AG Neumarkt: Honorarforderungen aus einem Vertrag mit einer Online-Partnerbörse sind bei Partnervermittlung durch Betreiber nicht einklagbar

veröffentlicht am 20. Mai 2015

AG Neumarkt, Urteil vom 27.07.2014, Az. 1 C 332/14 – nicht rechtskräftig
§ 656 Abs. 1 BGB

Das AG Neumarkt hat entschieden, dass eine Honorarforderung aus einem Vertrag mit einer Online-Partnerbörse nicht einklagbar ist, wenn der Betreiber der Partnerbörse sich verpflichtet, für den Nutzer ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen und auf Grundlage dessen eine vertraglich vereinbarte Anzahl „passende“ Nutzer aus ihrem Datenpool für den Nutzer auszusuchen („Matching“) und sie ihm vorzuschlagen. Hier sieht das Amtsgericht die Anwendbarkeit von § 656 BGB. Anders verhalte es sich, so das Gericht, wenn der Nutzer selbst das Persönlichkeitsprofil erstelle und selbständig und eigeninitiativ nach von ihm selbst gewählten Kriterien andere Nutzer suche und auswähle. Die Berufung wurde zugelassen. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Neumarkt

Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 598,80 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Beitragsforderung aus einer Mitgliedschaft der Beklagten in einer von der Klägerin betriebenen Online-Partnerbörse geltend.

Die Klägerin betreibt u.a. die Teledienste www.[…].de und www.[…].de. Über diese bietet sie ihren Nutzern Services, Dienste und Hilfestellung bei der Suche mit einem Lebenspartner an.

Die Beklagte hat sich zunächst auf der Website www.[…].de. registriert und am 15.07.2012 mit der Klägerin einen Vertrag über eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft geschlossen. Dem Vertragsschluss lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sowie deren Preisliste zu Grunde.

In diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich unter Nr. 2 „Vertragsgegenstand“ folgende Regelung:

„a. Psychologische Grundlage und -leistungen

aa. E. stellt einen psychologisch fundierten Persönlichkeitstest zur Verfügung. Der Nutzer füllt den Fragebogen aus. Aus dem Testergebnis, wissenschaftlich entwickelten Algorithmen und umfangreichen, abgesicherten Statistikdaten erstellt E. ein individuelles Personality-Profil für jeden Nutzer. Ein Extrakt des Personality-Profils wird dem Nutzer online in Form einer kurzen Persönlichkeitsanalyse zur Verfügung gestellt.

bb. Auf Basis des Personality-Profils wird das Matching durchgeführt, bei dem das Profil des Nutzers auf Basis mathematischer Verknüpfungen mit den Profilen aller anderen Mitglieder in der E.-Datenbank auf Passung (Matching) hin abgeglichen wird.

cc. Nutzer erhalten Vorschläge zu passenden Partnern. E. schuldet dabei lediglich die Kontaktvermittlung, nicht den Erfolg des Kontaktes. Aufgabe von E. ist lediglich die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen zur Ermöglichung einer Kontaktaufnahme.“

Nach dem Vertragsinhalt schuldete die Klägerin der Beklagten mindestens 200 solcher qualifizierter Partnervorschläge.

Das Vertragsverhältnis der Parteien lief zunächst bis zum 5.07.2013. Für diesen Zeitraum wurde von der Beklagten ein Entgelt in Höhe von 598,80 € bezahlt.

Eine Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte vor Ablauf am 15.07.2013 erfolgte nicht.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagten sei bei Abschluss des als Teil der dort angezeigten Vertragsbedingungen, insbesondere folgender Passus zur Verlängerung der Mitgliedschaft angezeigt worden sei:

„Die Premium-Mitgliedschaft verlängert sich automatisch um ein 12 Monatspaket zum Preis von 49,90 € pro Monat (insgesamt 598,80 €), wenn sie nicht 3 Wochen vor Ablauf des 12 Monatspakets kündigen. Dieses 12 Monatspaket verlängert sich automatisch um jeweils den gleichen Zeitraum, wenn sie nicht 8 Wochen vor Ablauf des Pakets kündigen“.

Die Beklagte habe diese Vereinbarung dadurch bestätigt, dass sie im Rahmen des Online-Anmeldeprozesses an der Eingabestelle „AGB und Vertragsinhalt gelesen“, das Feld „ja“ angeklickt habe und diesen Registrierungsprozess durch Klick auf den in roter Farbe hervorgehobenen mit dem Wort „Kauf“ beschrifteten Wortbutton abgeschlossen habe.

Die Klägerin meint daher, dass sich das ursprüngliche am 15.07.2013 ablaufende Vertragsverhältnis mangels Kündigung der Beklagten um einen weiteren 12-Monatszeitraum verlängert habe. Hierfür schulde die Beklagte einen weiteren Jahresbeitrag in Höhe von 598,80 €.

Die Klägerin beantragt daher, die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin € 598,80 nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.08.2013 sowie Auskunftskosten von € 0,30 und Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 124,00 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte meint u.a., dass der klägerseits geltend gemachte Anspruch auf Grund von § 656 Abs. I BGB nicht einklagbar sei. Es handele sich bei dem vorliegenden Vertragsverhältnis um eine Form der Partnerschaftsvermittlung im Sinne dieser Vorschrift.

[…].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht einklagbar. Es handelt sich vielmehr um eine Naturalobligation (§ 656 Abs. 1 S. 1 BGB analog).

I.
§ 656 Abs. 1 S. 1 BGB ist unmittelbar zunächst auf Heiratsvermittlungsverträge anwendbar. Um einen solchen Vertrag handelt es sich vorliegend nicht.

II.
Allerdings hat der BGH mit Urteil vom 11.07.1990 (IV ZR 160/89), den Anwendungsbereich der Vorschrift entsprechend auf Partnervermittlungsverträge ausgeweitet. Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt:

„Mit Recht meinen die Befürworter einer entsprechenden Anwendung, auch bei der Partnerschaftsvermittlung bestehe wie bei der Ehevermittlung und Eheanbahnung ein schützenswertes Diskretionsbedürfnis des Kunden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gedanken, daß der Gesetzgeber mit § 656 BGB auch die Intimsphäre der Beteiligten schützen wollte, durchaus Gewicht beigemessen (BVerfGE 20, 31, 33f.). Die vom Senat in seinem Urteil vom 4. Dezember 1985 (IVa ZR 75/84NJW 1986, 927 = LM BGB § 656 Nr. 5 = FamRZ 1986, 240) angestellten Erwägungen zu Peinlichkeiten und Unzumutbarkeiten einer bei Klagbarkeit häufig unumgänglichen Beweisaufnahme über Art und Umfang der Tätigkeit gelten mindestens ebenso bei der Vermittlung einer Partnerschaft. Das Grundgesetz schützt die Würde des Menschen und dessen freie Persönlichkeitsentfaltung ohne Rücksicht darauf, ob eine Eheschließung angestrebt wird oder nicht. „

Das OLG Koblenz hat diesen Ansatz in einer Entscheidung von 2007 wie folgt bekräftigt und weiterentwickelt:

„Der Zweck der Regelung [des § 656 Abs. 1 BGB] wird heute im Schutz der Privat- und Intimsphäre der Kunden des Partnerschaftsvermittlers vor einer Offenlegung ihrer Bemühungen um die Begründung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft mit Hilfe eines kommerziellen Vermittlers durch die Beweisführung im Honorarprozess gesehen (vgl. BVerfG NJW 1966, 1211 ff.). Schon die Identifizierung derjenigen Dritten, die sich der Partnerschaftsvermittlung anvertraut haben, weil sie nicht ohne diese Hilfe eine Partnerschaft anbahnen konnten oder wollten, greift in die Privat- und Intimsphäre dieser Dritten ein und soll daher nach dem insoweit verfassungskonformen Regelungszweck der Norm im Honorarprozess unterbleiben (Staudinger/Reuter, BGB § 656 Rn. 7). Die Honorarforderung des Vermittlers und ein eventueller Rückzahlungsanspruch des Kunden nach dessen freiwillig erbrachter Geldzahlung sind daher prinzipiell nicht einklagbar. Nach diesem Normzweck soll im vorliegenden Fall schon die Identität der männlichen Kunden der Beklagten, die im Zusammenhang mit den vertraglichen Leistungen der Beklagten für die Klägerin angesprochen wurden, nicht offen gelegt werden. Erst recht sollen deren Eigenschaften und Partnerwünsche sowie die Gründe für oder gegen eine Kontaktaufnahme mit der Klägerin nicht Gegenstand der Erörterung im gerichtlichen Verfahren sein.“

Das Geschäftsmodell der Klägerin entspricht nach Auffassung des Gerichts im Kern dem einer klassischen Partnervermittlung.

1.
Die Klägerin stellt dem Kunden nicht nur eine Online-Kontaktplatform zur Verfügung, auf die die Vorschrift des § 656 BGB unzweifelhaft nicht anwendbar wäre.

Eine solche Online-Kontaktplattform als Unterform eines (ggf. spezialisierten) reinen sozialen Netzwerks läge vor, wenn sich die von der Klägerin geschuldete Leistung auf Einrichtung, Betrieb und Zugangseröffnung zu einer Online-Plattform beschränken würde, auf der Nutzer ein Profil anlegen können, in dem sie persönliche Angaben hinterlegen und selbständig und eigeninitiativ mit anderen Personen, die ebenfalls ein solches Profil angelegt haben, in Kontakt treten und kommunizieren können. Eine solche Plattform ermöglicht es Nutzern mit einem persönlichen Profil (vergleichbar einer gedruckten Kontaktanzeige) für sich zu werben, unter Nutzung einer Such- und Filterfunktion nach anderen solchen Profilen zu suchen und (in aller Regel) mit diesen auf elektronischem Wege durch Austausch von Textnachrichten innerhalb der Online-Umgebung der Plattform in Kontakt zu treten und zu kommunizieren. Eine solche Plattform verbindet insofern auf die Papierwelt übertragen die Funktionen eines Publikationsorgans (Tageszeitung, Anzeigenblatt, Aushangtafel etc.) mit denen eines (Tele-)kommunikationsdienstes (Brief, Telefon etc.) und stellt zusätzlich eine vom Nutzer mit Kriterien zu füllende automatisierte Funktion zur gefilterten Anzeige zur Verfügung, die der Nutzer in der Papierwelt händisch bewältigen müsste. Solche sozialen Netzwerke sind in der Regel für den Nutzer kostenfrei und werden durch Werbung bzw. über die entgeltliche Nutzungsmöglichkeit der von den Nutzern offenbarten personenbezogenen Daten finanziert.

2.
Das Angebot der Klägerin geht jedoch in entscheidender Weise über ein solches (unter Ziffer 1 beschriebenes) Geschäftsmodell hinaus. Die Klägerin erstellt nämlich ausweislich der Beschreibung des Vertragsgegenstandes unter Nummer 2 der von ihr vorgelegten allgemeinen Geschäftsbedingungen anhand der Angaben des partnersuchenden Kunden auf der Grundlage eines „psychologisch fundierten Persönlichkeitstests“ ein „individuelles Personality-Profil für jeden Nutzer“ und führt „auf der Basis des Personality-Profils“ ein „Matching durch, bei dem das Profil des Nutzers auf Basis mathematischer Verknüpfungen mit den Profilen aller anderen Mitglieder in der E.-Datenbank auf Passung (Matching) hin abgeglichen wird. Nutzer erhalten [sodann] Vorschläge zu passenden Partnern.“ Auf der als Screenshot von der Klägerin vorgelegten Anmeldeseite wirbt die Klägerin ferner damit, dass im Rahmen der von der Beklagten abgeschlossenen 12-Monatspremiummitgliedschaft „mindestens 200 qualifizierte Partnervorschläge“ geschuldet seien. Im Unterschied zu reinen Online-Kontaktplattformen eröffnet die Klägerin dem Nutzer nicht nur den Zugang zu einem Datenbestand an anderen Nutzern, aus denen der Nutzer dann nach von ihm selbst gewählten Kriterien Nutzer herausfiltert und mit diesen ggf. in Kontakt tritt, sondern sie verpflichtet sich aufgrund eines von ihr gewählten Verfahrens „passende“ Nutzer aus dem Datenpool für den Kunden auszusuchen und sie ihm vorzuschlagen. Der Mehrwert für den Kunden besteht mithin darin, dass die Klägerin ihm ihre Expertise bei der Auswahl von passenden Partnern zur Verfügung stellt und ihn hiermit nicht alleine lässt.

Dieses Geschäftsmodell entspricht aus Sicht des Gerichts der Tätigkeit einer klassischen, analogen Partnervermittlungsagentur, die unzweifelhaft unter den Anwendungsbereich von § 656 Abs. 1 BGB fällt (so auch: Meier: Vergütungspflicht und Widerruf bei der Online-Partnerschaftsvermittlung NJW 2011, 2396). Letztere erarbeitet ebenfalls in einem persönlichen Beratungsgespräch ein Persönlichkeitsprofil des Partnersuchenden und gleicht dieses dann nach einem bestimmten vom jeweiligen Partnervermittlungsinstitut erarbeiteten, individuellen Verfahren mit anderen Kunden in ihrer Kartei ab (Matching). Davon ausgehend erstellt der Partnervermittler Partnervorschläge, die dem Kunden dann schriftlich mit Kontaktdaten übermittelt werden. Ein Erfolg dahingehend, dass auch ein Kontakt oder gar eine Partnerschaft zustande, wird auch dort in der Regel nicht geschuldet, da es sich regelmäßig um einen Dienst- und keinen Werkvertrag handelt. Das Vermittlungsinstitut schuldet lediglich den Nachweis von grundsätzlich kontaktbereiten und auch partnersuchenden Personen.

Der einzige erkennbare Unterschied der beiden Geschäftsmodelle liegt darin, dass die Klägerin ihre Dienstleistung aufgrund eines automatisierten Verfahrens erbringt. Dieser Umstand alleine kann jedoch rechtlich keinen Unterschied machen. Zum Einen greifen mittlerweile wohl auch klassische Partnervermittlungen in zunehmendem Maße auf automatisierte Prozesse beim „Matching“ zurück. Zum Anderen ändert sich am Charakter einer Dienstleistung nicht alleine dadurch etwas, dass sie vollständig automatisiert durchgeführt wird. Ein Vertrag über die Einrichtung eines Girokonto verliert nicht deshalb seinen Vertragscharakter als Zahlungsdienstevertrag als Unterform des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 675 ff. BGB), weil zwischen den Parteien ausschließlich die Nutzung von Online-Banking Einrichtungen vereinbart wird.

3.
Schließlich spricht auch der von der Rechtsprechung in den oben zitierten Entscheidungen herausgearbeitete Zweck des Schutzes der Privat- und Intimsphäre in gleicher Weise wie bei hergebrachten Partnervermittlungsmodellen dafür, auch das Geschäftsmodell der Klägerin unter den Anwendungsbereich des § 656 Abs. 1 BGB zu fassen.

Der Gesetzgeber wollte Beweisaufnahmen in öffentlichen Gerichtsverfahren, die mit der Identifizierung der vorgeschlagenen Dritten und Erörterung von deren persönlichen Verhältnissen einhergeht grundsätzlich unterbinden. Schuldet ein Dienstleister – wie vorliegende, s.o. unter 2. – nicht nur den Betrieb einer „Begegnungplattform“, sondern vorliegend „mindestens 200 qualifizierte Partnervorschläge“, mithin mit den Worten des § 656 Abs. 1 BGB den Nachweis von mindestens 200 Gelegenheiten zur Eingehung einer Partnerschaft, so wird er im Bestreitensfalle in substantiierter Weise darlegen müssen, dass diese Nachweise geleistet wurden. Dies wird im Bestreitensfalle auch Darlegungen dazu umfassen, dass hinter den ggf. unter einem Pseudonym nachgewiesenen Nutzerprofilen auch real existente Personen stehen, worüber im Bestreitensfalle Beweis zu erheben wären. Die Klägerin schuldet nach ihren eigenen Angaben nämlich Partnervorschläge, der Nachweis von fiktiven Persönlichkeiten, die lediglich als Profil in ihrer Datenbank existieren, dürfte dafür nicht genügen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG. Die Zulassung der Berufung erfolgte gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

I