AG Gießen: Wenn Männer dafür zahlen müssen – Kostenpflicht nur für Männer bei Singlebörsen rechtmäßig

veröffentlicht am 20. Oktober 2011

AG Gießen, Urteil vom 26.05.2011, Az. 47 C 12/11
§ 134 BGB;
§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG

Das AG Gießen hat entschieden, dass es rechtmäßig ist, wenn Männer für die Nutzung eines Single-Portals ein Entgelt entrichten müssen, während die Teilnahme für Frauen kostenlos ist. Diese Regelung stelle nach Auffassung des Gerichts keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz dar, da die – tatsächlich gegebene – Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei. Durch die kostenfreie Premium-Mitgliedschaft würden Frauen dazu gebracht, sich bei dem Single-Portal anzumelden. Dies sei gerade auch im Interesse der angemeldeten Männer, da sich bei einem kostenlosen Zugang mehr Frauen anmelden würden als bei einem kostenpflichtigen Angebot. Damit stünde den Männern eine größere Auswahl an potentiellen Partnern zur Verfügung. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Gießen

Urteil

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 99,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.10.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerlage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, ist bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderungen begründet, während die Widerklage als unbegründet abzuweisen war.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 99,00 Euro. Dieser Zahlungsanspruch folgt aus § 6 der wirksam in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.

Unstreitig haben die Parteien einen Vertrag über die „Premium-Mitgliedschaft“ des Beklagten bei dem von der Klägerin betriebenen „Single-Portal“ geschlossen.

Dieser Vertrag ist nicht nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes unwirksam. Es liegt keine nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unzulässige Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts vor. Zwar ist aufgrund des Umstands, das Frauen für die Premium-Mitgliedschaft in dem Portal der Klägerin keine Vergütung zu zahlen haben, während Männer eine Vergütungspflicht trifft, eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts gegeben. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AGG durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG kann ein sachlicher Grund insbesondere dann vorliegen, wenn durch die unterschiedliche Behandlung besondere Vorteile gewährt werden und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt. Dies ist vorliegend der Fall. Durch den kostenfreien Zugang zu dem Portal wird den Frauen ein besonderer Vorteil gewährt. Ein Interesse an der Durchsetzung einer Gleichbehandlung der betroffenen Männer liegt nicht vor. Nach der Gesetzesbegründung kann die Durchsetzung der Gleichbehandlung vernachlässigt werden, wenn die bestimmte Gruppe typischerweise weniger leistungsfähig ist oder die Vergünstigen die gezielte Ansprache von Kundenkreisen bezwecken, die der Anbieter anlocken möchte (BT-Drucks 16/1780, 44). Durch den kostenfreien Zugang zur Premium-Mitgliedschaft werden Frauen dazu gebracht, sich bei dem von der Klägerin betriebenen „Single-Portal“ anzumelden. Dies ist auch im Interesse der bei der Klägerin angemeldeten zahlungspflichtigen Männer, da sich durch den kostenlosen Zugang nach der Lebenserfahrung deutlich mehr Frauen anmelden als bei einem kostenpflichtigen Angebot, so dass den Männer eine größere Auswahl an potentiellen Partnern zur Verfügung steht. Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin bei ihrem Angebot nicht darum geht, Frauen als Kunden anzulocken, sondern sie vielmehr beabsichtigt hat, Männer aufgrund eines künstlich hohen Preises auf Kosten der Frauen zu benachteiligen (vgl. dazu Armbrüster in Ermann, BGB-Kommentar, 12. Auflage 2008, § 20 AGG Rn. 12), hat der Beklagte nicht vorgetragen. Die im Schriftsatz vom 24.05.2011 vorgetragenen Vergleichszahlen zum Verhältnis von Männern und Frauen in andern Singlebörsen sind nicht aussagekräftig, da nicht klar ist, ob sich die Zahlen nur auf kostenpflichtige Kunden oder auf alle Kunden der jeweiligen Portale unabhängig davon, ob eine Kostenpflicht besteht, beziehen.

Der zwischen den Parteien geschlossenen Vertag ist auch nicht durch eine Kündigung des Klägers von Anfang Februar 2010 zum 25.05.2010 beendet worden, sondern hat sich nach Ablauf der Vertragslaufzeit entsprechend den Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin um weitere 9 Monate verlängert. Der Beklagte kann den Zugang des von ihm behaupteten Kündigungsschreibens an die Klägerin nicht beweisen. Allein der Umstand, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben abgeschickt haben will und dieses nicht zurückgekommen ist, vermag den Zugang des Schreibens bei der Klägerin nicht zu belegen.

Im Ergebnis kann die Klägerin daher die Zahlung des geltend gemachten Nutzungsentgelts für weitere 9 Monate vom 26.05.2009 – 25.02.2011 in Höhe von 99,00 Euro verlangen.

Ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Nebenkosten steht der Klägerin hingegen zum Großteil nicht zu. Durch die dem Beklagten übersandte Rechnung vom 01.05.2010 ist der Beklagte nicht nach § 286 Abs. 3 BGB in Verzug geraten, da er nicht auf die Rechtsfolge des § 286 Abs. 3 BGB hingewiesen worden ist. Den Zugang der Mahnung vom 09.06.2010 hat der Beklagte wirksam bestritten, so dass die Klägerin den Zugang hätte nachweisen müssen. Verzug ist also auch nicht nach § 286 Abs. 1 BGB eingetreten. Die Klägerin kann daher nicht nach § 280 Abs. 2 BGB vom Beklagten die Zahlung der Anwaltsgebühren sowie der Kosten für die Rücklastschrift und die Mahngebühren verlangen. Vielmehr steht ihr lediglich ein Anspruch auf Zinszahlung seit Zustellung des Mahnbescheids aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu.

Die zulässige Widerklage war abzuweisen, da dem Beklagten gegen die Klägerin kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Die Klägerin hat die Leistung aufgrund eines wirksam geschlossenen Vertrages (s.o.) und damit mit Rechtsgrund erlangt.

Die Berufung war nicht nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen. Es ist nicht ersichtlich, dass es hinsichtlich der entschiedenen Streitfrage unterschiedliche Rechtsprechung gibt. Ferner handelt es sich bei der vorliegenden Streit um einen Einzelfall. Andere Streitfälle im Gerichtsbezirk, die dieselben Rechtsfragen betreffen und die eine Entscheidung des Berufungsgerichts sinnvoll erscheinen lassen, sind dem Gericht nicht bekannt. Allein der Umstand, dass es für die Lösung des Falles auf die Anwendung eines relativ jungen Gesetzes und die Auslegung von unbestimmten Tatbestandsmerkmalen dieses Gesetzes ankam, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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