BGH: Wer Anspruch auf Löschung eines Presseartikels hat, hat auch Anspruch auf Löschung seiner Gegendarstellung

veröffentlicht am 20. Dezember 2021

BGH, Urteil vom 28.09.2021, Az. VI ZR 1228/20
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S.2 BGB, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG

Der BGH hat entschieden, dass eine Person, die erfolgreich auf Löschung einer rechtswidrigen Presseartikels aus einem Online-Archiv geklagt hat, auch Anspruch auf Löschung der hierzu abgedruckten Gegendarstellung hat. Anderenfalls, so der Senat, würde der Anspruch auf Wahrung des Persönlichkeitsrechts unterlaufen. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021 durch … für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 27.08.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Entfernung einer von ihm selbst erwirkten Gegendarstellung aus deren Online-Archiv in Anspruch.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) veröffentlichte am 15.01.2016 auf ihrem Online-Portal „www.bild.de“ einen den Kläger identifizierenden Artikel, in welchem über ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren berichtet wurde. Dabei wurde auch behauptet, gegen den Kläger werde wegen des Verdachts der Zuhälterei ermittelt und er habe einen Großteil der Taten gestanden. Auf Verlangen des Klägers veröffentlichte die Beklagte am 24. Januar 2016 die folgende, mit seinem vollen Namen gezeichnete Gegendarstellung:

„Gegendarstellung
Auf bild.de wurde am 15.1.2016 unter der URL https://www.bild.de […] darüber berichtet, dass die ,Kripo wegen des Verdachts der Zuhälterei‘ gegen mich ermittelt und ich den ,Großteil der Taten gestanden‘ hätte.

Die Behauptungen sind unwahr. Richtig ist, dass ich kein Geständnis abgab und gegen mich nicht wegen Zuhälterei ermittelt wird.
Frankfurt 24.01.2016
C[…] S[…]

Anmerkung der Redaktion: C[…] S[…] hat recht.“

Darüber hinaus erwirkte der Kläger im Februar 2016 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, worauf diese sich im Wege der Abschlusserklärung verpflichtete, die folgenden Behauptungen zu unterlassen:

„Er hat einen Großteil der Taten gestanden.

Nach BILD-Informationen ermittelt die Kripo wegen Verdachts der Zuhälterei.“

Die angegriffenen Äußerungen sowie der Artikel vom 15. Januar 2016 sind auf der Webseite der Beklagten nicht mehr verfügbar. Die Gegendarstellung kann weiterhin über ihre URL und über die Suchfunktion auf der Webseite der Beklagten abgerufen werden. Bei einer Suche nach dem Namen des Klägers auf der Webseite der Beklagten erscheint insoweit lediglich ein Sucheintrag mit dem Titel „Gegendarstellung“. Bei einer Suche nach dem Namen des Klägers mit der Suchmaschine „Google“ erscheint die Gegendarstellung auf den ersten zehn Ergebnisseiten nicht.

Im November 2017 erging gegen den Kläger ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen (§ 182 StGB). Die Zulässigkeit der Berichterstattung vom 15. Januar 2016 im Übrigen war Gegenstand eines gesonderten Verfahrens (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 249/18, AfP 2020, 143).

Das Landgericht hat der auf Unterlassung des weiteren Vorhaltens der Gegendarstellung auf der Webseite der Beklagten gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB (analog) i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Bereithaltung der Gegendarstellung im Online-Archiv der Beklagten stelle einen Eingriff der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Zwar sei die Gegendarstellung auf eigenes Betreiben des Klägers veröffentlicht worden und habe die Beklagte durch die Anmerkung der Redaktion klargestellt, dass die Angaben des Klägers zuträfen. Dies schließe aber einen Eingriff durch das Vorhalten der Gegendarstellung nicht aus. Denn durch sie werde auch Jahre nach ihrer Veröffentlichung weiterhin mitgeteilt, dass der Kläger durch eine Berichterstattung der Beklagten mit Zuhälterei, einem Ermittlungsverfahren und einem Geständnis in Verbindung gebracht worden sei. Trotz der Anmerkung der Redaktion bleibe für einen unbefangenen Leser im Raum stehen, dass es für die Beklagte Anlass gegeben habe, darüber – wenn auch falsch – zu berichten. Der Kläger weise zu Recht darauf hin, dass an solchen Vorwürfen immer „etwas hängen“ bleibe. Zudem habe der Kläger Emails eines Dritten vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass die Gegendarstellung immer noch zu seinen Lasten wahrgenommen werde.

Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts sei auch rechtswidrig. Der Gegendarstellungsanspruch diene dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen und dürfe nicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Soweit die Beklagte einwende, dass sie die Ursprungsberichterstattung nur entfernt habe, weil der Kläger dagegen vorgegangen sei, verkenne sie, dass es das Recht des Klägers gewesen sei, sich gegen die Berichterstattung zu wehren. Soweit die Ursprungsberichterstattung Gegenstand der Gegendarstellung sei, sei sie unwahr gewesen, wie die Beklagte in der Anmerkung der Redaktion selbst eingeräumt habe.

Soweit die Beklagte sich darauf berufe, die Gegendarstellung enthalte wahre Tatsachen (nämlich dass die Kripo gegen den Kläger nicht wegen des Verdachts der Zuhälterei ermittelt und er nicht den Großteil der Taten gestanden habe), und wahre Tatsachen seien grundsätzlich hinzunehmen, übersehe die Beklagte, dass diese „wahren Tatsachen“ darauf beruhten, dass die Beklagte un-wahr über den Kläger berichtet habe und dass die wahren Tatsachen zugleich eine negative Konnotation hätten. Soweit die Beklagte geltend mache, der Kläger habe die Gegendarstellung selbst formuliert, übersehe sie, dass die Gegendarstellung grundsätzlich die beanstandeten Stellen bezeichnen und an die Erstmitteilung anknüpfen müsse.

Ohne Erfolg mache die Beklagte weiter geltend, bei der Gegendarstellung handele es sich (auch) um eine Erklärung der Beklagten und sie habe sich die Gegendarstellung zu eigen gemacht. Bei einer Gegendarstellung handele es sich grundsätzlich um eine eigene Erklärung des Betroffenen. Diese Erklärung habe sich die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihrer – die Erstmitteilung korrigierenden – „Anmerkung der Redaktion“ nicht zu eigen gemacht. Selbst wenn man von einem Zueigen-Machen ausgehe, sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gegendarstellung nicht um eine originäre Berichterstattung der Beklagten handele und deren Zustimmung im Rahmen des „Redaktionsschwanzes“ nicht dazu führen könne, die Gegendarstellung einem gleichwertigen Schutz durch die Presse- und Informationsfreiheit der Beklagten zu unterstellen. Es liege in der Natur der Sache, dass die Anmerkung inhaltslos werde, wenn die Äußerung wegfalle, auf die sie sich beziehe. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Interesse, Gegendarstellung und Anmerkung weiter in ihrem Archiv vorzuhalten, nicht nachvollziehbar dargelegt.

Das Interesse der Beklagten überwiege auch nicht deshalb, weil die Gegendarstellung nicht mehr ohne weiteres auffindbar sei. Denn ungeachtet dessen sei sie noch verfügbar und werde auch „genutzt“. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Gegendarstellung ihren Zweck als „Gegenrede“ verloren habe und dass die Ursprungsberichterstattung insoweit unzutreffend und damit rechtswidrig gewesen sei. Wenn aber der Kläger einen Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung habe, müsse ihm auch ein Anspruch darauf zugebilligt werden, die Gegendarstellung – deren Archivierung als abweichende Position es nicht mehr bedürfe – als „letzte Spur“ löschen zu lassen.

II.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Der Gegendarstellungsanspruch dient seiner Natur nach vorrangig dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1976 – VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 195, juris Rn. 122). Demjenigen, dessen Angelegenheiten in den Medien öffentlich erörtert werden, wird ein Anspruch darauf eingeräumt, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen; er kann sich alsbald und damit besonders wirksam verteidigen, während etwaige daneben bestehende zivil- und strafrechtliche Mittel des Persönlichkeitsschutzes bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst in einem Zeitpunkt zum Erfolg führen, in dem der zugrundeliegende Vorgang in der Öffentlichkeit bereits wieder vergessen ist (BVerfGE 63, 131, 142, juris Rn. 29 f.).

Die Gegendarstellung bleibt dabei stets an eine Erstmitteilung in der Presse gebunden. Nur wer zunächst von ihr zum Gegenstand öffentlicher Erörterung gemacht worden ist, kann die Wiedergabe seiner Darstellung verlangen. Schließlich ist der Anspruch auch nach Gegenstand und Umfang durch die Erstmitteilung begrenzt. Der Betroffene kann nur den in der Erstmitteilung enthaltenen Tatsachen widersprechen und muss dabei einen angemessenen Rahmen wahren, der regelmäßig durch den Umfang des beanstandeten Textes bestimmt wird (vgl. BVerfGE 97, 125, 147, juris Rn. 117). Die Gegendarstellung ist damit von der Erstmitteilung abhängig (vgl. BVerfG, NJW 2018, 1596 Rn. 18).

2. Vor diesem Hintergrund kann der Kläger nach den Umständen des Falles von der Beklagten die Entfernung seiner Gegendarstellung vom 24. Januar 2016 aus deren Online-Archiv verlangen, § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Mit dem fortdauernden Vorhalten der Gegendarstellung zum Abruf in ihrem Online-Archiv greift die Beklagte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Recht der persönlichen Ehre und des guten Rufes ein.

Durch die Bezugnahme auf die Erstmitteilung werden die dort enthaltenen – unwahren – Vorwürfe in der Gegendarstellung gespiegelt und damit – wenn auch in verneinter und damit für sich genommen zutreffender Form – in Erinnerung gerufen. Auch wenn die hier maßgeblichen Behauptungen der Erstmitteilung in der Gegendarstellung in Abrede sowie in der redaktionellen Anmerkung der Beklagten richtig gestellt werden, machen sie diese doch gleichsam im Reflex weiterhin zugänglich, geben Anlass und eröffnen Raum für Spekulation und beeinträchtigen damit das Ansehen des Klägers – semper aliquid haeret.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Gegendarstellung selbst formuliert und die Beklagte sie ursprünglich auf Verlangen des Klägers auf ihrer Webseite eingestellt hat. Denn der Kläger war gegendarstellungsrechtlich gehalten, bei Formulierung seiner Gegendarstellung an die Erstmitteilung anzuknüpfen, die Erstmitteilung folglich konkret zu bezeichnen und diejenigen Tatsachenbehauptungen, gegen die er sich wenden wollte, konkret und zutreffend wiederzugeben (vgl. Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl., Rn. 29.28; Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 11 Rn. 78 ff., Seitz, Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl., S. 84 ff.; Schulenberg in Schwartmann, Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 4. Aufl., Kap. 9 Rn. 232; jeweils mwN). Der Kläger hat damit nicht etwa freiwillig selbst die nun beanstandeten Informationen offenbart, sondern war hierzu durch die – unwahre Tatsachenbehauptungen enthaltende – Erstmitteilung der Beklagten gezwungen, wenn er von seinem Recht auf Gegendarstellung Gebrauch machen wollte. Diese Rechtsausübung kann jedenfalls im Verhältnis zum Erstschädiger nicht gegen ihn gewendet werden. Andernfalls führte die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts, die sich ebenfalls an dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrecht messen lassen muss (vgl. BVerfGE 63, 131, 143, juris Rn. 31), im Ergebnis zu einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition des Klägers.

b) Die Beeinträchtigung ist auch rechtswidrig.

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonven-tion interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senatsurteil vom 29. Juni 2021 – VI ZR 52/18, AfP 2021, 322 Rn. 24 mwN). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt des Löschungsverlangens. Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Presse- und Meinungsfreiheit abzuwägen.
bb) Diese Abwägung fällt hier zugunsten des Klägers aus.

(1) Maßgeblicher Gegenstand der Abwägung ist allein der Inhalt der Gegendarstellung einschließlich der redaktionellen Anmerkung der Beklagten betreffend die beiden unwahren Tatsachenbehauptungen der Beklagten, gegen den Kläger werde wegen des Verdachts der Zuhälterei ermittelt und er habe den Großteil der Taten gestanden. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Abwägung nicht um den übrigen – zudem nicht mehr abrufbaren – Inhalt der Erstmitteilung vom 15. Januar 2016 zu erweitern. Zwar mag der Kläger mit der von ihm verübten Straftat insgesamt den Anlass zur Erstmitteilung vom 15. Januar 2016 gegeben haben. Doch handelt es sich, anders als die Revision meint, nicht etwa um die unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts (§ 286 ZPO), wenn der Frage der Rechtmäßigkeit der Erstmitteilung im Übrigen (vgl. hierzu aber Senatsurteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 249/18, AfP 2020, 143) im Streitfall kein entscheidendes Gewicht zukommt. Eine unzulässige Äußerung wird nicht dadurch zulässig, dass eine (darin in Bezug genommene) Mitteilung im Übrigen zulässige Äußerungen enthält.

(2) Auch wenn die Gegendarstellung für sich genommen lediglich wahre Tatsachenbehauptungen enthält, belastet sie den Kläger doch durch die zwangsläufige Reaktualisierung der ursprünglichen – unwahren – Tatsachenbehauptungen (s. dazu bereits oben II.2.a). Zugunsten des Klägers fällt insoweit erschwerend ins Gewicht, dass es sich bei dem Verdacht der Zuhälterei um einen schwerwiegenden Vorwurf handelt.

(3) Entgegen der Auffassung der Revision wiegt das Schutzinteresse des Klägers nicht allein deshalb weniger schwer als das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten, weil der streitgegenständlichen Gegendarstellung keine Breitenwirkung mehr zukomme. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Gegendarstellung zwar nicht ohne weiteres über eine Namenssuche bei der Suchmaschine von Google, wohl aber über die direkte Eingabe ihrer URL und über eine Namenssuche mittels der Suchfunktion auf der Webseite www.bild.de und damit weltweit auf der Seite eines bekannten Online-mediums abrufbar. Sie ist damit – wenngleich weniger leicht – weiterhin für Dritte zugänglich. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist damit zwar deutlich weniger intensiv als bei einem prioritären Nachweis der Gegendarstellung über eine allgemeine Namenssuche mittels einer gängigen Suchmaschine (vgl. hierzu BVerfGE 152, 152 Rn. 146 ff.), sie ist aber weiterhin vorhanden.

(4) Dem kann die Beklagte hier kein schützenswertes Interesse an dem weiteren Vorhalten der Gegendarstellung in ihrem Online-Archiv entgegenhalten.

Zwar liegt die Möglichkeit, einmal veröffentlichte Berichte online vollständig zu archivieren und als Spiegel der Zeitgeschichte zu erhalten, grundsätzlich im öffentlichen Interesse und auch im von Art. 5 Abs. 1 GG erfassten eigenen Interesse der Presseverlage (vgl. BVerfGE 152, 152 Rn. 112 f., 130 mwN). Doch ist die Interessenlage im Übrigen im vorliegenden Fall schon im Ausgangspunkt eine andere als in den zuletzt vom Senat (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2020 – VI ZR 476/19, AfP 2020, 494 mwN) und vom Bundesverfassungsgericht (vgl. etwa BVerfG, AfP 2020, 302 mwN) zur Frage der Online-Archive entschiedenen Fällen. Ging es dort jeweils um die Frage der Zulässigkeit der (weiteren) Archivierung von eigener Berichterstattung und damit im Ausgangspunkt auch um die Freiheit der Presse, steht hier die Archivierung einer Gegendarstellung des von einer solchen Berichterstattung Betroffenen in Rede, die dieser gerade gegen die Beklagte und in – freilich gerechtfertigter – Beeinträchtigung von deren Pressefreiheit durchgesetzt hat.

Ein schützenswertes Interesse an dem weiteren Vorhalten der – im Um-fang der Gegendarstellung bereits ursprünglich rechtswidrigen – Erstmitteilung vom 15. Januar 2016 im Online-Archiv der Beklagten besteht nicht (vgl. Senats-urteil vom 16. Februar 2016 – VI ZR 367/15, NJW-RR 2017, 31 Rn. 31 ff.). Ein solches wird von der Beklagten, die sich diesbezüglich zur Unterlassung ver-pflichtet hat, auch nicht geltend gemacht; die Erstmitteilung selbst ist im Online-Archiv der Beklagten auch nicht abrufbar. Nichts anderes kann dann aber auch für die Gegendarstellung gelten, die nach den oben unter II.1 und II.2.a dargestellten Grundsätzen als Gegenrede notwendig inhaltlich mit der Erstmitteilung verbunden, formal mit dieser zu verknüpfen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 3 RStV, jetzt: § 20 Abs. 1 Satz 3 MStV) und insgesamt von dieser abhängig ist. Wird die unzulässige Tatsachenbehauptungen enthaltende Erstmitteilung nicht mehr zum Abruf angeboten, darf auch die Gegendarstellung mangels Gegen-Stücks jedenfalls über den Zeitraum des § 56 Abs. 1 Satz 4 RStV (jetzt: § 20 Abs. 1 Satz 4 MStV) hinaus nicht gegen den Willen des Betroffenen im Online-Archiv des Erstschädigers zum Abruf vorgehalten werden. Andernfalls würde der Schutzzweck der Gegendarstellung unterlaufen und im Ergebnis das Instrument der Gegendarstellung, die ihrer Natur nach vorrangig dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen dient, in sein Gegenteil verkehrt.

(5) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte sich der Gegendarstellung des Klägers in einer abschließenden redaktionellen Anmerkung angeschlossen und dem Kläger recht gegeben hat. Allein durch diese zustimmende Anmerkung verliert die Gegendarstellung nicht ihren Charakter als Rechtsschutzinstrument zugunsten des Betroffenen. Die redaktionelle Anmerkung der Beklagten dient vielmehr allein der Korrektur einer früheren Falschbehauptung und beugt eventuellen weiteren Maßnahmen des Klägers vor (vgl. dazu Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 11 Rn. 188). Sie unterstreicht damit nur die auch inhaltliche Berechtigung der in der Gegendarstellung zum Ausdruck gebrachten Position des Klägers, nimmt aber nicht die dem Kläger durch die mittelbare Reaktualisierung der Vorwürfe entstehende Belastung.

(6) Bei dieser Sachlage kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob die Auffindbarkeit der Gegendarstellung für den Internetnutzer durch weitere Maßnahmen, etwa die weitergehende Sperrung für den Zugriff von gängigen Suchmaschinen und der eigenen Suchfunktion auf der Webseite der Beklagten, weiter reduziert werden kann (vgl. hierzu für den Fall der ursprünglich rechtmäßigen Berichterstattung Senatsurteil vom 22. September 2020 – VI ZR 476/19, AfP 2020, 494 Rn. 11 ff.; BVerfG, AfP 2020, 302 Rn. 11; jeweils mwN).

Vorinstanzen:
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.10.2019, Az. 2-3 O 452/18
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.08.2020, Az. 16 U 279/19

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