BGH: Fristgerechter Zugang einer E-Mail mit fristwahrenden Schriftsätzen in der Anlage muss vom absendenden Rechtsanwalt überprüft werden

veröffentlicht am 4. Februar 2014

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Beschluss vom 17.07.2013, Az. I ZR 64/13
§ 85 Abs. 2 ZPO, § 233 ZPO, § 544 Abs. 1 S.2 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass bei Übersendung einer E-Mail, mit der ein beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt beauftragt wird, ein Rechtsmittel (hier: Nichtzulassungsbeschwerde) einzulegen, vom Absender immer zu überprüfen ist, ob die E-Mail den Adressaten zeitig erreicht hat. Es bestehe die Gefahr, dass eine E-Mail-Nachricht den Empfänger wegen einer technischen Störung bei der Übermittlung nicht erreiche. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Beschluss

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.07.2013 durch … beschlossen:

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil wird auf ihre Kosten verworfen.

Beschwerdewert: 800.000 EUR

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit dem Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln. Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz überwiegend erfolgreiche Klage abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

Das Berufungsurteil ist den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin in vollständig abgefasster Form am 28.02.2013 zugestellt worden. Mit ihrer beim Bundesgerichtshof am 12.04.2013 eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen die unterlassene Zulassung der Revision im Berufungsurteil. Zugleich hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil beantragt.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

1.
Die Klägerin hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht beim Bundesgerichtshof eingereicht.

Gemäß § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist die Beschwerde innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Für den Fristbeginn kommt es danach grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Zustellung an. Das Berufungsurteil ist der Klägerin in vollständig abgefasster Form am 28.02.2013 zugestellt worden, mithin war die Notfrist von einem Monat bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 12.04.2013 überschritten.

2.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 233 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, das Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen. Dabei ist der Klägerin das Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

a)
Die Klägerin hat zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen, die Fristversäumung habe ihre Ursache in einem technischen Fehler im E-Mail-System des mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beauftragten Rechtsanwalts beim Bundesgerichtshof gehabt. Das technische Versagen des Systems sei weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen. E-Mail-Nachrichten könnten diese Kanzlei über drei unterschiedliche E-Mail-Adressen erreichen. Die eingehenden Nachrichten würden an die eingerichteten Endgeräte (Computer, iPad, Blackberry, IPhone und häuslichen Laptop) synchron weitergeleitet. Am Abend des 27.03.2013 habe Rechtsanwalt Dr. v. P. festgestellt, dass über eine der drei E-Mail-Adressen keine Nachrichten eingegangen seien. Dieser Fehler sei der zuständigen Wartungsfirma am Morgen des 28.03.2013 mitgeteilt worden, die den Fehler vermeintlich behoben habe. Nachdem am Abend des 28.03.2013 weiterhin keine Nachrichten über die gestörte E-Mail-Adresse eingegangen seien, sei eine erneute Überprüfung veranlasst worden. Um 0.20 Uhr des Folgetages seien die am Vortag eingegangenen Nachrichten zu empfangen gewesen.

Wegen der technischen Schwierigkeiten sei die per E-Mail vorgenommene Beauftragung zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 27.03.2013 in der Kanzlei des beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts zunächst nicht bemerkt worden. Dem Auftrag zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei zwar ein Telefonat zwischen dem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt Dr. v. P. und dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. O. am 27.03.2013 vorausgegangen. Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte habe in diesem Gespräch jedoch darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich noch nicht endgültig entschieden habe, ob sie gegen das Berufungsurteil mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgehen wolle.

b)
Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, die es versäumt haben, den Eingang des Rechtsmittelauftrags bei dem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu kontrollieren, nicht ausräumen.

aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax nur dann, wenn er bei Schriftsätzen, die auf diese Weise übermittelt wurden, anhand des Sendeprotokolls überprüft (oder durch eine zuverlässige Kanzleikraft überprüfen lässt), ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist, weil mögliche Fehlerquellen nur so mit einem hohen Maß an Zuverlässigkeit ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 21.07.2004, Az. XII ZB 27/03, NJW 2004, 3490, 3491; Beschluss vom 14.05.2008, Az. XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11; Beschluss vom 29.06.2010, Az. VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 8).

Gleiches hat für die Übersendung einer E-Mail zu gelten, mit der ein beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt beauftragt wird, ein Rechtsmittel einzulegen. Auch insoweit besteht die Gefahr, dass eine E-Mail-Nachricht den Empfänger wegen einer technischen Störung bei der Übermittlung nicht erreicht. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, hat der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2003, 833, 834).

bb)
Eine diesen Anforderungen genügende Kontrolle in der Kanzlei ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin nicht dargetan. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Weisung zur Kontrolle bestanden hat, ob ein per E-Mail erteilter Rechtsmittelauftrag den Adressaten auch tatsächlich erreicht hat. Wäre eine Kontrolle anhand einer Lesebestätigung der E-Mail erfolgt oder hätte der sachbearbeitende zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte eine solche Kontrolle selbst vorgenommen, hätte noch rechtzeitig vor Ablauf der Einlegungsfrist festgestellt werden können, dass der Auftrag zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zunächst nicht erreicht hatte. Die E-Mail, die den Rechtsmittelauftrag enthielt, wurde am 28.03.2013 um 10.08 Uhr versandt.

Anlass für eine Nachfrage, ob der Rechtsmittelauftrag ordnungsgemäß beim Adressaten eingegangen war, hat vor allem auch deshalb bestanden, weil der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der E-Mail vom 28.03.2013 ausdrücklich um eine Bestätigung der Übernahme des Mandats gebeten hatte. Die ausbleibende Bestätigung hätte den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst recht veranlassen müssen, sich bei Rechtsanwalt Dr. v. P. nach dem erteilten Auftrag zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu erkundigen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Urteil vom 11.02.2011, Az. 8 O 60/08 KfH
OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.02.2013, Az. 4 U 63/11

I