AG Frankfurt a.M.: Zu den gängigsten Argumenten der Verteidigung im Falle einer Filesharing-Abmahnung

veröffentlicht am 30. Juli 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammAG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.12.2008, Az. 32 C 1539/08 – 84
§§ 19a, 97, 97a UrhG

Das AG Frankfurt a.M. hatte sich in dieser Entscheidung mit den gängigsten Argumenten auseinanderzusetzen, die ein wegen illegalen Filesharings Abgemahnter üblicherweise vorbringt: Der Beklagte rügte die örtliche Zuständigkeit des AG Frankfurt am Main und bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin. Er behauptete, die streitgegenständliche Filmdatei nicht heruntergeladen oder anderen zum Download angeboten zu haben. Er vermutete, dass eine dritte Person sich über seinen Rechner in das Internet begeben habe müsse, da er in einem Mehrfamilienhaus wohne. Er sei der Ansicht, eine Haftung nach den Grundsätzen der Störerhaftung komme nicht in Betracht, da er keinen willentlichen Tatbeitrag geleistet habe Er wisse nicht, was über die Verbindungen seines Anschlusses laufe. Im Übrigen sei hier § 9 TDG analog heranzuziehen.

Der Beklagte behauptet weiter, die Angabe von Filehashwerten sei nicht geeignet, den Beweis von uploads zu erbringen. Es könnten von ein und demselben Film je nach Komprimierung unzählige Hashwerte gebildet werden. Zum anderen müssten Filehashwerte in der Lage sein, funktionstüchtige von nicht funktionstüchtigen Dateien zu unterscheiden, was nicht der Fall sei. Schließlich erbringe der Name des Films nicht den Beweis, dass auch der Inhalt mit dem Film übereinstimme. Sollten die Dateien als RAR oder ZIP-Dateien auf der Festplatte liegen, seien Hashdateien nicht ohne weiteres in der Lage, den Inhalt zu erkennen. wenn die gepackten Dateien nicht vollständig vorlägen. Die von der Staatsanwaltschaft bei dem LG Frankfurt am Main erhobenen Daten seien nicht verwertbar. Auch der Höhe nach sei der Anspruch der Klägerin nicht begründet, da nach neuem Urheberrecht in einfach gelagerten Fällen und fehlendem gewerblichen Ausmaß der Rechtsverletzung lediglich 100,00 EUR an Anwaltsgebühren geltend gemacht werden könnten. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sei aufgrund entsprechender Kenntnisse der Klägerin auch nicht erforderlich gewesen.

Das Amtsgericht hielt die Klage für zulässig und begründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main ergebe sich aus § 32 ZPO. Danach sei das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden sei. Dies sei hier der Ort, an dem auch nur eines der spezifischen Tatbestandsmerkmale des Deliktes verwirklicht worden sei, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort (vgl Zöller/Vollkommer, ZPO. 26. Auflage, §32 Rn 16; LG München I, Urteil vom 10.01.2007, 21 0 20028/05, zit. nach juris.) Da die ins Internet gestellte Bildaufnahme auch in Frankfurt habe aufgerufen werden können, sei das Amtsgericht Frankfurt hier örtlich zuständig.

Die Klage sei auch begründet. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ebenso zu wie der geltend gemachte Schadensersatzanspruch.

„Die Abmahnkosten sind über das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen. Denn derjenige, der vom Störer die Beseitigung einer Störung bzw. Unterlassung verlangen kann, hat nach ständiger Rechtsprechung im Urheberrecht grundsätzlich über dieses Institut einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß §§683 S.1, 670 BGB. soweit er bei der Störungsbeseitigung hilft und im Interesse und im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig wird (BGH, NJW 1970, 243; 2002,1494).

Die gesetzliche Sonderregelung in § 12 UWG schließt außerhalb des Wettbewerbsrechtes den Ersatz von Abmahnkosten über den vorgenannten Weg -‚ nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 12 UWG nur die Grundsätze nochmals ausdrücklich anerkannt, die zuvor die Rechtsprechung zum Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen bereits entwickelt hatte, (vgl. Bornkamm in Baumbach/Hefermehl. Wettbewerbsrecht. 23 A 2004, §12 Rn 1.77f., 1.85 ff.).

Es entspricht dem mutmaßlichen Willen des Störers, die durch die Verletzungshandlung entstehenden Kosten, auch die der Abmahnung selbst, möglichst gering zu halten. Insbesondere die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes veranlassten Kosten sind daher zu ersetzen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.

Das unter dem 08.11.2007 an den Beklagten gerichtete Abmahnschreiben war veranlasst und erfolgte ordnungsgemäß.

Zunächst lag eine Verletzung der ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin an dem streitgegenständlichen Film durch das rechtswidrige Angebot der Filmaufnahmen in dem Peer-to-Peer-Netzwerk gemäß §§ 19 a, 97 UrhG vor. Zudem war zum Zeitpunkt der Abmahnung eine Wiederholungsgefahr gegeben Diese ist für den Unterlassungsanspruch materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1209; BGH, NJW 1995. 132). Sie wird nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur durch die festgestellte Rechtsverletzung vermutet und kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. LG Hamburg, ZUM 2006, 661).

Das Gericht hat hier keinen Zweifel daran, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung verursacht hat. Die beklagtenseits vorgetragenen Einwendungen gegen den klägerischen Vortrag nehmen sich allesamt wie Schutzbehauptungen aus und sind in Gänze nicht geeignet, den klägerischen Anspruch zu Fall zu bringen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.11 2008 ausweislich des Protokolls (Bl. 130 f. d.A.) auch auf dahingehende Bedenken hinsichtlich der Substantiierung des Beklagtenvortrages hingewiesen.

Das Bestreiten des Beklagten war gegenüber dem detaillierten und unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite insgesamt bereits unsubstantiiert.

Zwar trifft die Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Merkmale in §97 Abs.1 UrhG den Anspruchsteller, hier also die Klägerin. Allerdings trifft den Anspruchsgegner eine sekundäre Darlegungslast. Als solche wird die Last einer Gegenpartei bezeichnet, sich im Rahmen der ihn nach §138 Abs.2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen Partei zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben (vgl. BGHZ 100. 190 [196]; BGH, NJW 1999. 714 [715]).

Die Klägerin kann keine Kenntnis davon haben, wer den Internetanschluss des Beklagten im ermittelten Zeitpunkt tatsächlich genutzt hat.

Insofern ist das Bestreiten des Beklagten, er habe sich die Datei nicht heruntergeladen, auch unerheblich. Vorliegend spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Beklagte die über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverletzung selbst begangen hat. Der Beklagte trägt die Beweislast dafür, dass ein Dritter in unberechtigter Weise auf seinen Internetanschluss zugegriffen hat. Der Beklagte hat hier aber weder vorgetragen, warum es ausgeschlossen ist, dass er den streitgegenständlichen Film am 24.08.2007 zum Download angeboten hat. Er hat darüber hinaus ebenfalls nicht näher vorgetragen, auf welche Weise, wann und wo ein unberechtigter Dritter Zugang zu dem in Rede stehenden Anspruch gehabt haben sollte. Der Hinweis auf die potentielle Möglichkeit ist unbeachtlich.

Der Anspruch gegen den Beklagten wäre aber auch dann begründet, wenn er nachgewiesen hätte, die Rechtsverletzung nicht selbst begangen zu haben. Nach §1004 BGB analog haftet der Inhaber eines Internetanschlusses als Störer. Mit der Einrichtung eines solchen Anschlusses schafft der Inhaber eine Gefahrenquelle für deren Schutz er zu sorgen hat und deren unberechtigten Gebrauch er zu verantworten hat (vgl z.B. LG Mannheim. Urteil vom 30.01.2007, 2 O 71/06, zit. nach juris).

Soweit der Beklagte hier vorträgt, er wohne in einem Mehrfamilienhaus und habe keinen willentlichen Tatbeitrag geleistet, ersetzt dies ein substantiiertes Bestreiten nicht. Der Beklagte hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, worauf Zweifel an der .Zuordnung dieser IP-Adresse beruhen sollen. Diesbezüglich hat die Klägerin substantiiert die Ermittlungsweise dieser Adresse vorgetragen. Insbesondere wurde aber auch durchstaatsanwaltschaftliches Auskunftsersuchen die IP-Adresse eindeutig dem Anschluss des Beklagten zugeordnet.

Im Übrigen war die Anfrage aber auch nicht geeignet, um den entsprechenden Beweis für die pauschale Behauptung des Beklagten zu erbringen, eine dritte Person habe seinen Rechner benutzt. Die Internet-Protokoll-Adresse ermöglicht die Zuordnung des Anschlusses, sie vermag indes nicht den vor dem Anschluss sitzenden Nutzer zu identifizieren.

Soweit der Beklagte sich auf § 9 TMG beruft und eine analoge Anwendung desselben fordert, geht dieser Hinweis fehl. Bei dem Beklagten handelt es sich nicht um einen Diensteanbieter, der für rechtswidrige Inhalte der von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen erst dann verantwortlich ist. wenn er davon Kenntnis hat. Für eine analoge Anwendung besteht hier weder eine Regelungslücke, noch ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis.

Auch im Übrigen ist die Erklärungslast in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat (Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, §138 Rn 8a ff.). Vorliegend hat die Klägerin ihre geltend gemachten Ansprüche sehr detailliert substantiiert und schlüssig vorgetragen.

Demgegenüber oblag dem Beklagten die Verpflichtung dementsprechend qualifiziert zu bestreiten. Dies ist ihm nicht gelungen.

Soweit der Beklagte einwendet, der Hashwert sei nicht geeignet, die Datei zweifelsfrei zu identifizieren, ist der diesbezügliche Vortrag des Beklagten unsubstantiiert und abstrakt. Soweit der Beklagte theoretisch ausführt, dass eine zweifelsfreie Identifizierung bei einer RAR oder ZIP-Datei über den Hashwert nicht möglich sei, war dies unbeachtlich, da der Beklagte insoweit weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt hat, dass der streitgegenständliche Film bei ihm in Form einer solchen Datei vorhanden ist und es daher zu einem entsprechenden Irrtum hätte kommen können.

Sofern der Beklagte weiter vorträgt, von ein und demselben Film könnten unzählige Hashwerte gebildet v/erden, ist dies ebenfalls unsubstantiiert. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass unter den gleichen Hashwert keine unterschiedlichen Dateien angeboten werden können und sich hinter dem Hashwert (…) der streitgegenständliche Film verbirgt. Zusätzlich hat die Klägerin dargelegt, dass hinsichtlich abweichender Hashwerte ein manueller Abgleich durch einen Mitarbeiter der Firma Logistep erfolgt. Die Beklagtenseite hat insoweit nicht substantiiert vorgetragen, warum die streitgegenständliche, detailliert dargelegte Feststellung fehlerhaft sein sollte.

Auch das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin war unsubstantiiert. Aus der klägerseits vorgelegten Rahmeneckwertevereinbarung in Verbindung mit der beigefügten Anlage ergibt sich zunächst jedenfalls der Anschein einer wirksamen Übertragung der Rechte für den streitgegenständlichen Film. Das pauschale Bestreiten der Beklagtenseite konnte diesen Anschein nicht erschüttern.

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war auch grundsätzlich erforderlich im Sinne von §670 BGB. Für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist insoweit von Bedeutung, dass der Abmahnende nicht selbst über hinreichende eigene Sachkunde und Möglichkeiten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügen darf.

Hier greift dieser Aspekt nach der Auffassung des Gerichtes schon deshalb nicht, als es sich gerade nicht um einen nur einfach gelagerten Streitfall handelt. Bei Urheberrechtsverstößen handelt es sich Rechtsfragen mit einem spezifischen Schwierigkeitsgrad, der sich auch gerade darin zeigt, dass urheberrechtliche Streitigkeiten gemäß §§104f. UrhG bestimmten spezialisierten Spruchkörpern zur Entscheidung zugewiesen sind.

Im Übrigen hatte die Klägerin das anwaltliche Mandat auch bereits im Ermittlungsverfahren angestrengt, wo aufgrund der Regelung des § 475 StPO zur Durchsetzung des Akteneinsichtsrechts die Einschaltung eines Rechtsanwaltes bereits zwingend erforderlich war. Die Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main war notwendig, da die Identität des Beklagten erst im Strafverfahren ermittelt werden konnte. Ohne die Kenntnis der persönlichen Daten des Beklagten wäre eine sachgerechte Verfolgung der Ansprüche der Klägerin jedoch nicht möglich gewesen. Die Notwendigkeit der vorgerichtlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt zeigt sich im Übrigen schließlich auch daraus, dass eine einfache Beilegung des Rechtsstreits mit dem Beklagten gerade nicht erzielt werden konnte.

Eine Verwertung der Daten des Beklagten im Zivilverfahren stehen jedenfalls mangels Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten bereits keine Anhaltspunkte entgegen.

Soweit sich der Beklagte auf die seit dem 01.09.2008 geltende Obergrenze des § 97a UrhG beruft, gilt diese für Rechtsverletzungen ab dem 01.09.2008 und war vorliegend nicht anwendbar, da die streitgegenständliche Rechtsverletzung am 24.08.2007 erfolgte.

Die Klägerin macht Gebühren ausgehend von einem Streitwert von 10.000 EUR geltend. Dieser Gegenstandswert ist nicht zu beanstanden. Wertbestimmend ist beim Unterlassungsanspruch die gemäß §3 ZPO zu schätzende Beeinträchtigung, die für die Antragstellerin von dem beanstandeten Verhalten verständigerweise zu besorgen ist und die mit der begehrten Unterlassung beseitigt werden soll (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 26.Auflage, §3 Rn 16).

Das Gericht geht aufgrund ständiger Rechtsprechung davon aus, dass pro Filmtitel ein Gegenstandswert von 10.000 EUR angesetzt werden kann (vgl. statt vieler LG Köln. Urteil vom 18 07.2007. 228 O 480/06).

Die Klägerin steht darüber hinaus die geltend gemachte Lizenzgebühr aus § 97 UrhG zu. Wie oben dargelegt hat der Beklagte selbst die Rechte der Klägerin verletzt oder zumindest fahrlässig der durch einen anderen erfolgten Rechtsverletzung Vorschub geleitet, indem er seinen Anschluss nicht hinreichend gegen einen Missbrauch durch Dritte schützte.

Der Schadensersatzanspruch steht der Klägerin auch in geltend gemachter Höhe zu.

Die Klägerin kann den Ersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Hiernach steht der Klägerin eine angemessene Lizenzvergütung in der Höhe zu, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der konkreten Umstände des Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten Ein Ansatz von 275 EUR erscheint dem Gericht hier angemessen.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. da der Beklagte unterlegen ist.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO

Auf das Urteil hingewiesen hat die Firma Digiprotect Gesellschaft zum Schutz digitaler Medien.

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