BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. I ZR 27/08
§ 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG
Der BGH hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der nach einem Wechsel zu einem anderen Unternehmen Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers anruft, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bekannt sind, um sie von dem Wechsel in Kenntnis zu setzen, regelmäßig nicht gegen § 7 Abs. 1 UWG verstößt. Zitat: „Der persönliche Kontakt, den die früheren Mitarbeiter der Klägerin im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit zu den Kunden und ihren Mitarbeitern geknüpft haben, deutet ebenso wie die bereits bestehende Geschäftsbeziehung darauf hin, dass diese Kunden gegen einen Telefonanruf nichts einzuwenden haben, der sie darüber informiert, dass der frühere Mitarbeiter der Klägerin nunmehr bei einem Wettbewerber beschäftigt ist. Denn für die Mitarbeiter des Kunden besteht – auch unabhängig davon, ob zu dem Wettbewerber eine Geschäftsbeziehung aufgebaut werden soll – ein natürliches Interesse daran zu erfahren, dass der fragliche Mitarbeiter nun nicht mehr bei der Klägerin tätig ist.“ Der BGH wies ferner darauf hin, dass es wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden gäbe, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter versuche, Kunden seines früheren Arbeitgebers für seinen jetzigen Arbeitgeber zu gewinnen. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Fortbestand einer einmal begründeten Geschäftsbeziehung. Der Kundenkreis sei kein geschütztes Rechtsgut. Das Abwerben von Kunden gehöre vielmehr zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden seien. Zum Volltext der Entscheidung:
Bundesgerichtshof
Urteil
…
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.03.2010 durch …
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.11.2007 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilung der Beklagten nach dem Klageantrag zu 1 a) und nach den darauf rückbezogenen Klageanträgen zu 2 und 3 sowie die Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Zahlung eines höheren Betrages als 1.260,26 EUR (zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 06.06.2006) bestätigt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld vom 22. Mai 2007 auf die Berufung der Beklagten abgeändert. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 28% und die Beklagten zu 72% zu tragen.
Die Kosten der Revision werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Klägerin und die Beklagte zu 1 (im Weiteren: die Beklagte) sind Wettbewerber bei der Oberflächenbearbeitung von Metallen und der Reparatur von Werkzeugen. Der Beklagte zu 2 ist einer von zwei Geschäftsführern der Beklagten. Die Klägerin nimmt die Beklagten hauptsächlich auf Unterlassung von Telefon- und E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden in Anspruch.
Bis zu ihrer Kündigung zum 31.01.2006 waren der Beklagte zu 2 und der weitere Geschäftsführer der Beklagten Dr. P. bei der Klägerin als Betriebs- bzw. Vertriebsleiter beschäftigt. Sechs weitere Mitarbeiter der Klägerin schieden ebenfalls mit dem 31.01.2006 bei dieser aus und nahmen am 31.01.2006 eine Tätigkeit bei der Beklagten auf, die im Januar 2006 von ihren beiden Geschäftsführern gegründet worden war. Um die Leistungsangebote und das Personal der neu gegründeten Beklagten am Markt vorzustellen, nahmen deren Geschäftsführer im Februar 2006 durch Anrufe und Versendung von E-Mails Kontakt zu Kunden der Klägerin auf, die ihnen noch aus ihrer früheren Tätigkeit bei dieser bekannt waren. Eine ausdrückliche Einwilligung der Kontaktierten mit den Anrufen und dem Erhalt der E-Mails lag dabei nicht vor.
Zu den Kunden der Klägerin zählten im Februar 2006 unter anderem das Unternehmen W. in Augsburg (im Weiteren: W.) und die A. GmbH in R. (im Weiteren: A.-GmbH). Am 03.02.2006 rief der Beklagte zu 2 unaufgefordert den Leiter der Werkzeugtechnik der W. und den technischen Angestellten F. der A.-GmbH an, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bei der Klägerin bekannt waren, um ihnen das Personal und das Leistungsangebot der Beklagten vorzustellen. Am 03.02.2006 versandte der Beklagte zu 2 an F. eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
Hallo Herr F. ,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse.
Wie besprochen sende ich Ihnen unsere Kontaktdaten zu. Über Anfragen/Aufträge würden wir uns freuen und sichern Ihnen eine zügige und qualitativ hochwertige Bearbeitung schon jetzt zu.
Eine E-Mail gleichen Inhalts richtete der Beklagte zu 2 am 03.02.2006 auch an den Mitarbeiter Wa. der A.-GmbH. Dieser antwortete darauf mit einer E-Mail vom 06.02.2006, die folgenden Inhalt hatte:
Hallo Herr M. ,
wir haben bis jetzt mit Ihnen noch nichts abgesprochen, was ist denn los? Haben Sie eine eigene Firma gegründet! Zu welchen Stundensätzen und über welche Kapazitäten verfügen Sie?
Die Klägerin hat die Anrufe des Beklagten zu 2 bei ihren Kunden und die Versendung der E-Mails für wettbewerbswidrig erachtet, weil zu den Geschäftstätigkeiten der Kontaktierten lediglich ein allgemeiner Sachbezug bestanden habe, der für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht ausreiche. Aus einer Branchenüblichkeit im betroffenen Markt könne eine mutmaßliche Einwilligung nicht hergeleitet werden. Im Übrigen sei eine Telefonakquise ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Angerufenen in der Branche der Oberflächenveredelung auch nicht üblich. Die von dem Beklagten zu 2 durchgeführte E-Mail-Werbung sei ebenfalls wettbewerbswidrig, da diese Art der Werbung von den Mitarbeitern F. und Wa. der A.-GmbH nicht verlangt worden sei mit der Folge, dass die erforderliche Einwilligung gefehlt habe.
Die Klägerin nimmt die Beklagten daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.
Die Beklagten haben demgegenüber geltend gemacht, bei den angerufenen Unternehmen sei der Wechsel der ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin nicht bekannt gewesen. Der Hauptzweck der beanstandeten Anrufe habe darin bestanden, die angerufenen Unternehmen hierüber zu informieren. Die übermittelte Information gehe in ihrem Informationsgehalt deutlich über eine bloße allgemeine Information hinaus und habe den Beklagten zu 2 zu der Annahme berechtigt, die Angerufenen seien mit der gewählten Form und dem Inhalt der Mitteilung einverstanden gewesen. Die Grenzen des Verbotstatbestands des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG würden überdehnt, wenn die Zulässigkeit einer Kontaktaufnahme zu einer juristischen Person des Privatrechts durch Versendung einer E-Mail davon abhängig gemacht werde, dass in der Person des tatsächlich Kontaktierten eine Einwilligung bestanden habe.
Das Landgericht hat der Klage mit den in erster Instanz gestellten Anträgen im Wesentlichen stattgegeben. Nach Änderung der Klageanträge hat das Berufungsgericht – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung –
1. die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
a) gegenüber Gewerbetreibenden Werbung mit Telefonanrufen zu betreiben, wenn nicht der Angerufene in diese Art der Werbung einwilligt oder im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände, die über den bloß abstrakten Bedarf des Angerufenen an den von der Beklagten angebotenen Waren oder Dienstleistungen hinausgehen, die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Angerufene ein sachliches Interesse an dieser Art der Werbung hat,
b) gegenüber Gewerbetreibenden per E-Mail Werbung zu betreiben, wennnicht der Kontaktierte zuvor diese Werbung von den Beklagten verlangt hat oder
– die Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postanschrift erhalten haben,
– die Beklagten die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistung verwenden,
– der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen;
c) ,,,
d) …
2. die Beklagten verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Umfang der unter Ziffer 1 beschriebenen Verletzungshandlungen;
3. festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die diese aus den unter Ziffer 1 angeführten Verletzungshandlungen entstanden sind oder noch entstehen werden;
4. die Beklagte zu 1 verurteilt, an die Klägerin 3.560,40 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die beanstandete Telefon- und E-Mail-Werbung als wettbewerbswidrig angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Eine unlautere Belästigung von Gewerbetreibenden durch Telefonanrufe liege gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG bei einer Werbung ohne eine zumindest mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen vor. Eine solche Einwilligung habe zum Zeitpunkt der Anrufe des Beklagten zu 2 bei der W. und der A.-GmbH gefehlt. Sie habe nicht daraus hergeleitet werden können, dass bei den angerufenen Unternehmen der Wechsel von Mitarbeitern, nämlich der „Leistungsträger der Klägerin“, zur Beklagten habe bekanntgemacht werden sollen. Der Beklagte zu 2 habe bei den Anrufen nicht in einem sachlichen Interesse der Angerufenen gehandelt, zu denen die Beklagte bis zu den Anrufen noch keine Geschäftsbeziehungen unterhalten habe. Die Bekanntmachung des Marktzutritts der Beklagten und ihres Leistungsvermögens habe vielmehr in erster Linie deren eigenem Interesse gedient.
Eine mutmaßliche Einwilligung der Angerufenen ergebe sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einer üblichen Gepflogenheit im entsprechenden Markt, Neukunden durch Telefonanrufe zu akquirieren. Daher komme es auf den Streit zwischen den Parteien über das Bestehen einer derartigen Branchenübung nicht an. Nur ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund könne eine mutmaßliche Einwilligung begründen. Dieser Beurteilung stehe die Entscheidung „Telefonwerbung für Blindenwaren“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2001,1181) nicht entgegen, da ihr ein nicht verallgemeinerungsfähiger Sonderfall zugrunde gelegen habe.
Die Klägerin könne von den Beklagten auch die Unterlassung der E-Mail-Werbung verlangen, da die insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht bewiesen hätten, dass die Mitarbeiter F. und Wa. der A.-GmbH um die Übermittlung von Informationen per E-Mail gebeten und darin eingewilligt hätten.
Die Bagatellgrenze des § 3 UWG sei weder hinsichtlich der in Rede stehenden Einzelverstöße noch in der Gesamtheit unterschritten, weil die festgestellten Verstöße – wie die streitgegenständliche Auseinandersetzung verdeutliche – erheblichen Einfluss auf das Marktgeschehen hätten.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat teilweise Erfolg. Sie ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung der Telefonwerbung (Klageantrag zu 1 a), gegen die Verurteilung nach den darauf rückbezogenen Nebenanträgen (Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht) sowie gegen die Verurteilung zur Zahlung eines höheren Betrages als 1.260,26 EUR nebst Zinsen wendet. In diesem Umfang führt die – im Übrigen unbegründete – Revision zur Klageabweisung.
1.
Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30.12.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008 (BGBl. I S. 2949, UWG 2008) anzuwenden. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2007, Az. I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 – Telefonaktion; Urteil vom 16.7.2009, Az. I ZR 50/07, GRUR 2010, 248 Tz. 15 = WRP 2010, 370 – Kamerakauf im Internet, m.w.N.). Demgegenüber kommt es für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. BGH, Urteil vom 19.4.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 15 = WRP 2007, 1337 – 150% Zinsbonus). Für die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Auskunftserteilung ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Begehung der angegriffenen Handlung maßgeblich (BGH GRUR 2010, 248 Tz. 15 – Kamerakauf im Internet).
Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf nicht erbetene Anrufe und E-Mails des Beklagten zu 2 gestützt, die dieser im Februar 2006 vorgenommen bzw. versandt hat. Zu diesem Zeitpunkt beurteilte sich die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Werbung gegenüber Gewerbetreibenden durch Telefonate und Versendung von E-Mails nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 und Nr. 3 UWG in der am 08.07.2004 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004 (UWG 2004). Durch die UWG-Novelle 2008 wurde § 7 Abs. 2 UWG 2004 dahingehend geändert, dass die dort aufgeführten Beispielsfälle „stets“ eine unzumutbare Belästigung darstellen. Darüber hinaus wurde das in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 enthaltene Erfordernis der „Einwilligung“ durch die nunmehr notwendige „vorherige ausdrückliche Einwilligung“ ersetzt.
Die genannten Gesetzesänderungen erfordern jedoch keine Unterscheidung bei der rechtlichen Bewertung des Streitfalls. Durch die Bestimmung in § 7 Abs. 2 UWG 2008, der zufolge die in dieser Vorschrift aufgeführten Beispielsfälle „stets“ eine unzumutbare Belästigung darstellen, wird klargestellt, dass die Bagatellklausel des § 3 UWG nicht mehr anwendbar ist (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 7 Rdn. 1). Nach der Rechtsprechung des Senats schloss eine unzumutbare Belästigung i.S. des § 7 Abs. 2 UWG 2004 einen Bagatellverstoß von vornherein aus (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2006, Az. I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 23 = WRP 2007, 775 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; Urteil vom 20.9.2007, Az. I ZR 88/05, GRUR 2008, 189 Tz. 23 = WRP 2008, 44 – Suchmaschineneintrag; Beschluss vom 10.12.2009, Az. I ZR 201/07, juris Tz. 11). Bei einer Werbung per E-Mail gegenüber Gewerbetreibenden reichte nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 – anders als nunmehr gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2008, der eine „vorherige ausdrückliche Einwilligung“ erfordert – zwar eine konkludente Einwilligung aus (vgl. BGH, Urteil vom 17.7.2008, Az. I ZR 197/05, GRUR 2008, 925 Tz. 21 = WRP 2008, 1130 – FC Troschenreuth). Darauf haben sich die Beklagten aber im Streitfall nicht berufen. Eine bloß mutmaßliche Einwilligung konnte die E-Mail-Werbung gegenüber einem Gewerbetreibenden auch schon nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 nicht rechtfertigen (BGH GRUR 2008, 925 Tz. 27 – FC Troschenreuth).
2.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die in Rede stehenden Telefonanrufe des Beklagten zu 2 seien nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG 2004 wettbewerbswidrig (Klageantrag zu 1 a), hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)
Telefonanrufe bei Unternehmen zu Werbezwecken können zwar grundsätzlich wettbewerbswidrig sein, weil sie zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen der beruflichen Tätigkeit des Angerufenen führen können. Wer einen Telefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält, rechnet jedoch mit Anrufen, mit denen der Anrufer ein akquisitorisches Bemühen verfolgt. Anders als im privaten Bereich ist telefonische Werbung im geschäftlichen Bereich daher nicht nur zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat; sie ist vielmehr gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG auch schon bei einer mutmaßlichen Einwilligung wettbewerbsgemäß. Erforderlich ist danach, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden an der Telefonwerbung vermutet werden kann (BGH GRUR 2008, 189 Tz. 14 – Suchmaschineneintrag; zu § 1 UWG a.F. BGH, Urteil vom 5.2.2004, Az. I ZR 87/02, GRUR 2004, 520, 521 = WRP 2004, 603 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag).
Bei der Beurteilungder Frage, ob der Anrufer von einer mutmaßlichen Einwilligung des anzurufenden Gewerbetreibenden ausgehen konnte, ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen. Maßgeblich ist, ob der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen (vgl. BGHZ 113, 282, 286 – Telefonwerbung IV; BGH GRUR 2004, 520, 521 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag; BGH GRUR 2008, 189 Tz. 15 – Suchmaschineneintrag).
b)
Danach kommt es im Streitfall maßgeblich darauf an, ob der Beklagte zu 2 vor den Anrufen am 2. Februar 2006 annehmen durfte, die anzurufenden Personen würden mit dem Werbeanruf, so wie er geplant war, einverstanden sein. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.
aa)
Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine mutmaßliche Einwilligung der Anzurufenden habe sich nicht aus einer im streitgegenständlichen Markt üblichen Gepflogenheit ergeben, Neukunden durch Telefonanrufe zu akquirieren.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG stellt bei der Frage, ob der Werbeanruf für den Anzurufenden eine unzumutbare Belästigung darstellt, auf dessen tatsächliche oder mutmaßliche Einwilligung ab. Entscheidend ist insoweit das Empfinden des Durchschnittsmarktteilnehmers (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 7 Rdn. 21). Macht eine Vielzahl von werbenden Unternehmen in einer bestimmten Branche von wettbewerbswidriger Telefonwerbung Gebrauch, so besagt dieser Umstand nichts darüber, ob der Durchschnittsmarktteilnehmer mit dieser Werbemethode einverstanden ist. Das Gegenteil dürfte vielmehr anzunehmen sein. Zudem wird das Verbot gerade damit begründet, dass eine Nachahmung durch Wettbewerber verhindert werden soll (vgl. BGHZ 59, 317, 321 f. – Telex-Werbung; siehe auch BGH GRUR 2008, 189 Tz. 21 f. – Suchmaschineneintrag), was einer Zulassung der Werbung wegen Branchenübung gerade entgegensteht (so auch Fezer/Mankowski, UWG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 157; Seichter/Witzmann, WRP 2007, 699, 707; a.A. Engels/Stulz-Hermstadt, WRP 2005, 1218, 1228).
bb)
Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz auch zutreffend davon ausgegangen, dass ein allgemeiner Sachbezug zu den vom angerufenen Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen im Allgemeinen für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht ausreicht, weil Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden andernfalls nahezu unbeschränkt zulässig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25.1.2001, Az. I ZR 53/99, GRUR 2001, 1181, 1182 = WRP 2001, 1068 – Telefonwerbung für Blindenwaren, zu § 1 UWG a.F.; BGH GRUR 2007, 607 Tz. 20 – Telefonwerbung für „Individualverträge“).
Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die beanstandeten Anrufe wiesen nur einen solchen allgemeinen Sachbezug zum Geschäftsgegenstand der Angerufenen auf, erweist sich indes als rechtsfehlerhaft, weil unter den im Streitfall gegebenen Umständen davon auszugehen ist, dass die angerufenen
Mitarbeiter der Kunden der Klägerin den Anrufen des Beklagten zu 2 positiv gegenüber gestanden haben.
Ein hinreichend großes Interesse des anzurufenden Gewerbetreibenden, das die Annahme rechtfertigt, er werde mit dem Anruf einverstanden sein, kann vor allem dann anzunehmen sein, wenn die telefonische Werbemaßnahme einen sachlichen Zusammenhang zu einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung aufweist (BGH GRUR 2008, 189 Tz. 18 – Suchmaschineneintrag, m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung maßgeblich darauf abgestellt, der Umstand, dass die jetzt für die Beklagte tätigen früheren Mitarbeiter der Klägerin zu deren Kunden Kontakt gehabt hätten, rechtfertige nicht die Annahme, es hätten schon zum Zeitpunkt der beanstandeten Anrufe Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und den Kunden der Klägerin bestanden, weil diese Kundenkontakte und die bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen allein der Klägerin zuzurechnen seien.
Diese Erwägung trifft zwar zu, schöpft aber die Besonderheiten des Streitfalls nicht aus. Die bereits bestehende Geschäftsbeziehung stellt lediglich einen Beispielsfall dar, in dem von einem mutmaßlichen Einverständnis des Angerufenen ausgegangen werden kann. Der persönliche Kontakt, den die früheren Mitarbeiter der Klägerin im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit zu den Kunden und ihren Mitarbeitern geknüpft haben, deutet ebenso wie die bereits bestehende Geschäftsbeziehung darauf hin, dass diese Kunden gegen einen Telefonanruf nichts einzuwenden haben, der sie darüber informiert, dass der frühere Mitarbeiter der Klägerin nunmehr bei einem Wettbewerber beschäftigt ist. Denn für die Mitarbeiter des Kunden besteht – auch unabhängig davon, ob zu dem Wettbewerber eine Geschäftsbeziehung aufgebaut werden soll – ein natürliches Interesse daran zu erfahren, dass der fragliche Mitarbeiter nun nicht mehr bei der Klägerin tätig ist.
Es ist auch wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter in diesem Zusammenhang versucht, Kunden seines früheren Arbeitgebers für seinen jetzigen Arbeitgeber zu gewinnen. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Fortbestand einer einmal begründeten Geschäftsbeziehung. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Das Abwerben von Kunden gehört vielmehr zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind (BGH, Urteil vom 8.11.2001, Az. I ZR 124/99, GRUR 2002, 548, 549 = WRP 2002, 526 – Mietwagenkostenersatz, m.w.N.; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 10.44; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rdn. 10/57). Verwendet der inzwischen für einen Mitbewerber tätige ehemalige Mitarbeiter für die Kontaktaufnahme zu einem Kunden seines früheren Arbeitgebers Informationen, die er während seiner Tätigkeit für seinen bisherigen Arbeitgeber erlangt hat, so ist dies nicht unlauter, solange er hierfür auf eigene Kenntnisse zurückgreift, die für seinen neuen Arbeitgeber zu nutzen ihm nicht untersagt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 14.1.1999, Az. I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 936 = WRP 1999, 912 – Weinberater). Die früher bei einem anderen Arbeitgeber erlangten Kenntnisse darf sich der zu einem neuen Unternehmen gewechselte Arbeitnehmer daher zunutze machen und für seinen jetzigen Arbeitgeber einsetzen, dem sie zugute kommen. Ein Hinweis auf die Tätigkeit für ein neues Unternehmen, das mit dem bisherigen Arbeitgeber im Wettbewerb steht, kann für den kontaktierten Kunden des früheren Arbeitgebers eine nützliche Information sein, an der er ein nicht unerhebliches Interesse haben kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 10.44; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rdn. 10/57).
Danach hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, die Anrufe des Beklagten zu 2 bei den Kunden W. und A.-GmbH der Klägerin hätten lediglich einen allgemeinen Sachbezug zum Geschäftsgegenstand der Angerufene gehabt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durfte der Beklagte zu 2 unter den im Streitfall gegebenen Umständen vielmehr annehmen, dass die angerufenen Unternehmen daran interessiert waren, von dem Wechsel mehrerer Mitarbeiter von der Klägerin zur Beklagten unterrichtet zu werden, und dass sie daher auch mit einem Telefonanruf einverstanden waren, zumal zumindest zwei der zur Beklagten gewechselten Mitarbeiter bei der Klägerin in leitenden Positionen tätig waren.
cc)
Die mutmaßliche Einwilligung des anzurufenden Gewerbetreibenden muss sich allerdings nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Art der Werbung erstrecken. Der anzurufende Gewerbetreibende muss dementsprechend mutmaßlich (gerade) auch mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sein. Eine mutmaßliche Einwilligung kann selbst dann anzunehmen sein, wenn die Herstellung der Verbindung durch einen Telefonanruf gegenüber einer schriftlichen Werbung zwar keine oder sogar weniger Vorzüge aufweist, den Interessen des Anzurufenden aber gleichwohl noch in einem Maß entspricht, dass die mit dem Anruf verbundenen Belästigungen hinnehmbar erscheinen (vgl. BGHZ 113, 282, 285; BGH GRUR 2004, 520, 522 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag; GRUR 2008, 189 Tz. 15 – Suchmaschineneintrag).
Der Beklagte zu 2 konnte berechtigterweise davon ausgehen, dass die von ihm Angerufenen auch gerade mit dieser Art der Werbung einverstanden sein würden. Die Angerufenen hatten ein nicht unerhebliches Interesse an den von dem Beklagten zu 2 erteilten Informationen. Eine direkte Kontaktaufnahme per Telefonat bot den Angerufenen zudem die Möglichkeit, sich bei dem Anrufer unmittelbar nach Einzelheiten zu erkundigen. Die telefonische Informationserteilung war daher für die Angerufenen im Vergleich zu einer schriftlichen Ansprache schneller, einfacher und zielgerichteter, zumal der Anrufer den Angerufenen bereits bekannt war.
Dementsprechend sindauch die auf den Klageantrag zu 1 a rückbezogenen Folgeansprüche unbegründet.
3.
Mit Recht hat das Berufungsgericht dagegen in der beanstandeten E-Mail-Werbung einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gesehen (Klageantrag zu 1 b).
a)
Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2008) lag nicht vor, so dass es darauf ankommt, ob das Verhalten auch nach dem insoweit weniger strengen alten Recht zu untersagen war. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 erforderte die Zulässigkeit einer E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden zumindest eine konkludente Einwilligung des Adressaten der Werbung. Die bloß mutmaßliche Einwilligung des Beworbenen reichte für die Zulässigkeit einer Werbung per E-Mail dagegen nicht aus (vgl. BGH GRUR 2008, 925 Tz. 25 – FC Troschenreuth).
b)
Das Berufungsgericht hat angenommen, die insoweit beweisbelasteten Beklagten hätten nicht bewiesen, dass die Mitarbeiter F. und Wa. der A.-GmbH in die Zusendung von E-Mails zumindest konkludent eingewilligt hätten. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen. Sie bringt lediglich vor, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung der A.-GmbH bzw. von deren Mitarbeitern verneint. Darauf kommt es jedoch – wie dargelegt – nicht an, weil § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 eine zumindest konkludente Einwilligung für die Verneinung einer unzumutbaren Belästigung erfordert.
c)
Eine unzumutbare Belästigung i.S. des § 7 Abs. 2 UWG 2004 ist zugleich geeignet, die Interessen der Marktteilnehmer i.S. des § 3 UWG 2004 erheblich zu beeinträchtigen (BGH GRUR 2008, 189 Tz. 23 – Suchmaschineneintrag).
4.
Da der auf Unterlassung der beanstandeten E-Mail-Werbung gerichtete Klageantrag zu 1 a begründet ist, haben auch die darauf rückbezogenen Anträge auf Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 9 UWG) Erfolg.
5.
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Höhe von 1.260,26 EUR zuzüglich Zinsen begründet.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Gegenstand der beiden Abmahnschreiben vom 10.04.2004 waren die von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 1 a (Telefonwerbung) sowie mit einem weiteren, in den Vorinstanzen erfolgreichen, jedoch nicht in die Revisionsinstanz gelangten Unterlassungsantrag geltend gemachten Ansprüche. Die Abmahnung der Klägerin wegen der von ihr beanstandeten Telefonwerbung war – wie unter II 2 ausgeführt – unbegründet. Die Klägerin kann den Ersatz ihrer Aufwendungen daher nur beanspruchen, soweit diese dem ihr zugesprochenen Unterlassungsantrag zuzurechnen sind (BGH, Urteil vom 10.12.2009, Az. I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Tz. 50 = WRP 2010, 1023 – Sondernewsletter). Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen (BGH GRUR 2010, 744 Tz. 52 – Sondernewsletter; Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 11 Rdn. 36 Fn. 170). Von den geltend gemachten Abmahnkosten entfällt daher nur ein entsprechender Teil auf den begründeten Unterlassungsanspruch.
III.
Das Berufungsurteil ist somit auf die Revision der Beklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufzuheben, soweit die Beklagten nach dem Klageantrag zu 1 a sowie nach den darauf rückbezogenen Klageanträgen zu 2 und 3 verurteilt worden sind. Es ist ebenfalls aufzuheben, soweit die Beklagte zu 1 nach dem Klageantrag zu 4 zur Zahlung eines höheren Betrags als 1.260,26 EUR (zuzüglich Zinsen) verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Urteil vom 22.05.2007, Az. 11 O 29/06
OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2007, Az. 4 U 102/07