägerin in eBay wie aus dem Tenor ersichtlich. Die Klägerin forderte ihn per E-Mail und über eBay am 20.12.2011 vergeblich auf, die Beurteilung zu löschen.
Eine Anwallsmahnung vom 22.12.2011, der eine vorgefertigte Erklärung für den Beklagten beigefügt war, Blatt 9-13 d. A., blieb erfolglos. Der Klägerin entstanden aus einem zugrundegelegten Streitwert von 2.500,00 € Anwaltskosten in Höhe von 229,30 € netto.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die beiden gelieferten Steuergeräte defekt waren und ob der Klägerin ein durchsetzbarer Anspruch auf Löschung der Bewertung zusteht.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe sie nicht wie geschehen bewerten dürfen, selbst wenn beide Steuergeräte defekt gewesen sein sollten.
Die Bewertung enthalte unwahre Tatsachenbehauptungen. Sie impliziere, dass sie sich unseriös verhalte und berechtigte Mängelrügen ablehne.
Der Beklagte habe eine Nebenpflicht aus dem Vertrag verletzt, indem er keinen Kontakt mit ihr aufgenommen habe. Unter diesen Umständen sei die Warnung in dieser Schärfe nicht gerechtfertigt. Die Hervorhebungen ließen keinen Sachbezug erkennen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, es liege eine Schmähkritik vor.
Auch ohne anwaltliche Beratung sei zu erkennen, dass eine Bewertung wie die vorliegende nicht rechtens sein könne, ohne zuvor mit dem Verkäufer zu verhandeln.
Ihr Schaden liege vor allem darin, dass der Prozentsatz zufriedener Kunden sinke und sie hierdurch Nachteile erleide. Die Klägerin hat zum Umfang der Geschäfte vorgetragen, die sie über eBay tätigt, Blatt 8 d. A.
Sie behauptet, eBay könne die Bewertung trotz der vergangenen Zeit noch löschen.
Sie beantragt,
zu entscheiden wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, seine Bewertung sei zutreffend und richtig und er hält sie für erlaubt.
Seine Äußerungen seien verhältnismäßig.
Es interessiere Kunden schon allein, ob die Verkäufer ordnungsgemäß Ware lieferten.
Seine Bewertung sei nicht irreführend, sondern es sei klar, dass sie allein auf dem Defekt der Geräte beruhten. Zu der Vertragstreue der Klägerin habe er einfach keine Aussage gemacht und die Bewertung lasse keinen Schluss darauf zu.
Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vor der Bewertung zu kontaktieren.
Der zweite Teil seiner Bewertung stelle eine erlaubte Meinungsäußerung dar. Die Hervorhebung lenke die Aufmerksamkeit auf den Grund der Bewertung.
Die Verkäuferin könne – was unstreitig ist – auf die Bewertung erwidern.
Ohne anwaltliche Beratung könne der Kunde keine Bewertung mehr in eBay vomehmen, falls die Auffassung der Klägerin zutreffe.
Der Beklagte bestreitet den Umfang der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin mit Nichtwissen sowie das eBay Bewertungen nach mehr als 30 Tagen noch ändere.
Die Klage ist dem Beklagten am 26.4.2012 zugestellt worden. Das Gericht hat Beweis durch Einholung einer Auskunft von eBay Deutschland erhoben, Blatt 66 f d.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zu.
Die Bewertung, die der Beklagte vorgenommen hat, ist in der Zusammenschau nicht zulässig.
Das Gericht ist zwar mit dem Beklagten der MeInung, dass er in eBay kundtun dürfe, die Ware der Klägerin sei mangelhaft gewesen, sofern dies der Wahrheit entsprach, und zwar auch dann, wenn er der K1ägerin keine Gelegenheit gegeben hatte, einwandfreie Geräte zu liefern.
Der Beklagte hat sich aber nicht damit begnügt, diese Tatsache mitzuteilen. Er hat sie vielmehr durch weitere Äußerungen in einer Weise ergänzt, die einen Löschungsanspruch begründet. Die Bewertung ist nämlich geeignet, ein falsches Bild von den Leistungen der Klägerin entstehen zu lassen und Kundschaft aufgrund von Fehlschlüssen davon abzuhalten, bel der Klägerin zu kaufen. Aus diesem Grund ist die Bewertung auch dann unzulässig, wenn beide Steuergeräte tatsächlich defekt gewesen sein sollten, was deshalb offen bleiben kann.
Der Beklagte verknüpft die ausdrückliche Empfehlung „lieber woanders‘ zu kaufen, mit einer zweimal konkret ausgesprochenen Warnung („Vorsicht“). Wer die Beurteilung liest, versteht sie als nachdrückliche Warnung davor, bei der Klägerin Waren zu bestellen. Dies ergibt sich aus den Großbuchstaben In dem ersten Wort, der zweimaligen Verwendung des Begriffs „Vorsicht“ und den zahlreichen Ausrufezeichen, die der Beklagte gesetzt hat.
Unter diesen Umständen kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, er habe zur Vertragstreue der Klägerin gar keine Aussage getroffen und es ließen sich keine Schlüsse aus seiner Bewertung ziehen. Dies trifft so nicht zu. Für Personen, die diese Bewertung lesen, entsteht der Eindruck, der Beklagte wolle sie vor dem Geschäftsgebaren der Klägerin warnen und nicht nur davor, dass zwei an ihn gelieferte Steuergeräte defekt waren. Dies allein erklärt nicht die Schärfe der Beurteilung. Vielmehr drängt sich auf, die Krägerin sei nicht willens oder nicht fähig, funktionierende Geräte zu liefern. Das dies nicht zutrifft, ist unstreitig.
Nach alledem hätte der Beklagte, wenn er schon bei dieser Wortwahl bleiben will, ausdrücklich sagen müssen, dass er der Klägerin nicht gesagt hat, die Steuergeräte seien defekt und er mache deshalb Rechte geltend.
Entgegen der Ansicht des Beklagten überfordert dies einen Laien nicht. Der Klägerin zunächst Gelegenheit zu geben, ihren Fehler wieder gut zu machen (unterstellt, die Geräte seien defekt gewesen), ist vielmehr ein Gebot der Fairness, dass sich redlichen Personen geradezu aufdrängt. Ebenso drängt es sich auf, zumindest mit großer Zurückhaltung zu bewerten, wenn man dies tut, bevor man sich mit der Verkäuferin in Verbindung gesetzt hat oder wenn man dies überhaupt nicht beabsichtigt. Die Äußerung des Beklagten lässt diese Zurückhaltung aus den obigen Gründen vermissen.
Die Entscheidung des LG Düsseldorf, auf die der Beklagte sich beruft, ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
In dem Fall des AG Dusseldorf war von vorneherein klar, dass alle Kapseln, die man kaufen konnte, 450 mg Wirkstoffgehalt hatten und 750 mg wogen, abgesehen von gewissen Toieranzen, die nicht zu vermeiden waren. Damit war klar, dass alle Kapseln von der Produktbeschreibung abwichen. Diese stellte einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff und der Angabe 750 mg her. Zum zweiten wird niemals das Gesamtgewicht einer Einheit angegeben, sondern der Wirkstoffgehalt. Was eine Kapsel wiegt, spielt für den Verkehr überhaupt keine Rolle.
Demgegenüber machte die Klägerin keine irreführenden Angaben, als sie die Steuergeräte beschrieb. Sie war auch in der Lage, funktionierende Geräte zu beschaffen und zu liefern.
Aus der Anspruch auf Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten und Zinsen beruht auf Verzug, §§ 286 ff BGB.
Die Anwaltskosten sind angemessen. Einen Geschäftswert von bis zu 2.500,00 € hält das Gericht für angemessen. Die Klägerin verkauft als sog. Power Seller. Dies bedeutet, dass sie einen gewissen Umsatz und eine bestimmte Anzahl von Transaktionen durchführt. Der Beklagte hat über 4.000 Transaktionen in einem Jahr vorgetragen.
Nachteile drohen der Klägerin zum einen daraus, dass Kunden überhaupt nicht bei ihr kaufen, zum anderen aber auch daraus, bei eBay herabgestuft zu werden, sofern eine bestimmte Anzahl negativer Bewertungen vorliegt. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, seine Bewertung habe dies noch nicht herbeigeführt. In Verbindung mit weiteren schlechten Bewertungen war sie geeignet, die Einstufung der Klägerin zu gefährden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
Streitwert: bis 2.500,00 €
Auf das Urteil hingewiesen haben die Rechtsanwälte Andrae & Simmer (hier).