AG Offenbach, Urteil vom 17.12.2013, Az. 38 C 329/13
§ 281 BGB, § 433 BGB
Das AG Offenbach hat entschieden, dass der bloße Verdacht einer Beschädigung der zu verkaufenden Ware noch nicht zu einem Auktionsabbruch auf der Handelsplattform eBay berechtigt. Vorliegend hatte der Verkäufer eines Felgensatzes die Auktion vorzeitig beendet, da seine Frau ihm berichtete, dass sie über einen hohen Bordstein gefahren sei und daher möglicherweise ein Schaden an einer Felge vorliegen könne. Der Abbruch der Auktion führte nach Ansicht des Gerichts dazu, dass der zum Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietende die Felgen zum gebotenen Preis ersteigert habe. Eine berechtigte Angebotsrücknahme hätte nur vorgelegen, wenn mit Sicherheit ein Schaden vorgelegen hätte und dieser Schaden auch erst während der Auktionslaufzeit (und nicht wie vorliegend bereits davor) eingetreten wäre. Zum Volltext der Entscheidung:
Amtsgericht Offenbach
Urteil
1)
a)
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,– Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2013 zu zahlen.
b)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2)
Die Kosten des Rechtsstreites hat der Beklagte zu tragen.
3)
a)
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
b)
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Kauf bei der Auktionsplattform ebay.
Am 25.12.2012 stellte der Beklagte in ebay vier Felgen mit Reifen ein. Zu dem Zeitpunkt als der Kläger Höchstbietender war, beendete der Beklagte die Auktion. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, es sei ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen und verlangte die Lieferung, die nicht erfolgte. Alsdann nahm er den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger behauptet im Wesentlichen, es habe kein Grund vorgelegen, die Auktion zu beenden, so dass die Felgen für den Preis seines letzten Gebots ihm zugestanden hätten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.200,– Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, nach dem Einstellen der Felgen habe ihm seine Frau mitgeteilt, sie sei mit einer der Felgen zügig auf einen hohen Bordstein gefahren, eine Felge könne daher durchaus beschädigt sein. Deswegen habe er sicherheitshalber die Auktion abgebrochen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers, des Beklagtenvertreters gemäß § 141 ZPO sowie Vernehmung der Zeugin N.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Dezember 2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Wesentlichen begründet (§ 281 I BGB). Der Beklagte ist im hier zu beurteilenden Fall dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist ein Vertrag zustande gekommen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung und ist daher hier nicht weiter auszuführen.
Fraglich ist allein, ob der Beklagte hier berechtigt war, die Auktion zu beenden, mithin sein Angebot zurückzuziehen, wodurch der Vertrag wieder aufgelöst worden wäre. Da sich beide Parteien durch ihre Teilnahme an der Auktion den Vertragsbedingungen von ebay unterworfen haben, sind diese Bedingungen in der damaligen Fassung zur Beantwortung der gestellten Frage heranzuziehen. Irgendeinem Irrtum ist der Beklagte hier nicht erlegen, eine Anfechtung des Angebots durch den Kläger scheidet damit aus. Es bleibt daher die Frage, ob die Auktion aus sonstigen Gründen abgebrochen werden durfte. Insoweit sahen die damals maßgeblichen Bedingungen der Auktionsplattform ebay folgendes vor:
„Gemäß den ebay-Grundsätzen dürfen Sie ein Angebot auch dann vorzeitig beenden, wenn der Artikel während der Angebotsdauer ohne Ihr Verschulden beschädigt wird oder verloren geht (z. B. Verlust, Diebstahl, s. BGH, Urt. v. 8.6.2011, Az.: VIII ZR 305/10). Bitte beachten Sie, dass Sie im Streitfall beweisen müssen, dass der Artikel während der Angebotsdauer ohne Ihr Verschulden beschädigt wurde oder verloren gegangen ist (siehe dazu auch BGH … und LG Bochum, Urt. v. 18.12.2012, Az.: 9 S 166/12).“
Bereits dem Wortlaut nach liegen die Voraussetzungen für einen Abbruch der Auktion nicht vor. Die Felgen bzw. eine davon wurden nicht während der Angebotsdauer beschädigt, sondern sie wurden zum einen – wenn überhaupt – vor dem Beginn des Angebots beschädigt und zum anderen – wie sich dann herausgestellt hat – sogar überhaupt nicht beschädigt. Der Verdacht einer Beschädigung reicht nach den Angebotsbedingungen eindeutig nicht aus, um eine Auktion abzubrechen. Die Angebotsbedingungen setzen vielmehr eine tatsächliche Beschädigung voraus, die aber nicht vorlag. Damit ist der Fall eigentlich schon zu Ende.
Aber auch weitergehend:
Das Gericht sieht keinen Grund, diese Bedingungen für unwirksam zu halten. Die getroffene Regelung ist durchaus sachgerecht und für ein funktionierendes Auktionswesen notwendig. Vor dem Einstellen in ebay ist der Verkäufer eben dazu verpflichtet, den einzustellenden Gegenstand auf seine Geeignetheit hin zu überprüfen. Der Beklagte hätte hier also auch seine Frau als weitere Benutzerin der Felgen vor dem Einstellen fragen können, ob Anhaltspunkte für eine Beschädigung vorliegen.
Der BGH hat sich in seiner ersten Entscheidung zwar durchaus für eine großzügige Auslegung der ebay-Bedingungen ausgesprochen. Dies führt aber nicht dazu, dass jeder Grund den Abbruch einer Auktion rechtfertigen kann. Hier hätte der Beklagte im Übrigen die Auktion gar nicht abbrechen müssen. Er hätte ohne weiteres in der laufenden Auktion noch die Felgen prüfen lassen können und hätte die Auktion dann bis zum Ende laufen lassen können. Genug Zeit war damit vorhanden.
In der Rechtsprechung ist bisher entschieden worden, dass ein Auktionsabbruch dann erlaubt ist, wenn der zu verkaufende Gegenstand gestohlen wird (BGH NJW 2011, 2643), wenn ein Mangel nach Beginn der Auktion auftritt, der von dem Verkäufer nicht zu vertreten ist (LG Bochum MMR 2013, 443, 444; plötzlicher Ausfall der Zentralverriegelung eines PKW) oder wenn ein Mangel unverschuldet erst nach Beginn der Auktion entdeckt wird (LG Bonn BeckRS 2012, 14820; kostenpflichtig unter beck-online.de abrufbar; es ging um „Orangenhaut“ an einem PKW, die für einen Laien kaum zu sehen war). Selbst wenn man der sehr weitgehenden Sichtweise des LG Bonn folgen würde, so unterscheidet sich dieser Fall von hiesigen doch dadurch, dass zum einen im Zeitpunkt des Abbruchs unklar war, ob überhaupt ein Mangel vorliegt und zum anderen objektiv gar kein Mangel vorlag. Wenn ein bloßer Verdacht ausreichen würde, könnte man sich aber fast die Auktionen sparen, denn ein Verdacht kann eigentlich immer vorliegen, da jeder Gegenstand, der gebraucht versteigert wird, zuvor zwangsläufig auch einmal benutzt worden ist, transportiert worden ist usw.
Im Übrigen ist in Erinnerung zu rufen: Wer bei ebay einen Gegenstand einstellt, gibt ein rechtsverbindliches Angebot ab. Sobald das erste Gebot abgegeben ist, ist der Gegenstand schon verkauft. Jedes Gebot steht lediglich unter der Bedingung, dass kein anderer überbietet. Natürlich steht das Angebot selbst auch unter dem Vorbehalt der berechtigten Rücknahme, eine solche berechtigte Rücknahme liegt hier – wie gesehen – aber gerade nicht vor.
Alles in allem ist daher festzuhalten: Die Voraussetzungen für den Abbruch einer Auktion lagen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Bedingungen sind nicht ersichtlich. Ein Bedürfnis dafür, die Bedingungen über ihren Wortlaut hinaus großzügig auszulegen, besteht vorliegend nicht.
Der Beklagte hat ferner geltend gemacht, der Kläger handele treuwidrig und hat sich dazu auf ein Urteil des Amtsgerichts Alzey berufen (Urt. v. 26.06.2013, 28 C 165/12, im Internet frei erhältlich). Dort hat das AG Alzey eine Klage eines Käufers abgewiesen, der offenbar eine Fülle von niedrigen Angeboten abgegeben hatte, um Gegenstände bei Auktionsabbruch für einen günstigen Preis zu erhalten. Das Gericht hält es bereits für fraglich, ob dieser Sicht der Dinge gefolgt werden kann. Aber unabhängig davon: Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger betätigt sich offenbar neben seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit als „Schnäppchenjäger“ bei ebay. Dies ist aber nicht verboten, selbst wenn eine derartige Verhaltensweise bei dem einen oder anderen Zeitgenossen Unverständnis auslöst (vor allem natürlich, wenn der Zeitgenosse selbst betroffen ist). Der Kläger versucht offenbar, diverse Waren günstig zu ersteigern, um dieselben dann besser zu verwerten. Unter diesen Umständen besteht nicht kein, sondern gerade ein Rechtsbindungswillen, da der Kläger ja die Gegenstände zuerst kaufen und bezahlen muss, um dieselben dann günstig zu verwerten. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Auktionen natürlich auch von derartigen Teilnehmern (mit) leben. Ziel von vielen Auktionsteilnehmern ist es auch, ein „Schnäppchen“ zu machen. Genau damit werben die Auktionshäuser auch. Nach der Anhörung des Klägers und der sonstigen aufgetauchten Indizien ist das Gericht jedenfalls nicht zu der Überzeugung gelangt (§ 286 I ZPO), dass der Kläger hier keinen Rechtsbindungswillen gehabt hat oder nur an der Auktion teilgenommen hat, um den Beklagten anschließend dann zu verklagen oder dass er sich sonst treuwidrig oder rechtserheblich ungehörig verhält. Auch wenn das Verhalten des Klägers manchen anderen lästig sein sollte, es ist durchaus erlaubt. Eine „Schnäppchensuche“ kann dem Kläger jedenfalls nicht von Rechts wegen zu seinem Nachteil vorgeworfen werden.
Die Höhe des damit zu leistenden Schadensersatzes schätzt das Gericht auf alles in allem 1.000 Euro (§ 287 ZPO). Für einen etwas höheren Preis hatte der Beklagte die Felgen anschließend eingestellt. Die Zeugin hat allerdings mitgeteilt, dass die Felgen für den genannten Preis in Höhe von 1.399 Euro nicht verkauft worden sind. Nachdem der Kläger die Felgen aber für diesen Wert eingestellt hat, dürfte dieser Wert durchaus halbwegs realistisch gewesen sein. Gleichwohl unternimmt das Gericht noch einen weiteren Schätzungsabschlag, da die Reifen für diesen Preis eben nicht verkauft worden sind und geht davon aus, dass dem Kläger bestenfalls ein Schaden in Höhe von 1.000 Euro entstanden ist, zumal natürlich auch sein letztes Gebot von etwas über 120 Euro dabei zu berücksichtigen wäre, denn diesen Betrag hätte der Kläger an den Beklagten zahlen müssen. Schließlich ist dem Kläger noch dahingehend zuzustimmen, dass der fehlende Gewährleistungsausschluss berücksichtigt werden kann und somit auch berücksichtigt worden ist.
Der Anspruch auf die Nebenforderungen folgt aus den §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kosten des Rechtsstreites waren dem Beklagten aufzuerlegen, da er in dem Rechtsstreit fast vollständig unterlegen war (§ 91 I 1, 92 II Nr. 2 ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert beträgt: Wertstufe bis 1.500 Euro.
Die Berufung (für den Kläger) konnte nicht zugelassen werden, weil keine der Voraussetzungen des § 511 IV 1 ZPO vorliegt.