AG Hamburg: Wenn Sie eine Website kaufen, verlassen Sie sich nicht auf die Zusage des Verkäufers, „seine“ Inhalte seien urheberrechtlich ohne Weiteres nutzbar / 300,00 EUR Schadensersatz je dapd-Tagesnachricht / Zum Streitwert bei Textklau

veröffentlicht am 12. Juli 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtAG Hamburg, Urteil vom 14.06.2012, Az. 35a C 40/12
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, § 31 UrhG, § 43 UrhG, § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG, § 670 BGB, § 677 BGB, § 683 BGB

Das AG Hamburg hat entschieden, dass der Käufer einer Website selbst darauf zu achten hat, ob der dort integrierte Inhalt (hier: Texte der Presseangentur dapd) von ihm genutzt werden darf. Die einfache Bestätigung, es bestünden keine entgegenstehenden Rechte Dritter, reiche hierfür, so das Amtsgericht, nicht aus. Bei der Berechnung des Schadensersatzes nach der Methode der fiktiven Lizenzanalogie könnten vom Geschädigten branchenübliche Tarife, wie die des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) verwendet werden. Auch habe der Geschädigte Anspruch auf die Bezahlung von „Dokumentationskosten“, welche im vorliegenden Fall ausreichend dargelegt worden sein sollen. Der Streitwert für die Klage (ohne Unterlasssung) wurde auf 2.700,00 EUR festgesetzt. Zum Volltext der Entscheidung:


Amtsgericht Hamburg

Urteil

In dem Rechtsstreit

dapd nachrichten GmbH, …

gegen
….
wegen Urheberrecht

erkennt das Amtsgericht Hamburg – Abteilung 35a – durch … am 14.06.2012 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2012 für Recht:

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.04.2011 sowie weitere 225,00 EUR Dokumentationskosten und 265,70 EUR Verzugsschaden zu bezahlen.

2.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer nach ihrer Auffassung urheberrechtsverletzenden Nutzung von Presseartikeln im Internet auf Schadensersatz und Erstattung von Ermittlungs- sowie vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch.

Die Klägerin ist eine Nachrichtenagentur. Der Beklagte betreibt die Internetseite “http://www. … .de“, welche er von einem Herrn … übernommen hat.

Auf der Internetseite des Beklagten waren vom 26.12.2009 bis 26.03.2010 unter neun verschiedenen URL neun Texte mit den Überschriften „Bundesrat billigt Wohngelderhöhung und Wohnkosten-Kompromiss“ (am 26.12.2009), „Scheidung nach Jahrzehnten“ (am 29.01.2010), „Zu Besuch bei Oma und Opa“ (am 27.12.2009), „Auto und Verkehr Kleine Wüstlinge im Motorraum“ (am 06.01.2010), „Jugendliche und Alkohol“ (am 07.01.2010), „Kampf gegen den höheren Kassenbeitrag“ (am 07.01.2010), „Edles aus dem Wald“ (am 30.01.2010), „Zwischen Sehnsucht und Schuldgefühlen“ (am 24.03.2010) und „Auch das Kinderzimmer kommt in die Pubertät“ (am 26.03.2010) abrufbar (im Folgenden: Verletzungsmuster). Wegen der Einzelheiten der Verletzungsmuster und der URL wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.

Die Klagemuster der Anlage K 1 sind von Autoren der Nachrichtenagentur „ddp“ erstellt worden. Wegen ihrer Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Auf Grund einer Umfirmierung entstand aus der „ddp Deutscher Depeschendienst GmbH“ die Klägerin.

Mit Schreiben vom 21.03.2011 nahm die Klägerin den Beklagten mit Fristsetzung zum 04.04.2011 wegen vermeintlicher Rechtsverletzungen durch die Abrufbarkeit der Verletzungsmuster auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin behauptet, dass ihr an den neun Klagemustern der Anlage K 1 die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Für die Dokumentation der Rechtsverletzungen durch die Firma Lernhaus GmbH seien ihr Kosten in Höhe von 25,00 EUR pro Treffer, insgesamt also 225,00 EUR, entstanden. Die Klägerin begehrt deren Ersatz sowie Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie und beruft sich insofern auf die Honorarempfehlungen des Deutschen Journalisten-Verbandes (Auszug in Anlage K 3). Weiter macht die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale geltend.

Nachdem sie im Mahnverfahren zunächst weitere 300,00 EUR Schadensersatz nebst anteiliger Zinsen und weitere 25,00 EUR Dokumentationskosten geltend gemacht hat, hat die Klägerin die Klage insofern teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.700,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.04.2011 sowie weitere 225,00 EUR Dokumentationskosten und 265,70 EUR Verzugsschaden zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass die Texte von Herrn … über das Contentmodul des Providers 1 & 1 in die Internetseite eingefügt worden seien. Herr … habe dem Beklagten versichert, dass der Beklagte die Texte daher verwenden könne, worauf er, der Beklagte, sich verlassen habe. Der Beklagte ist daneben der Auffassung, dass die Klagemuster nicht urheberrechtlieh schutzfähig seien. Die Ansprüche der Klägerin seien zudem übersetzt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten zunächst zu Recht die Bezahlung von 2.700,00 EUR Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie wegen der auf der Internetseite des Beklagten eingestellten Verletzungsmuster, § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG.

a)
Die Klagemuster gemäß Anlage K 1 sind urheberrechtlich schutzfähig nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Im Bereich der Sprachwerke ist die Schutzgrenze nach allgemeiner Meinung niedrig anzusetzen, so dass auch die so genannte „kleine Münze“ des Urheberrechts geschützt wird. Die schöpferische Leistung kann sowohl in der individuellen sprachlichen Gestaltung als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes liegen (BGH GRUR 2002, 958 ff.). Zeitungsartikel beruhen in der Regel auf einer persönlichen, geistigen Schöpfung in diesem Sinne. So liegt der Fall auch hier.

b)
Die Klägerin hat nach dem substantiierten Klagevortrag die Nutzungsrechte an den Klagemustern. Die Klagemuster enthalten das Agentur-Kürzel „ddp“, aus der letztlich unstreitig die Klägerin im Wege einer Umfirmierung hervorgegangen ist (vgL Anlage K 6). Außerdem ist unstreitig, dass Autoren der Nachrichtenagentur „ddp“ die Texte erstellt haben. Mit Blick auf die §§ 31, 43 UrhG lediglich ins Blaue hinein, unsubstantiiert und daher unerheblich hat der Beklagte hiervon ausgehend bestritten, dass die Rechte von den Autoren auf die Klägerin übertragen worden seien.

c)
Der Beklagte hat die VerJetzungsmuster als unfreie Bearbeitungen der Klagemuster wider § 23 Satz 1 UrhG ohne Einwilligung veröffentlicht, indem die Verletzungsmuster auf seiner Internetseite abrufbar waren. Wie die Anlage K 2 zeigt, erfolgte die Abrufbarkeit der Artikel auf der Internetseite des Beklagten gerade nicht über so genannte Content Module eines Providers.

d)
Der Beklagte handelte zumindest fahrlässig, da er die Widerrechtlichkeit seines HandeIns ohne weiteres hätte erkennen können. Insofern kann er sich nicht darauf berufen, dass der vorherige Betreiber der Internetseite ihm versichert habe, die Texte weiterhin verwenden zu können. Den Beklagten treffen bei der Übernahme des Betriebes einer Internetseite vielmehr weiter gehende Prüfpflichten, denen er nicht nachgekommen ist.

e)
Nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG kann vom Verletzer als Schadensersatz der Betrag verlangt werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dies wird danach berechnet, was bei vertraglicher Einräumung der Nutzungsrechte ein vernünftigter Lizenzgeber verlangt und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte (BGH WRP 2009, 847). Insofern kann auf branchenübliche Vergütungssätze und Tarife zurückgegriffen werden (BGH GRUR 2010,623). Die von der Klägerin herangezogenen Honorarempfehlungen des Deutschen Journalisten-Verbandes gehören dazu, so dass die begehrten 300,00 EUR pro Rechtsverletzung nicht zu beanstanden sind.

2.
Die Klägerin begehrt weiter zu Recht die Bezahlung von Dokumentationskosten in Höhe von 95,00 EUR und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 265,70 EUR, die sie von dem Beklagten als Aufwendungsersatz gemäß den §§ 670, 677,683 BGB verlangen kann.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin eine 1,3-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert in Höhe von 2.700,00 EUR nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 W RVG geltend machen.

Das Entstehen der Dokumentationskosten ist mit der Vorlage der Anlage K 7 hinreichend dargetan. Auf Grund der Weigerung des Beklagten, die Kosten zu übernehmen, kann die Forderung als Zahlungsanspruch geltend gemacht werden.

3.
Die Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

4.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen im Hinblick auf die teilweise Klagrücknahme auf den §§ 92 Absatz 2 Nummer 1 analog, 709 ZPO.

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