BGH: Betreiber einer Darknet-Plattform, über die Pistole für Amoklauf verkauft wird, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

veröffentlicht am 19. August 2019
BGH, Beschluss vom 06.08.2019, Az. 1 StR 188/19§ 222 StGB, § 229 StGB, § 22 StGB

Der BGH hat entschieden, dass der Betreiber einer Handelsplattform im Darknet, über welche einem Amokläufer eine von diesem verwendete Waffe nebst Munition verkauft wird, für die anschließenden Tötungsdelikte wegen Beihilfe zum Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei Fällen und zum Handeltreiben mit Schusswaffen in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in neun Fällen und mit fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt werden kann. Zwar habe der Angeklagte nichts von den Amok-Plänen des späteren Schützen gewusst. Aber er hätte erkennen können und müssen, dass die Möglichkeit eines anonymen Waffenerwerbs abseits des geregelten legalen Marktes dazu führen könne, dass der Erwerber eine auf diesem Weg erworbene Schusswaffe zur Tötung und Verletzung von Menschen einsetze. Dies gelte, zumal da der Angeklagte durch die Berichterstattung über ein vorausgegangenes Pariser Attentat auf eine solche Möglichkeit aufmerksam geworden sei. Zur Pressemittung Nr. 109/2019 de BGH vom 19.08.2019:


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„Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle

Nr. 109/2019 vom 19.08.2019

Urteil gegen den Betreiber der Internetplattform, über die die Waffe für den Münchner Amoklauf verkauft wurde, rechtskräftig

Beschluss vom 6. August 2019 – 1 StR 188/19

Das Landgericht Karlsruhe hat den Angeklagten wegen mehrerer Betäubungsmittel- und Waffendelikte sowie wegen Beihilfe zum Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei Fällen und zum Handeltreiben mit Schusswaffen in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in neun Fällen und mit fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Teile des Schuldspruchs beschränkten Revision. Er beanstandet, dass ihm fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der Tötungen und Körperverletzungen vorgeworfen wird.

Nach den Feststellungen des nunmehr rechtskräftigen Urteils betrieb der Angeklagte als alleiniger Administrator eine Plattform im Darknet. Diese war auf größtmögliche Anonymität und Abschottung angelegt und mit dem Zusatz versehen: „Keine Kontrolle, alles erlaubt.“ Dementsprechend hatte er verschiedene Unterkategorien eingerichtet, die dem Werben für Betäubungsmittel und dem Vertrieb von Waffen dienten. Nachdem im November 2015 seine Plattform von der Presse mit dem Erwerb der Waffen für das Attentat von Paris am 13. November 2015 in Verbindung gebracht worden war, deaktivierte der Angeklagte die Waffenkategorie, um das Medieninteresse daran einzudämmen. Schon am 2. Januar 2016 aktivierte er diese Kategorie erneut, so dass sie und die darin hinterlegten Gesuche für registrierte Nutzer der Plattform sichtbar waren.

Über diese Plattform wurden durch die Nutzer illegale Waffengeschäfte ohne die erforderlichen waffenrechtlichen Genehmigungen abgewickelt. Gegenstand eines dieser Geschäfte war der Verkauf einer Pistole Glock und 567 Patronen an den 18 Jahre alten David S., die ihm der Verkäufer, der mittlerweile rechtskräftig verurteilte Philipp K., am 20. Mai und 17. Juli 2016 übergab.

Am frühen Abend des 22. Juli 2016 schoss David S. mit der Waffe und der Munition auf eine Gruppe Jugendlicher in einer McDonalds-Filiale im Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Fünf Jugendliche starben, einer wurde schwer verletzt. David S. verließ sodann das Einkaufszentrum und schoss auf die zu Fuß Flüchtenden. Dabei tötete er drei weitere Menschen, drei erlitten schwere Verletzungen. Er ging zurück in das Einkaufszentrum und erschoss dort einen jungen Mann. Auf seiner Flucht verletzte er noch eine weitere Person durch einen Schuss. Es gelang ihm, sich etwa zweieinhalb Stunden zu verbergen; als er schließlich von der Polizei entdeckt wurde, erschoss er sich selbst.

In die Planung dieser Tat hatte David S. niemanden einbezogen. Auch der Angeklagte wusste nichts von diesen Plänen. Aber er hätte erkennen können und müssen, dass die Möglichkeit eines anonymen Waffenerwerbs abseits des geregelten legalen Marktes dazu führen kann, dass der Erwerber eine auf diesem Weg erworbene Schusswaffe zur Tötung und Verletzung von Menschen einsetzt. Dies gilt, zumal da der Angeklagte durch die Berichterstattung über das Pariser Attentat auf eine solche Möglichkeit aufmerksam geworden war.

Der Bundesgerichtshof hat das Rechtsmittel des Angeklagten als unbegründet verworfen. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.

Vorinstanz:LG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2018, Az. 4 KLs 608 Js 19580/17…“

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